Nr. 1 (2025)
DOI: 10.5282/o-bib/6148

Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Herbstsitzung des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) fand am 6. und 7. November 2024 in virtueller Form statt. Gegenstand der Diskussionen waren folgende Themenfelder:

1. DFG-Diskussionspapier „Digitale Forschungspraxis und kooperative Informationsinfrastrukturen“

Das Diskussionspapier „Digitale Forschungspraxis und kooperative Informationsinfrastrukturen“, das auf den Ergebnissen der Klausurtagung des AWBI im November 2023 beruht, wurde mittlerweile von den Gremien der DFG verabschiedet und Ende Januar 2025 veröffentlicht.1 Der AWBI hat in seiner Sitzung eingehend erörtert, wie die im Diskussionspapier ausgeführten Vorschläge in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden können und wie der dazu nötige Austausch mit anderen, für den Aufbau und den Betrieb von Informationsinfrastrukturen verantwortlichen Akteuren konzipiert und durchgeführt werden kann. Die DFG wird einen Dialogprozess starten, der darauf zielt, die im Diskussionspapier benannten Herausforderungen und Handlungsfelder im Austausch mit Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der Informationsinfrastruktur noch besser zu konturieren, Rollen und Verantwortlichkeiten für den kooperativen Betrieb von Informationsinfrastrukturen zu schärfen und den Blick für neue Lösungsansätze zu weiten.

2. Fachinformationsdienste für die Wissenschaft

Im September 2024 beschloss der Hauptausschuss der DFG die Einrichtung der Förderlinie „FIDplus: Ergänzung der Projektförderung für Fachinformationsdienste für die Wissenschaft um längere Förderperioden und die Möglichkeit einer fortgesetzten Antragstellung“. Auf der Grundlage dieses Beschlusses befasste sich der AWBI mit folgenden Punkten:

Zum ersten Punkt stellte der AWBI fest, dass bei einer Projektlaufzeit von fünf Jahren davon auszugehen sei, dass neue einschlägige Produkte auf den Markt kommen oder die angesprochenen Communities veränderte Bedarfe formulieren. Um angemessen auf derartige Entwicklungen reagieren zu können, wird es in der Förderlinie FIDplus möglich sein, einen sogenannten Flex-Betrag für die Lizenzierung zu beantragen. Der Flex-Betrag kann maximal 15 % der Kosten für ausverhandelte Produkte umfassen. Zum zweiten Punkt hob der AWBI hervor, dass es wichtig sei, über die Antragskohorten hinweg gemeinsame Ziele und Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Konsolidierung der FID-Gesamtstruktur zu entwickeln. Um diese Verständigung herbeizuführen, soll zunächst jährlich eine Konferenz der FIDplus-Antragsteller*innen und ‑Projektnehmer*innen stattfinden. Die Federführung für die erste Konferenz (1./2. April 2025) wird gemeinsam von der DFG-Geschäftsstelle und den Gremien der FID-Gesamtstruktur wahrgenommen, ab der zweiten Konferenz wird die Verantwortung dafür an die FID-Governance übergehen.

3. Digitalisierung und Erschließung

Darüber hinaus hat sich der AWBI eingehend mit den Ergebnissen der Begutachtung der Anträge aus der Ausschreibung für eine Pilotphase „Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte“ befasst. Anträge sollten sich einem oder mehreren der Arbeitsfelder „Rechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen“, „Standardisierte Rechtebeschreibung“, „Präsentationssysteme und Rechtemanagement“ und „Derivate“ zuordnen. Neun Pilotvorhaben sowie ein Koordinierungsprojekt wurden von einer Begutachtungsgruppe zur Bewilligung vorgeschlagen. Wie in der Ausschreibung angekündigt, wird es Mitte Februar 2025 einen gemeinsam von der DFG-Geschäftsstelle und dem Koordinierungsprojekt organisierten Auftaktworkshop geben. Der Workshop soll dazu dienen, vor Projektbeginn klare Absprachen zur möglichst effizienten Ausgestaltung der Pilotphase zu treffen sowie Kommunikations- und Organisationsprozesse festzulegen. Außerdem soll abgestimmt werden, wie sowohl inhaltliche als auch zeitliche Synchronisierungen zwischen dem Koordinierungsprojekt und den Pilotprojekten erzielt werden können. Der AWBI hat in seinen Beratungen die Bitte an das Koordinierungsprojekt gerichtet, bereits während der Pilotphase eine Rückmeldung an den AWBI zu geben hinsichtlich der Entwicklungen und zukünftig relevanten Themenfelder.

