Die wissenschaftliche Publikation, einst ein Mittel zum freien Austausch von Wissen, wurde im Laufe der Zeit zum Geschäft.1 Dies mündete in den 1990er Jahren in der sogenannten "Zeitschriftenkrise", als selbst finanzstarke Forschungseinrichtungen die immer weiter steigenden Abonnementgebühren nicht mehr tragen konnten – und wollten.2 Aus diesem Unwillen erwuchs die Open-Access-Bewegung, die insbesondere seit Beginn des neuen Jahrtausends Fahrt aufnahm (v.a. mit den Erklärungen von Berlin, Bethesda und Budapest).3 Sie nutzte neue technologische Distributionsweisen, um (quantitativ wie qualitativ) neue Dimensionen des offenen und freien Zugangs zu ermöglichen. Doch schnell passten sich die verlegerischen Geschäftsmodelle an, was durch intransparente und überhöhte Article Processing Charges (APCs) nicht nur Profite maximierte, sondern auch bei Autorinnen und Autoren zunehmend Unmut gegenüber der Open-Access-Transformation auslöste. Gleichzeitig blühte die Open-Science-Bewegung auf, die Prinzipien wie Open Access, Open Source und Open Data vereint und in der Recommendation on Open Science der UNESCO Ausdruck findet.4 Damit entwickelte sich der Open Access entscheidend weiter.5 Die bisher vielleicht weitreichendste Manifestation dieses Prozesses stellt Diamond Open Access (DOA) dar. Mit Diamond Open Access werden Open-Access-Modelle bezeichnet, die sowohl ohne Gebühren für die Lesenden als auch für die Autorinnen und Autoren auskommen, indem sie nicht durch kommerzielle Verlage, sondern meist durch wissenschaftsgeführte und -eigene Publikationsinfrastrukturen bereitgestellt werden. Damit ist weltweit ohne Bezahlschranken ein Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und zum wissenschaftlichen Diskurs möglich. Interessanterweise ist auch heute diese Form der Publikation in manchen Disziplinen wenig bekannt.6 In Peter Subers einflussreicher Einleitung zu Open Access (2012)7 werden weder DOA noch eine der im englischsprachigen Diskurs seit den 2000er-Jahren verbreiteten Alternativen wie Platinum oder Non-Commercial Open Access explizit genannt.8 Dabei bietet DOA vielversprechende Möglichkeiten für ein wissenschaftsgeleitetes Publizieren,9 das sich konsequent an den Bedarfen der Wissenschaft ausrichtet und hierdurch einer überbordenden Kommerzialisierung entschieden entgegentritt.
Außerdem kann eine zunehmende Umstellung auf DOA die Forschungsbewertung verändern, indem sie den gesamten Erkenntnisprozess – einschließlich Forschungsdaten und Analysewerkzeuge – stärker einbezieht. Dies wirkt Fehlanreizen wie der reinen Metrisierung (z.B. durch den Impact Factor) entgegen und etabliert Transparenz als zentrales Kriterium guter wissenschaftlicher Praxis, wodurch Bedenken zur Qualitätssicherung in offenen Publikationsformaten begegnet wird.
Nicht zuletzt bietet sich durch die Publikation verschiedenster Formate des Forschungsoutputs, die sicherlich eigene Herausforderungen (bspw. in Bezug auf digitale Kompetenzen, Nachnutzungsrechte oder Datenschutz) mit sich bringen, auch eine Chance für eine erhöhte Transparenz in der Wissenschaft.
