Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken

Rückblick auf zwei Veranstaltungen der BiblioCon 2024

1. Einleitung

Nachhaltigkeitsthemen waren in zahlreichen Veranstaltungen auf der BiblioCon 2024 vertreten. Bisweilen standen dabei öffentliche Bibliotheken im Mittelpunkt und es gab interessante Sessions, in denen öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken gleichermaßen thematisiert wurden.1 Der folgende Bericht nimmt zwei Veranstaltungen in den Blick, in denen explizit wissenschaftliche Bibliotheken adressiert wurden: Die (1) Arbeitssitzung des Netzwerks Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken und das (2) Hands-on Lab „Nicht nur grüner Anstrich! Wissenschaftliche Bibliotheken können starke Nachhaltigkeit!“.2

2. Arbeitssitzung des Netzwerks Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken

Die Arbeitssitzung des Netzwerks Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken wurde organisiert von Irene Prähauser (Bibliothek der Kunstuniversität Linz) und Michael Czolkoß-Hettwer (Staats- und Universitätsbibliothek Bremen), die beide im Netzwerk aktiv sind.

Einführend stellte Michael Czolkoß-Hettwer das Netzwerk vor. Es handelt sich um einen formlosen Zusammenschluss wissenschaftlicher Bibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, an denen Nachhaltigkeitsarbeit bereits institutionalisiert ist und die Interesse an Wissensaustausch und Vernetzung haben. Begründet wurde das Netzwerk im Oktober 2022.3 Seither erfolgten weitere virtuelle Treffen und eine erste Zusammenkunft in Präsenz im Rahmen der BiblioCon 2023 in Hannover.4 Organisatorisch angebunden ist das Netzwerk Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken an das Netzwerk Grüne Bibliothek e. V. (NGB). Auf der NGB-Webseite gibt es seit 2023 eine Übersicht über die Nachhaltigkeitsgremien wissenschaftlicher Bibliotheken im D-A-CH-Raum samt Kontaktadressen der zuständigen Ansprechpersonen. Zudem wurde ein Mailverteiler eingerichtet.5

Bevor sich die Teilnehmenden zu Stationsarbeiten in einem World Café einfanden, blickte Irene Prähauser auf ein Nachhaltigkeitsvernetzungstreffen österreichischer Bibliotheken zurück, das im Mai 2024 in Linz stattfand. Es handelte sich dabei um die erste Sitzung der von Irene Prähauser ins Leben gerufenen „Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit“ der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB). Das Gremium besteht derzeit aus 13 Personen, die sich in elf unterschiedlichen wissenschaftlichen Bibliotheken (Universitäts- und Hochschulbibliotheken, Österreichische Nationalbibliothek) für Nachhaltigkeit engagieren. Die Arbeitsgruppe wurde zur nationalen und internationalen Vernetzung und gegenseitigen Stärkung gegründet, um voneinander und durch Expertise von außen zu lernen. Neben dem Voranbringen von Nachhaltigkeit in den einzelnen Einrichtungen (durch strategisch-organisatorische Verankerung, die Umsetzung praktischer Maßnahmen und Bewusstseinsarbeit), hat sich die AG unter anderem folgende Ziele gesetzt: die Einbindung von Nachhaltigkeitsthemen in der Aus- und Fortbildung, die Sichtbarmachung des Themas sowie die Durchführung gemeinsamer Projekte.

Im Rahmen des anschließenden World Cafés fand ein Austausch zu vier ähnlich gelagerten Themenkomplexen statt, dessen Ergebnisse im Folgenden kurz zusammengefasst werden.

