Verschiedene Disziplinen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Archivierung und Nachnutzung qualitativer – insbesondere sensibler – Forschungsdaten. Um diesen Anforderungen an das Forschungsdatenmanagement (FDM) gerecht zu werden, ist das Forschungsdatenzentrum (FDZ) Qualiservice1 an der Universität Bremen an mehreren Fachinformationsdiensten (FID) beteiligt – darunter die FID Sozial- und Kulturanthropologie, Soziologie, Politikwissenschaft und Kriminologie. Im Rahmen dieser Kooperationen werden für die von den FID betreuten wissenschaftlichen Communitys passgenaue Archivierungslösungen und fachspezifische FDM-Beratungsangebote erarbeitet. Gleichzeitig entstehen hier Lösungen für Datentypen, die auch von anderen Fachcommunitys nachgenutzt werden können (Synergien). Da Qualiservice auch in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) eingebunden ist, können auf diesem Weg Bedarfe und Lösungen aus den FID-Kooperationen dort unmittelbar eingebracht und umgekehrt Services der NFDI über die FID gezielt an Forschende vermittelt werden (Wegweiser, Multiplikator*in). Im Folgenden werden das Modell und Formen der Zusammenarbeit von FID und NFDI am Beispiel Qualiservice vorgestellt. Im Fokus steht die Frage, wie über die verschiedenen FID fachspezifische Bedarfe in Infrastruktureinrichtungen integriert werden und welche Synergieeffekte sich daraus für das FID-System ergeben. Zugleich zeigt das Beispiel, dass das FID-Netzwerk im Bereich FDM eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Innovationsfähigkeit der nationalen Forschungsdateninfrastruktur-Landschaft einnehmen kann.2
Im Zentrum dieses Beitrags steht eine Datenart, die dem sogenannten „Long Tail of Research Data“ zugerechnet werden kann – einem Spektrum an Forschungsdaten, das durch große Heterogenität und einen geringen Strukturierungsgrad gekennzeichnet ist und besondere Anforderungen an das FDM stellt.3 Hinzu kommt eine große Vielfalt der disziplinären Zugänge, der methodologischen Ansätze und der Forschungsfelder, in denen sie erzeugt werden.
Ein Bereich dieser „Long Tail Data“ sind qualitative Daten der empirischen Sozialforschung. Diese kaum strukturierten, häufig komplexen und sehr reichhaltigen Daten enthalten oft sensible, zumeist personenbezogene Informationen. Weil sie nah an Lebenswelten und oftmals in schwer zugänglichen Feldern entstehen, sind viele dieser Daten einzigartig – und damit äußerst wertvoll, aber auch in hohem Maße schutzbedürftig. Für das Data Sharing dieser Daten sind spezialisierte und professionalisierte Infrastrukturen und Prozesse erforderlich, die den besonderen datenschutzrechtlichen, forschungsethischen und technischen Anforderungen gerecht werden.4 Während das Teilen und Nachnutzen von Forschungsdaten in der quantitativen Sozialforschung schon lange gang und gäbe ist, stehen für die Archivierung und Bereitstellung qualitativer Daten erst seit kurzem erste tragfähige Lösungsansätze zur Verfügung. Einer der Vorreiter bei der Entwicklung entsprechender Möglichkeiten des Data Sharing ist das FDZ Qualiservice. Qualiservice ist deutschlandweit das einzige FDZ, das qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsdaten unabhängig von Thema und Disziplin archiviert und für Sekundärnutzungen in Forschung und Lehre zur Verfügung stellt. Aufgrund der hohen Sensibilität qualitativer Daten haben für Qualiservice die spezifischen Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit Priorität – bei gleichzeitiger Zielsetzung, den Nachnutzungswert der Daten möglichst umfassend zu erhalten. Qualiservice begegnet diesen Anforderungen mit sicheren, flexiblen Archivierungslösungen sowie forschungsnahen Services, die Forschende in allen Phasen ihres Forschungsprojekts beim verantwortungsvollen Umgang mit Daten unterstützen.5
Qualiservice ist an der Universität Bremen am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik angesiedelt. Die Archivierung wird zusammen mit dem Data Publisher PANGAEA (Metadatenpublikation) und der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB; Publikation der Studienreports und Metadatenentwicklung) organisiert. 2019 wurde Qualiservice vom Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) akkreditiert. Als Teil des im Rahmen der NFDI geförderten Konsortiums für die Sozial-, Verhaltens, Bildungs- und Wirtschaftsdaten (KonsortSWD/ NFDI4Society)6 koordiniert Qualiservice unter anderem den Aufbau eines Verbunds für Qualitative Forschungsdaten (QualidataNet).7