Der vorliegende Beitrag widmet sich diesem Themenkomplex aus einer interdisziplinären Perspektive. Forschende aus der Medienwissenschaft (KM), Medizin (KH), Psychologie (DE), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (KS), Biologie (MBB) und der Neurowissenschaft (AJ) stellen Ansätze und Erfahrungen mit DOA vor, die aus dem Zusammenspiel von traditioneller Publikationskultur und neuen Möglichkeiten entstehen.10 Der Fokus liegt hierbei auf den Aspekten der Kommerzialisierung (wissenschafts- vs. gewinngetrieben), Wissenschaftsbewertung (qualitativ vs. quantitativ) und alternativen Publikationsformate (divers vs. uniform), da diese zentrale Spannungsfelder im Diskurs um Open Access und Open Science darstellen. DOA berührt damit nicht nur Fragen nach der Finanzierung, der Veröffentlichung und der Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern ist Teil eines umfassenden Kulturwandels der Wissenschaft hin zu Open Science. Dieser Wandel öffnet nicht nur Forschungsergebnisse (z.B. via Open Access), sondern die Wissenschaft als Prozess selbst (z.B. via Open Methods), mit weitreichenden Implikationen, die im Folgenden an Beispielen illustriert werden.
Auch wenn die Zeitschriftenkrise der Open-Access-Bewegung Auftrieb bescherte, ist die Macht internationaler Verlagskonzerne ungebrochen. Denn Elsevier, MDPI, Springer Nature oder Wiley haben ihre Geschäftsmodelle umgestellt und profitieren so kräftig von der Open-Access-Transformation (z.B. via APCs). Zudem haben sie ihr Produktportfolio diversifiziert: Die RELX Group, zu der Elsevier gehört, fungiert mittlerweile als Datenkonzern, der wissenschaftliche Arbeits- und Nutzungspraktiken datafiziert erfasst, aggregiert und verarbeitet und darauf basierende Tools und Dienste für die Wissenschaft entwickelt, die perspektivisch den gesamten Forschungszyklus, über Personen- und Projektinformationen bis hin zu Hochschulbibliografien, umfassen.11 Mit ihrem Forschungsinformationssystem PURE wird beispielsweise Einblick in den gesamten Forschungszyklus ermöglicht.12 Hier werden nicht nur Erkenntnisse veröffentlicht, sondern auch Nutzungsdaten erhoben und verwertet, was eine weitere Machtkonzentration auf Seiten der Verlagskonzerne bedeutet13 und die prekäre Abhängigkeit der Wissenschaft von Verlagsinfrastrukturen verstärkt. Wir sehen uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dementsprechend verlegerischen Praktiken gegenüber, die für die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse immer höhere Preise verlangen und die nach einer stets auf Gewinnmaximierung hin ausgerichteten Diversifikation ihres Produktportfolios sowie auf eine Ausdehnung und Erweiterung ihrer Geschäftspraktiken ausgerichtet sind. In Anbetracht der Art und Weise, wie die RELX Group und andere Anbieter (Springer Nature, Taylor & Francis, Clarivate u.a.) versuchen, den Forschungsprozess in sich ‘aufzusaugen’, müssen wir uns die Frage stellen, ob wir es hierbei nicht nur mit einer Kommerzialisierung des wissenschaftlichen Publikationswesens, sondern auch der Wissenschaft an sich zu tun haben. Bejahen wir die letzte Frage, so ist die Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit kein theoretisches Konstrukt mehr, vielmehr ist sie unausweichlich, wenn die Verbreitung wissenschaftlichen Wissens, aber auch die Frage, wie Wissenschaft infrastrukturell funktioniert, von der Wirtschaftlichkeitsabwägung kommerzieller Verlage abhängt und somit einen profitgetriebenen Publikationsbias verursacht. Das treibt nicht nur die Preisspirale zunehmend voran, sondern führt auch zur Verdrängung jener aus dem Diskurs, die die aufgerufenen Preise nicht bezahlen können - von kleinen Forschungseinrichtungen, über den wissenschaftlichen Nachwuchs bis hin zum Globalen Süden.14 Diese Entwicklung widerspricht den Interessen der Wissenschaft. Wir können ihr begegnen, indem wir wissenschaftsgeleitete und -eigene Infrastrukturen aufbauen.15 Förderprogramme spielen dabei eine