Nr. 2 (2025)
DOI: 10.5282/o-bib/6154

Forschungs- und Informationspraxis wissenschaftlicher Zielgruppen im Fokus

Eine empirische Untersuchung an vier Fakultäten der TH Köln

Inka Tappenbeck, Institut für Informationswissenschaft der TH Köln
Melina Kortmann, Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW, Düsseldorf

Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, wie sich für die Konzeption forschungsunterstützender Dienstleistungen relevante wissenskulturell spezifische Besonderheiten verschiedener akademischer Zielgruppen in Form einer standardisierten Online-Befragung ressourcenschonend ermitteln lassen. Dazu haben die Verfasserinnen einen Fragebogen erarbeitet, der im Austausch mit Wissenschaftler*innen von vier verschiedenen Fakultäten der TH Köln an die Besonderheiten der Forschungspraxis in diesen Bereichen angepasst wurde. Das Ergebnis sind vier wissenskulturell spezifizierte Fragebögen-Prototypen, die in Form von Online-Befragungen an der TH Köln getestet wurden. Die Resultate belegen die Effektivität dieses Verfahrens und geben Hinweise für die Umsetzung auch an anderen Einrichtungen.

Abstract
The article shows how relevant characteristics – which are specific for the knowledge cultures of different academic target groups and are needed for the design of research-supporting services – can be resource-efficiently determined via a standardised online survey. For this, the authors have developed a questionnaire which was adapted in dialogue with academics from four different faculties at TH Köln to the specifics of research practice in these areas. This resulted in four questionnaire prototypes adapted to different cultures of knowledge that were tested in form of online surveys at TH Köln. The results demonstrate the effectiveness of this method and provide information for its implementation at other institutions.

Schlagwörter: Wissenskulturen; Fachkulturen; Forschungspraxis; Informationspraxis; Informationsdienstleistungen; wissenschaftliche Bibliotheken

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6154

Autorenidentifikation: Inka Tappenbeck, ORCID: 0000-0001-9137-2181,
Melina Kortmann, ORCID: 0009-0005-9496-3004

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1. Hintergrund

Wie können wissenschaftliche Bibliotheken Forschende in ihrer Arbeit wirksam unterstützen? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst einmal ein Verständnis davon notwendig, wie Forschung funktioniert. Betrachtet man die geläufigen Visualisierungen anhand des Forschungszyklus, drängt sich der Eindruck auf, dass Forschung in allen akademischen Disziplinen im Wesentlichen nach dem gleichen Schema verläuft.1 Diesem typisierten Verständnis von Forschung stehen jedoch Untersuchungen entgehen, die zeigen, dass sich die Arbeitsweisen Forschender in verschiedenen akademischen Disziplinen stark unterscheiden. Schon der unterstellte Beginn des Prozesses mit einer Recherche nach Literatur und Informationen zum Forschungsthema ist in einigen Disziplinen, wie bspw. dem Design, wie Michel gezeigt hat,2 nicht die Regel. Und auch die Recherchepraktiken verschiedener Fachgruppen und folglich deren Bedarfe im Bereich der Informationskompetenz unterschieden sich erheblich.3 Nicht zuletzt ist das Ergebnis von Forschung nicht immer die Publikation von schriftlich verfassten Dokumenten – in der Architektur, der Kulturwissenschaft oder auch der Informatik können solche Ergebnisse bspw. vielmehr bildliche Darstellungen, multimediale Objekte oder auch Software sein. Dennoch werden forschungsunterstützende Dienstleistungen bzw. forschungsnahe Dienste4 von wissenschaftlichen Bibliotheken und auch von den Hochschulen selbst in der Regel fachübergreifend angeboten. Mit Blick auf die Ressourcenproblematik ist dies auch mehr als verständlich. Schon aus Kapazitätsgründen können nicht alle Bibliotheken jede forschungsunterstützende Dienstleistung für jede Fachdisziplin separat anbieten.5 Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass neuere Dienstleistungen im Bereich des Publizierens und des Forschungsdatenmanagements bereits stärker fachspezifisch konzipiert und dafür vermehrt hochschulübergreifend umgesetzt werden. Beispiele hierfür sind die institutionenübergreifenden disziplinären Repositorien6 sowie die NFDI-Konsortien7, die Angebote in enger Abstimmung mit den Forschenden der jeweiligen fachlichen Communitys entwickeln.8 Die damit zum Ausdruck gebrachte Anerkennung der Relevanz fachspezifischer Besonderheiten von Forschung ist unübersehbar. Und diese Relevanz besteht selbstverständlich auch auf lokaler Ebene, also für die einzelnen wissenschaftlichen Bibliotheken und ihre Dienstleistungsentwicklung. Wie aber kann es auf der Ebene einzelner Einrichtungen mit begrenzten personellen Kapazitäten gelingen, die Besonderheiten und Bedarfe der verschiedenen fachlichen Zielgruppen zu erfassen und stärker in die Konzeption und Umsetzung von forschungsunterstützenden Dienstleistungen einzubeziehen? Dieser Frage hat sich ein Projekt der Verfasserinnen gewidmet, dessen Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden.

