Nr. 1 (2025)
DOI: 10.5282/o-bib/6139

Implementierung neuer Dienstleistungen rund um die Publikation von Forschungsdaten aus Hochschulschriften

Abschlussbericht des Projektes FoHop! an der TIB

1. Aus welcher Notwendigkeit entstand das Projekt?

Im Team Hochschulschriften und Geschenke (HuG) der Technischen Informationsbibliothek Hannover (TIB) wurde folgende Beobachtung gemacht: Promovierende der Leibniz Universität Hannover (LUH), die Forschungsdaten (FD) zu Ihren Dissertationen veröffentlichen, publizieren diese meist zusammen mit ihrer Dissertation im institutionellen Textrepositorium der LUH, das von der TIB in ihrer Funktion als Universitätsbibliothek betreut wird. Häufig werden die FD in solchen Fällen als Anhang in das PDF der Dissertation integriert oder (seltener) als eigenständiges PDF angehängt.1

Dieses Vorgehen führt jedoch dazu, dass die FD weder indexiert noch eigenständig zitierbar und somit schwer auffindbar sind. Darüber hinaus stehen dadurch keine eigenen Metadaten für die FD bereit und sie liegen als PDF in einem für die Weiterverarbeitung ungünstigen Format vor, entsprechen somit also auch nicht den FAIR-Prinzipien2 für Forschungsdaten.

Zudem ist das Textrepositorium nicht für die Publikation von Forschungsdaten vorgesehen, da an der LUH auch ein eigenständiges Forschungsdatenrepositorium3 für die Forschenden zur Verfügung steht, welches durch die Leibniz Universität IT-Services (LUIS) betrieben wird.

Dank einer Masterarbeit von David Krassnig,4 die durch das Projekt angestoßen im Rahmen eines Bibliotheksreferendariates am IBI5 entstand, bestätigte sich der oben beschriebene Eindruck: In den Jahren 2012–2023 wurden 4.196 Dissertationen im institutionellen Textrepositorium veröffentlicht. Die Untersuchung einer daraus gezogenen geschichteten Stichprobe (n=1.441) ergab, dass es sich bei 1.252 Dissertationen um solche mit Primärdaten handelte. Dabei stellte der Autor fest, dass bei 768 Dissertationen die Forschungsdaten veröffentlicht wurden: Bei 714 Dissertationen wurden sie als „integrierte Forschungsdaten“, z.B. im Text, bei 22 Dissertationen als „begleitende Forschungsdaten“ im Anhang veröffentlicht. Von 93 Dissertationen wurden die Forschungsdaten auf einer externen Plattform publiziert, überwiegend handelte es sich um Code, der (jedoch ohne DOI oder andere Persistente Identifikatoren) in einem Git-Repositorium abgelegt wurde.6

Um diesen Zustand zu verbessern, wurde im August 2022 das FoHop!-Projekt an der TIB gestartet. Dazu wurde von den am Projekt beteiligten Abteilungsleitungen ein Antrag an die Leitungsrunde7 der TIB auf Finanzierung durch den TIB Innovationsfonds gestellt.

Die dort genannten Hauptanliegen waren folgende:

Konkrete Handlungsziele waren:

2. Konzeptentwicklung und Projektplan

2.1 Planung

In der Konzeptentwicklungsphase des Projektes wurden die im Antrag genannten Projektziele mit Ideen gefüllt (und manche im Laufe des Projektes auch wieder verworfen). Anhand einer Stakeholder-Analyse wurden einzubeziehende Partner*innen, aber auch „Problemstellen“ identifiziert und mit Hilfe eines Projektstrukturplanes die Projektziele in Arbeitspakete (AP) und Teilaufgaben untergliedert. Es folgte eine Zeit- und Ressourcenplanung – welcher Projektpartner*innen ist für welches AP und welche Teilaufgaben verantwortlich? Das Whiteboard-Tool Collaboard war dabei sehr nützlich, da damit einfach und schnell ein Brainstorming, Mind Mapping und die Visualisierung der Ergebnisse (Projektstrukturplan, Workflow) umgesetzt werden konnten.

Die so identifizierten Hauptaufgaben waren folgende:

2.2 Rahmenbedingungen

Das Projekt wurde auf zwei Jahre ausgelegt. Der Projektstart erfolgte im August 2022. Das Team war abteilungsübergreifend beim Team Hochschulschriften und Geschenke sowie den Publikationsdiensten angesiedelt und setzte sich wie folgt zusammen:

Die Projektkoordinatorin nahm zum 01.02.2024 Verpflichtungen in einem anderen Projekt an und war in den letzten sechs Monate der Projektlaufzeit nur in geringerem Umfang beteiligt.