4. E-Research-Technologien

Der AWBI hat sich mit den von der koordinierten Förderinitiative zur Weiterentwicklung von Verfahren der Optical Character Recognition (OCR) vorgelegten Konzepten zur Verstetigung der OCR-D-Software sowie zur abgestimmten Volltexttransformation der Verzeichnisse der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16. bis 18. Jahrhunderts (VD) befasst.

Hervorgehoben wurde seitens des AWBI, dass die OCR-D-Software ein hohes Qualitätsniveau erreicht hat. Auch die Modelle für Kraken, Tesseract und Calamari weisen eine für wissenschaftliche Zwecke adäquate Erkennungsquote auf. So bietet die OCR-D-Software sowohl die Volltexterkennung großer Mengen über einen zentralen „High-performance computing (HPC)“-Cluster als auch den Einsatz als On-Premise-Lösung für kleinere Bestände einzelner Einrichtungen. Den Vorschlag zur Aufnahme der OCR-D-Software in den Kitodo e.V. als Governance-Struktur zur Verstetigung und als Basis für das künftige Betriebsmodell der Software begrüßte der AWBI.

Das Konzept zur abgestimmten Volltexttransformation der VD-Bestände enthält nach Ansicht des AWBI belastbare Mengengerüste. Auch wurde darauf geachtet, dass bei der Umsetzung bereits vorhandene Volltexte berücksichtigt werden, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Kritisch merkte der AWBI an, dass aktuell die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine größer angelegte Volltexttransformation fehlen. So muss zunächst die Bereitstellung der Volltexte in einer nachnutzbaren Form in einem gemeinsamen Suchraum aller VD-Bestände gewährleistet sein, bevor sich der AWBI grundsätzlich für eine Förderung der Volltexttransformation durch die DFG aussprechen kann. Eine Bearbeitung von Titeln mit komplexeren Eigenschaften, die sich nicht für eine HPC-Prozessierung eignen, sollte erst nach einer potenziellen HPC-Volltexterschließung angegangen werden.

5. Forschungssoftwareinfrastrukturen

Im Mai 2024 ist das neue Programm „Forschungssoftwareinfrastrukturen“ veröffentlicht worden. Ziel ist der Aufbau, die Etablierung oder Organisation von Forschungssoftwareinfrastrukturen. Dazu können Projekte auf der technischen, organisatorischen und individuellen Ebene gefördert werden. Dem AWBI war es von Anfang an ein Anliegen, im Rahmen des Programms auf ein System von Forschungssoftwareinfrastrukturen hinzuwirken. Um eine solche Gesamtstruktur für Forschungssoftwareinfrastrukturen zu unterstützen und zu stimulieren, hat der AWBI beschlossen, begleitend zum Programm eine Kommission einzurichten, die von zwei AWBI-Mitgliedern geleitet werden wird. Mit der Beobachtung von Fortschritten und der Bewertung von ersten Teilergebnissen soll die Kommission auch am Aufbau eines Programm-Monitorings mitwirken.

6. Künstliche Intelligenz in der Informationsinfrastruktur

Der AWBI hat sich mit den Ergebnissen des Anfang Oktober 2024 durchgeführten Workshops zum Aufbau von Datenkorpora zum Entwickeln und Trainieren von KI befasst. Der Workshop hatte das Ziel, im gemeinsamen Austausch ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, wie Daten aus der Wissenschaft für die wissenschaftliche Nutzung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) besser zugänglich gemacht und genutzt werden können. Dazu waren Teilnehmer*innen aus drei Gruppen vertreten: KI-Modellentwickler*innen, Modellanwender*innen sowie Betreiber*innen von Infrastrukturen. Dabei wurden wissenschaftliche Bedarfe und Potenziale wissenschaftlicher Infrastrukturen herausgearbeitet. Eine weitere Vertiefung und Erweiterung dieses Austauschs erscheint dem AWBI lohnenswert. Dabei sollte aus Sicht des AWBI die Rolle der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und der Forschungsdatenzentren verstärkt thematisiert werden. Da der Schwerpunkt des Workshops auf sprachbasierten Modellen lag, würde dies auch die Möglichkeit eröffnen, nicht-sprachbasierte KI-Modelle dezidiert einzubeziehen.