2. Die wissenskulturelle Perspektive

Die Idee, dass Erkenntnisprozesse nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern in einer sozialen Umwelt, die diese Prozesse maßgeblich prägt, ist keineswegs neu. Sie wurde bereits von dem Mikrobiologen und Wissenschaftstheoretiker Ludwig Fleck in seinem 1935 erschienenen Werk „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“9 ausführlich dargelegt und unter anderem von Thomas S. Kuhn weitergeführt.10 Nach Fleck sind Erkenntnisprozesse soziale Prozesse, in denen neben dem Erkenntnissubjekt und dem Erkenntnisobjekt als weiterer bestimmender Faktor das Denkkollektiv eine Rolle spielt. Das Denkkollektiv definiert er als „Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch oder in gedanklicher Wechselwirkung stehen, so besitzen wir in ihm den Träger geschichtlicher Entwicklung eines Denkgebietes, eines bestimmten Wissensbestandes und Kulturstandes, also eines besonderen Denkstiles.“11

In jüngerer Zeit hat insbesondere die Wissenssoziologin Karin Knorr Cetina diesen Ansatz fortgeführt und weiterentwickelt. Sie definiert Wissenskulturen als Gesamtheit der „Praktiken, Mechanismen und Prinzipien, die, gebunden durch Verwandtschaft, Notwendigkeit und historische Koinzidenz, in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir wissen, was wir wissen12. Wissenskulturen unterscheiden sich danach hinsichtlich der Arten des Wissens (objektivierbares Wissen, hypothesengeleitetes theoretisches Wissen, konstruiertes bzw. interpretiertes Wissen), des Kooperations- und Kommunikationsverhaltens im Prozess der Wissenserzeugung und -weitergabe, der symbolischen Repräsentation des Wissens in Form von spezifischen Vorstellungen und Fachtermini, der sozialen Organisation der Wissenserzeugung (z. B. einzelwissenschaftliche Forschung / Teamarbeit oder Schreibtisch / Labor / „Feld“) sowie der Institutionalisierung der Wissenskultur (Forschungsgesellschaften, Förderlinien, gesellschaftliche Sichtbarkeit).13

Gegenüber dem Begriff der Wissenskulturen ist der ebenfalls im Diskurs gebräuchliche Begriff der Fachkulturen mehr auf den kulturellen Aspekt wissenschaftlicher Praxis bezogen. Er fokussiert weniger auf die epistemischen Charakteristika als auf Aspekte wie Habitus, Arbeitsweisen, den räumlichen und zeitlichen Bezug des Forschens sowie auf politische Einstellungen und Lebensstile.14 Der Begriff der Wissenskulturen ist dagegen primär auf den epistemischen Prozess ausgerichtet. Einig sind sich beide Konzepte darin, dass der Bezug zu einer Wissens- bzw. Fachkultur kein Add-on der wissenschaftlichen Praxis ist, sondern deren inhärenter Bestandteil. Es gibt nicht „den“ bzw. „die“ Wissenschaftler*in, es gibt nur Physiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen oder Ägyptolog*innen. Der Fachbezug ist immer schon da und er ist von Anfang an relevant.

Hier wird im Folgenden der Begriff der Wissenskulturen gewählt, da es mit Blick auf die forschungsunterstützenden Dienstleistungen primär um Fragen des Erkenntnisprozesses geht, weniger um Habitus oder Lebensstile von Forschenden. Zudem ist der Begriff der Wissenskultur weniger an den Fächerprofilen und -grenzen orientiert, die sich an verschiedenen Hochschulstandorten oft sehr unterschiedlich darstellen.

Die zentrale Herausforderung bei der Einbeziehung der wissenskulturellen Spezifika in die Gestaltung von forschungsunterstützenden Dienstleistungen besteht nun darin, dass sich die wissenschaftliche Sozialisation der diese Dienstleistungen konzipierenden Personen in der Regel von der der Adressat*innen der Dienstleistungen unterscheidet. Das bedeutet, diese wissenskulturellen Spezifika müssen zunächst überhaupt erst einmal ermittelt werden.

3. Analyse wissenskultureller Forschungs- und Informationspraxis

3.1 Herausforderungen

Analyseverfahren und -instrumente zur Erfassung der Spezifika der Forschungs- und Informationspraxis verschiedener Zielgruppen befinden sich derzeit noch in einem weitgehend konzeptionellen Status.15 Ein erster Schritt hin zu einer stärkeren Einbeziehung der wissenskulturellen Perspektive ist die Auseinandersetzung mit Studien zur Forschungs- und Informationspraxis von Wissenschaftler*innen.16 Diese sind, verglichen mit anderen Themen im Fachdiskurs, zwar relativ rar, es finden sich aber auch im deutschen Bibliothekswesen bereits in den 1970er Jahren vereinzelt systematische Darstellungen zur fachspezifischen Informationspraxis im Kontext der bibliothekarischen Arbeit.17 Die Bandbreite der Analysen im internationalen Raum reicht heute von Untersuchungen konkreter Informationspraktiken bis hin zur Auseinandersetzung mit dem Einfluss von sozialen, kulturellen und technischen Kontexten auf Wissensgemeinschaften.18 Eine Sichtung dieser Studien zeigt jedoch, dass diese sowohl inhaltlich (Welche fachlichen Segmente werden in welcher Granularität betrachtet? Welche Aspekte der Forschungs- bzw. Informationspraxis werden betrachtet?) als auch methodisch (qualitative Methoden erbringen andere Arten von Aussagen als quantitative) und hinsichtlich der Abdeckung (Ist der Fokus lokal, national, international?) sehr heterogen sind. Die Ergebnisse lassen sich daher kaum vergleichen.

Zudem lassen sich die Ergebnisse dieser Studien, die zumeist einen lokalen Bezug haben, nicht generalisieren. Sie ermöglichen kaum Rückschlüsse auf das allgemeine Forschungs- und Informationsverhalten der Wissenschaftler*innen der untersuchten wissenschaftlichen Zielgruppe (zumeist einzelner Fächer), weil sich die Profile eines Faches an verschiedenen Hochschulen erheblich unterscheiden (etwa zwischen eher empirisch und eher theoretisch arbeitenden Zweigen eines Fachs wie bspw. in der Soziologie). Dies gilt insbesondere für die Fächerprofile an Fachhochschulen, die häufig eher interdisziplinär und berufsfeldbezogen angelegt und damit nicht deckungsgleich mit universitär geprägten Fächergrenzen sind. Auch aus diesem Grund ist das Konzept der Fachkulturen19 in diesem konkreten Kontext unpräzise und sollte durch den in der Wissenssoziologie etablierten Begriff der „Wissenskulturen“ zumindest ergänzt werden, da dieser Gemeinsamkeiten in der wissenschaftlichen Praxis auch jenseits von Fächergrenzen adressiert.