2.1 Organisatorische Verankerung

Repräsentiert waren 21 Bibliotheken aus Deutschland und Österreich, wobei unterschiedliche Bibliothekstypen vertreten waren (Universitäts- bzw. Hochschulbibliotheken, Staats- und Landesbibliotheken sowie verschiedene Spezialbibliotheken). Bis auf eine Bibliothek ist keine dieser Einrichtungen autonom, wodurch die Nachhaltigkeitsarbeit in starkem Maße durch das Zusammenwirken mit der jeweiligen Trägerorganisation geprägt ist. Acht der teilnehmenden Bibliotheken verfügen über Nachhaltigkeits-AGs, wobei nur in zwei Fällen (UB TU Berlin und UB FU Berlin6) für (einzelne) AG-Mitglieder feste Arbeitszeitanteile für das Mitwirken in der AG reserviert sind. Ferner haben sechs Bibliotheken eine Beauftragte bzw. einen Beauftragten für Nachhaltigkeit, Klimaschutz o.Ä. installiert,7 wobei die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz8 als einzige Einrichtung über eine hauptamtliche Nachhaltigkeitsbeauftragte verfügt.9 An vier Bibliotheken ist eine Bibliotheksmitarbeitende in einem Nachhaltigkeitsgremium auf übergeordneter Ebene in der Trägerinstitution vertreten. Sieben der teilnehmenden Bibliotheken verfügen (noch) nicht über eine formalisierte Struktur für die Nachhaltigkeitsarbeit. Hierbei handelte es sich jedoch überwiegend um (sehr) kleine Bibliotheken mit teilweise nur 2–3 Mitarbeitenden. Zu erwähnen ist ferner, dass es in diesen Fällen bei allen Trägereinrichtungen institutionalisierte Zuständigkeiten für die Nachhaltigkeitsarbeit gibt. Festgehalten werden kann somit, dass gerade in jüngerer Vergangenheit die Institutionalisierung der Nachhaltigkeitsarbeit an wissenschaftlichen Bibliotheken sichtbare Fortschritte gemacht hat; die meisten der erwähnten Gremien sind schließlich erst wenige Jahre alt. Oft jedoch ist die Ausstattung dieser Gremien vor allem mit Arbeitszeitkontingenten noch sehr prekär.

2.2 Widerstände

Unter dem Schlagwort „Widerstände“ wurde über Herausforderungen und Schwierigkeiten diskutiert, die der Nachhaltigkeitsarbeit an den Einrichtungen entgegenstehen. Für manche Problemfelder konnten gleichzeitig auch Chancen und Lösungswege aufgezeigt werden. Als negative Faktoren wurden – zum Teil mehrfach – genannt, dass die Umsetzung von Vorgaben oder vertraglichen Regelungen nicht gelinge, weil keine Überprüfung stattfinde oder die Nichteinhaltung keine Konsequenzen habe. Dies betreffe einerseits die Direktionen (z.B. in der Beschaffung), andererseits auch externe Dienstleister (z.B. bei der Mülltrennung). Hinzu komme ein fehlendes Interesse am und mangelnde Anerkennung der Bedeutung des Themas. Demnach sei es oft schwierig, Kolleg*innen in der eigenen und in anderen Abteilungen zu sensibilisieren, zu überzeugen, oder zur Mitarbeit zu aktivieren. Die Ursachen hierfür werden in mangelnder Veränderungsbereitschaft, Bequemlichkeit, fehlendem Mut oder auch Überlastung gesehen. Diese „Widerstände“ im Kopf betreffen nicht nur die Kolleg*innen, sondern auch die Leitungsebene. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen fehlten oft auch Ansprechpartner*innen. Auf der Führungsebene werde Nachhaltigkeit zudem meist (noch) nicht als Managementaufgabe erkannt. Die Einstellung der Kund*innen zur Nachhaltigkeit sei divers: Wissenschaftler*innen hätten tendenziell (noch) wenig Interesse an den Nachhaltigkeitsinitiativen ihrer Bibliothek, die Studierenden hingegen durchweg schon. Zudem mache es der organisatorische Ablauf oft notwendig, „Umwege“ zu gehen (z.B. über die Direktion oder die Gebäudetechnik), anstatt Maßnahmen direkt umsetzen zu können. Als weitere Herausforderung wurde genannt, dass sich bei AGs und anderen Gremien, die aus mehreren Personen bestehen, die interne Abstimmung teils schwierig gestalte. Bisweilen könnten Normen oder rechtliche Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeitsarbeit tatsächlich entgegenstehen oder würden als Argument dagegen angeführt. Hürden auf Ebene der Kommunikation gebe es ebenfalls, genannt wurde hier u.a. das Phänomen „Greenwashing“.10 Ein strukturelles Kernproblem erfolgreicher Nachhaltigkeitsarbeit seien ferner fehlende Ressourcen (finanzielle Mittel und Personalressourcen).

