In seiner virtuellen Sitzung am 11. und 12. Juni 2025 hat sich der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) mit folgenden Themen befasst:
Die im DFG-Diskussionspapier „Digitale Forschungspraxis und kooperative Informationsinfrastrukturen“1 festgehaltenen Ergebnisse sollen zum einen durch konkrete Fördermaßnahmen, zum anderen im Rahmen eines strategischen Dialogprozesses umgesetzt werden, wobei beide Stränge in Wechselwirkung zueinander stehen. Der AWBI hat sich mit dem Stand der Umsetzung beider Stränge befasst und nächste Schritte festgelegt.
Der strategische Dialogprozess zielt darauf ab, Dialoge zu spezifischen Handlungsfeldern anzuregen, die auch außerhalb des von der DFG zu gestaltenden Spielraums liegen können. Dazu wurden folgende zentrale Dialogziele identifiziert:
Bewusstsein für die Relevanz kooperativer Strukturen schaffen
Identifikation massiver, die Forschung gefährdender Finanzierungslücken und -hürden
Erhöhung der Wirkkraft der DFG-Förderung
Anregung von Selbstorganisationsprozessen
Abstimmung der Rollen und Verantwortlichkeiten, auch über die Grenzen der DFG-Förderung hinaus
Vorgesehen ist, den Dialogprozess als agilen, ergebnisoffenen Prozess zu gestalten. Die DFG-Geschäftsstelle erarbeitet derzeit ein Konzept für die Ausgestaltung der initialen Dialogformate.
Hinsichtlich der Umsetzung konkreter Fördermaßnahmen ist bisher die Ausschreibung zu „Datenkorpora für Künstliche Intelligenz“2 veröffentlicht worden, zu der mit Stichtag Ende Mai 2025 245 unverbindliche Absichtserklärungen eingegangen sind. Des Weiteren ist eine Maßnahme zum Mapping unterschiedlicher Kategorienschemata geplant. Eine weitere Maßnahme bezieht sich auf die Ergänzung der dritten Ebene des DFG-Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“. Hier kann auf Vorarbeiten zu den Themenfeldern Forschungssoftware und Forschungsdaten aus dem internen Projekt „Digitaler Wandel“ der DFG-Geschäftsstelle aufgebaut werden. Die Abfassung neuer Beiträge ist in Vorbereitung. Darüber hinaus wird in einer weiteren Maßnahme die Ausgestaltung eines integrierten LIS-Förderprogramms3 vorbereitet, zu dem erste inhaltliche Eckpunkte in der kommenden AWBI-Sitzung diskutiert werden sollen.
Am 1. und 2. April 2025 hat in Bonn die erste FIDplus-Konferenz stattgefunden, an der rund 100 Vertreter*innen aller aktuell 36 DFG-geförderten Fachinformationsdienste teilgenommen haben. Anlass war die Einrichtung der neuen Förderlinie „FIDplus: Ergänzung der Projektförderung für Fachinformationsdienste für die Wissenschaft um längere Förderperioden und die Möglichkeit einer fortgesetzten Antragstellung“.4 Die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung der Konferenz lag bei den FID-Gremien (Vorstand des Lenkungsgremiums, Sprecher*innen der AG FID, Vertreter*innen des Projekts FID-Netzwerk).
Ziel der Konferenz war die Vereinbarung verbindlicher Ziele zur weiteren Entwicklung und Konsolidierung der FID-Gesamtstruktur sowie die Erarbeitung der hierfür erforderlichen Maßnahmen. Diskutiert wurden folgende Themen, die zum einen für die FID-Services von übergreifender Bedeutung sind, zum anderen nur in kooperativer Verantwortung bearbeitet werden können:
Qualitative und quantitative Indikatoren (FIDplus-Indikatorik)
Open-Access-Publizieren
Forschungsdatenmanagement
FID-Services und künstliche Intelligenz
Die Ergebnisse der Konferenz werden in einen FID-Aktionsplan für die Jahre 2026 bis 2028 einfließen, der im November 2025 von den FID-Gremien verabschiedet werden soll. Die darin formulierten Ziele und Maßnahmen sollen ab dem Jahr 2026 in verteilter Verantwortung Eingang in die FIDplus-Anträge finden. Da es erforderlich sein wird, diese Ziele und Maßnahmen kontinuierlich einer Überprüfung zu unterziehen, sollen in regelmäßigen Abständen Folgekonferenzen stattfinden. Die Termine für die Jahre 2026 und 2027 stehen bereits fest.
Der AWBI war mit einem Mitglied ebenfalls auf der Konferenz vertreten. Aus dieser Perspektive wurde darauf hingewiesen, dass viele FID-Vertreter*innen die geringe Aufmerksamkeit, die dem FID-System von Seiten der Hochschulleitungen und der Wissenschaftspolitik entgegengebracht wird, als problematisch ansehen, vor allem im Vergleich zur Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Dieser Eindruck wird vom AWBI bestätigt und resultierte in dem Vorschlag, dass der AWBI Kommunikationsmaßnahmen des FID-Netzwerks proaktiver als bisher unterstützen soll. Weitere Maßnahmen dazu sollen in der nächsten AWBI-Sitzung diskutiert werden.