Daraus folgt mit Blick auf die bibliothekarische Praxis, dass sich die Ergebnisse vorhandener Studien zur wissenschaftlichen Praxis in verschiedenen akademischen Disziplinen so gut wie nicht „nachnutzen“ lassen. Vielmehr muss die lokale wissenskulturell-spezifische Forschungspraxis der Wissenschaftler*innen an jeder Hochschule gesondert ermittelt werden, um die Spezifika der verschiedenen Zielgruppen zu erfassen.

Mit Blick auf die bereits angesprochene Ressourcenproblematik bedarf es dazu eines einfach zu bedienenden Instruments. Vor diesem Hintergrund wurde in dem dieser Publikation zugrundeliegenden Projekt untersucht, ob es möglich ist, die wissenskulturell-spezifischen Forschungs- und Informationspraktiken von Wissenschaftler*innen an einer Hochschule mittels einer standardisierten Online-Befragung zu ermitteln. Die Herausforderung bestand dabei darin, einen komplexen und vielschichtigen Sachverhalt – wissenskulturell-spezifische Forschungs- und Informationspraxis – mit einem relativ einfachen und wenig flexiblen Instrument – einem standardisierten Fragebogen – zu untersuchen und dabei aussagekräftige und praktisch relevante Ergebnisse zu erzielen. Ein solches Instrument wäre leicht an die Bedarfe anderer Hochschulen anpassbar und würde damit auch anderen Einrichtungen die Möglichkeit bieten, die wissenskulturell-spezifische Forschungs- und Informationspraxis ihrer akademischen Zielgruppen ressourcenschonend zu untersuchen.

3.2 Methodik und Operationalisierung

Dazu wurde zunächst ein Fragebogenentwurf erstellt, der die für die Entwicklung von forschungsbezogenen Dienstleistungen wichtigen Merkmale des wissenskulturellen Informationsverhaltens abfragt:20 So entstand ein Prototyp mit (einschließlich der Filterfragen) zunächst 26 Einzelfragen. Dabei machten die Fragen zur Wissenschaftskommunikation, die auch das Publizieren umfassen, den weitaus größten Anteil aus, da hier der für bibliothekarische Dienstleistungen besonders relevante Umgang mit Daten und Informationen besonders im Vordergrund steht. Der Fragebogen wurde anschließend mithilfe des Online-Befragungstools Unipark21 in einen Online-Fragebogen umgesetzt.

Um diesen Fragebogen-Prototypen an die Besonderheiten und Bedarfe verschiedener Zielgruppen anzupassen, wurden an vier Fakultäten der TH Köln Experteninterviews mit Fachvertreter*innen geführt. Dafür wurden gezielt Wissenschaftsdisziplinen ausgewählt, die sich hinsichtlich ihrer Forschungsobjekte, -methoden, -daten sowie der Wissenschaftskommunikation möglichst weitgehend unterscheiden. Die Wahl fiel auf die Fakultäten für Angewandte Sozialwissenschaften, für Kulturwissenschaften, für Angewandte Naturwissenschaften und für Informatik und Ingenieurwissenschaften. Innerhalb dieser Fakultäten orientierte sich die Auswahl der Interviewpartner*innen an der erkennbaren Forschungsorientierung der befragten Professor*innen.

Der Schwerpunkt der Experteninterviews lag auf der wissenschaftsbezogenen Informationspraxis. Es wurden also nicht sämtliche Aspekte der Forschungspraxis beleuchtet, sondern – neben grundlegenden Fragen zu Forschungsobjekten und Arbeitsweisen – gezielt diejenigen in den Blick genommen, bei denen der Umgang mit Daten und Informationen im Fokus steht. Dabei wurden auch Fragen nach spezifischen Formen der Kooperation und Kommunikation gestellt, da diese zum einen Aufschluss über die Art der Wissenschaftskommunikation, zum anderen aber auch über die Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit der Forschenden für die Bibliothek geben sollten.

Nach der Auswahl der Interviewpartner*innen wurden diese zunächst per E-Mail kontaktiert. Es wurde mit jeder Person ein Termin vereinbart, bei dem im Rahmen eines Zoom-Meetings der Prototyp des Fragebogens durchgegangen, angepasst und erweitert wurde, um die spezifischen Besonderheiten und auch das Wording der adressierten Klientel zu berücksichtigen. Die Zoom-Meetings dauerten zwischen 30 und 120 Minuten. Auf diese Weise gelang es, unterhalb der allgemeinen Ebene der Fragen eine wissenskulturelle Spezifikation des Instruments zu erarbeiten. Dabei wurden besonders folgende Dinge deutlich:

Die Begriffswahl spielt für die wissenskulturelle Spezifikation eine entscheidende Rolle. So entstand allein um den – als neutral vorausgesetzten – Begriff „Forschungsobjekt“ in drei der vier Interviews eine sehr intensive Diskussion. Während die Interviewerin davon ausging, dass der Begriff „Forschungsobjekt“ die allgemeinste, neutralste und am wenigsten fachlich geprägte Weise der Bezeichnung von Forschungsgegenständen sei, wurde im Gespräch deutlich, dass bereits dieser Begriff über Erfolg oder Misserfolg der Kommunikation mit den angesprochenen Forscher*innen entscheiden kann. So machte bspw. die Interviewpartnerin der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaft deutlich, dass der Begriff „Objekt“ in ihrer Community eine sehr starke Konnotation besitze und keineswegs neutral verstanden werde. Insbesondere in der Sozialen Arbeit sei von „Objekt“ vor allem im Sinne von „Objekt von Gewalt“, „Objekt von Missbrauch“ etc. die Rede. Selbstverständlich kennen die Wissenschaftler*innen die allgemeine, neutrale Bedeutung des Begriffs „Objekt“, aber die wissenskulturelle Konnotation ist hier so stark, dass sie dieses Wissen in der praktischen Kommunikation überlagert. Die ursprünglich geplante Frage „Welche Arten von Objekten beforschen Sie?“ kann deshalb in dieser Zielgruppe nicht gestellt werden und wurde ersetzt durch die Formulierung „Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?“. Auch andere Begriffe erwiesen sich als wissenskulturell sensibel, bspw. der Begriff „Artefakt“, der in der Kulturwissenschaft die Bedeutung „Kulturobjekt“ hat, mit dem in der Naturwissenschaft jedoch „Messfehler“ gemeint ist. Nur diese beiden Beispiele – und es ließen sich viele weitere anführen – zeigen deutlich, dass bereits die Wortwahl entscheidend ist für die Frage, ob eine Kommunikation mit einer fachlichen Zielgruppe gelingt oder nicht.