zentrale Rolle, doch passen deren Vorgaben und Laufzeiten oft nur bedingt zu spezifischen Fachkulturen. Besonders in der Medienwissenschaft kämpfen scholar-led DOA-Journale regelmäßig mit Finanzierungsproblemen.16 Allerdings kann auch gerade dies dazu anregen, bestehende Möglichkeiten der institutionellen Förderung zu nutzen oder in Kooperation mit Fachgesellschaften Periodika wie Zeitschriften, Schriftenreihen oder Blogs zu betreiben. Die Gesellschaft für Medienwissenschaft betreibt die Zeitschrift für Medienwissenschaft. Zudem lassen sich DOA-Journale z.B. via Open Journal Systems (OJS)17 beispielsweise durch Bibliotheken betreiben, was insbesondere Nachwuchsautorinnen und -autoren als – wirtschaftlich gesehen – niederschwellige Publikationsmöglichkeit zugutekommt. Der Betrieb eines solchen Journals setzt aber auf Herausgeberseite voraus, dass diese erstens einer Einrichtung angehören (was bspw. independent scholars ausschließt) und zweitens eine langfristige Anstellungsperspektive haben, um den langfristigen Betrieb zu gewährleisten (was in der Regel nicht für den wissenschaftlichen Nachwuchs gilt). Wir sehen also, dass nicht nur kommerzielle Angebote aus wirtschaftlichen Gründen nicht offen sind, sondern auch aus Autorensicht vermeintlich(!) freie und kostenlose (da von wissenschaftsgeleiteten und -eigenen Infrastruktureinrichtungen bereitgestellt) Infrastrukturen können exkludierend sein, indem sie verhindernde formale Kriterien setzen.18
Als Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fragen wir uns daher, wie DOA partizipativer gestaltet werden kann, damit die Regeln wissenschaftlichen Publizierens von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstellt werden und nicht für diese. Das würde aber auch bedeuten, in Zeiten zunehmender Internationalisierung der Wissenschaft vermehrt über Ländergrenzen hinaus zu kooperieren, um national unterschiedlichen kommerzialisierten Publikationslandschaften wie Forschungsförderpraktiken Rechnung zu tragen. Wenn dies gelingt, kann DOA eine Möglichkeit sein, zu einem wissenschaftsgeleiteten Publizieren zu gelangen.
Gegenwärtig werden die Verfahren der Wissenschaftsbewertung, insbesondere essentiell für Förderanträge und Stellenbewerbungen, intensiv diskutiert. Kritisiert wird vor allem die zentrale, andere Faktoren in den Hintergrund drängende Rolle rein bibliometrischer Kriterien wie Impact Factor und h-Index.19 Diese gelten als zeitsparende und (vermeintlich) objektive Bewertungskriterien aufgrund ihres hochgradig formalisierten Charakters, beispielsweise in Stellenbesetzungsverfahren, sagen jedoch wenig über die Qualität der Arbeiten aus. Journale mit hohem Impact Factor können wissenschaftlich kontroverse oder stark kritisierte Arbeiten veröffentlichen und hohe Zitationsindexe dadurch entstehen, dass sich Publikationen massiver Kritik ausgesetzt sehen. Auf nationaler Ebene gestaltet die DFG diesen Prozess der Änderung von Wissenschaftsbewertung top-down aktiv mit, international gibt es Initiativen wie die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) oder die Declaration on Research Assessment (DORA).20
Aus Sicht der Psychologie beispielsweise erscheint ‒ abgesehen von wissenschaftstheoretischen und -ethischen Erwägungen ‒ eine qualitative Wissenschaftsbewertung zwingend erforderlich, doch bleibt unklar, was dies eigentlich bedeutet und wer sie definiert. Entstehen solche Kriterien/Parameter top-down durch die Wissenschafts- und Förderpolitik oder auch bottom-up, bspw. durch einen konkreten Bezug zu Berufungsverfahren? In der Psychologie ist in einigen Berufungsverfahren der "Umgang mit Daten im Sinne des Open Access" mittlerweile als ein entscheidendes Kriterium definiert worden.21 Bei einer entsprechend relevanten Publikation, die den “DOA” Kriterien genügt, muss es z.B. möglich sein zu zeigen, wo Daten liegen, wie die Verfügbarkeit der Auswerteskripte ist und wo der Abschlussartikel letztlich veröffentlicht wurde.