An dieser World-Café-Station wurde zugleich über positive Erfahrungen und Ideen zur Überwindung von Widerständen gesprochen. Den erwähnten knappen Ressourcen stünden Einsparungseffekte durch Zusammenarbeit und die Nutzung von Synergien gegenüber. Als wichtig wird angesehen, Stellen- bzw. Stundenanteile für Nachhaltigkeit in Arbeitsplatzbeschreibungen und Ausschreibungen zu verankern. Zudem brauche es Geduld. So gebe es Maßnahmen, die erst mit der Zeit alltäglich und selbstverständlich würden. Gewöhnung reduziere hier Widerstände. Ein Mittel zur Auflösung von Widerständen seien Anreize, die im Alltag Erfolg haben (z.B. Erstattung von Bahnfahrten 1. Klasse, um Flugreisen zu verhindern). Für die Arbeit der Nachhaltigkeitsgremien selbst empfehlen sich eine große Transparenz der eigenen Tätigkeit, Methoden des agilen Arbeitens und die Etablierung eines „guten Drahts“ zur Direktion.

2.3 Sichtbarkeit

An der Station „Sichtbarkeit“ wurden von Janet Wagner zunächst einige Beispiele aus der Arbeitsgruppe „GreenFUBib“ präsentiert. In der Stelle von Janet Wagner sind die Arbeitsfelder Nachhaltigkeit und Kommunikation verschränkt, sodass entsprechend viele Maßnahmen bzw. Angebote etabliert werden konnten.

„Sichtbarkeit“ wurde zunächst mit Blick auf die bibliotheksinterne Ebene diskutiert. So gibt es an der UB der FU im internen Newsletter die Rubrik „Digital Cleanup am Arbeitsplatz“ mit regelmäßigen Tipps zum digitalen Aufräumen. Die wiederkehrende Reihe im internen Newsletter, der alle 6–8 Wochen an die Bibliotheksbeschäftigten verschickt wird, soll niederschwellig das Thema Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz adressieren. Die AG GreenFUBib berichtet auch darüber hinaus regelmäßig im Newsletter über Nachhaltigkeitsthemen. Einig waren sich die Beteiligten an der Station, dass bereits beim Onboarding-Prozess für neue Mitarbeitende Nachhaltigkeit auf der Agenda stehen sollte. Als wichtig wurde ferner der Bereich Personalentwicklung identifiziert, wo Fortbildungsangebote bspw. zu Konsum, Ernährung, Mobilität, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) oder interkultureller Kompetenz für Mitarbeitende ein Einstieg in die Nachhaltigkeitsarbeit sein können. Formate wie ein monatlicher „Info-Talk“, „Green-Talk“ oder weitere Info-Runden für Mitarbeitende bieten mehr Sichtbarkeit und Möglichkeiten, um das Bibliotheksteam, neue Kolleg*innen, Auszubildende oder Referendare über nachhaltiges Handeln zu informieren.