Neben der Wortwahl spielen auch strukturelle Besonderheiten eine große Rolle. So wurde bspw. die Frage nach der Fachspezifik bzw. Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität der eigenen Forschung von einer der Interviewpartner*innen für ihren Fachbereich als gegenstandslos bezeichnet (und daher im Fragebogen nicht mehr aufgeführt), da dieses Fach per se interdisziplinär sei. Darüber hinaus waren für viele Fragen gänzlich unterschiedliche Antwortoptionen nötig, da sich bspw. die Quellen, die für die Recherche nach Literatur und Information genutzt werden, in den gewählten Fakultäten nahezu vollständig unterscheiden. Aber auch der Forschungsalltag, die Kommunikationsgewohnheiten, die Formen der Kollaboration, die Art und Rolle des Publizierens und die Weisen der Gewinnung von Renommee sind wissenskulturell spezifisch geprägt. Entsprechend mussten die Antwortoptionen zu einigen Fragen vollständig auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten werden, bei anderen Fragen konnte die wissenskulturelle Spezifikation dagegen durch eine entsprechend breite Auswahl an Antwortoptionen für alle Zielgruppen gewährleistet werden.

Die Interviews wurden explizit unter der leitenden Fragestellung geführt, wie insbesondere Bibliotheken sich besser auf die Bedarfe der befragten wissenschaftlichen Zielgruppen einstellen können. Dabei wurde deutlich, dass die Beziehung der verschiedenen Zielgruppen zum Thema Bibliothek extrem unterschiedlich ist. Während die Mehrzahl der Interviewpartner*innen die Hochschulbibliothek als wichtige Dienstleistungseinrichtung betrachtete, sah eine Interviewpartnerin sie als gänzlich überflüssig an. Schulungs- und Beratungsdienstleistungen der Bibliothek lehnte sie ab, weil diese keinen Nutzen für ihre Arbeit hätten. Die faktisch in Anspruch genommenen Dienstleistungen der Bibliothek – bspw. die Nutzung der von der Bibliothek lizensierten und bereitgestellten Datenbanken, Literaturverwaltungsprogramme und Publikationsservices – wurden nicht mit dieser Einrichtung in Verbindung gebracht. Generell verbanden die Interviewpartner*innen viele der adressierten Fragen nicht mit Dienstleistungen von Bibliotheken, sondern sahen vor allem die Hochschule selbst in der Pflicht, hier Unterstützung zu leisten. Dies stützt die Beobachtung von Kroll und Forsman, die besagt, dass viele Wissenschaftler*innen die Bibliothek nicht als Partner*innen innerhalb des Forschungsprozesses wahrnehmen: „Researchers do not realize what expertise librarians have to offer their users, are uninformed about services offered, and have little idea what the library might do in the future. Not one person reported that they visited a library. A wide variety of researchers voice their inability to create consistent and shareable metadata and their disorganized storage strategies. Yet it does not appear that they see libraries as having much to offer in any of these areas.”22 Die vorhandene professionelle Expertise der Bibliotheken im Umgang mit wissenschaftlich relevanten Daten und Informationen – bspw. im Bereich der Recherche oder auch des Forschungsdatenmanagements – bleibt so für diese Forschungsbereiche ungenutzt. Ob dies an einer missglückten Kommunikation, an tradierten wissenskulturellen Vorbehalten gegenüber Bibliotheken oder an der Qualität der Dienstleistungen selbst liegt, kann im Rahmen der Befragung nicht geklärt werden und sollte in weiterführenden Gesprächen mit den Zielgruppen thematisiert werden (vgl. Kapitel „Fazit und Ausblick“).

Das Experteninterview hat sich als Methode der Erkenntnisgewinnung mit Bezug auf die wissenskulturellen Spezifika der adressierten Fachbereiche eindeutig bewährt. Die Interviewpartner*innen waren sehr interessiert daran, über die Forschungs- und Informationspraxis in ihren Bereichen zu sprechen und die Fragen der Interviewerin gaben Anlass für viele Erläuterungen und Erklärungen. Auf diese Weise konnte umfangreiches Wissen über die Forschungspraxis in den befragten Fakultäten der TH Köln ermittelt werden. Dabei wurde auf beiden Seiten deutlich, dass Sachverhalte, die aus der Perspektive der eigenen Wissenskultur als selbstverständlich vorausgesetzt wurden, sich aus der Perspektive der anderen Wissenskultur vollkommen anders darstellen können.

