Kooperativ und Digital
Die Vernetzung der TU9-Online-Angebote zu Informationskompetenz
1. Einleitung
Seit dem Wintersemester 2021/22 bieten die TU9-Bibliotheken (s.u.) ein gemeinsames digitales Angebot an Kursen zu forschungsnahen Themen und zu Aspekten des wissenschaftlichen Arbeitens und der Informationskompetenz (IK) an. Dabei profitiert diese neue Kooperation von der pandemiebedingten Ausweitung digitaler Angebote an den TU9-Bibliotheken. Studierende und Beschäftigte der beteiligten Hochschulen haben so die Möglichkeit, auch an Kursen teilzunehmen, die nicht an „ihrer“ Universitätsbibliothek angeboten werden. Dieser Bericht möchte die Vernetzung der TU9-Angebote vom ersten Konzept bis zur Umsetzung vorstellen, einen Überblick über die Kursinhalte geben sowie die Resonanz auf das Angebot darlegen. Darüber hinaus werden zukünftige Potentiale der Vernetzung thematisiert, aber auch die gemachten Erfahrungen bei der Umsetzung geteilt.
2. Hintergrund: die TU9
Den organisatorischen Rahmen für die Vernetzung der Onlineangebote zu Themen der Informationskompetenz bildet die TU9-Allianz (TU9 German Universities of Technology e.V.).1 Der Allianz gehören die führenden Technischen Universitäten in Deutschland an: RWTH Aachen, Technische Universität Berlin, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität Darmstadt, Technische Universität Dresden, Leibniz Universität Hannover, Karlsruher Institut für Technologie, Technische Universität München und Universität Stuttgart. Dem 2006 offiziell gegründeten Zusammenschluss gehören somit alle vor 1900 bereits bestehenden Technischen Hochschulen Deutschlands an.
Der Verband sieht sich als Hochschulnetzwerk und ist Ansprechpartner für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik und nimmt regelmäßig zu aktuellen Diskursen in der Hochschulpolitik Stellung. Die fachlichen Schwerpunkte liegen dabei in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, deren zukunftsweisende und innovative Forschung durch die stärkere Vernetzung der Hochschulen gefördert wird. Auch die Aspekte einer sich immer weiter verstärkenden Internationalisierung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft bzw. Öffentlichkeit stehen auf der Agenda der TU9.
Während die Hochschulen der TU9 bereits seit vielen Jahren kooperieren, nimmt die Kooperation auf Ebene der beteiligten Bibliotheken in jüngster Zeit in vielen Bereichen zu.
3. Regelmäßiger Austausch zwischen den TU9-Verantwortlichen für Informationskompetenz
Im Rahmen der TU9-Kooperation bestanden bereits mehrere Austauschrunden auf Bibliotheksebene – z.B. für die Bibliotheksdirektor*innen, die Erwerbungs- und Benutzungsleitungen oder die Zuständigen für Open Access, Forschungsdaten und Sacherschließung. Vakant war jedoch der Bereich Informationskompetenz. Auf Initiative der ULB Darmstadt fand im Juli 2021 ein erstes Austauschtreffen statt. Hier wurde zunächst eine Öffnung ausgewählter Onlineseminare zu forschungsnahen Themen auch für Mitarbeitende und Studierende aus den Partnereinrichtungen im Wintersemester 2021/22 beschlossen. Ab dem Sommersemester 2022 wurde die Öffnung auf Veranstaltungen für weitere Zielgruppen ausgeweitet und mit der Langen Nacht des Schreibens 2022 sogar eine erste TU9-eigene Kooperationsveranstaltung durchgeführt.
4. Höhere Teilnahmezahlen und breitere Themenpalette dank Kooperation
Im Sommersemester 2022 und zu Beginn des Wintersemesters 2022/23 zeigten die Mitglieder des TU9-Verbunds, wie durch Kooperation im Bereich Informationskompetenz Synergien genutzt werden können. Im Fokus dieser Kooperation stand der Austausch von Onlineveranstaltungen zwischen den Universitäten, was zu bemerkenswerten Ergebnissen führte.