In diesem Zusammenhang hat sich der AWBI auch mit den Ergebnissen und der Auswertung der DFG-Geschäftsstelle des im Juni 2024 veröffentlichten Ideenwettbewerbs zur Unterstützung von KI in der Forschung durch Informationsinfrastrukturen befasst. Es wurden 53 Ideen zu Vorhaben und Fördermaßnahmen entlang des gesamten Forschungszyklus in fachlicher Breite sowohl von Personen aus wissenschaftlichen Infrastruktureinrichtungen als auch von Forscher*innen eingereicht. Zentrale Erkenntnisse und Ergebnisse des Ideenwettbewerbs wurden bereits in einer Information für die Wissenschaft veröffentlicht.2 Einige der eingereichten Ideen können direkt in bestehenden LIS-Programmen als Anträge eingereicht werden. Diesen Ideengebern wurde ein entsprechendes Beratungsangebot gemacht. Hinsichtlich der darüber hinaus angesprochenen Themen hat sich der AWBI zunächst dafür ausgesprochen, eine Ausschreibung zu Datenkorpora für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz zu erarbeiten.

7. Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren

Auch über die Ergebnisse der Begutachtung der in der Ausschreibung „Neue Dynamik bei Diamond Open Access“ eingereichten Anträge hat sich der AWBI informiert. Mit der Ausschreibung wird eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit von in Deutschland betriebenen Diamond-Open-Access-Infrastrukturen angestrebt. Konkret zielt sie auf den Aufbau einer nationalen Servicestelle für Diamond Open Access, die technische und organisatorische Basisdienste bereitstellt, Beratungsangebote übernimmt sowie zur fachlichen und internationalen Vernetzung und Koordination der dezentralen Diamond-Open-Access-Angebote beiträgt. Von einer international besetzten Begutachtungsgruppe, die im September 2024 getagt hatte, war ein Antrag für den Aufbau einer Servicestelle zur Bewilligung vorgeschlagen worden.

Die Einrichtung einer entsprechenden Servicestelle hat auch Auswirkungen auf das Förderprogramm „Informationsinfrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren“ hinsichtlich des Umgangs mit potenziellen Überschneidungen der Fördergegenstände. Daher hat sich der AWBI für Anpassungen der Förderbedingungen im Merkblatt für das Förderprogramm ausgesprochen.

8. Open-Access-Publikationskosten

Bereits in seiner Frühjahrssitzung im Mai 2024 hatte der AWBI die Rahmenbedingungen für eine Anpassung der Open-Access-Förderung für Artikel- und Buchgebühren ab 2028 diskutiert und in diesem Zusammenhang die Durchführung eines Rundgesprächs angeregt, das Anfang Oktober 2024 stattgefunden hat. Die Ergebnisse des Rundgesprächs sind in die Beratungen des AWBI zur Ausgestaltung des zukünftigen Open-Access-Publikationsförderprogramms eingeflossen. Zur weiteren Ausgestaltung der Open-Access-Förderung beraten die DFG-Gremien im Jahr 2025. Ab 2027 soll die Antragstellung für die Publikationsjahre ab 2028 möglich sein.

Anmerkungen

1 DFG: Digitale Forschungspraxis und kooperative Informationsinfrastrukturen. Ein Diskussionspapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu Förderung und Finanzierung wissenschaftlicher Informationsinfrastrukturen, Januar 2025, https://doi.org/10.5281/zenodo.14621978.
2 DFG: Resonanz auf Ideenwettbewerb zur Unterstützung von KI in der Forschung durch Informationsinfrastrukturen (Information für die Wissenschaft, Nr. 116), 13.12.2024, https://www.dfg.de/de/aktuelles/neuigkeiten-themen/info-wissenschaft/2024/ifw-24-116, Stand: 02.03.2025.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Gruppe 'Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme'

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6148

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.