3.3  Ergebnis

Nach der Auswertung der Experteninterviews wurde der Fragebogen-Prototyp auf die Besonderheiten und Bedarfe der vier Fakultäten hin spezifiziert. Die Spezifikation betraf neben der Formulierung der Fragen primär die Antwortoptionen. Die angebotenen Antwortoptionen der vier Fragebögen, die auf der Grundlage der Experteninterviews formuliert wurden, unterscheiden sich bei vielen Fragen vollständig bis weitgehend (bspw. Frage 1 und 5), während bei anderen Fragen dieselben oder ähnliche Antwortoptionen für alle vier Fakultäten gewählt werden konnten (bspw. Frage 2 und 6). Im Ergebnis steht nun ein gemeinsamer Fragenkatalog zur Verfügung, der hinsichtlich der Antwortoptionen an die Spezifika der jeweiligen Fakultäten der TH Köln angepasst wurde. Zusätzlich wurde eine Freitextfrage ergänzt, um den Befragten die Möglichkeit zu geben, bisher nicht abgefragte Aspekte zur Forschungsunterstützung zu nennen. Der Fragebogen umfasst insgesamt folgende Fragen:

  1. Forschungsobjekte: Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll zunächst einen Überblick über das inhaltliche und thematische Spektrum der Zielgruppe vermitteln.

  2. Forschungsalltag: Wo befinden Sie sich (physisch) während Ihrer Forschungstätigkeit zumeist? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage zielt auf Informationen zur Erreichbarkeit der Zielgruppe.

  3. Forschungsalltag: Wie forschen Sie? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage bezieht sich auf die Kooperationsformen innerhalb der Zielgruppe.

  4. Forschungspraxis: Wie entstehen in Ihrem fachlichen Bereich typischerweise Forschungsfragen? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage zielt auf die Forschungspraxis der Zielgruppe zu Beginn von Forschungsprozessen.

  5. Forschungspraxis: Wie oft nutzen Sie folgende Quellen bei der
    Informationsbeschaffung zu einem Forschungsthema? (Rankingfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll einen Überblick über das Informationsverhalten der Zielgruppe bezüglich der Nutzung von Informationenquellen geben.

  6. Forschungspraxis: Worin bestehen für Sie die größten Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen und Publikationen in Ihrem Fach? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll typische Schwierigkeiten der Zielgruppe im Umgang mit Informationen und Informationsquellen deutlich machen.

  7. Forschungspraxis: Wie würden Sie gerne über neue Informationen und
    Publikationen in Ihrem Fach informiert werden? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll gewünschte Ansprachewege erkennbar machen.

  8. Forschungspraxis: Welche Arten von Forschungsdaten entstehen in Ihrer
    Forschungsarbeit? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll die Bandbreite der Arten von Forschungsdaten in einem Fach kenntlich machen.

  9. Forschungspraxis: Wo speichern Sie Ihre Forschungsdaten? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll deutlich machen, wie in der Zielgruppe bislang mit Forschungsdaten umgegangen wird.

  10. Forschungspraxis: In welchen Bereichen Ihrer Forschungsarbeit wünschen Sie sich Unterstützung? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll Schwierigkeiten und Desiderate im Bereich der Forschungsunterstützung transparent machen.

  11. Wissenschaftskommunikation: Wie bringen Sie Ihre Arbeitsergebnisse in die Fachöffentlichkeit? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, wie Forschungsergebnisse in der Zielgruppe kommuniziert werden.

  12. Wissenschaftskommunikation: Wie stark nutzen Sie die folgenden
    Darstellungsformen bei der Publikation Ihrer Forschungsergebnisse? (Rankingfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, welche Darstellungsformen – neben Texten – in der Zielgruppe genutzt werden.

  13. Wissenschaftskommunikation: Welchen Stellenwert hat die schriftliche Publikation von Forschungsergebnissen in Ihrem Fachgebiet? (Einfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, ob die schriftliche Publikation die primäre Form der Dissemination von Forschungsergebnissen ist.

  14. Wissenschaftskommunikation: Wie wichtig ist das Zitieren anderer
    Veröffentlichungen bei der Publikation Ihrer Forschungsergebnisse? (Einfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll erkennbar machen, ob das Thema Zitieren in der Zielgruppe einen hohen Stellenwert hat.

  15. Wissenschaftskommunikation: Nutzen Sie Literaturverwaltungsprogramme (z. B. Citavi, EndNote)? (Einfachfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, ob diese Programme bereits genutzt werden.

  16. Wissenschaftskommunikation: Welche Literaturverwaltungsprogramme nutzen Sie? (Filterfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, welche Programme bereits genutzt werden (und welche nicht).

  17. Wissenschaftskommunikation: Welchen Stellenwert hat Ihrer Einschätzung nach das Open-Access-Publizieren in Ihrem Fachgebiet? (Einfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll die Einstellung der Zielgruppe zu Open Access deutlich machen.

  18. Wissenschaftskommunikation: Warum wird Ihrer Einschätzung nach das Open-Access-Publizieren in Ihrem Fachgebiet derzeit wenig oder gar nicht genutzt? (Filterfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll die Probleme der Zielgruppe mit Open Access deutlich machen.

  19. Wissenschaftskommunikation: Wodurch entsteht in Ihrem Fachgebiet
    wissenschaftliches Renommee? (Rankingfrage)

    Erläuterung: Die Frage soll zeigen, durch welche Aktivitäten in der Zielgruppe wissenschaftliches Ansehen generiert wird.

  20. Wissenschaftskommunikation: Wie vermitteln Sie Ihr Forschungsgebiet in der Lehre? (Mehrfachauswahl)

    Erläuterung: Die Frage soll darüber Informationen geben, welche Lehrmethoden zum Einsatz kommen.

  21. Angenommen, die gute Forschungsfee käme zu Ihnen und Sie hätten drei Wünsche frei: Was wären diese? (Freitextfrage)

    Erläuterung: Diese Frage soll die Möglichkeit geben, bisher nicht abgefragte Aspekte zur Forschungsunterstützung zu nennen.