Mit Blick auf die externe Sichtbarkeit ging es um klassische Themen der Öffentlichkeitsarbeit wie z.B. Social Media, Blogs, Veranstaltungen an der Universität und Webseiten-Auftritte. Aktionswochen zum Thema Nachhaltigkeit, die wiederkehrend an der jeweiligen Universität stattfinden, sollten auch von den Bibliotheken als Chance genutzt werden, um sichtbarer zu werden. Die klassische Bibliotheksführung ließe sich damit gut verbinden. Es biete sich an, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen mit Ressourceneinsparungen, Bildungsangeboten oder Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz zu verknüpfen und dies auf der Webseite11 oder in einer Ausstellung zu zeigen. Jährliche Aktionswochen zum „Stadtradeln“, „Grüner Makerspace & Repair-Stunde“ oder Green Social Days, an denen man sich zum plastikfreien Picknick verabredet, Bäume pflanzt oder Müll sammelt, fördern eine nachhaltige Bewusstseinsbildung und erhöhen die interne und externe Sichtbarkeit für mehr nachhaltiges Handeln. Zentral sei nicht zuletzt die proaktive Vernetzung des Nachhaltigkeitsteams der Bibliothek über größere Betriebsversammlungen, bei Team-Treffen von „Green-Office“-Gruppen oder bei offiziellen Treffen anderer Bereiche der Trägereinrichtung (Beschaffungsstelle, studentische Initiativen etc.).

2.4 Beispielsammlung

An dieser Station wurden von den Teilnehmenden Beispiele für nachhaltige Projekte gesammelt. Diese konnten in drei Kategorien eingeordnet werden: „gelungen“, „geplant“ oder „gescheitert“. Schnell zeigte sich, dass manche Projekte von verschiedenen Teilnehmer*innen in mehreren Kategorien eingeordnet wurden, sprich: Was dem einen gelang, scheiterte beim anderen.

Hier nun zuerst eine kurze Auswahl der gelungenen und geplanten Projekte: Trinkwasserbrunnen sind bei vielen Bibliotheken beliebt und können oft als einfache Erweiterung der vorhandenen Waschbecken installiert werden. Dadurch kann Leitungswasser verwendet werden, was nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel schont. Eine regelmäßige Kontrolle der Wasserqualität ist natürlich Voraussetzung.

Im Feld des Energiesparens gibt es verschiedene Ansätze, zum Beispiel die Umstellung auf LED-Lampen und Bewegungsmelder oder die Anpassung der Klimaanlage und Heizung. Auch die Verwendung von Ökostrom oder die eigene PV-Anlage können hier unterstützen. Auf das individuelle Verhalten am Arbeitsplatz zielt die Einrichtung eines Sperrbildschirms auf Mitarbeitenden-PCs ab, der daran erinnert, wie man Energie sparen kann. Da auch die Daten auf dem PC zum Energieverbrauch beitragen, veranstalten einige Bibliotheken regelmäßig Digital Clean Up-Tage, bei denen dazu eingeladen wird, den Speicherplatz des eigenen Computers zu bereinigen. Ein Thema ist hierbei auch der Umgang mit Dateianhängen bei E-Mails. Ferner sind Spenden- und Tausch-Aktionen beliebte Maßnahmen, um nachhaltigen Konsum zu fördern. So wurden an verschiedenen Bibliotheken z.B. Kleider, Jungpflanzen und Bücher getauscht und Brillen, Altkleider sowie Althandys gesammelt. Bei Sammelaktionen lohnt es sich, auf die Verwendung der Spenden bei den Partnern zu schauen. Werden die gesammelten Objekte komplett wiederverwendet bzw. wiederverwertet? Unter welchen Arbeitsbedingungen und in welchen Ländern erfolgt diese Aufbereitung? Gerade bei Möbeln ist es in den meisten wissenschaftlichen Bibliotheken meist schon auf Grund der öffentlichen Trägerschaft seit vielen Jahren Standard, ausgesonderte Möbel an andere Institutionen weiterzureichen, die sie weiterverwenden. Schaut man auf das Thema Veranstaltungen gibt es auch hier die Möglichkeit, mehr Nachhaltigkeit zu fördern. Caterer können gezielt ausgewählt werden (Bio-Qualität, vegetarisch/vegan und regionale Produkte). Auch der Verzicht auf Einweggeschirr ist eine gute Idee, die von vielen schon umgesetzt wird. Entweder man hat einen eigenen Vorrat an Geschirr, mietet diesen oder animiert die Gäste, das eigene Geschirr mitzubringen. Zur Förderung der nachhaltigen Mobilität von Nutzenden und Mitarbeitenden können u.a. (mehr) Fahrradständer sowie (mehr) Spinde angeboten werden. Auch das Angebot von Werkzeug vor Ort für die eine oder andere Reparatur hilft beim Umstieg auf das Fahrrad. Kooperationen mit Selbstschrauberwerkstätten animieren dazu, sich das nötige Wissen für Reparaturen anzueignen.

