Portfolio Forschungsnaher Dienste in Bibliotheken
der Leibniz-Gemeinschaft
1. Einführung
Mit der digitalen Transformation haben sich in den vergangenen zehn Jahren zunehmend Angebote zu forschungsnahen Diensten im Bibliothekswesen herausgebildet. Sehr bekannte Beispiele dafür sind „Forschungsdatenmanagement gemäß den FAIR-Kriterien“ oder „Publizieren im Open Access“. Diese tragen dem Wandel in der internationalen Forschungslandschaft Rechnung, der von Seiten der Hochschulleitungen, der Forschungsförderung und der Politik veränderte und neue Anforderungen an die Forschenden stellt. Diese Anforderungen leiten sich aus Paradigmen wie Offenheit, Sichtbarkeit, Nutzung und Wirkung von Forschungsleistungen ab und sind mit guter wissenschaftlicher Praxis und ethischen Prinzipien untrennbar verbunden. Wissenschaftliche Bibliotheken können Forschende hier mit einer Bandbreite von Kompetenzen aktiv unterstützen und neben der traditionellen Rolle der Servicepartner auch zu echten Kooperationspartnern auf Augenhöhe werden.1
Im März 2021 formierte sich auf Basis dieser Erkenntnisse innerhalb des Arbeitskreises Bibliotheken und Informationseinrichtungen2 (im folgenden AK Bibliotheken) der Leibniz-Gemeinschaft eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Portfolios Forschungsnaher Dienste.3 Dieses Portfolio wurde Anfang 2024 veröffentlicht und umfasst derzeit über 50 forschungsnahe Dienste inkl. reich mit Metadaten erschlossene Kurzbeschreibungen.
2. Die Leibniz-Gemeinschaft, der Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen und die AG Forschungsnahe Dienste
Die Leibniz-Gemeinschaft ist eine der vier großen Forschungsorganisationen in Deutschland.4 Benannt nach dem Universalgelehrten und Bibliotheksleiter in Hannover und Wolfenbüttel Gottfried Wilhelm Leibniz folgt die Leibniz-Gemeinschaft seinem Leitmotiv „theoria cum praxi“5 und vereint theoretische Fundierung mit Praxisbezug. Wissenschaftliche Exzellenz ist daher wechselseitig verbunden mit Anwendungsperspektiven und gesellschaftlicher Relevanz. Die Leibniz-Gemeinschaft umfasst, Stand Juni 2024, 96 eigenständige außeruniversitäre Forschungsinstitute aller Fachdisziplinen, die in fünf Sektionen gegliedert sind. Teil des Zusammenschlusses sind auch 17 Infrastruktureinrichtungen und acht Forschungsmuseen. Abbildung 1 zeigt die regionale Verankerung der Leibniz-Institute nach Sektionen in allen Bundesländern.
Der AK Bibliotheken ist einer von 15 Arbeitskreisen in der Leibniz-Gemeinschaft und umfasst derzeit 81 Mitgliedsbibliotheken, die, wie Abbildung 2 darstellt, in allen fünf Sektionen der Leibniz-Gemeinschaft angesiedelt sind.
Der AK Bibliotheken fördert den Erfahrungsaustausch aller Bibliotheken und Informationseinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft und stärkt deren Zusammenarbeit. Er tagt einmal jährlich im Plenum und pflegt Kontakt zu anderen Leibniz-Arbeitskreisen sowie entsprechenden Gremien anderer Wissenschaftsorganisationen wie der Helmholtz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Der Sprecherinnen- und Sprecherkreis besteht aus neun Mitgliedern des Arbeitskreises und tagt fünf bis sechsmal jährlich. Zu seinen Aufgaben gehören die Vorbereitung der Jahrestagung des AK Bibliotheken sowie die Organisation von Fortbildungen für die Mitglieder des Arbeitskreises. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Lizenzen wird zweimal jährlich der Leibniz-Lizenztag angeboten, welcher u.a. durch die zentralen Fachbibliotheken verhandelte Konsortien vorstellt und sich aktueller Themen rund ums Lizenzgeschäft, wie z.B. Datentracking, annimmt. Innerhalb des Arbeitskreises existieren Arbeitsgruppen, so z.B. die AG Koha und die AG Forschungsnahe Dienste.
