Nr. 4 (2025)
DOI: 10.5282/o-bib/6195

Fokus auf europäische Öffentliche Bibliotheken

Update zum EU-Ratsarbeitsplan für Kultur 2023–2026. Die Arbeit der MOK-Arbeitsgruppe „Building Bridges“

1. Bibliotheken als EU-Thema

Das Europa der 27 EU-Mitgliedstaaten hat rd. 65.000 Öffentliche Bibliotheken, die jährlich von mehr als 750 Mio. Menschen aufgesucht werden - dennoch spielt diese Einrichtungsart im politischen Diskurs auf europäischer Ebene bislang kaum eine Rolle. Ob Kommission, Parlament oder (Minister-)Rat, selten erfolgt auch nur eine Erwähnung. Mit dem Arbeitsplan für Kultur 2023 – 2026 des (Minister-) Rates hat sich das zum ersten Mal geändert.1 Der Wunsch dazu kam von mehreren Seiten: aus nationalen Bibliotheksverbänden und ihrer Vertretung in Brüssel (EBLIDA), von Akteuren wie „Public Libraries 2030“ oder aus der Partnerschaft „Kultur und Kulturelles Erbe“ im Rahmen der EU-Städteagenda.2 Unter dem etwas ungelenken Titel „Bauen von Brücken: Stärkung der vielfältigen Rollen von Bibliotheken als Zugangstore und Übermittlerinnen kultureller Werke, Kompetenzen und europäischer Werte“ wurde eine Arbeitsgruppe aus Fachleuten der Mitgliedstaaten ins Leben gerufen, die sich mit den vielfältigen Rollen Öffentlicher Bibliotheken in Europa befasst. Ziel ist ausdrücklich die „Einleitung einer umfassenden Debatte und Erkundung von Bereichen für die Förderung und Stärkung von Bibliotheken“.3

Grundlage des Vorgehens ist die „Methode der offenen Koordinierung – MOK“, ein Verfahren, das Austausch auch auf Gebieten erlaubt, in denen die EU nach den Verträgen nur sehr begrenzte Kompetenzen besitzt, der Kultur beispielsweise.4 Die Mitwirkung in MOK-Arbeitsgruppen, die von Europäischen Kommission lediglich begleitet werden, ist allerdings freiwillig, es handelt sich um eine „Koalition der Willigen“, die sich dem Austausch guter Praxis, der Analyse von Entwicklungen und der Erarbeitung politischer Empfehlungen widmet. Wie bei ähnlichen Aufträgen auf Grundlage früherer Arbeitspläne für Kultur will die MOK-AG „Brücken bauen“ einen Bericht erstellen mit grundlegenden Fakten, mit vielen Beispielen guter Praxis und mit konkreten Vorschlägen für die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten, Regionen sowie Städte und Gemeinden – mit dem Ziel, europaweite Impulse zu setzen ohne in die nationalen Zuständigkeiten einzugreifen.5

In der MOK-AG „Brücken bauen“ kamen Vertreterinnen und Vertreter aus 26 Mitgliedstaaten sowie aus Norwegen und der Türkei zusammen. In der ersten Sitzung im Frühjahr 2024 wurden Klaas Gommers (Niederlande) und Stuart Hamilton (Irland), beides langjährig tätige Experten für das Öffentliche Bibliothekswesen, zu Vorsitzenden gewählt. Deutschland ist durch eine Referentin des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sowie durch den Verfasser aus Berlin für die Bundesländer (auf der Basis eines Bundesratsmandats) vertreten. Nach vier Treffen in Brüssel, Warschau und zuletzt im April 2025 in Riga steht nun der Fahrplan für die Erstellung des Berichts fest.6

2. Ausgangspunkt und Ziel

Schon der Text des Arbeitsplans hält fest, wie außerordentlich anschlussfähig Öffentliche Bibliotheken sind. Als Institutionen, die vielerorts auch in kleineren Städten und Gemeinden bestehen, bieten sie niedrigschwellig und nicht-kommerziell Zugang zu Bildung, Kultur, Information, gesellschaftlicher Teilhabe und auch Unterhaltung. Doch mehr als das: Sie sind sozialräumlich verankerte Einrichtungen, die in Krisenzeiten Stabilität ausstrahlen und im Alltag Orientierung und Begegnung ermöglichen – sei es beim Umgang mit digitalen Medien, bei der Förderung von Sprach- und Lesekompetenzen oder der Integration von Geflüchteten und Migranten. Trotzdem werden Bibliotheken in politischen Strategien der Kultur, des Sozialen oder der Stadtentwicklung häufig übersehen und nicht systematisch mitgedacht.