  22. Statistische Fragen zur Statusgruppe und institutionellen Zugehörigkeit

Die Online-Befragungen wurden zwischen Oktober 2022 und Juni/Juli 2024 nacheinander an den vier genannten Fakultäten der TH Köln durchgeführt. Dieser lange Durchführungszeitraum ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Erkenntnisse aus jeder Befragung für die nächste genutzt werden sollten und zum anderen einem internen Problem an einer der Einrichtungen, welches die Durchführung für mehr als ein Jahr verhindert hat. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und den Fakultäten in Form einer Präsentation zugesandt, wobei eine der vier Fakultäten dies zum Anlass nahm, eine der Verfasserinnen zu einem ausführlichen Gespräch in die Fakultätsratssitzung einzuladen, um über die erhobenen Daten zu sprechen. Die größte Beteiligung konnte bei der letzten Umfrage erzielt werden: An der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften beteiligte sich mehr als ein Drittel der Professor*innen an der Umfrage, während die Quote bei der ersten Umfrage an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften nur bei knapp einem Sechstel lag. Diese Steigerung der Beteiligung konnte durch folgende Faktoren erreicht werden: die enge Abstimmung über den Versand der Einladung zur Umfrage mit der Fakultät (Zeitpunkt, Verteiler, Versender*in), den Versand von einer den Personen in der Fakultät bekannten Person, nicht von den Initiatorinnen der Befragung sowie das Angebot, das Ergebnis der Befragung im Anschluss in der Fakultät vorzustellen.

3.4 Einzelaspekte

Die inhaltlichen Gesamtergebnisse der vier Befragungen können im Rahmen der hier vorgelegten Publikation nicht vollumfänglich dargestellt werden, zudem liegt der inhaltliche Fokus hier primär auf der Entwicklung des Instruments, weniger auf der Diskussion der Ergebnisse. Daher werden im Folgenden nur einige Befragungsergebnisse schlaglichtartig beleuchtet:

Mit Blick auf die Entwicklung von forschungsunterstützenden Dienstleistungen ist interessant, dass auf die Frage „Wie oft nutzen Sie folgende Quellen bei der Informationsbeschaffung zu einem Forschungsthema?“ (Rankingfrage) nur eine der befragten Gruppen Fachdatenbanken und Bibliothekskataloge unter den drei am häufigsten genutzten Quellen nannte, während bei allen anderen neben Gesprächen mit Kolleg*innen vor allem allgemeine und wissenschaftliche Suchmaschinen sowie Verlagsportale die am häufigsten genannten Antworten waren. Dies erinnert an die ernüchternden Ergebnisse u. a. der SteFi-Studie23 und bietet Anlass, die Angebote der Bibliothek insbesondere im Bereich der Fachdatenbanken in diesen Fachbereichen nochmals gesondert vorzustellen.

Bei der Frage „Worin bestehen für Sie die größten Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen und Publikationen in Ihrem Fach?“ (Mehrfachfrage) nannten alle vier Zielgruppen als größte Probleme die Kosten für den Zugriff auf gefundene Dokumente und die Schwierigkeit, in der Masse der Treffer relevante Dokumente zu erkennen. Dies wurde nota bene auch von den Mitgliedern der Fakultät genannt, die nach Auskunft der Interviewpartnerin dieser Fakultät keine Unterstützung oder Hilfe der Bibliothek in irgendeinem Bereich ihres Forschens für sinnvoll ansah. Gleichzeitig bestehen offenbar Schwierigkeiten in der Ergebnisbewertung von Recherchen. Auch hier sehen die Verfasserinnen Anlass, auf die Mitglieder dieser Fakultäten zuzugehen und die Unterstützung der Bibliothek bei Recherchen nach Fachinformation proaktiv anzubieten.

Weit auseinander lagen dagegen die Antworten auf die Frage „Wie entstehen in Ihrem fachlichen Bereich typischerweise Forschungsfragen?“ (Mehrfachfrage). Hier reichten die jeweils am häufigsten genannten Antworten der vier Zielgruppen von „In der beruflichen Praxis (in dem zu Ihrem Forschungsfeld gehörigen Berufskontext)“ über „In der Auseinandersetzung mit kulturellen Objekten / Materialien / Prozessen“ bis hin zu „In der experimentellen Forschungstätigkeit“. Keine der befragten Zielgruppen nannte hier an erster Stelle die Literaturauswertung. Auch dies gibt Anlass zu begründeten Zweifeln an der fachübergreifenden Allgemeingültigkeit des in den gängigen Visualisierungen des Forschungszyklus dargestellten Ablaufs mit Bezug auf verschiedene wissenschaftliche Bereiche.

Bei der Frage „In welchen Bereichen Ihrer Forschungsarbeit wünschen Sie sich Unterstützung?“ (Mehrfachfrage) wurde von je zwei Fakultäten die Antwortoption „Open-Access-Publizieren“ am häufigsten genannt, die beiden anderen wünschten sich vor allem „Unterstützung bei der administrativen Abwicklung eines Projekts“. Hier wird deutlich, dass die Bedarfe der verschiedenen Zielgruppen durchaus weit auseinanderliegen können. Auf die Frage nach der Art der Darstellung von Forschungsergebnissen nannte eine Fakultät an erster Stelle nicht Texte, sondern „Fotos und andere bildliche Abbildungen“. Auf Rückfrage wurde erklärt, dass hier insbesondere digitale Ausstellungen und andere multimediale Inhalte gemeint seien, für deren Publikation sich die üblichen Hochschulrepositorien nicht eigneten. Auch hier konnte somit ein wissenskulturell spezifischer Bedarf einer Zielgruppe ermittelt werden.

Ebenso unterschieden sich die Antworten der befragten Gruppen bei der Frage „Wodurch entsteht in Ihrem Fachgebiet wissenschaftliches Renommee?“ (Rankingfrage) zum Teil erheblich, wobei die Antwortoption „Drittmittelprojekte“ nur von zwei der vier befragten Gruppen – interessanterweise den Sozial- und den Kulturwissenschaften – als wichtigster Faktor genannt wurde. Die anderen beiden Gruppen – die Naturwissenschaften und die Informatik und Ingenieurwissenschaften – gaben an den ersten Stellen (mit leichten Abweichungen in der Reihenfolge) „Publikationen in Zeitschriften mit hohem Impact-Faktor“, „Publikationen in Zeitschriften mit Peer Review“ und die „Anzahl der Publikationen“ an. Auch dies sind für die Forschungsunterstützung und insbesondere die Publikationsberatung sehr relevante Informationen.