Insgesamt wurden 80 Onlineveranstaltungen angeboten und diese von den TU9-Partnern 138 Mal genutzt, was ihnen ermöglichte, eine breitere Palette an Inhalten anzubieten, die sie alleine nicht hätten realisieren können. Die Ergebnisse sind besonders ermutigend, wenn man bedenkt, dass von vier Standorten insgesamt 219 zusätzliche Teilnehmer gezählt wurden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die tatsächliche Anzahl höher sein könnte, da fünf Standorte keine Statistikdaten dazu ermitteln konnten.
Die Veranstaltungen deckten eine Vielzahl von Themen ab, darunter die Literaturverwaltungssysteme Zotero, Citavi, EndNote und Mendeley. Zusätzlich gab es Schwerpunkte auf Forschungsdatenmanagement, wissenschaftliches Arbeiten und LaTeX. Es wurden auch Veranstaltungen zu Themen wie Arbeiten mit Word, Zitieren, Patente, Urheberrecht, OER (Open Educational Resources), Text- und Datamining, Bibliometrie und Open Access angeboten.
Besonders hervorzuheben sind die meistgenutzten Veranstaltungen, darunter „Richtig zitieren, Plagiate vermeiden“, „Google Scholar“, „Wissenschaftliches Arbeiten mit Quellen“, „Datenmanagementpläne (DMPs) mit RDMO erstellen“, „Einstieg in wissenschaftliches Arbeiten mit LaTeX“, „Wissenschaftliches Arbeiten mit Word“ und „Wer hat was wie wann erschaffen und was darf ich dann damit tun? - Grundlagen Urheberrecht“.
Im Sommersemester 2023 wurde die erfolgreiche Zusammenarbeit weiter intensiviert, indem 80 Veranstaltungen zusammen angeboten wurden, die von den Partneruniversitäten 254 Mal genutzt wurden. Abb. 1 zeigt die Anteile der TU9-Partner an angebotenen und nachgenutzten Veranstaltungen.
Diese erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den TU9-Universitäten hat nicht nur zu einer breiteren Palette an verfügbaren Ressourcen geführt, sondern auch die Vielfalt der angebotenen Themen und die Möglichkeit für Studierende bzw. Forschende erweitert, von diesem reichen Angebot an Onlineveranstaltungen zu profitieren. Dies zeigt, wie effektiv der Verbund bei der Förderung von Informationskompetenzen ist.
5. „Drei Bibliotheken, eine Nacht.“ – Gemeinsame
Lange Nacht des Schreibens
Dass sich durch die Kooperation eine größere Vielfalt an angebotenen Themen realisieren lässt, von der sowohl die Studierenden und Forschenden als auch die beteiligten Bibliotheken profitieren, zeigt insbesondere das Beispiel der gemeinsam organisierten Langen Nacht des Schreibens. Nach den positiven Erfahrungen mit dem Teilen bestehender Veranstaltungsformate unter den TU9-Bibliotheken beschlossen drei der Einrichtungen, die Kooperation noch weiter zu intensivieren: Sie luden am
3. März 2022 erstmals zu einer gemeinsam konzipierten Langen Nacht des Schreibens ein.
Bei dieser Veranstaltung, die seit 2012 traditionellerweise am ersten Donnerstag im März stattfindet, unterstützen Beschäftigte an Bibliotheken und Schreibzentren die Teilnehmenden vor Ort in der Bibliothek bis spät nachts mit Workshops, Vorträgen und Beratungen beim Schreiben von wissenschaftlichen Texten. Während der Covid-19 Pandemie wurde die Lange Nacht vielerorts in den virtuellen Raum verlagert. Hierbei konnten einige TU9-Bibliotheken bereits feststellten, dass sich das Format durchaus erfolgreich ins Digitale übertragen lässt. Die Teilnahmezahlen an diesen virtuellen Veranstaltungen, die jede Bibliothek für sich organisierte, entsprachen dabei in etwa jenen bei den Präsenzvarianten des Formats.