Seit 2019 erfolgt die Weiterentwicklung der Services von Qualiservice in enger Kooperation mit verschiedenen FID.8 Aktuell ist Qualiservice Partner in vier9 FID: im FID Sozial- und Kulturanthropologie (seit 2019), im FID Soziologie (seit 2023),10 im FID Politikwissenschaft (seit 2023)11 und im FID Kriminologie (seit 2024).12
Die Zusammenarbeit der Bibliotheken, an denen die FID angesiedelt sind, und Qualiservice im Rahmen der FID-Förderung ist jeweils aus fachspezifischen Bedarfen hervorgegangen und folgte ähnlichen Mustern. Besonders anschaulich lässt sich dies am Beispiel der frühesten Kooperation mit dem FID Sozial- und Kulturanthropologie (SKA) nachvollziehen, der insofern als eine Art „Modell“ gelten kann: Zunächst sind 2016 vor dem Hintergrund der damals für die ethnologischen Fächer noch neuen Anforderungen der Forschungsförderer im Rahmen des FID SKA an der UB der Humboldt-Universität Bedarfserhebungen und Anforderungsanalysen zum FDM qualitativer ethnografischer Forschungsdaten erstellt worden. Schnell wurde klar, dass die ethnologischen Fächer zwar Interesse an der Datenarchivierung hatten, gleichzeitig aber auch viel Skepsis und kritische Perspektiven auf FDM sowie insgesamt wenig Wissen über das ganze Themenfeld vorhanden waren.13 Wesentlich war zudem, dass es keine geeignete Infrastruktur für die Archivierung und die Nachnutzung von ethnografischen Daten gab und an der UB der Humboldt-Universität auch kein eigenes Repositorium aufgebaut werden sollte. Bei der Sondierung möglicher infrastruktureller Partner rückte Qualiservice schnell in den Fokus, weil hier bereits professionalisierte und vor allem sorgfältig austarierte forschungsnahe Prozesse für die Datenarchivierung und die Nachnutzung qualitativer Interviewdaten entwickelt worden waren,14 die den Anforderungen aus den ethnologischen Fächern entgegenkamen.15 Dazu zählt insbesondere, dass ethnografische Daten in der Regel nicht offen zugänglich gemacht werden können. Qualiservice hatte hierfür bereits tragfähige Lösungen parat: Umfangreiche Metadaten16 sowie ein begleitender Studienreport17 werden frei zugänglich bereitgestellt, während der Zugang zu den „eigentlichen“ Forschungsdaten erst nach Kontaktaufnahme mit Qualiservice – zu mit den Datengebenden vereinbarten Bedingungen – erfolgt.18
Die Zusammenarbeit realisiert sich in den vier genannten FID mit jeweils unterschiedlichen fachlichen Schwerpunktsetzungen, denn alle FID entwickeln ihre Arbeitsfelder entlang des fachlichen Bedarfs und im engen Austausch mit den jeweiligen Fachgesellschaften und -communitys. Im Bereich FDM bedeutet Fachspezifik, dass die Disziplinen – oder auch interdisziplinäre Fachcommunitys wie die Kriminologie – unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche an die Informationsversorgung und eben auch an die Archivierung ihrer (qualitativen) Forschungsdaten haben. Entsprechend unterscheiden sich auch der Zuschnitt und der Umfang der Zusammenarbeit mit Qualiservice in den verschiedenen FID.
Inhaltlich konzentriert sich das Modell der Zusammenarbeit zwischen Qualiservice und FID auf zwei wesentliche Bereiche, die in spezifischer Ausprägung in den einzelnen FID bearbeitet werden: Zum einen werden bei Qualiservice disziplin- und materialspezifische Archivierungslösungen erarbeitet bzw. bereits vorhandene Lösungen an die Bedarfe der jeweiligen Fachcommunitys angepasst (siehe 3.1 und 3.2). Auf dieser Grundlage werden zweitens Beratungs-, Informations- und Unterstützungsangebote entwickelt, die wichtige fachspezifische Besonderheiten aufnehmen (siehe 3.3 und 3.4).
Die FID-Förderung ermöglicht es, dass die Entwicklungsarbeiten und die Beratung der Forschenden durch Fachwissenschaftler*innen durchgeführt werden können, die sowohl die Prozesse qualitativer Forschung und die „Beschaffenheit“ qualitativer Daten verstehen als auch zugleich fachlich auf Augenhöhe mit den Forschenden kommunizieren können.