Viele Bibliotheken innerhalb des AK bieten seit vielen Jahren forschungsnahe Dienste an und bauen ihr Angebot stetig aus. Die AG Forschungsnahe Dienste macht es sich zur Aufgabe, die Vielzahl dieser forschungsnahen Serviceangebote in Leibniz-Bibliotheken als Portfolio zusammenzutragen, diese mit einer Kurzbeschreibung zu versehen und nachnutzbar zu veröffentlichen. Dafür gewann die Arbeitsgruppe für die Kurzbeschreibungen auch Autoren und Autorinnen innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft über die AG hinaus. In der Leibniz-Gemeinschaft gibt es zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen für Organisationseinheiten, die bibliothekarische Aufgaben übernehmen. Es wird daher der Begriff „Bibliothek“ als Synonym für all diese Organisationseinheiten in den Kurzbeschreibungen verwendet.
3. Ziele und Nutzen des Portfolios Forschungsnaher Dienste
Die Ziele des Portfolios bestehen darin, Forschenden die gesamte Bandbreite der Unterstützungsangebote aufzuzeigen, Bibliotheken bei der spezifischen Ausgestaltung ihrer Angebote zu unterstützen und die Leistungsfähigkeit von wissenschaftlichen Bibliotheken im modernen Wissenschaftsumfeld hervorzuheben. Bibliotheken sind eingeladen, sich über mögliche forschungsnahe Dienste zu informieren und solche gemäß dem Bedarf, der Eignung und der Ressourcenausstattung ihrer Einrichtung auszuwählen und anzubieten. Die Zielgruppen des Portfolios sind neben anderen Bibliotheken und Forschenden schließlich auch Vorgesetzte und weitere Stakeholder wie etwa Fördermittelgebende. Leibniz-Bibliotheken erbringen mit einem passgenauen und niederschwelligen Angebot forschungsnaher Dienste einen Nutzen für Forschende, indem sie mit ihren Kernkompetenzen deren Arbeit erleichtern und im Idealfall in Forschungsarbeiten eng miteingebunden und an ihnen beteiligt sind. Das Engagement für forschungsnahe Dienste bietet die Chance einer erweiterten, effektiven Arbeitsteilung zwischen den Bibliotheken und den Wissenschaftler*innen in den Einrichtungen in der Leibniz-Gemeinschaft und darüber hinaus. Die Bibliotheken tragen somit maßgeblich zur Verbreitung, zur Sichtbarkeit und einer erhöhten Wirksamkeit der Forschungsarbeit ihrer Institution bei. Zugleich sind dies entscheidende Faktoren zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Bibliotheken innerhalb ihres institutionellen Gesamtgefüges.
4. Entwicklung, Methodik und Darstellung des Portfolios Forschungsnaher Dienste
Im Folgenden werden der Entstehungsprozess, die Vorgehensweise bei der Entwicklung, die Inhalte und Sucheinstiege des Portfolios Forschungsnaher Dienste in den Bibliotheken der Leibniz-Gemeinschaft im Detail beschrieben.
Zunächst wurde mit einer Bestandsaufnahme der in ihren Bibliotheken angebotenen forschungsnahen Dienste begonnen und diese wurden von den klassischen, traditionellen Diensten von Bibliotheken, den sog. Basisdiensten, abgegrenzt. Basisdienste wurden separat gelistet und nicht ins Portfolio aufgenommen. Weil der AK Bibliotheken eng mit anderen, insbesondere themenverwandten Arbeitskreisen in der Leibniz-Gemeinschaft vernetzt ist, tauschte die AG sich mit dem AK Open Access und Publikationsmanagement sowie mit dem AK Forschungsdaten hinsichtlich der für diese Arbeitskreise einschlägigen Kurzbeschreibungen aus und nutzte das dort vorhandene Expertenwissen zur Optimierung.