Die Arbeitshypothese der MOK-AG „Brücken bauen“ lautet dagegen, dass ebendies künftig geschehen sollte, weil Öffentliche Bibliotheken ein wichtiger Baustein sein können zur Bearbeitung und Lösung von gesellschaftlichen Problemen. Als Infrastrukturen einer offenen, demokratischen und resilienten Gesellschaft sind sie höchst relevant, nicht nur weiterhin auf ihren traditionellen Arbeitsfeldern und nicht nur kulturpolitisch, sondern gerade auch aus Sicht anderer Politikfelder, Stadtentwicklung, Soziales, Gesundheit und Wirtschaft etwa. Der Bericht soll das Bewusstsein der Politik für die Relevanz Öffentlicher Bibliotheken schärfen und letztlich erreichen, dass die Rolle(n) der Bibliotheken im öffentlichen Leben stärker wahrgenommen, verstanden und unterstützt sowie strategischer entwickelt werden müssen.

3. Strukturen – Gute Praxis – Ressourcen

Für die Erarbeitung des Berichts bildete die MOK-AG „Brücken bauen“ noch im Frühjahr 2024 drei thematische Unterarbeitsgruppen: Die Erste widmet sich einer Bestandsaufnahme des Öffentlichen Bibliothekssektors. Einerseits geht es um die verfügbaren Zahlen: Besuchende, Bestände, Einrichtungen, deren Größe, Entleihungen, Veranstaltungen, Förderung etc. Andererseits sind die formalen Grundlagen ein Thema: Bibliotheksgesetze, Strukturen, politische Strategien, Finanzierungsmechanismen und Förderprogramme. Bei 27 Mitgliedsstaaten eine Großaufgabe. Schon der Blick auf Deutschland zeigt die Schwierigkeiten: Ein nationales Bibliotheksgesetz fehlt. Ebenso gibt es keine nationale Strategie für die Öffentlichen Bibliotheken und keine umfassende Förderung auf Bundesebene. Auf Länderebene ist das Bild divergent, teils gibt es Bibliotheksgesetze, teils Förderung, doch die Unterschiede sind groß und die Ambitionen wohl auch. Im Bereich der Statistik ein ähnlicher Befund: Anspruch auf Vollständigkeit kann die Deutsche Bibliotheksstatistik leider nicht erheben, nicht alle Bibliotheken beteiligen sich. Deutschland ist dabei kein Einzelfall, oft muss nachgefragt werden, was eigentlich exakt gezählt wird, was genau Gegenstand einer Strategie oder eines Förderprogramms ist. So lautet eine Erkenntnis hier: Die europäische Datenlage muss besser werden. Ohne vergleichbar belastbare Informationen fällt es schwer, gezielte politische Maßnahmen zu entwickeln oder Fortschritte messbar zu machen.

Die zweite Unterarbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Sammlung und Auswertung erfolgreicher Praxisbeispiele aus ganz Europa. Ausgangspunkt ist dabei ein Katalog von neun gesellschaftlichen Themen bzw. Herausforderungen, die überall in Europa (sicherlich in Abstufungen) relevant sind und politisch bearbeitet und bewältigt werden müssen:

(1) Lesen und Schreiben/Lebenslanges Lernen
(2) Kultur und kulturelles Erbe
(3) Sozialer Zusammenhalt
(4) Digitale Entwicklung
(5) Freiheit des Zugangs zu Information/Stärkung der Demokratie
(6) Wachstum und Beschäftigung
(7) Klima und nachhaltige Entwicklung
(8) Gesundheit und Wohlbefinden
(9) die städtische und ländliche Entwicklung.