Derartige DOA-Publikationen könnten z.B. in Forschungsanträgen höher bewertet werden. Es ist aber auch möglich, auf DOA zu blicken und den Fokus bei der Wissenschaftsbewertung zu weiten, ergo nicht nur einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Blick zu nehmen, sondern auch den Beitrag dieser neuen Publikationspraktiken auf einzelne Disziplinen unter Berücksichtigung von deren Spezifik zu würdigen. Im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaFZ) etwa ist DOA in vielerlei Hinsicht relevant für die Weiterentwicklung der Disziplin. Während DaFZ im deutschsprachigen Raum als eigenständiges wissenschaftliches Fach anerkannt ist (in Deutschland wird es unter den sogenannten “Kleinen Fächern”22 kartiert), zählt es in vielen internationalen Kontexten nur als Teilbereich der Germanistik mit Fokus auf literatur- und sprachwissenschaftliche Inhalte. In Ländern mit hohen Deutschlernendenzahlen fehlen somit trotz Lehrkräftemangels meist didaktisch-methodische Angebote in den Curricula der germanistischen Studiengänge. Dies wiederum spiegelt sich in fehlenden fachspezifischen Ressourcen, wie dem Zugang zu kostenpflichtigen Fachjournalen oder Sprachkorpora, wider.23 Priorisierungen traditioneller germanistischer Disziplinen und hohe Subskriptionskosten erschweren somit den Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen im Bereich DaFZ und behindern die internationale Beteiligung am Fachdiskurs. Dies hat im Fach DaFZ dazu geführt, dass neben den historisch etablierten, kostenpflichtigen Fachzeitschriften wie Deutsch als Fremdsprache (Erich Schmidt Verlag), InfoDaF (de Gruyter) oder Fremdsprache Deutsch (Erich Schmidt Verlag) in jüngster Zeit mit ZIAF, KorDaF, KONTEXTE und MPZD24 weitere Zeitschriften gegründet wurden, die der Fachcommunity im Open-Access-Format weltweit offenstehen und zudem die wissenschaftliche Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung des Fachs klar abbilden. Dabei spielen auch die internationale Zugänglichkeit von OER (Open Educational Resources)-Projekten wie Dhoch3 oder das Digitale Deutschkolleg im Kontext der Professionalisierung von DaFZ-Lehrkräften und der Stärkung der Fachcommunity eine zentrale Rolle.25 DaFZ zeichnet sich zudem durch Praxis- und Anwendungsorientierung aus, wobei Forschung oft in enger Zusammenarbeit mit dem empirischen Berufsfeld erfolgt. Dem Praxisfeld fehlt jedoch häufig die direkte Anbindung an universitäre oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Bibliotheksangebote. DOA ermöglicht hier auch ohne direkten Hochschulbezug den notwendigen Zugang zu qualitativ hochwertigen Forschungsarbeiten und schafft darüber hinaus die Möglichkeit für eine aktive Beteiligung an der Forschung (etwa durch Citizen Science). Für kleinere Fächer wie DaFZ fördert DOA die wissenschaftliche Weiterentwicklung und Sichtbarkeit, indem es den kostenfreien, digitalen Zugang zu Wissen sowie einen offenen, inklusiven Fachaustausch unabhängig von Ressourcen oder Strukturen ermöglicht und so zur Demokratisierung von Wissen beiträgt.
Der Übergang zu einer offenen Wissenschaftskultur markiert eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Nicht allein Formate wie DOA oder der freie Zugang zu Forschungsdaten prägen diesen Wandel, sondern auch offene Werkzeuge, die durch Open-Source-Ansätze realisiert werden und Methodentransparenz, beispielsweise durch die Präregistrierung von Studien.26
Solche Ansätze sind in Hinblick auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit insbesondere in den Natur- und Lebenswissenschaften wie der Biologie und den Gesundheitswissenschaften unverzichtbar. Die Nutzung quelloffener Technologien ermöglicht Forschenden eine größere Kontrolle über ihre Werkzeuge und Daten, da sie unabhängig von proprietären Plattformen und den Einschränkungen externer Anbieter agieren können. Sie fördert darüber hinaus den Austausch und die gemeinsame Weiterentwicklung von Wissen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, indem sie Open-Source-Prinzipien wie Transparenz und Kooperation unterstützt, die im Gegensatz zu vorzugsweise gewinnorientierten Interessen stehen. Die Veröffentlichung von Datensätzen, Materialien und Codes gewinnt zunehmend an Bedeutung als zentraler Aspekt einer Forschungskultur, die Transparenz, Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit wertschätzt.