Das Portfolio von mehr als 50 forschungsnahen Diensten ist auf der Website des AK Bibliotheken auf zwei unterschiedlichen Wegen zugänglich, als:
1. Darstellung in einer Matrix. Für die Sammlung der so zusammengetragenen forschungsnahen Dienste wurde als geeignete Möglichkeit zur Strukturierung und zur direkten Übersicht eine Matrix entwickelt. Weil forschungsnahe Dienste oftmals an den Forschungszyklus geknüpft sind, wurde sich an einzelnen Phasen des Forschungszyklus für die Zeilen der Matrix orientiert: 1. Idee, Konzept, Planung, 2. Sammeln und Auswerten, 3. Entdecken, 4. Schreiben und Veröffentlichen, 5. Teilen und Impact. Es wurde noch eine übergreifende 6. Phase „Allgemeines“ hinzugefügt (vgl. Abbildung 3).
Für die Spalten der Matrix wurden zunächst sieben Kategorien von Bibliotheksdiensten gebildet: 1. Beraten, 2. Unterstützen, 3. Verbreiten/Sichtbar machen, 4. Bewahren, Digitalisieren, 5. Dokumentieren, Reporting, 6. Entwickeln von Strukturen und 7. Schulen (vgl. Abbildung 4).
Schließlich wurden die einzelnen forschungsnahen Services den entsprechenden Bereichen der Matrix zugeordnet. Die Abbildung 5 zeigt einen Matrixausschnitt aus dem Gesamtportfolio.8
2. Darstellung in einer alphabetischen Liste. Einen zweiten Sucheinstieg bildet die Recherche nach forschungsnahen Diensten über eine alphabetische Liste, welche die Abbildung 6 zeigt. Diese ist auf der Webseite des AK Bibliotheken als sog. „Akkordeon“ eingefügt und reicht von A wie „Auswahl Bibliothekssoftware“ bis W wie „Wissenschaftsbasierte Infrastrukturforschung“. Hier sind alle Dienste kompakt gelistet, die beim Anklicken der Begriffe aufklappen und die jeweiligen Kurzbeschreibungen anzeigen.
Darstellung und Erschließung der Einzelservices. Jeder einzelne forschungsnahe Dienst wurde strukturiert beschrieben und folgt dem Schema Kategorie (entnommen aus der oben beschriebenen Matrixdarstellung) Stand, Übersicht der eigentlichen Kurzbeschreibung, Mehrwert, Kenntnisse/Kompetenzen, Zielgruppe und Schlagworte. Dabei erfolgt die Beschreibung der letzten drei Felder mit durch die AG zuvor standardisiertem Vokabular. Abbildung 7 zeigt beispielhaft eine Kurzbeschreibung zum Systematic Review.
5. Disseminationsaktivitäten der AG Forschungsnahe Dienste
Zwischenstände sowie die Produktfertigstellung wurden regelmäßig auf den Jahrestagungen des AK Bibliotheken vorgestellt. Am 7. Juni 2024 ergab sich die Möglichkeit zur Präsentation innerhalb der Session „Forschungsnahe Dienste im Blick-Wechsel“ auf der 112. BiblioCon in Hamburg mit gutem Feedback.9
Das Portfolio wurde Ende Mai 2024 unter dem Titel „Forschungsnahe Dienstleistungen – Alphabetische Liste“ schließlich zusätzlich zur Webseiten-Darstellung als Werk im Open Access im Fachrepositorium für Sozialwissenschaften SSOAR veröffentlicht.10 Die AG Forschungsnahe Dienste des AK Bibliotheken und Informationseinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft fungiert hier ganz bewusst als körperschaftlicher Herausgeber. Das Dokument liegt dort als PDF-Volltext unter einer CC BY-Lizenz und mit persistenten Identifikatoren versehen zitierbar vor und steht zur Nachnutzung frei.11 SSOAR selbst wird von GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften verantwortet und bietet vielfältige Webharvesting-Möglichkeiten für die nationale und internationale Verbreitung der dort hochgeladenen Inhalte.