Ergänzt wurde dieser Katalog durch zwei weitere Themen: Die Resilienz insbesondere in Spannungs- und Kriegssituationen und die Reaktion auf Katastrophen. Die Gründe für die Ergänzungen liegen auf der Hand. So wurden im russischen Krieg gegen die Ukraine inzwischen mehr als 400 Öffentliche Bibliotheken in der Ukraine zerstört, zahllose weitere erlitten Schäden an ihren Sammlungen.7 Und Naturkatastrophen wie das Erdbeben in der Südtürkei von 2023, die Flutkatastrophen im Ahrtal in Deutschland von 2021 oder in Spanien 2024 sowie die Waldbrände in zahlreichen Mitgliedsstaaten auch im laufenden Jahr bedrohen auch Bibliotheken unmittelbar. Wie hier reagiert wurde und werden kann, welche Erfahrungen gemacht wurden, soll festgehalten werden.

Infografik zu Schäden an ukrainischen Bibliotheken durch russische Angriffe: 471 komplett zerstörte Öffentliche Bibliotheken, 445 teilweise verlorene Sammlungen, 181 zerstörte Gebäude, 405 stark und 440 leicht beschädigte Gebäude. Datenstand vom 30.09.2024.
Abb. 1: Infotafel im Rahmen der Ausstellung „Das Recht auf eine Bibliothek“ in der Lettischen Nationalbibliothek. Foto: Reiner Schmock-Bathe

Passend zu den Herausforderungen hat die Unterarbeitsgruppe Beispiele gesammelt, die von den Mitgliedern nach Rücksprache mit ihren Bibliotheksverbänden, einzelnen Häusern oder innerstaatlichen Fachleuten gemeldet wurden. Da jedes der 28 teilnehmenden Länder für jede der Herausforderungen etwa zwei besonders gute Beispiele melden konnte (nicht musste) lag Ende 2024 ein Schatz von rd. 500 Beispielen auf dem Tisch! Die Mitglieder der Unterarbeitsgruppe machten sich nun an die Aufgabe, diese Beispiele auszuwerten, ähnliches zu clustern, Kleines von Großem zu scheiden, dauerhafte Angebote von kurzläufigen Experimenten, EU-geförderte multilaterale Projekte von nationalen Strategien. Ziel ist die Zusammenstellung einer Liste von maximal 80 Beispielen guter Praxis, die – wie alle Beispiele eigentlich – eines belegen: Öffentliche Bibliotheken haben bereits einen Rollenwandel vollzogen. Aus dem traditionellen, reinen „Bücherausleihort“ ist meist längst viel mehr geworden – ein Ort des Lernens, der Gemeinschaft, der Veranstaltungen, der Beratung, des Rückzugs und der Sicherheit, der digitalen Bildung und Souveränität, der Kultur und der dialogischen Beratung sowie der kreativen Erprobung. Bibliotheken sind vom „Regal“ zum „Laboratorium“, „Marktplatz“, „Zufluchtsort“ oder „Knotenpunkt“ geworden, etwas blumige Begriffe vielleicht, die die vielfältigen Funktionen aber gut auf den Punkt bringen und bündeln.

Im Sommer 2025 dauerte auch die Arbeit auch dieser Unterarbeitsgruppe noch an. Obwohl schon viele Beispiele vorliegen, kommen aus Ländern wie Estland, Griechenland, Zypern oder Portugal immer noch weitere hinzu. Für eine Berücksichtigung im Abschlussbericht braucht es zudem einige Schlüsselinformationen: Eine wirklich aussagekräftige Beschreibung, Aussagen über die Wirkung und eine auch längerfristig bestehende Adresse, unter der Einzelheiten zu erfahren sind. Alles dies erfordert intensive Abstimmung und zusätzliche Recherchen.