Traditionelle Publikationsformate fassen primär Ergebnisse zusammen, während offen bereitgestellte Daten und Code tiefere Einblicke in den Forschungsprozess erlauben. Dies fördert nicht nur Replikation und Validierung, sondern erleichtert durch offene Standards und Interoperabilität zwischen Daten und Analysen auch die Verbindung von Informationen (z.B. Linked Open Data) und stärkt interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Interaktive Publikationsformate und dynamische Datenvisualisierungen erweitern dieses Spektrum, indem sie explorative Zugänge schaffen, die Forschenden erlauben, mit Daten zu interagieren, neue Hypothesen zu entwickeln und Analyseansätze flexibel anzupassen. Diese Offenheit stärkt die Reproduzierbarkeit und fördert kreative Anwendungen in neuen Kontexten.
Die Verbreitung von Programmiersprachen wie Python und R in nicht-informatischen Disziplinen hat in den letzten zwei Jahrzehnten die Methodentransparenz und -anpassung vorangetrieben. Ihre Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit ermöglichen es, komplexe Fragestellungen algorithmisch zu bearbeiten und zugleich die Integrität wissenschaftlicher Prozesse zu stärken.27 Dadurch gewinnen flexible und anpassbare Methoden, die durch den Einsatz quelloffener Programmiersprachen wie Python und R ermöglicht werden, zunehmend an Bedeutung und fördern eine neue Kultur der Methodentransparenz. Dies steht im Gegensatz zum Einsatz von proprietären Softwarelösungen, die in einigen Anwendungsbereichen die leistungsstärkste Option darstellen, jedoch die Offenlegung von Methoden einschränken, die Nachvollziehbarkeit und damit eine potentielle Reproduzierbarkeit gefährden. Kostenintensive Abonnementmodelle stellen zudem Barrieren dar, die den Zugang zur Wissenschaft einschränken und die methodische Freiheit beschneiden.
Open-Source-Ansätze bieten hier eine Alternative, indem sie Transparenz, Flexibilität und Reproduzierbarkeit fördern. Tools wie Jupyter Notebooks verbinden Code, Text und Visualisierungen und ermöglichen eine nahtlose Integration von Forschungsergebnissen in Open-Access-Repositorien mit entsprechenden Viewern (bspw. media/rep/28 oder spezifische Publikationspattformen für interaktive Preprints wie NeuroLibre29). Diese interaktiven Publikationsformate unterstützen nicht nur die Dokumentation und Versionierung wissenschaftlicher Analysen, sondern auch die Zusammenarbeit über Tools wie GitLab und fördern die interdisziplinäre Standardisierung von Methoden. Insbesondere in der Methodentransparenz entfalten solche Werkzeuge ein bemerkenswertes Potenzial, indem sie methodische Entwicklungen und Analyseverläufe sichtbar machen. Dienste wie DSpace und Jupyter Book erweitern diese Ansätze, indem sie den Austausch und die Strukturierung von Forschungsinhalten erleichtern und interaktive Publikationsmöglichkeiten bieten. DSpace als Software für Open-Access-Repositorien bietet Zugang zu digitalen Ressourcen wie Datensätzen und Publikationen, während Jupyter Book Texte, Jupyter Notebooks und Visualisierungen in dynamischen Formaten bündelt.
Langfristig stützen solche Werkzeuge die Prinzipien von Open Science. Sie tragen dazu bei, alternative Publikationsformate als gleichwertig zu traditionellen Veröffentlichungen zu etablieren und unterstützen eine Wissenschaftskultur, die Offenheit, Interdisziplinarität und Kollaboration ins Zentrum rückt.
