Angebote zur Förderung der KI Literacy an deutschen Universitätsbibliotheken

Empirische Befunde aus dem Wintersemester 2023/24

Carolin Hilscher, Badische Landesbibliothek
Tobias Seidl, Hochschule der Medien
Cornelia Vonhof, Hochschule der Medien

Zusammenfassung:

Dieser Beitrag untersucht, welche Lehr- und Lernangebote Universitätsbibliotheken in Deutschland im Wintersemester 2023/24 zu Künstlicher Intelligenz (KI) angeboten haben und wie diese gestaltet waren. Dazu wurden im Oktober und November 2023 die Websites von 105 Universitätsbibliotheken auf Angaben zu KI-Bildungsangeboten hin untersucht und die erhobenen Daten im Anschluss mit Methoden der deskriptiven Statistik ausgewertet. Insgesamt konnten 101 Angebote an 31 Bibliotheken identifiziert und analysiert werden.

Summary:

This paper examines the teaching and learning programs on artificial intelligence (AI) which were offered by university libraries in Germany in the winter semester 2023/24 and how they were designed. To this end, in October and November 2023 the websites of 105 university libraries were examined for information on AI education programs. The data collected was then evaluated using descriptive statistical methods. A total of 101 programs at 31 libraries were identified and analysed.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6031

Autorenidentifikation:
Carolin Hilscher: ORCID: https://orcid.org/0009-0006-6202-2610;
Tobias Seidl: ORCID: https://orcid.org/0000-0003-1829-4628, GND: 117773155X;
Cornelia Vonhof: ORCID: https://orcid.org/0000-0001-6845-9393, GND: 142540056

Schlagwörter: Künstliche Intelligenz, KI Literacy, Universitätsbibliothek, Teaching Library

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0.

1. Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als digitale Schlüsseltechnologie der Zukunft mit dem Potenzial, Gesellschaft und Wirtschaft tiefgreifend zu verändern.1 Trotz der Potenziale sind mit dem Einsatz von KI aber auch viele Herausforderungen verbunden. Die Bundesregierung hat dies bereits 2018 erkannt und darauf mit der Verabschiedung einer Nationalen KI-Strategie reagiert. Den Hochschulen als wichtigen Akteuren des deutschen Bildungssystems wird dabei eine zentrale Rolle bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Erforschung und Entwicklung von KI sowie für die Bildung zu KI insgesamt zugeschrieben.2 Die wachsende Bedeutung von KI, verbunden mit den politischen Forderungen an die Hochschulen, KI-Kompetenzen (KI Literacy) zu fördern, eröffnet den Hochschulbibliotheken neue Handlungsfelder. Als wichtiger Teil der Hochschulinfrastruktur können sie zur Förderung von KI-Kompetenzen aktiv beitragen. Inwiefern dies von den Bibliotheken momentan auch getan wird, wurde bisher aber noch nicht systematisch untersucht.

An diesem Punkt setzt die hier vorgestellte Studie an. Sie bietet einen datenbasierten Überblick über KI-bezogene Lehr- und Lernangebote an deutschen Universitätsbibliotheken im Wintersemester
2023/24.3 In Kapitel 2 wird zunächst die Rolle der Bibliothek bei der Förderung von KI Literacy erläutert. In Kapitel 3 wird das methodische Vorgehen der durchgeführten Erhebung dargestellt. Die Ergebnisse der Erhebung werden in Kapitel 4 vorgestellt und in Kapitel 5 diskutiert.4