2.3 Technische Umsetzung

Für die Umsetzung der im Projekt definierten Ziele war die Zusammenarbeit mit den Leibniz Universität IT Services als wichtiger Stakeholder im Projekt notwendig. LUIS betreut das auf der Technologie des Comprehensive Knowledge Archive Network (CKAN)10 basierende FD-Repositorium der LUH11.

Für die Zusammenarbeit mit LUIS wurde folgendes Szenario erarbeitet: Es sollte für die Promovierenden der LUH die Möglichkeit geschaffen werden, ihre Forschungsdaten zusammen mit ihrer Dissertation in einem Verfahren zu veröffentlichen, sodass nicht mehrere Konten angelegt werden müssen.

Die technische Umsetzung des Projektvorhabens nach dem ursprünglichen Szenario sah wie folgt aus:

Das Textrepositorium, basierend auf DSpace12, wurde als führendes System gewählt. Die Forschungsdaten werden, gemeinsam mit der Dissertation, in DSpace hochgeladen und automatisiert von DSpace über die CKAN Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) und einen Systemnutzer "DSpace-Import" an das CKAN-FD-Repositorium von LUIS weitergegeben.

Die initiale Metadatenbearbeitung der Forschungsdaten sollte ebenfalls über DSpace geschehen. Nach Abschluss der Bearbeitung sollten die validierten Metadaten über die API des FD-Repositoriums mittels eines noch zu entwickelnden Tools ins Zielrepositorium „verschoben“ werden.

Recht schnell stellte sich heraus, dass für das Metadatenmapping eine Anpassung des Metadatenschemas im CKAN-FD-Repositorium erforderlich wäre, die den initial geschätzten Aufwand bei weitem überstieg. Die dazu erforderlichen Personalressourcen konnte das LUIS kurzfristig nicht einräumen, sodass ein neuer Weg gefunden werden musste.

So wurde als Übergangslösung ein alternatives Szenario für das Projekt entwickelt:

Das auf DSpace basierende Textrepositorium sollte als Veröffentlichungsort der Forschungsdaten dienen. Sobald das FD-Repositorium auf den neuesten Metadatenstandard gebracht wäre, könnten die Forschungsdaten mittels DataCite API durch das LUIS abgeholt und die Datensätze somit auch im FD-Repositorium der LUH nachgewiesen werden.

Der Mehrwert für Promovierende bestand in der Schaffung eines Publikationsortes für Forschungsdaten entsprechend dem aktuellen Metadatenstandard, der Gewährleistung der Langzeitarchivierung (LZA)13 von zehn Jahren durch die TIB, Zitierbarkeit und Verbesserung der Auffindbarkeit14 sowie der Verbreitung der FD durch einen eigenen DOI und Katalognachweis.

3. Bilanz des Projektes

Der nun gewählte Weg liefert ein niederschwelliges Angebot, die Forschungsdaten im gleichen Repositorium wie die Dissertation zu veröffentlichen. Promovierende können ihre Forschungsdaten mit geringem Aufwand publizieren.

4. Fazit

Um den Service zu evaluieren und beständig fortzuentwickeln, ist eine Nutzungsumfrage zur Relevanz der neuen Informationen auf der Webseite und zur Benutzungsfreundlichkeit des Uploadformulars geplant. Folgendes kann jedoch bereits festgestellt werden:

Es ergaben sich durch das Projekt erfreuliche Begleiteffekte: Das Team Hochschulschriften und Geschenke wurde für das Thema Forschungsdatenpublikation und die bereits im Repositorium vorhandenen FD sensibilisiert, sodass nun auch dort, neben dem Serviceteam Forschungsdaten der LUH, im Kontakt mit den Promovierenden auf die Vorteile der FD-Publikation hingewiesen und dazu beraten werden kann. Zudem wurde das Arbeitsfeld in den Workflow und die Ausbildung der FaMIs und der im Team HuG hospitierenden Hochschulpraktikant*innen integriert. Generell wurde das Verständnis für die Arbeitsfelder der Kolleg*innen innerhalb der TIB gefördert.

Eine Herausforderung war es, die wichtigen Stellen an der Universität für das Thema Forschungsdatenpublikation zu sensibilisieren. Sowohl die wissenschaftlichen Betreuer*innen als wichtiger Kontaktpunkt zu den Promovierenden als auch die Doktorand*innen selbst waren zum Großteil nur schwer für das Thema zu erreichen, da erfahrungsgemäß der Publikation von Forschungsdaten in den Fachbereichen bisher keine große Priorität eingeräumt wird und an der LUH bis dato nicht verpflichtend ist. Durch die Abstimmungsprozesse im Senat der LUH und die regelmäßigen Berichte im Nutzerbeirat18 konnte das Thema breiter in die Universität gestreut werden.

Abschließend soll noch hervorgehoben werden, dass durch die intensive Beschäftigung mit der Katalogisierung von FD im Projekt eine Diskussion auf Verbundebene im GBV angestoßen wurde. Die Ergebnisse und Katalogisierungsworkflows wurden bei einer Sitzung der AG K10plus Katalogisierung im Herbst 2024 vorgestellt, die das Thema Forschungsdatenkatalogisierung auf ihre Agenda gesetzt hat.