Auch die Neurowissenschaften arbeiten daran, diese Entwicklung voranzutreiben – ein Beispiel ist die Philipps-Universität Marburg, wo mit dem sog. „DataHub“ eine Infrastruktur entsteht, die viele dieser Werkzeuge und Prinzipien bündelt und interdisziplinär zugänglich macht.30 Der DataHub integriert Ressourcen für Hochleistungsrechnen, FAIRe Datenspeicherung und Publikation (via DSpace), Codeversionierung (GitLab) sowie spezialisierte Compute Nodes zum JupyterHub zur Erstellung interaktiver Publikationsformate als Alternative zu reinen PDF- und statischen html-Publikationen. Ein kontinuierlich gepflegtes “DataHub User Manual” stellt Selbstlernmaterialien und Anleitungen für neue und erfahrene Nutzer*innen bereit. Weiterhin bietet ein Team von “Data Stewards” Support-Dienstleistungen für den DataHub an. Diese Dienstleistungen beinhalten auch ein Trainingsprogramm, das Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern den Zugang zu Open-Science-Prinzipien erleichtert und Einstiegshürden abbaut. Beispielhaft seien hier die ‘NOWA school’ (Neuroscientific Workflow Assistance des Sonderforschungsbereichs SFB 135) oder der regelmäßig stattfindende DataHub Workshop genannt.
Obgleich viele Repositorien wie GitHub (für Source Code), Zenodo (insb. für Textpublikationen) oder OSF (insb. für Präregistrierungen, Preprints, Daten und Materialien) bereits verfügbar sind, scheitert ihre breite Nutzung oft am Fehlen eines integrierten Workflows. Der DataHub begegnet diesem Problem, indem er einen zusammenhängenden Zugang zu diesen Ressourcen bietet. Durch die Kooperation mit der Landesinitiative Hessische Forschungsdateninfrastruktur (HeFDI)31 und der International Neuroinformatics Coordinating Facility (INCF) wird diese Entwicklung vorangetrieben. Eine solche Publikationsplattform birgt das Potenzial, die technisch-methodischen Hürden, die mit DOA verbunden sind, signifikant zu senken und Open Science als tragendes Prinzip der Wissenschaft nachhaltig zu stärken.
Wenn also Diamond Open Access (DOA) die Antwort sein sollte, dann lautet die Frage: Wie können wir die Wissenschaft von kommerziellen Zwängen befreien, ihre Freiheit sichern und ein Publikationssystem schaffen, das sich konsequent an den Bedürfnissen der Wissenschaft (z.B. Verfügbarkeit, Usability, Leistung) orientiert? Es geht darum, wie eine nachhaltige, faire und inklusive Wissenschaftskultur etabliert werden kann, in der Forschungsergebnisse unabhängig von finanziellen Hürden und den Druck durch quantitative Metriken wie Impact Factor und h-Index zugänglich ist. Eine Wissenschaftskultur, in der mehr Gewicht auf Qualität und Disziplinenvielfalt liegt und in der auch Methoden, Daten und Code frei publiziert werden können und damit frei verfügbar und nachnutzbar sind. DOA adressiert diese zentralen Herausforderungen der Open-Science-Transformation: die Kommerzialisierung des wissenschaftlichen Publikationswesens, die Exklusion von Forschenden aus ressourcenschwachen Kontexten sowie die unzureichende Wertschätzung alternativer Publikationsformate. Mit DOA kann eine Wissenschaft entstehen, die Offenheit, Kooperation und Transparenz als Kernprinzipien verankert und den Bedürfnissen einer globalen, interdisziplinären Forschergemeinschaft gerecht wird.
Dieser Beitrag aus der Forschung adressiert aus der Perspektive der Medienwissenschaft (KM), Medizin (KH), Psychologie (DE), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (KS), Biologie (MBB) und der Neurowissenschaft (AJ) Aspekte, die auch in der Bibliothekswelt (LR) diskutiert werden – ein klares Signal für gezielte Synergien zwischen beiden Bereichen, um gemeinsam die Transformation hin zu einer offenen und zukunftsfähigen Wissenschaft voranzutreiben.