Use Studies sind ein bei Qualiservice genutztes Instrument, mit dem Workflows getestet, optimiert und weiterentwickelt werden.19 Dies betrifft sowohl die Kurationsprozesse als auch die vorbereitenden Schritte der Datenübergabe sowie die Beratung der Forschenden vor und während des Forschungsprozesses. Das Ziel ist, Verfahren adäquat zu konzipieren, was nur in der exemplarischen Betrachtung des Umgangs mit konkreten Forschungsmaterialien und in Zusammenarbeit mit Forschenden möglich ist. Im Rahmen von Use Studies werden Forschende bei der Datenvorbereitung von Fachwissenschaftler*innen eng begleitet. So können konkrete Bedarfe und Stellschrauben identifiziert und entsprechende Lösungen und Anpassungen gemeinsam mit Forschenden erarbeitet und erprobt werden.
Auch im Rahmen der FID-Förderung haben sich Use Studies als wichtiges Element der fachspezifischen Weiterentwicklung etabliert. Die FID identifizieren hier Forschungsprojekte, die exemplarisch für disziplinäre Zugänge stehen und mit Datentypen arbeiten, die in der jeweiligen Fachcommunity besonders häufig entstehen und spezifische Anforderungen an Infrastruktur und begleitende Services stellen. Nach Abschluss der Use Studies gehen die kuratierten Materialien in den Datenbestand von Qualiservice über und stehen dort für die wissenschaftliche Nachnutzung zur Verfügung.
Wie kleinteilig und zugleich ergiebig eine solche Zusammenarbeit sein kann, lässt sich am Beispiel der Use Study „Traditional Beekeeping and Honey Hunting in Central Cameroon“20 exemplarisch veranschaulichen: Annotationsverfahren wurden hier nicht abstrakt konzipiert, sondern direkt am mehrsprachigen ethnografischen Filmmaterial erprobt – im engen Austausch zwischen FDZ und Primärforscher, und unter Einbezug eines Bienenbiologen mit Kenntnissen der lokalen Sprache. Der Bienenbiologe Mazi Sanda und der Ethnologe Martin Gruber annotierten das Material aus ihren jeweiligen fachspezifischen Perspektiven, wodurch das Nachnutzungspotenzial des Datensatzes21 für verschiedene Disziplinen wie Ethnologie, Biodiversitätsforschung oder Multispecies Research deutlich erhöht werden konnte. Die Datenaufbereitung und Entwicklungsarbeit wurde auf Seiten von Qualiservice von Mitarbeiter*innen begleitet, die neben technischen Kenntnissen auch über fachlich-methodische Kompetenzen in der Ethnografie verfügen. Die dabei entwickelten Ansätze reichen über das einzelne Projekt hinaus: Sie sind auch für andere Forschende und Projekte mit audiovisuellen Daten relevant und können als wiederverwendbare Lösungen in anderen Kontexten dienen.
Bis 2019 waren die Aufbereitungs- und Kurationsworkflows sowie weitere Services von Qualiservice ausschließlich auf Interviewdaten ausgerichtet. In der Zusammenarbeit mit dem FID SKA wurden diese Verfahren und Workflows dann gezielt erweitert, sodass auch ethnografische Forschungsmaterialien wie Beobachtungsprotokolle, Feldnotizen oder Fotos archiviert und nachgenutzt werden können. Durch die Zusammenarbeit mit weiteren FID erstreckt sich das Portfolio von Qualiservice mittlerweile auf die gesamte Bandbreite qualitativer Forschungsdaten.
Aktuell liegt der Fokus der Entwicklungsarbeit im FID SKA auf der Optimierung von Workflows zur Aufbereitung und Bereitstellung mehrsprachiger und audiovisueller Forschungsmaterialien aus ethnografischer Forschung. Im FID Soziologie werden demgegenüber die bestehenden Workflows für Material aus Gruppendiskussionen und Fokusgruppeninterviews weiterentwickelt. Besonderheiten entstehen z. B. aufgrund spezifischer Transkriptionstechniken wie der Partiturschreibweise,22 welche für rekonstruktive Auswertungsverfahren erforderlich sind, die in der soziologischen Forschung besonders verbreitet sind. Darüber hinaus werden im FID Soziologie die Workflows für die verteilte Archivierung von Mixed-Methods-Studien optimiert.23 Im FID Politikwissenschaft wiederum werden Workflows für Dokumente und Experteninterviews weiterentwickelt, die in der politikwissenschaftlichen Forschung häufig verwendet werden. Für die Archivierung von Dokumenten sind z. B. urheberrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, die gerade in internationalen Forschungskontexten komplex werden können. Auch Experteninterviews bringen besondere Herausforderungen mit sich, insbesondere für die Informierte Einwilligung bei und die Anonymisierung von Interviews mit Personen in exponierten Positionen oder wenn die Datenerhebung in autoritären Staaten stattfindet.