Die dritte Unterarbeitsgruppe der MOK-AG beschäftigt sich mit der Frage, welche Voraussetzungen Öffentliche Bibliotheken benötigen, um ihren Auftrag – sowohl in traditionellen als auch in neuen Rollen – erfüllen zu können. Hier geht es nicht allein um finanzielle Mittel, sondern auch um infrastrukturelle, personelle und strukturelle Bedingungen: Welche Ausstattung brauchen Bibliotheken? Wie steht es um Personalentwicklung, Fortbildung, Digitalisierung? Welche Netzwerke und Partnerschaften tragen die Arbeit vor Ort? Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass schon traditionelle Aufgaben wie die Leseförderung nicht „zum Nulltarif“ möglich sind, sondern oft unter eher schwierigen Bedingungen geleistet werden. Viele Bibliotheken sind in punkto fachlich ausgebildeten hauptamtlichen Personals als One-Person-Libraries tätig, anderswo ist die Mehrheit der Einrichtungen gleich ganz auf Ehrenamtliche angewiesen. Für neue Rollen, ob als Demokratielabor, als Digitalberatung für die Menschen im Sozialraum oder als sozialer Treffpunkt, braucht es gezielte Investitionen, qualifiziertes Personal und vor allem die Bereitschaft zu einer verlässlichen und kontinuierlichen angemessenen Finanzierung.

4. Berichtsentwicklung

Parallel zur Arbeit in den Unterarbeitsgruppen begann die Erarbeitung des Gesamtberichts. Einzelne Mitglieder der Gruppe übernahmen bei bestimmten thematischen Abschnitten Verantwortung für die Erstellung erster Entwürfe, die im nächsten Schritt vor allem stilistisch aneinander anzupassen sind, auch mit Blick auf die Adressaten. Das Ziel, die politische Aufmerksamkeit für Öffentliche Bibliotheken auf allen Ebenen zu erhöhen, den Einrichtungen jene Unterstützung zukommen zu lassen, die sie wert sind, ist nur zu erreichen, wenn das Papier auch gelesen und verstanden wird. Deshalb wird es vor dem eigentlichen Bericht eine Zusammenfassung für eilige Leser geben, die die wesentlichen Botschaften schnell greifbar enthält und auch ein wenig neugierig auf den ausführlichen Hauptteil machen soll. Der Anhang enthält Beispiele aus ganz Europa. Anhand dieser Informationen können Praktiker*innen im Bibliothekswesen und engagierte Träger Inspiration für Verbesserungen vor Ort gewinnen.

Von zentraler Bedeutung werden im Bericht die konkreten Handlungsempfehlungen sein, die sich an die politischen Ebenen der EU, die Mitgliedsstaaten, die Regionen (im föderalen Staat) und die Städte, Gemeinden und Landkreise als Bibliotheksträger richten. Auf EU-Ebene sind dabei Vorschläge in Diskussion wie die Einführung eines Europäischen Bibliothekspreises, eines Europäischen Bibliothekslabels oder von spezifischen Bibliotheksanforderungen an die Kandidaten für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt. Auch ein Europäisches Jahr der Bibliotheken würde die Aufmerksamkeit für das Öffentliche Bibliothekswesen verstärken und auf diese Weise zur Erreichung des Ziels einer verstärkten Aufmerksamkeit für Bibliotheken beitragen. Daneben wird es um eine systematischere Berücksichtigung von Öffentlichen Bibliotheken bei EU-Förderprogrammen gehen. Zu denken ist hier an die neuen Leitbegriffe der EU für den Einsatz europäischer Ressourcen: Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit. Zu beidem können Öffentliche Bibliotheken einen Beitrag leisten bzw. tun es – wie die gesammelten Beispiele guter Praxis zeigen – schon seit Langem.