Die erste gemeinsam organisierte Lange Nacht 2022 übertrug die Veranstaltung nicht nur in den virtuellen Raum, sondern nutzte die überregionale Kooperation zur Angebotsverbreiterung: Die SLUB Dresden, die ULB Darmstadt und die UB Stuttgart teilten ihre jeweiligen Kurs-, Vortrags- und Beratungsangebote. Auch die Schreibzentren der TU Darmstadt, der TU Dresden und der Uni Stuttgart waren an der Organisation beteiligt. Jede der beteiligten Einrichtungen trug unterschiedliche inhaltliche Aspekte zum Programm bei. Der geteilte Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen ermöglichte ein äußerst vielfältiges Angebot aus Workshops, Vorträgen, einem moderierten Schreibraum und individueller Beratung. Ergänzt wurde es durch bewegte Yoga-Pausen, Augengymnastik und Tipps zur konzentrationsfördernden Ernährung. Die aus der Kooperation resultierenden Synergien kamen in Form dieses breiten und besser auf die Bedarfe der Zielgruppe abgestimmten Serviceangebots letztendlich allen Teilnehmenden zu Gute, nicht zuletzt auch den Bibliotheken.
Durch die Bündelung der Kräfte bei der Programmgestaltung und Öffentlichkeitsarbeit erreichte die gemeinsame Lange Nacht eine viel größere Aufmerksamkeit und Reichweite, als die einzelnen Veranstaltungen an den drei Bibliotheken in den Jahren davor. Dies schlägt sich vor allem in den Anmelde- und Teilnahmezahlen nieder, die bei der gemeinsam organisierten Langen Nacht im Vergleich zu den einzeln organisierten Veranstaltungen vervielfacht werden konnten. Insgesamt wurden im Rahmen der ersten Veranstaltung 1427 Workshop-Teilnahmen und 30 Einzelberatungen gezählt. Nach einer ähnlich erfolgreichen Veranstaltung 2023 übertraf die gemeinsame Lange Nacht des Schreibens im März 2024 mit über 2200 Teilnahmen die beiden Vorgängerveranstaltungen nochmals deutlich.
Aber nicht nur die hohen Teilnahmezahlen, auch die positiven Evaluationsergebnisse unterstreichen den Erfolg des Formats: Die Veranstaltung erreichte seit 2022 durchgehend Weiterempfehlungsraten von 99 oder 100 Prozent. Neben lobenden Worten äußerten die befragten Teilnehmer und Teilnehmerinnen auch jedes Jahr einige sehr konkrete Vorschläge, wie die Veranstaltung optimiert werden kann. Diese Anregungen griff das Organisationsteam jedes Jahr auf und ergänzte u.a. zielgruppenspezifische Angebote für Promovenden, mehr englischsprachige Programmpunkte, Angebote zu einem diversitätssensiblen Umgang mit Herausforderungen im Schreibprozess und „Pufferzeiten“, um von einer Zoom-Konferenz zur nächsten zu wechseln. Mittlerweile ist die gemeinsame Lange Nacht in allen drei Bibliotheken zu einem Fixpunkt im Veranstaltungskalender geworden. Das Organisationsteam aus Darmstadt, Dresden und Stuttgart ist überzeugt, dass es auch im März 2025 wieder heißen wird: „Machen wir gemeinsam die Nacht zum Text!“.
6. Potentiale der Kooperation
Aufbauend auf die bisher erfolgte Vernetzung der Online-Kurse und Angebote der TU9-Bibliotheken könnten sich in Zukunft weitere Ausbaustufen des Programms ergeben. So könnten durch eine stärkere organisatorische Vernetzung bei Themen, die zum Standardportfolio der teilnehmenden Bibliotheken gehören, gemeinsam best-practice-Schulungsmaterialien, Lernziele und Abläufe der Kurse erstellt werden. Hierdurch könnte ein TU9-weiter Qualitätsstandard geschaffen werden, der den Teilnehmenden die Erreichung der erstrebten Lernziele und die Erlangung von Kompetenzen garantiert, unabhängig davon, an welcher der Veranstaltungen sie teilnehmen. Dies würde ein stärkeres Vertrauen in das Format der TU9-Kurse schaffen und gleichzeitig auch zu einem intensiven Wissensaustausch zwischen den Lehrenden führen. Denkbar wäre ein solches Vorgehen erstens bei produktnahen Schulungen, wie z.B. bei Literaturverwaltungsprogrammen wie Zotero oder Citavi. Zweitens wäre es bei Themen möglich, bei denen keine lokalen Unterschiede zwischen den Bibliotheken bestehen, die die Schulungsinhalte beeinflussen. Zu diesen standortunabhängigen Schulungsthemen, die sich besonders gut für die Kooperation eignen, gehören z.B. wissenschaftliches Zitieren oder Gute Wissenschaftliche Praxis. Hingegen würde sich das Thema Open Access (OA) und Publikationsfördermöglichkeiten aufgrund der unterschiedlichen Förderbedingungen an den einzelnen Hochschulen weniger eignen. Hier ist es also weniger sinnvoll, Schulungskonzepte und Kursmaterialien kooperativ zu erstellen, da sie auf die regionalen Spezifika der OA-Publikationsfördermöglichkeiten nicht genügend eingehen können.