Insgesamt können im Rahmen der FID-Förderung fachspezifische FDM-Bedarfe adressiert und Lücken in der Infrastrukturlandschaft geschlossen werden. Zugleich profitieren von den erarbeiteten Workflows, Services, Tools und Handreichungen nicht nur die jeweiligen fachlichen Zielgruppen, sondern auch Forscher*innen anderer Disziplinen. So wird etwa auch in der Kriminologie, Politikwissenschaft und Soziologie mitunter ethnografisch gearbeitet – weshalb die Ergebnisse des FID SKA unmittelbar auch diesen Communities zugutekommen.24 Ähnliches trifft auf alle datenspezifischen Weiterentwicklungen zu: So sind Mixed-Methods-Studien, bei den qualitative und standardisiert erhobene Daten verknüpft werden, in der soziologischen Forschung zwar besonders häufig, die Nachnutzbarkeit dieser Workflows erstreckt sich jedoch auf viele weitere Disziplinen. Gleiches gilt für Experteninterviews, die in vielen Wissenschaftsbereichen – nicht nur in den Sozial- und Kulturwissenschaften – eingesetzt werden.
Ein weiteres zentrales Angebot von Qualiservice ist die individuelle Beratung von Forschenden bei der Vorbereitung ihrer Materialien für das Data Sharing. Das bedeutet, dass Forschende im Zuge der „kooperativen Datenaufbereitung“ idealerweise schon bei der Projektplanung und über den gesamten Forschungsprozess hinweg begleitet werden, um so den Nachnutzungswert der Daten zu verbessern.25 Flankierend bieten Aktivitäten wie Workshops, Vorträge und Schulungsformate weitere Gelegenheiten, mit Forschenden in den Dialog zu treten. Diese Ausrichtung wird durch die Arbeit in den FID gestärkt, indem Beratungsangebote auf die Besonderheiten der jeweiligen Fachcommunitys zugeschnitten und fachspezifische Anlaufstellen für qualitative Daten etabliert werden. Dazu gehört auch, Skepsis und Unsicherheiten von Forschenden mit Blick auf FDM und Datenarchivierung zu kennen und ernst zu nehmen. Qualiservice verfügt hier über langjährige Erfahrung, wie fachlich begründete Vorbehalte und Kritik produktiv in die Gestaltung von Prozessen und projektspezifische Entscheidungen einfließen können. Davon können auch die FID in Diskussionen mit „ihren“ Fachcommunitys profitieren. Dank ihrer Nähe zu den jeweiligen Fachcommunitys können die FID umgekehrt Erkenntnisse aus diesen Debatten in die Arbeit bei Qualiservice einbringen.
Aufgrund des Umstands, dass mehrere FID unter dem Dach von Qualiservice arbeiten und viele Forschende beraten werden, kommt es zu einer Erfahrungsverdichtung, die erhebliche Synergieeffekte hervorbringt. Wie im vorhergehenden Abschnitt (3.2) ausgeführt, kommen die fach- und materialspezifischen Weiterentwicklungen unterschiedlichen Communitys zugute. Vom regelhaften Austausch der Mitarbeiter*innen, die über spezifische fachliche Expertise und umfangreiche Erfahrung mit bestimmten Datentypen verfügen, profitieren auch die Forschenden in den Beratungen. Weitere Synergieeffekte entstehen bei der Beratung von Forschenden, die interdisziplinär oder in transdisziplinären Schnittfeldern arbeiten.
In allen FID ist der enge Austausch mit den Fachcommunitys wesentlicher Teil der Arbeit. Beim Thema FDM ist dieser Austausch zentral, da die Datenarchivierung qualitativer Daten derzeit noch nicht in der Breite der Fächer, die mit qualitativen Methoden forschen, etabliert ist. Zum Beispiel haben die Arbeiten im FID SKA wesentlich zur Auseinandersetzung mit FDM in den ethnologischen Fächern beigetragen.26 Auch hier werden Angebote, die Qualiservice bereits entwickelt hat, fachspezifisch ergänzt und/ oder weiterentwickelt. Das Working Paper „Informed consent in ethnographic research“27 etwa zeigt Wege und Alternativen zur schriftlichen Einwilligungserklärung auf – ein Bedarf, der besonders häufig von ethnografisch Forschenden, aber auch von Forschenden aus der Politikwissenschaft und der Kriminologie geäußert wurde. Es ergänzt damit Handreichungen und DSGVO-konforme Vorlagen zur Informierten Einwilligung, die Qualiservice generisch für alle qualitativ Forschenden bereitstellt.28 Zugleich werden im Rahmen der FID neue Themen an Qualiservice herangetragen. Ein Beispiel ist die Auseinandersetzung mit den CARE Principles for Indigenous Data Governance.29 Diese war erforderlich, weil im FID SKA einzelne Projekte beraten werden, in denen Fragen der Einbindung von indigenen Communitys in datenbezogene Entscheidungen ethisch-methodisch zentral sind. Gleichzeitig fließt die Thematisierung der CARE Principles auch in die breitere Auseinandersetzung mit Fragen der Forschungsethik ein, die etwa auch im RatSWD30 oder in der Sektion Ethical, Legal and Social Aspects (ELSA) der NFDI31 stattfindet.
