Im Fokus: Wie gestaltet man ein gutes Praktikum?

Hochschulen und Bibliotheken bearbeiten 2023 das Thema Studienpraktika. Ergebnisse, Hinweise und Tipps werden nun veröffentlicht

Der erste Kontakt, den Studierende mit der Arbeitswelt „Bibliothek“ machen, findet häufig in einem Praktikum statt. Hier entscheidet sich nicht selten, ob der/die Studierende später in einer Bibliothek arbeiten möchte oder ein anderes Feld vorzieht. Praktika sind also nicht nur ein zentraler Bestandteil des informationswissenschaftlichen Studiums, sondern auch ein wichtiges Instrument der Personalgewinnung.

Obwohl Praktika eine so zentrale Rolle für das Lernen und die Karriereentscheidungen spielen (und obwohl praktisch jede*r Bibliothekar*in mindestens eines gemacht hat), kommt ihnen oft nicht die entsprechende Aufmerksamkeit zu. Im Austausch zwischen der KIBA1 und der Sektion 4 im dbv2 entstand die Initiative, mehr Klarheit darüber zu erlangen, was ein Praktikum beinhalten soll, wie es motivierend gestaltet werden kann und welche Erwartungen Bibliotheken, Hochschulen und Studierende an Praktika haben. Im Verlauf des Jahres 2023 wurde das Thema „Studienpraktika“ daraufhin in drei Formaten bearbeitet:

• in einem Hands-on-Lab der KIBA bei der BiblioCon 2023 in Hannover,
• in einem Projektseminar am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin3 im Sommersemester 2023
• und im September 2023 in einem von Sektion 4 und KIBA geplanten Workshop im IBI.

Ergebnisse aus diesen drei Veranstaltungen stehen nun zur Verfügung auf der Veranstaltungswebsite des dbv unter https://www.bibliotheksverband.de/workshop-studienpraktika-bibliotheken

Im Hands-on-Lab der KIBA unter dem Motto „Das perfekte Praktikum“4 tauschten ca. 30 Interessierte in einem moderierten Diskussionsprozess ihre Erfahrungen als Praktikant*innen aus. Es entstand ein lebendiges Bild aus den Praktikumserfahrungen, die zwischen 2 Monaten und 20 Jahren zurück lagen, mit erstaunlich vielen Gemeinsamkeiten. Einerseits wurde immer wieder deutlich, wie wichtig ein eigener Arbeitsplatz, Wertschätzung und soziale Einbindung der Praktikant*innen in das Team der Bibliothek sind. Andererseits zeigte sich mehrmals, dass eine Basis für gute Praktika schon besteht, wenn der*die Praktikumsbetreuer*in z.B. einige didaktische Grundregeln beachtet, wie sie z.B. in „Ausbilderschein“-Kursen5 vermittelt werden.

Im Projektseminar am IBI unter der Leitung von Hannes Schnaitter wurden strukturelle Rahmenbedingungen und persönliche Einschätzungen zu Praktika untersucht. Die Projektgruppe sammelte z.B. die Praktikumsordnungen der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen (LIS-) Studiengänge und wertete sie nach Kriterien wie z.B. Länge, Inhalte, Position im Studienablauf aus. Sie führte Interviews mit Praktikumseinrichtungen und Praktikant*innen und analysierte diese z.B. unter dem Aspekt der Vereinbarkeit der Praktika mit Berufstätigkeit und mit Care-Verpflichtungen. Die Ergebnisse und die „Forschungsdaten“ des Projekts – die Auswertung der Praktikumsrichtlinien der LIS-Studiengänge – finden sich auf der Projekt-Website. Die Ergebnisse wurden als Poster aufbereitet und stehen ebenfalls zur Verfügung.6

Der Workshop zu Studienpraktika in Bibliotheken wurde von den Sektionen 4 und 7 des dbv initiiert, zusammen mit den Sektionen 1 und 2 vorbereitet und fand am 20.09.2023 in Berlin am IBI der Humboldt-Universität statt. Es diskutierten rund 35 Teilnehmer*innen – Studierende verschiedener Hochschulen, Bibliothekar*innen aus Spezial-, Stadt- und Hochschulbibliotheken sowie Lehrende aus den LIS-Studiengängen – über Herausforderungen und Möglichkeiten von Praktika.

Nach einführenden Impulsvorträgen befassten sich sechs „Thementische“ des Workshops mit der Kommunikation zwischen Praktikumseinrichtungen, Hochschulen und Studierenden, mit den gewünschten und erwarteten Inhalten und Zielen sowie mit der didaktischen Gestaltung von Praktika. Die Organisation von Praktika in den Bibliotheken und die Gewinnung von Mitarbeiter*innen für die Praktikumsbetreuung wurden ebenso diskutiert wie die sinnvolle Evaluation und Auswertung von Praktika. Zu jedem dieser Themen wurden „Baustellen“ (Probleme, Desiderata) und „Bausteine“ (Ideen, Instrumente, Best Practices) identifiziert. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse steht auf der Veranstaltungswebsite zum Workshop bereit.