Empfehlungen, die sich an die Mitgliedstaaten, d.h. an die nationale Ebene richten, werden in Deutschland aufgrund der Kompetenzverteilung im Bereich Kultur zwischen Bund und Ländern grundsätzlich an Letztere weitergeleitet. Allerdings griffe der bloße Hinweis auf die Zuständigkeit der Länder zu kurz. Immerhin hatte Deutschland bis zum 31.12.1999 mit dem von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) schon einmal eine auch für Öffentliche Bibliotheken zuständige Struktur.8 Diskutiert wird nun die Frage, ob und wie 25 Jahre später und vor dem Hintergrund der Praxis in anderen großen EU-Mitgliedstaaten ein Anlauf unternommen werden kann, den Sektor durch zentrale Services spürbar zu stärken und auf diese Weise das Potential der Öffentlichen Bibliotheken besser zu erschließen.

Doch sind vor allem die Länder selbst angesprochen, die sich ungeachtet der meist bei den Städten liegenden Trägerschaft Gedanken machen müssen, wie sie selbst Öffentliche Bibliotheken stärken können. Von Bibliotheksgesetzen mit Substanz über Entwicklungspläne sowie echte Raum-, Ausstattungs- und Personalstandards reicht das Feld bis zur Stadtentwicklungspolitik und Bauplanung, die Bibliotheken ebenso ernst nehmen muss wie Schulen und Kindertagesstätten. Ländersache sind nicht zuletzt auch Innovations- und Investitionsprogramme, die es den Öffentlichen Bibliotheken ermöglichen, auf neue Herausforderungen flexibel zu reagieren. Mit Blick auf den herausforderungszentrierten Ansatz der MOK-AG „Brücken bauen“ dürfte es dabei von besonderer Wichtigkeit sein, politikfeld- und damit siloübergreifend zu denken.

Nicht zuletzt werden sich die Empfehlungen auch an die kommunale Ebene, die Trägerinnen der Einrichtungen, richten. Auch für Deutschland werden dabei die Themen Fortbildung, personelle Stärkung, kontinuierliche Förderung (auch und gerade für Neuerungen im Serviceportfolio) sowie der Ausbau der räumlichen Ressourcen von Bedeutung sein. Berlin kennt das letztgenannte Problem nur zu gut: Die Reduzierung von mehr als 150 festen Standorten auf rund 70 hinterließ „weiße Flecken“, d.h. Ortsteile, in denen für breite Bevölkerungsgruppen wie die wachsende Zahl der auch körperlich eingeschränkten Seniorinnen und Senioren die Bibliothek nicht mehr erreichbar ist. Sicherlich ein Thema, das europaweit von Bedeutung ist.

5. Zeitplan und Ausblick

Für den Herbst 2025 ist die Fertigstellung des Berichts als Entwurf geplant. Nach den abschließenden Redaktionsarbeiten und einer eventuell letzten Überprüfung in der MOK-AG erfolgt die Übergabe an den (Minister-)Rat der EU als Auftraggeber. Eine Veröffentlichung ist bis Ende des ersten Quartals 2026 realistisch. Parallel dazu soll der Bericht auch an andere europäische Organe und Stellen, zuvörderst das Europäische Parlament, übermittelt werden. Der Ausschuss der Regionen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sind weitere Adressaten.

Dies wird ebenso während der zypriotischen und irischen Ratspräsidentschaften im ersten bzw. im zweiten Halbjahr 2026 geschehen wie die Diskussion des Papiers mit relevanten Stakeholdern, z.B. im Städtenetzwerk Eurocities, mit der European Cultural Foundation oder dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas. Auch im europäischen Bibliothekswesen selbst – etwa bei der IFLA, auf der nächsten EBLIDA-Konferenz 2026 in Prag oder im NAPLES-Verbund – könnte der Bericht im Hinblick auf Ableitungen für die weitere Entwicklung des Bibliothekswesens breit diskutiert werden.

Ebenso wichtig ist aber die Besprechung des Berichts in den Mitgliedstaaten selbst. Wie angesprochen, wird es dabei in Deutschland besonders interessant. Wie hier Bund, Länder (insbesondere die Kultusministerkonferenz), kommunale Spitzenverbände wie der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag zusammenkommen, wird zu besprechen sein. Vielleicht ist in Deutschland ähnlich wie auf EU-Ebene eine AG auf der Grundlage der Offenen Methode notwendig, die ohne ablehnende Zuständigkeitsreflexe auf ein Ziel hin diskutiert und neben dem Deutschen Bibliotheksverband weitere Partner aus Bildung, Stadtentwicklung und Soziales einbezieht.