Neben diesen Beispielen für Maßnahmen, die an Bibliotheken erfolgreich umgesetzt oder geplant sind, gab es auch Berichte über gescheiterte Projekte. Ein Teil der Vorhaben scheiterte an mangelndem Interesse, so z.B. die Einrichtung einer Mitfahrzentrale oder die Sammelbestellung in einem Unverpackt-Laden für Mitarbeitende. Andere Projekte wie die Mülltrennung oder die etagenweise Reinigung des Gebäudes (um Strom für Licht zu sparen) konnten bei den beauftragten Fremdfirmen nicht durchgesetzt werden. Viele Teilnehmende berichteten, dass die Resonanz auf Tipps bspw. in internen Blogs nur gering und zum Teil auch negativ war. Nicht alle fühlen sich beim Thema Nachhaltigkeit angesprochen. Bisweilen werden Ratschläge auch als Bevormundung empfunden.

3. Hands-on Lab „Nicht nur grüner Anstrich! Wissenschaftliche Bibliotheken können starke Nachhaltigkeit!“

Viele der Teilnehmenden der Arbeitssitzung des Netzwerks waren am Vortag bereits zum Hands-on Lab „Nicht nur grüner Anstrich! Wissenschaftliche Bibliotheken können starke Nachhaltigkeit!“ zusammengekommen. Organisiert wurde die Veranstaltung von Emilie Rehberger (UB der Universität der Bundeswehr München) und Janet Wagner (UB der Freien Universität Berlin).

Den Hintergrund des Hands-on Labs bildet die Erfahrung, dass viele wissenschaftliche Bibliotheken Vernetzung und Austausch schätzen, um ihren Weg zu mehr Nachhaltigkeit bei internen und externen Prozessen zu verstetigen und darin bestärkt zu werden. Zugleich sollte das Hands-on Lab einen starken Praxisbezug haben und die konkrete Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten thematisieren. Im Mittelpunkt stand daher das Kennenlernen des von Emilie Rehberger veröffentlichten Kriterienkatalogs „Nachhaltigkeit in sechs Handlungsfeldern“, der als Leitfaden für die Erarbeitung von Nachhaltigkeitskonzepten an wissenschaftlichen Bibliotheken angelegt ist.12 Der Kriterienkatalog bietet eine praxisnahe Sammlung von Maßnahmen, die im Hands-on Lab in Gruppen auf ihre Umsetzbarkeit für die eigene wissenschaftliche Bibliothek geprüft und diskutiert wurden.

Der Workshop begann mit einer allgemeinen Vorstellungsrunde, gefolgt von einem theoretischen Input von Emilie Rehberger. Sie erläuterte den Entstehungsprozess der Kriteriensammlung, stellte deren Struktur und Inhalt vor und gab erste Hinweise zur praktischen Anwendbarkeit in wissenschaftlichen Bibliotheken. Der Kriterienkatalog kann sowohl als strategisches Instrument zur Erarbeitung von Nachhaltigkeitskonzepten genutzt, als auch als Basis einer systematischen Status-Quo-Analyse dienen.