In seiner vorherigen Sitzung hatte sich der AWBI dafür ausgesprochen, im Programm „Digitalisierung und Erschließung“ eine gemeinsame Ausschreibung mit dem National Endowment for the Humanities (NEH) in den USA durchzuführen. Gegenstand der Ausschreibung sollte die Digitalisierung und Erschließung geisteswissenschaftlicher Sammlungen in Deutschland und den USA sowie die Gestaltung des digitalen Zugangs zu diesen Beständen sein. Der AWBI hat sich nun über den aktuellen Stand informiert. Aufgrund einschneidender Kürzungsmaßnahmen, die sowohl das Personal als auch die Fördermittel des NEH betreffen, wurde zwischen der DFG-Geschäftsstelle und den zuständigen Kolleg*innen des NEH entschieden, dieses Vorhaben vorerst nicht weiterzuverfolgen. Hinzu kommt, dass das NEH unter neuen Richtlinien arbeitet, durch die es beispielsweise Einschränkungen hinsichtlich der Forschungsgebiete, die gefördert werden können, gibt.
Der AWBI hat sich mit der Einschätzung bzw. dem Verfahrensvorschlag zum Umgang mit den Abhängigkeiten der deutschen Wissenschafts- und Forschungslandschaft von US-amerikanischen Daten, Datenbanken und Softwaresystemen befasst, der vom Steuerungsgremium des Allianz-Schwerpunktes „Digitalität in der Wissenschaft“ entwickelt wurde. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) hatte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen darum gebeten. Der Vorschlag skizziert kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, mit denen gefährdete Datenbestände gesichert werden können. Wichtig ist aus Sicht des Allianz-Schwerpunktes, dass alle Aktivitäten auf internationaler Ebene abgestimmt und koordiniert werden. Aus Sicht des AWBI sollte bei den Diskussionen um Datensicherung auch für die Forschung relevante Textdokumente, wie beispielsweise Forschungsliteratur, mit berücksichtigt werden.
Auch über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Datentracking hat sich der AWBI informiert. Nachdem die vom AWBI eingesetzte Ad-hoc-AG „Datentracking und DEAL“ im vergangenen Jahr ihre Ergebnisse5 vorgelegt hat, sind nun auf DEAL-Ebene getrennte Gespräche in Form von Workshops mit den drei Verlagen Elsevier, Wiley und Springer Nature geplant. Vorgesehen ist, die Ergebnisse der Gespräche zu veröffentlichen.
Der Allianz-Schwerpunkt „Digitalität in der Wissenschaft“ hat zudem eine Task Force „Datentracking und Digitale Nutzungsspuren“ eingesetzt. Aufgabe der Task Force ist die Erarbeitung einer Handreichung für Bibliotheken und Personen, die Lizenzverhandlungen führen. Die Handreichung soll Rechtsgrundlagen zu Datenschutz und Datentracking enthalten sowie Empfehlungen für Lizenzverhandlungen und technische Schutzmaßnahmen. Flankiert wird dies durch exemplarische IT-forensische Analysen verschiedener (Open-Access-)Verlage und anderer Informationsanbieter. Der AWBI hat in seinen Diskussionen darauf hingewiesen, dass es Interesse an möglichen technischen Schutzmaßnahmen gibt, die Einrichtungen proaktiv anwenden können, um Effekte des Datentrackings zu reduzieren. Auf der anderen Seite gibt es auch Interesse seitens der Wissenschaft an Datensammlungen für Data-Analytics-Zwecke. Daher ist es erforderlich, die unterschiedlichen Facetten von legalen Formen der Datensammlung und datenschutzrechtlich unzulässigen und wissenschaftsethisch bedenklichen Datenvorgängen zu betrachten. Die Behandlung beider Aspekte ist in den geplanten Handreichungen vorgesehen.
Bereits in seiner vorherigen Sitzung hatte sich der AWBI mit der für die kommenden Jahre durch Knowledge Exchange geplanten Schwerpunktsetzung befasst. Im Anschluss an das im März 2025 durchgeführte Strategy Forum wurden folgende vier Themen identifiziert und in Form von vorläufigen Steckbriefen ausgearbeitet:
Unterstützung digitaler Souveränität in den Wissenschaften
Ethischer und verantwortungsvoller Umgang mit KI in den Wissenschaften
Resilienz der Wissenschaft
Sektorübergreifende Zusammenarbeit in digitalen Räumen
Der AWBI hat diese Themen auch vor dem Hintergrund erörtert, dass für den Zeitraum 2026 bis 2029 ein neues Collaboration Agreement zu Knowledge Exchange ansteht. Die ausgewählten Schwerpunktthemen sind aus Sicht des AWBI von großer Relevanz. Allerdings sollte bei der weiteren Ausarbeitung explizit gemacht werden, dass die Themen teilweise in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Zugleich sollte darauf geachtet werden, dass die Themen untereinander anschlussfähig sind. Als wichtigstes Thema benennt der AWBI die digitale Souveränität der Wissenschaften. Dieses Themenfeld muss international betrachtet und gestaltet werden. Zum vierten Thema regte der AWBI an, sich nicht auf die Wirtschaft zu beschränken, sondern insbesondere mit Blick auf Behördendaten auch die Öffentliche Hand mit einzubeziehen. Grundsätzlich wird die internationale Zusammenarbeit im Netzwerk Knowledge Exchange vom AWBI als sehr wertvoll beurteilt und ein weiteres Collaboration Agreement für die kommenden Jahre unterstützt.