6. Perspektiven und Aufruf zur Beteiligung
Forschungsnahe Dienste sind ein dynamisch wachsendes Feld und dienen der unverzichtbaren strategischen Positionierung von Bibliotheken. Die AG Forschungsnahe Dienste der Leibniz-Gemeinschaft strebt an, das Portfolio stetig zu erweitern und Kurzbeschreibungen um innovative und relevante Themen, wie sie z.B. das breite Feld der KI bietet, aufzunehmen. Auch sollen bereits verfasste Texte jährlich auf Gültigkeit geprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Der Volltext in SSOAR soll einmal pro Jahr um neue Versionen ergänzt werden. Die Webseitendarstellung bietet die Möglichkeit, auch unterjährig schnell auf Aktualisierungen zu reagieren und Sichtbarkeit zu erlangen.
Zusätzlich ist geplant, eine Kurzfassung des Portfolios für weitere Zielgruppen, etwa speziell für Leitungskräfte, zu erstellen und mehr über Nutzende, Nutzung und Wirkung des Portfolios zu erfahren, um es bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und im ständigen Dialog mit den Communities aus den Forschungs- und Infrastrukturbereichen zu bleiben. Denkbar ist auch, das Portfolio Forschungsnaher Dienste in englischer Sprache anzubieten.
Die AG Forschungsnahe Dienste lebt vom Engagement und der Freiwilligkeit ihrer Mitglieder. Damit das Portfolio Forschungsnaher Dienste ein lebendes Werk bleiben und die Dienste in Leibniz-Bibliotheken möglichst vollständig und repräsentativ abbilden sowie weiterentwickeln kann, sind alle Lesenden herzlich eingeladen, Ideen und Feedback einzubringen für erwünschte Beschreibungen oder sonstige Aktivitäten. Lesende aus der Leibniz-Gemeinschaft sind darüber hinaus eingeladen, eigens verfasste Beiträge zu liefern oder aktiv in der AG mitzuwirken und ihre Zukunft mitzugestalten. Interessierte wenden sich bitte an ag-fnd@ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de.
Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6089
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.
1 Dieser Beitrag berichtet über die Veranstaltung „Portfolio Forschungsnaher Dienste in Bibliotheken der Leibniz-Gemeinschaft“ am 07.06.2024 bei der 112. BiblioCon in Hamburg. Siehe 112. BiblioCon 2024 – Programm, https://bibliocon2024.abstractserver.com/program/#/details/presentations/229, Stand: 18.07.2024.
2 Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen, http://ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de/, Stand: 18.07.2024.
3 Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen – Forschungsnahe Dienstleistungen, http://ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de/forschungsnahe-dienstleistungen/, Stand: 15.07.2024.
4 Leibniz-Gemeinschaft, https://www.leibniz-gemeinschaft.de/, Stand: 18.07.2024
5 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Gottfried Wilhelm Leibniz. Sämtliche Schriften und Briefe, Bd. IV, 8, Berlin 2019, S. 426, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-32556.
6 Forschungsnahe Dienstleistungen – Matrix, AK-BIB Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Online: http://ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de/forschungsnahe-dienstleistungen/matrix/, Stand: 18.07.2024.
7 Forschungsnahe Dienstleistungen – Liste, AK-BIB Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Online: http://ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de/forschungsnahe-dienstleistungen/liste/, Stand: 18.07.2024.
8 Hier das gesamte Portfolio als Matrix-Gesamtdarstellung: Forschungsnahe Dienstleistungen – Matrix, AK-BIB Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen, 27.05.2024. Online: https://ak-bib.leibniz-arbeitskreise.de/forschungsnahe-dienstleistungen/matrix/, Stand: 15.08.2024.
9 Siehe Anm. 1.
10 Leibniz-Arbeitskreis Bibliotheken und Informationseinrichtungen AG Forschungsnahe Dienste (Hg.): SSOAR Forschungsnahe Dienstleistungen- Alphabetische Liste, 2024, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-94322-2.
11 Den bei SSOAR implementierten Webstatistiken ist zu entnehmen, dass es Stand 18.07.2024 seit der Veröffentlichung insgesamt 116 Seitenbesuche und 83 Downloads gab.