Im Vorfeld der Sitzung haben die teilnehmenden Bibliotheken eine Umfrage zum Umgang mit Forschungsdaten in ihren Häusern ausgefüllt. Für die Speicherung und den Nachweis von FD ergibt sich ein gemischtes Bild. Zum Teil sind bereits eigene Forschungsdatenrepositorien vorhanden, z.T. in Planung oder perspektivisch vorstellbar. Überwiegend besteht Interesse an einem Nachweis im Verbundkatalog K10plus. Bisher ist ein Nachweis nur in wenigen Fällen – zumeist im Zusammenhang mit Projekten – realisiert. Die Formalerschließung erfolgt teilweise manuell, automatisierte Workflows werden angestrebt. Einige Bibliotheken sehen keinen Mehrwert durch einen Nachweis im K10plus, da die Forschungsdaten durch einschlägige Verzeichnisse auffindbar sind.

Somit ist die TIB durch das Projekt auf den zukünftigen Anstieg der Zahl der FD-Publikationen von Hochschulschriften, aber auch der Publikation von Forschungsdaten insgesamt, der mit den wachsenden Anforderungen der Drittmittelgeber an die Forschenden bezüglich der Veröffentlichung von Forschungsdaten einhergehen wird, sehr gut vorbereitet.

Anmerkungen

1 Dieser Beitrag bezieht sich auf den Vortrag der Autorinnen mit dem Titel „Evolution statt Revolution bei der Forschungsdatenpublikation! - Das Projekt ‚FoHop!‘ an der TIB“ am 06.06.2024 auf der 112. BiblioCon 2024 in Hamburg. Das Projekt „FoHop!“ wurde von 2022–2024 an der Technischen Informationsbibliothek (TIB) durchgeführt. Im vorliegenden Beitrag werden die einzelnen Schritte des Prozesses vorgestellt und Beispiele aus dem Projekt angesprochen, die für die Projektkoordination herausfordernd waren.
2 Wilkinson, M.; Dumontier, M.; Aalbersberg, I. et al.: The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship, in: Sci Data 3, 160018 (2016). Online: https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18; https://www.go-fair.org/fair-principles/, Stand: 17.12.2024.
3 https://data.uni-hannover.de/, Stand: 17.12.2024.
4 Krassnig, David: Publikationspraktiken für Forschungsdaten in Hochschulschriften (1.0.0) [Zenodo], [01.10.2024], https://doi.org/10.5281/zenodo.11506621
6 Diese statistischen Daten standen erst am Ende des Projekts zur Verfügung. Zu Beginn des Projekts wurde eine interne Statistik der im Anhang veröffentlichten Forschungsdaten geführt.
7 Gremium, bestehend aus den Mitgliedern der Direktion, der kaufmännischen Leitung, dem Chief Technology Officer, der Abteilungsleitung EDV und Technische Infrastruktur, der Leitung der Abteilung Benutzungs- und Informationsdienste sowie der Leitung der Abteilung Administration.
10 CKAN, 16. 05 2024, https://ckan.org/, Stand: 29.09.2024.
12 DSpace, 2025, https://dspace.org/, Stand: 06.01.2025.
13 Die TIB betreibt gemeinsam mit ihren Partnerbibliotheken ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft ein produktives digitales Langzeitarchivierungssystem: „das digitale Langzeitarchiv des Verbundes der drei deutschen Zentralen Fachbibliotheken“. Im Rahmen dessen kommt hierfür die Software Rosetta der Firma Ex Libris zum Einsatz.; https://www.tib.eu/de/publizieren-archivieren/digitale-langzeitarchivierung, Stand: 06.01.2025.
14 Piwowar HA, D. R. (Hg.): PLoS ONE 2(3): e308. Online: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0000308, [29.09.2024]; Colavizza G.; Hrynaszkiewicz I.; Staden I.; Whitaker K.; McGillivray B: The citation advantage of linking publications to research data, in: PLoS ONE 15(4): e0230416. Online: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0230416.
17 Tool für automatisierte Sacherschließung: https://annif.org/, Stand: 06.01.2025.
18 Der Nutzerbeirat ist ein Gremium, das sich aus Angehörigen der Leibniz Universität Hannover zusammensetzt und die TIB in ihrer Rolle als Universitätsbibliothek in allen Belangen der Literatur- und Informationsversorgung berät.

Olga Engelhardt, Technische Informationsbibliothek (TIB), https://orcid.org/0009-0003-3956-5703
Petra Gugat, Technische Informationsbibliothek (TIB)
Ann-Karina Renziehausen, Technische Informationsbibliothek (TIB), https://orcid.org/0000-0002-9362-4968
Unknown author

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