Besonderes Merkmal und die große Stärke der FID ist ihre enge Anbindung an die Fachcommunitys. Im FDM-Bereich können FID eine wichtige Mittlerrolle zwischen den Fachcommunitys und der NFDI einnehmen. Ähnlich wie die FID entwickeln auch die Konsortien der NFDI ihre Angebote bedarfsorientiert und in einer fach- oder fachgruppenbezogenen Ordnung. Zunehmend wichtig ist, dass die Arbeiten der NFDI-Konsortien, der Datenzentren, der FID und anderer Akteure verknüpft werden und dass Einrichtungen abgestimmt agieren.
Angesichts der komplexen, von außen nicht leicht durchschaubaren und sich zugleich dynamisch ändernden Struktur der im Aufbau befindlichen NFDI können FID für die von ihnen adressierten Fachcommunitys eine wichtige Wegweiser- bzw. Lotsenfunktion erfüllen: Beispielsweise sind für die Sozial- und Kulturanthropologie mehrere NFDI-Konsortien relevant, neben KonsortSWD/ NFDI4Society etwa auch text+, NFDI4Culture, NFDI4Objects und NFDI4Memory. Viele Forschende benötigen hier Orientierung, Information und Beratung bei der Auswahl geeigneter Dienste und Angebote. Für die NFDI-Konsortien können FID damit wichtige Multiplikatorenfunktionen erfüllen. Bei den FID, an denen Qualiservice beteiligt ist, wird dies durch den Umstand befördert, dass Qualiservice selbst stark in die NFDI eingebunden ist und im Rahmen von KonsortSWD/ NFDI4Society, dem Konsortium für die Sozial-, Verhaltens-, Bildungs- und Wirtschaftswissenschaften, den Aufbau eines Netzwerks von FDZ koordiniert, die qualitative Daten halten und für die Nachnutzung bereitstellen – QualidataNet.32 Auf diese Weise gelangen FDM-relevante Informationen schneller in die FID, zugleich können fachspezifische Bedarfe auf direktem Wege in die NFDI eingespeist werden und dort in die Entwicklung übergreifender Dienste einfließen.
Wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, ermöglicht die Zusammenarbeit von FID mit dem FDZ Qualiservice nicht nur die bessere Anbindung an bestehende Strukturen, sondern auch eine gezielte, eng an den fach- und communityspezifischen Bedarfen orientierte Weiterentwicklung von Forschungsdateninfrastrukturen und entsprechender Dienste für die Forschenden. Gerade in den Feldern bzw. Konsortien, in denen die NFDI fachübergreifend bzw. multidisziplinär aufgestellt ist, können FID eine essentielle, die NFDI ergänzende Rolle spielen und ein wichtiges Korrektiv darstellen. Im NFDI-Kontext sind diese Möglichkeiten bislang kaum systematisch thematisiert worden,33 auch wenn viele FID mit NFDI-Konsortien zusammenarbeiten.34 Aus Sicht der Verfasser*innen liegt in der besonderen Community-Nähe der FID ein wichtiger Schlüssel für die Weiterentwicklung und damit letztlich auch für die Sicherstellung der Innovationskraft der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur. Mit den regelhaft durchgeführten Bedarfsabfragen der FID in den von ihnen adressierten Fachcommunitys verfügt das FID-System über ein wirkungsvolles Instrument, um Lücken in der Forschungsdateninfrastruktur-Landschaft zu identifizieren. Entsprechende Abfragen setzen allerdings die genaue Kenntnis der NFDI-Services voraus. Für eine an den Bedarfen der Forschung orientierte NFDI sind daher der enge Austausch und die Abstimmung zwischen NFDI und FID-System eine conditio sine qua non.