6. Fazit: Öffentliche Bibliotheken fit machen!

Die MOK-Arbeitsgruppe „Brücken bauen“ verfolgt ein ambitioniertes Ziel: Öffentliche Bibliotheken als moderne, flexible und resiliente Infrastruktur sichtbar zu machen und politische Maßnahmen zu initiieren, die ihren Wandel unterstützen und verstetigen. Denn Bibliotheken sind so viel mehr als ihr häufig noch reproduziertes Klischee vermuten lässt: Sie sind – zumal nach dem Verlust oder der Schrumpfung so vieler anderer städtischer Ankerpunkte wie den Eckkneipen, Bahnhöfen, Postämtern und Warenhäusern – der soziale Treffpunkt, Lernraum, Digitallotse, Kulturvermittler sowie Rückzugsraum und Ort des Ausprobierens schlechthin.

Der Bericht der Arbeitsgruppe wird – wenn er ernst genommen und in Maßnahmen übersetzt wird – einen Beitrag dazu leisten, dass Bibliotheken auch in Zukunft „Brücken bauen“ können: zwischen Menschen, Generationen, Lebenswelten und kulturellen Hintergründen. Ob rasch wandelnde Arbeitswelt und unübersichtliches Kulturleben, ob fragwürdige Behauptung oder schwer ergründbare Digitaldienste, Bibliotheken können Antworten geben. Sie müssen aber selbst fit dafür sein.

Anmerkungen

1 Vgl. Entschlieẞung des Rates zum Arbeitsplan für Kultur 2023-2026. 2022/C 466/01, 07.12.2022, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32022G1207(01).
2 Vgl. Raise awareness for public libraries and their new tasks on a European and National Level, Berlin 2021, https://www.urbanagenda.urban-initiative.eu/sites/default/files/2024-03/Action_5_Booklet.pdf, Stand: 5.9.2025.
3 Entschlieẞung des Rates zum Arbeitsplan für Kultur 2023-2026. 2022/C 466/01, 07.12.2022, S. C 466/7.
5Ein Beispiel für einen solchen Bericht: Europäische Kommission, Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur: Towards a shared culture of architecture. Investing in a high-quality living environment for everyone. Report of the OMC (Open Method of Coordination) group of EU Member State experts, 2021, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2021, https://data.europa.eu/doi/10.2766/88649.
6 Dieser Beitrag bezieht sich auf den Vortrag des Autors mit dem Titel „Ende der Bescheidenheit. Fokus auf europäische Öffentliche Bibliotheken. Update zum EU-Ratsarbeitsplan für Kultur 2023 – 2026“ am 26.06.2025 beim 9. Bibliothekskongress 2025 (zugleich 113. BiblioCon) in Bremen.
7 Vgl. Henningsen-Zlatkov, Kristina: Bibliotheken in der Ukraine zwischen Krieg und Frieden. Ein Bericht zur Podiumsdiskussion auf der BiblioCon 2024, in: API Magazin 5 (2), 2024(2). https://doi.org/10.15460/apimagazin.2024.5.2.206. Vgl. auch die im Rahmen einer Ausstellung in der Lettischen Nationalbibliothek im April 2025 genannten Zahlen zum 30.9.2024: 471 komplett zerstörte Öffentliche Bibliotheken. 445 Bibliotheken mit kriegsbedingten Sammlungsverlusten.
8 Vgl. Gesetz über die Auflösung des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI-Auflösungsgesetz. DBIAuflG) vom 6. Oktober 1999, in: Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin 1999, S. 544, https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-DBiblIAuflGBErahmen. Vgl. zur Entstehung, Arbeit und Abwicklung der Einrichtung auch Helga Schwarz: Das Deutsche Bibliotheksinstitut im Spannungsfeld zwischen Auftrag und politischen Interessen, Berlin 2018.

Reiner Schmock-Bathe, Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Berlin

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