Die hier nur schlaglichtartig vorgestellten Ergebnisse der Befragungen stellen aus Sicht der Verfasserinnen keine direkten Handlungsimplikationen dar, sondern sind in erster Linie Gesprächsanlässe für einen Austausch mit den befragten Zielgruppen hinsichtlich der in der Befragung ermittelten Bedarfe. Idealerweise folgt nach der Befragung – wie es mit einer der befragten Zielgruppen umgesetzt wurde – ein ausführliches Gespräch über die Ergebnisse, in dem die sich daraus ergebenden Konsequenzen hinsichtlich einzelner Dienstleistungen der Bibliothek bzw. Hochschule besprochen werden. Erst nach einer solchen Klärung können und sollten praktische Konsequenzen für die Ausrichtung der forschungsunterstützenden Dienstleistungen für diese Zielgruppe getroffen werden.

Im Anschluss daran wurden die Ergebnisse im Januar 2025 auch dem Präsidium der TH Köln und der Leitung der Bibliothek der TH Köln sowie im Februar 2025 einer Gruppe von leitenden Mitarbeiter*innen des Forschungsservice der TH Köln vorgestellt. Alle waren sich darüber einig, dass die Ergebnisse wichtige Impulse für eine Weiterentwicklung der forschungsunterstützenden Dienstleistungen von Bibliothek und Hochschule liefern.

4. Fazit und Ausblick

Lässt sich nun mit dem erarbeiteten Instrument – einem weitgehend standardisierten Online-Fragebogen – die wissenskulturell-spezifische Forschungs- und Informationspraxis verschiedener akademischer Zielgruppen einfach und ressourcenschonend ermitteln? Die Antwort ist ein klares Jein. Was das Instrument definitiv leistet, ist eine erste Auslotung von wissenskulturell-spezifischen Besonderheiten, Schwierigkeiten und Bedarfen. Die Befragungsergebnisse für sich genommen eignen sich jedoch nicht als alleinige Grundlage für die Konzeption von Dienstleistungen. Dazu ist die Aussagekraft der überwiegend standardisierten Antworten – die jedoch ein großer Vorteil für die Durchführung und Auswertung darstellen – nicht ausreichend. Die Befragungsergebnisse sind aber eine sehr gute Grundlage für einen intensiven Austausch mit der Zielgruppe, bei dem dann bereits auf die in der Befragung ermittelten Besonderheiten, Probleme und Bedarfe eingegangen werden kann. Der ideale Prozess wäre daher aus Sicht der Verfasserinnen vor dem Hintergrund der Erfahrungen in dem vorgestellten Projekt folgender:

Schritt 1: Anpassung des Fragebogens an die Zielgruppe (Experteninterview)
Schritt 2: Abstimmung mit der Zielgruppe über den Versand der Einladung zur Umfrage
Schritt 3: Durchführung der Umfrage (Laufzeit: 3 Wochen, Erinnerung nach 2 Wochen)
Schritt 4: Auswertung der Umfrage, Visualisierung der Ergebnisse
Schritt 5: Präsentation der Ergebnisse in der befragten Zielgruppe (z. B. auf einer Fakultätsratssitzung) unter Einbeziehung der Bibliothek und des Forschungsservice der Hochschule, Besprechung von Bedarfen, Wünschen etc.
Schritt 6: Umsetzung (Entwicklung / Modifikation von einzelnen Dienstleistungen)
Schritt 7: Information der Zielgruppen über neue Angebote

Werden Befragungen in mehreren akademischen Zielgruppen einer Hochschule geplant, empfiehlt es sich, diese nacheinander durchzuführen, um gegebenenfalls Schwachstellen zu identifizieren und auszubessern.

Mit dem vorliegenden Instrument ist aus Sicht der Verfasserinnen ein einfach zu handhabendes und zugleich effektives Analysewerkzeug erarbeitet und getestet worden, das auch von anderen Einrichtungen nachgenutzt werden kann.24 Die erforderliche Anpassung an die wissenschaftlichen Zielgruppen und lokalen Besonderheiten an anderen Hochschulen ist in Form der im Projekt erprobten Experteninterviews mit forschungsstarken Fachvertreter*innen der avisierten Zielgruppen ohne großen Zeitaufwand möglich. Durch die kooperative Entwicklung des Analyseinstruments im Austausch mit den Fachexpert*innen hat dieses Vorgehen das Potential, die für bibliothekarische Dienstleistungen häufig typische „bibliozentrische“ Perspektive zu überwinden und zu einer stärkeren Orientierung an den tatsächlichen Bedarfen und wissenskulturellen Besonderheiten der Zielgruppen dieser Angebote beizutragen.