Danach ging es an die praktische Arbeit. An zwei Stationen sollten die Teilnehmenden gezielt zu den einzelnen Handlungsfeldern „Management und strategische Führung/Governance“ sowie „Informationsservices und Awareness“ eigene Aktionen und Handlungen benennen, diese diskutieren, reflektieren und als „To Do“ in die eigene Bibliothek tragen. Eine abschließende Station regte zur Diskussion über den Katalog als Handlungsinstrument an.

Der Austausch an der Station „Management“ zeigte, dass in vielen Herkunftsinstitutionen der Teilnehmenden bereits Interessens- und Arbeitsgruppen zum Thema Nachhaltigkeit existieren. Teilweise gab es auch schon politische Bekenntnisse vonseiten der Bibliotheksleitung. Gemeinsam wurden kreative Möglichkeiten erarbeitet, um das gesamte Personal für das Thema zu sensibilisieren. Darüber hinaus wurden Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten mit privaten Firmen und Vereinen aus dem Nachhaltigkeitssektor diskutiert.

Bei den Informationsservices war der Austausch ob der herausragenden Bedeutung von Informationsdienstleistungen im wissenschaftlichen Bibliothekssektor besonders lebhaft. Es wurden neue praktische Ideen für Maßnahmen gesammelt, die die Indikatorenliste des Kriterienkatalogs ergänzen, z.B. die zusätzliche Erschließung von nachhaltigkeitsbezogener Literatur mit den passenden UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung. Außerdem wurden Möglichkeiten des Nachhaltigkeitsmarketings diskutiert, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen im Bibliothekskontext zu stärken. Als Best-Practice-Beispiele wurden dabei etwa Literaturausstellungen, „Agenda 2030“-Thementische, Infowebseiten und kreative Social-Media-Posts geteilt.

Zum Abschluss fand ein Austausch über den Katalog selbst statt. Diskutiert wurden seine Einsatzmöglichkeiten als Raster bei der Erarbeitung von Nachhaltigkeitskonzepten sowie seine Anwendbarkeit als Vergleichsgrundlage für bestehende Strategien. Auch Schwachpunkte des Instruments, wie dessen Einseitigkeit und das Ignorieren von Zielkonflikten zwischen den Einzelkriterien, wurden angesprochen. Gemeinsam wurden bereits Überlegungen zur Weiterentwicklung des Kriterienkatalogs angestellt. So kam etwa der Vorschlag auf, einen Hinweis auf entsprechende Abwägungsfragen in die Kriterienliste zu integrieren.

Das Hands-on Lab verfolgte das Ziel, den Kriterienkatalog als Tool und praktisches Hilfsmittel für die Nachhaltigkeitsarbeit wissenschaftlicher Bibliotheken zu etablieren. Trotz des begrenzten zeitlichen Rahmens konnten konkrete Ergebnisse und neue Ideen generiert werden. Der Katalog fungierte nicht nur als theoretisches Strategieinstrument, sondern auch als Basis einer wirksamen Form des Netzwerkens – eine Funktion, die er in Zukunft hoffentlich noch in vielen weiteren Einrichtungen erfüllen wird.

Michael Czolkoß-Hettwer, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, https://orcid.org/0000-0002-4019-9857
Maja Bentele, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, https://orcid.org/0000-0002-0305-6742
Irene Prähauser, Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, Österreich, https://orcid.org/0000-0001-6720-0013
Emilie Rehberger, Universitätsbibliothek der Universität der Bundeswehr München, https://orcid.org/0000-0002-5206-2276
Janet Wagner, Freie Universität Berlin, https://orcid.org/0000-0001-6428-1372

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6071

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0.

1 Verwiesen sei auf die Sessions „Bibliotheken – grün und nachhaltig“, https://bibliocon2024.abstractserver.com/
program/#/details/sessions/238
, und „Praktizierte Nachhaltigkeit“, https://bibliocon2024.abstractserver.com/
program/#/details/sessions/231
, Stand: 05.07.2024.