Auf einige wichtige „Lessons learned“ soll an dieser Stelle hingewiesen werden.

• Die meisten Studierenden erarbeiten heute einen Teil ihres Lebensunterhalts selbst. Daher ist es ein Problem für sie, die bezahlte Arbeitsstelle für unbezahlte Praktika zu verlassen. Immer mehr Bibliotheken vergüten bereits – wie andere kommunale Einrichtungen – ihre Praktikant*innen. Einige Bundesländer (z.B. Niedersachsen) haben finanzielle Fördermaßnahmen für Praktika initiiert. In anderen Bundesländern (z.B. Berlin) besteht bereits die grundsätzliche Regelung, dass Praktika vergütet werden können bzw. sollen. Bibliotheken, die Praktika anbieten, sollten sich, ggf. gemeinsam mit der ausbildenden Hochschule, bei ihren Trägern erkundigen, ob eine Vergütung bzw. entsprechende Unterstützung möglich ist.
• An die Hochschulen richtet sich der Wunsch nach differenzierten und verständlichen Informationen über die Rahmenbedingungen und Anforderungen an Praktika. Praktikumsrichtlinien und -ordnungen sind oft sehr formal und allgemein gehalten und lassen viele konkrete Fragen zur Durchführung offen; zudem unterscheiden sich diese zwischen den verschiedenen Hochschulen. Die Institute sollten daher ihre Informationen zu Praktika prüfen und ggf. ergänzen: Gibt es FAQs oder andere Dokumente, die über den reinen Ordnungstext hinausgehen? Gibt es Ansprechpartner*innen und Informationsveranstaltungen für die Praktikumsbibliotheken oder begleitende Kolloquien für die Studierenden? Gibt es gemeinsame Auswertungsveranstaltungen, an denen Bibliotheken, Studierende und Hochschulen zusammentreffen?
• Während bekannte Bibliotheken in größeren Städten oft von Praktikumsanfragen überrannt werden, gibt es viele kleinere, unbekanntere oder ländliche Einrichtungen, die gern mehr Praktikant*innen aufnehmen würden. Gesucht wurde daher nach Plattformen, über die Bibliotheken sich als Praktikumseinrichtung bekannt machen können. Geeignete Instrumente dafür gibt es bereits, sie sollten gezielt auch für Praktika genutzt werden: Wenn Bibliotheken anzeigen wollen, dass sie grundsätzlich für Praktika zur Verfügung stehen, dann sollten sie dies über die DAPS des BIB7 tun, die derzeit (Anfang 2024) überarbeitet wird. Wenn Bibliotheken spezifische Praktika ausschreiben wollen, wird BiblioJobs8 als das Mittel der Wahl empfohlen. Diese bundesweite Plattform wird auch von lokalen Praktikumsbörsen (z.B. an der FH Potsdam9) geharvestet.
• Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Praktika ist ein Praktikumsprojekt, das die Studierenden in der Praktikumszeit selbständig bearbeiten können. Es fördert die selbständige Arbeitsweise und es entlastet die Bibliotheksmitarbeiter*innen. Nachhaltig motivierend ist auch, wenn das Projektergebnis von der Bibliothek verwendet wird. Daran erinnern sich die ehemaligen Praktikant*innen noch viele Jahre später. Allerdings ist es nicht immer ganz leicht, sinnvolle und schaffbare Praktikumsprojekte zu konzipieren. Angeregt wurde daher im Workshop eine Ideen- und Austauschbörse zu Praktikumsprojekten.
• In allen drei Veranstaltungen standen Praktika im Rahmen von Studium oder Ausbildung im Mittelpunkt. Nicht bearbeitet wurden Themen wie Schülerpraktika und Praktika von Personen, die sich nicht in einem formalen (Aus-)Bildungsverhältnis befinden, z.B. mögliche Quereinsteigende. Beide Formate sind ebenfalls wichtige Instrumente zur Personalgewinnung, bringen jedoch ihre eigenen, spezifischen Herausforderungen mit sich und sollten daher in künftigen Schritten bearbeitet werden.

Insgesamt bot der Workshop eine Plattform zur Diskussion und Identifizierung von Bedarfen und Lösungsansätzen im Bereich der Studienpraktika in Bibliotheken. Die Ergebnisse stellen einen soliden Ausgangspunkt für weitere Initiativen dar, um die Qualität von Praktika zu verbessern und die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken, Hochschulen und Studierenden zu stärken.

Ulla Wimmer, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft
https://orcid.org/0000-0003-0725-4567

Zitierfähiger Link (DOI):https://doi.org/10.5282/o-bib/6040

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