5. Literaturverzeichnis

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Anmerkungen

1 Vgl. u. a. Universität Hohenheim: Forschungskreislauf, https://humboldt-reloaded.uni-hohenheim.de/forschungskreislauf, Stand: 04.06.2025.
2 Vgl. Michel, Antje; Heidmann, Frank; Langer, Constanze: Design trifft Informationswissenschaft. Eine Diskussion zum Wandel zweier Disziplinen im Kontext der Digitalisierung, in: Information. Wissenschaft & Praxis 71 (2-3), 2020, S. 86–94. https://doi.org/10.1515/iwp-2020-2072 sowie Michel, Antje: Die wissenskulturelle Spezifik von Information und Informationsverhalten, in: Schüller-Zwierlein, André (Hg.): Informationskompetenz, Informationsverhalten Informationsverarbeitung. Regensburg 2017, S. 33–48. https://doi.org/10.5283/epub.36337.
3 Vgl. Harg, Patrick: Fachspezifische Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bereich der Informationskompetenz, Graz 2017. Demgegenüber konstatieren Greifeneder und Bressel: „When comparing the usage patterns of participants in all four portals, we found that there were no discernible subject-specific usage patterns.” (Greifeneder, Elke; Bressel, Paulina: Don’t Go for Different! Developing Specialized Information Services for Researchers from Distinct Subject Areas, in: Cataloging & Classification Quarterly 62 (3–4), 2024, S. 432–447, hier S. 436 f. https://doi.org/10.1080/01639374.2024.2372311. Allerdings beruht diese Aussage auf einem Vergleich der Nutzung von vier geisteswissenschaftlichen Portalen: dem Handschriftenportal, Germanistik im Netz, Portal Avldigital und dem FID Darstellende Kunst und nimmt somit die Gruppe der Geisteswissenschaftler*innen in den Blick. Und so formulieren auch die Autor*innen: „A limitation of the project is that it only examined a small number of available FIDs and that, at present, no specialized service from the natural science area was included.“ (S. 443).
4 „Forschungsnahe Dienste bezeichnen eine Reihe von Bibliotheksservices, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im gesamten Forschungszyklus unterstützen und überwiegend im Kontext von digitalem Wandel und Open Science angesiedelt sind.“ Stille, Wolfgang; Farrenkopf, Stefan; Hermann, Sibylle u. a.: Forschungsunterstützung an Bibliotheken: Positionspapier der Kommission für forschungsnahe Dienste des VDB, in: o-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal 8 (2), 2021, S. 3. https://doi.org/10.5282/o-bib/5718.
5 Vgl. ebd., S. 16.
6 Vgl. open-access.network, Repositorien, 2025, https://open-access.network/informieren/publizieren/repositorien, Stand: 04.06.2025.
7 NFDI – Nationale Forschungsdateninfrastruktur e. V., https://www.nfdi.de/, Stand: 04.06.2025.
8 Vgl. ebd.
9 Fleck, Ludwig: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache: Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Basel 1935.
10 Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt am Main 1969.
11 Fleck, Ludwig: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung herausgegeben von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle, Frankfurt am Main 1980, S. 54 f.
12 Knorr Cetina, Karin: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, Frankfurt am Main 2002, S. 11.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. Multrus, Frank: Fachkulturen. Begriffsbestimmung, Herleitung und Analysen. Eine empirische Untersuchung über Studierende deutscher Hochschulen, Konstanz 2004; Huber, Ludwig. Über die Mühen der Verständigung zwischen den Disziplinen, in: Neue Sammlung. Vierteljahres-Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft 31, 1991, S. 3–24; Becher, Tony; Trowler, Paul R.: Academic tribes and territories. Intellectual enquiry and the cultures of disciplines, Buckingham, 2001, 2. Aufl.
15 Vgl. Michel, Antje; Gäde, Maria; Wittich, Anke u. a.: Informationsdidaktik, in: Kuhlen, Rainer; Lewandowski, Dirk; Semar, Wolfgang u. a. (Hg.): Grundlagen der Informationswissenschaft, Berlin; Boston 2023, S. 595–602.
16 Vgl. Tappenbeck, Inka; Michel, Antje: One size doesn’t fit all. Zukünftige Anforderungen an Konzepte und Vermittlungspraktiken von Informationskompetenz. Vortrag, gehalten am 19. Oktober 2019 auf der Tagung "Informationskompetenz und Demokratie" an der Universität Hildesheim, https://www.iws.th-koeln.de/personen/tappenbeck/publikationen/Hildesheim_Ta_Mi_final.pdf, Stand 04.06.2025.
17 Z. B. Fuhlrott, Rolf: Informationsbedarf und Informationsgewohnheiten von Ingenieurwissenschaftlern. Eine empirische Untersuchung an der Fakultät Bauingenieurwesen der Universität Karlsruhe, Köln 1972.
18 Ein kleiner Überblick über ausgewählte Studien findet sich in Michel, Antje; Gäde, Maria; Wittich, Anke u. a.: Informationsdidaktik, 2023, S. 598.
19 Vgl. Fußnote 14.
20 In Anlehnung an Gäde, Maria; Michel, Antje; Tappenbeck, Inka u. a.: Informationsdidaktische Perspektiven auf die Vermittlungspraxis von Daten- und Informationskompetenz. Vortrag, gehalten am 15. Juli 2019 auf dem 8. Potsdamer IScience Tag, S. 16, https://i-science-tag.fh-potsdam.de/wp-content/uploads/2019/10/IScienceTag_G%C3%A4de-u.-Wittich.pdf, Stand: 04.06.2025.
21 Unipark, https://www.unipark.com/, Stand: 04.06.2025.
22 Kroll, Susan; Forsman, Rick: A slice of research life. Information support for research in the United States. Report commissioned by OCLC Research in support of the RLG Partnership, 2010, S. 18. http://www.oclc.org/content/dam/research/publications/library/2010/2010-15.pdf?urlm=162948, Stand: 04.06.2025.
23 Klatt, Rüdiger; Gavriilides, Konstantin; Kleinsimlinghaus, Kirsten u. a.: Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der Hochschulausbildung. Barrieren und Potenziale der innovativen Mediennutzung im Lernalltag der Hochschulen, Endbericht, Dortmund, 2001. https://hdms.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/docId/298, Stand: 04.06.2025.
24 Die vier in den Umfragen genutzten Fragebögen sind abrufbar unter: Tappenbeck, Inka; Kortmann, Melina: Forschungs- und Informationspraxis wissenschaftlicher Zielgruppen im Fokus. Eine empirische Untersuchung an vier Fakultäten der TH Köln, Anhang: Fragebögen. Köln 2025, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:79pbc-opus-26868, Stand: 04.06.2025.