Die erwähnte Evaluierung von bestehendem Lernmaterial und die Identifizierung von best-practice-Beispielen könnte auch genutzt werden, um Open Educational Resources für eine breitere und über die TU9-Klientel hinausgehende Nachnutzung zu erstellen. Abgesehen vom Material könnten gegenseitige Hospitationen in den Lehrveranstaltungen Synergien erzeugen, die die vorhandene Qualität der didaktischen Vermittlung weiter steigern könnten. Bestenfalls würde sich ein Klima des gegenseitigen Voneinander-Lernens einstellen.
Aktuell treffen sich die IK-Verantwortlichen der TU9 monatlich, um Ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von KI-Tools zur Literaturrecherche und damit verbundenen Kurskonzepten auszutauschen und an einer gemeinsamen Handreichung zu arbeiten. So kann schneller auf aktuelle Diskurse in Wissenschaft und Gesellschaft reagiert werden und die Attraktivität von bibliothekarischen Angeboten gesteigert werden. Gerade die neuen Angebote der Bibliotheken im Bereich von Digital bzw. Data Literacy bieten sich hier an, entstehen doch gerade an viele Einrichtungen Pilotangebote dazu. Hier könnten die beteiligten Bibliotheken von einer frühzeitigen Vernetzung und dem Austausch von Kompetenzen nachhaltig profitieren.
Die skizzierten Potentiale würden auch bedeuten, dass sich die TU9-Einrichtungen im Bereich der Angebote zu forschungsnahen Themen noch stärker dem Open-Science-Gedanken öffnen. Dabei geht es nicht nur um das Teilen von Inhalten, sondern ebenso wichtig ist, dass man sich für den kollegialen Austausch im Sinne eines Peer-to-Peer-Feedbacks öffnet.
7. „Spin-Offs“ der Kooperation im Bereich IK
Neben diesen Projekten sind weitere Austauschrunden zu IK-verwandten Themen aus der Kooperation hervorgegangen. So treffen sich nun z.B. regelmäßig die Zuständigen der TU9-Bibliotheken aus dem Bereich Urheberrecht. Die IK-Vertreter*innen der TU9-Bibliotheken werten ihre bisherige Zusammenarbeit als vollen Erfolg und möchten diese zukünftig in Form von halbjährlichen Austauschtreffen in großer Runde, sowie weiteren Kooperationsprojekten in Teilgruppen, fortführen.
8. Fazit
Nach mittlerweile sechs Semestern Zusammenarbeit lässt sich festhalten, dass die Kooperation der TU9-Bibliotheken im Bereich Informationskompetenz als eine Erfolgsgeschichte bezeichnet werden kann. Sowohl der regelmäßige Erfahrungsaustausch der IK-Verantwortlichen zu Beginn jedes Semesters, als auch die Übernahme von Veranstaltungen der Kooperationspartner in die Semesterplanungen haben sich fest etabliert und bewährt. Der etwas höhere administrative Aufwand bei der Ankündigung der Kooperationsveranstaltungen, die an einigen Standorten auch technische Anpassungen an die Anmeldesysteme notwendig machten, wird durch die Synergien und das breitere Angebot für die Nutzenden mehr als aufgewogen. Auch die Ausgabe einer gemeinsamen Teilnahmebestätigung, die an allen TU9-Standorten als Nachweis über den Besuch einer Veranstaltung akzeptiert wird, ist ein zusätzlicher Service für die Teilnehmenden und verhilft der Kooperation zu mehr Sichtbarkeit. Gerade den zu erwartenden, tiefgreifenden (wissens-)gesellschaftlichen Veränderungen - Stichwort KI - können die TU9-Partner besser begegnen, wenn sie sich diesen Herausforderungen gemeinsam stellen.
1 Vgl. https://www.tu9.de/, Stand: 14.09.24.