2 Dieser Beitrag berichtet über die beiden Veranstaltungen „Netzwerk Nachhaltigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken“ am 06.06.2024 sowie das Hands-on-Lab „Nicht nur grüner Anstrich! Wissenschaftliche Bibliotheken können starke Nachhaltigkeit!“ am 05.06.2024 auf der 112. BiblioCon in Hamburg. Vgl. https://bibliocon2024.abstractserver.com/program/#/details/sessions/34, Stand: 05.07.2024 und https://bibliocon2024.abstractserver.com/program/#/details/presentations/470, Stand: 05.07.2024.

3 Czolkoß-Hettwer, Michael: Virtuelles Vernetzungstreffen zum Thema „Nachhaltigkeitsarbeit an wissenschaftlichen Bibliotheken“, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 70 (2), 2023, S. 107–112. https://doi.org/10.3196/186429502070279.

4 Hands-on Lab „Nachhaltige Organisationsentwicklung an wissenschaftlichen Bibliotheken“, https://dbt2023.
abstractserver.com/program/#/details/sessions/35
, Stand: 05.07.2024.

5 Netzwerk Nachhaltigkeit – wissenschaftliche Bibliotheken, https://www.netzwerk-gruene-bibliothek.de/netzwerk-nachhaltigkeit-wissenschaftliche-bibliotheken/, Stand: 05.07.2024.

6 GreenFUBib – Nachhaltigkeit an der Universitätsbibliothek, https://www.fu-berlin.de/sites/ub/ueber-uns/
nachhaltigkeit/index.html
, Stand: 04.07.2024.

7 Teilweise gibt es auch Doppelstrukturen, also bspw. eine AG und eine Nachhaltigkeitsbeauftragte.

8 Altenhöner, Reinhard; Czolkoß-Hettwer, Michael: Roadmap zum systematischen Nachhaltigkeitsmanagement. Das Projekt Nachhaltigkeitsstrategie an der Staatsbibliothek zu Berlin als Teil des Partizipationsmanagements, in: Bibliothek. Forschung und Praxis 45 (3), 2021, S. 431–432. https://doi.org/10.1515/bfp-2021-0066.

9 Generaldirektion der Staatsbibliothek zu Berlin, https://staatsbibliothek-berlin.de/die-staatsbibliothek/abteilungen/generaldirektion, Stand: 04.07.2024.

10 Beim „Greenwashing“ täuschen Anbieter*innen ihre Kund*innen, in dem sie sich und ihre Produkte als umweltbewusst und nachhaltig darstellen, es tatsächlich aber nicht oder nicht im kommunizierten Ausmaß sind. Eine besonders gewichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Gütesiegel. Greenpeace hat in einer umfassenden Analyse von Gütesiegeln festgestellt, dass rund ein Drittel der Siegel nicht oder nur sehr eingeschränkt vertrauenswürdig sind (https://greenpeace.at/hintergrund/nachhaltigkeit-vs-greenwashing-wie-erkennt-man-den-unterschied/, Stand: 05.08.2024). Über diese Website gelangt man zu den sehr empfehlenswerten und übersichtlichen „Gütezeichen-Guides“ für Lebensmittel, Drogerieprodukte und Bekleidung (https://greenpeace.at/ratgeber/guetezeichen/, Stand: 05.08.2024).

11 Siehe dazu bspw. USB Köln, Climate Clock & Agenda 2030, https://ub.uni-koeln.de/die-usb/ueber-uns/agenda2030, Stand: 05.07.2024.

12 Rehberger, Emilie: Nachhaltigkeit in sechs Handlungsfeldern. Ein Kriterienkatalog als praktischer Leitfaden bei der Erarbeitung von Nachhaltigkeitskonzepten für wissenschaftliche Bibliotheken, in: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal 10 (3), 2023, S. 1–16. https://doi.org/10.5282/o-bib/5944.