2. Förderung von KI Literacy als Aufgabe der Bibliotheken

Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT sind KI-Tools aus dem Hochschulalltag nicht mehr wegzudenken.5 Lehrende, Forschende und Studierende haben durch diese Tools neue Möglichkeiten in ihrem und für ihren Arbeitsalltag erhalten, benötigen aber auch neue Kompetenzen, um diese sinnvoll nutzen zu können. Hier setzt das Konzept der KI Literacy an. Es beschreibt die im Umgang mit KI benötigten Kompetenzen. Gegenwärtig handelt es sich hierbei noch um ein volatiles Forschungsfeld mit großem Forschungsbedarf. Eine allgemein anerkannte Definition oder gar verbindliche Standards gibt es noch nicht. Am weitesten verbreitet ist gegenwärtig jedoch die Definition von Long und Magerko.6 Sie beschreiben KI Literacy als:

„a set of competencies that enables individuals to critically evaluate AI technologies; communicate and collaborate effectively with AI; and use AI as a tool online, at home, and in the workplace“7.

Das von Long und Magerko erarbeitete Framework umfasst die Bereiche „What is AI?“, „What can AI do?“, „How does AI work?”, „How should AI be used?” und „How do people perceive AI?”, welche insgesamt 17 Teilkompetenzen beinhalten. Konkret bedeutet dies z.B., dass KI-kompetente Personen die wichtigsten KI-Technologien, wie maschinelles Lernen, sowie deren Stärken und Schwächen kennen sollten. Dieses Wissen können sie nutzen, um differenzierte Entscheidungen zu treffen, wann es besser ist, menschliche Fähigkeiten zu nutzen und wo KI sinnvoll unterstützen kann. Zudem sind KI-kompetente Personen in der Lage, KI-gestützte Systeme, z.B. durch geschicktes Prompting zu bedienen. Gleichzeitig kennen sie die wichtigsten ethischen Fragen in Bezug auf KI und sind sich bewusst, dass die Ergebnisse von KI-Systemen kritisch geprüft und interpretiert werden müssen.8

Universitätsbibliotheken fördern mit digitaler Kompetenz und Datenkompetenz bereits Teilkompetenzen der KI Literacy. Daher ist es nur folgerichtig, dass sie sich auch bei der Förderung von KI Literacy aktiv einbringen.9 Das Thema „Förderung von KI-Kompetenzen durch wissenschaftliche Bibliotheken“ wurde in der Community, bspw. bei der virtuellen bibliothekarischen Fachkonferenz #vbib 2023,10 sowie im Rahmen einer Fortbildung der Gemeinsamen Kommission Informationskompetenz von dbv und VDB11 bereits aufgegriffen. In der Literatur wird zudem immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass sich Hochschulbibliotheken bei der Förderung von KI-Kompetenzen engagieren.12 Inwiefern dies von den Bibliotheken auch in der Breite umgesetzt wird, ist jedoch nicht bekannt. Das Thema wurde wissenschaftlich bisher lediglich in einer Bachelorarbeit in Form einer Fallstudie untersucht. Darin wurden zwei Veranstaltungen, die von Universitätsbibliotheken zum Thema KI angeboten wurden, evaluiert. Aufbauend darauf wurden Handlungsempfehlungen zur Durchführung von Lehrveranstaltungen zu KI für Hochschulbibliotheken entwickelt.13 Diese Quellenlage zeigt, dass zu diesem Thema noch weiterer Forschungsbedarf besteht.

3. Methodik

Um die vorliegende Forschungslücke zu schließen, wurde eine systematische Datenerhebung mittels Desk Research durchgeführt. Als Untersuchungsmaterial wurden die Websites aller deutschen Universitätsbibliotheken herangezogen (N=108).14 Zwei der untersuchten Bibliotheken hatten keine eigene Website und bei einer weiteren Universitätsbibliothek wurde der Webauftritt zum Erhebungszeitpunkt überarbeitet. Diese Bibliotheken wurden daher aus der Untersuchung ausgeschlossen. Insgesamt ergibt sich damit eine Stichprobe von 105 Bibliotheken.

Zur Recherche der KI-Lehr- und Lernangebote wurde ein zweiwöchiger Erhebungszeitraum Ende Oktober / Anfang November 2023 gewählt. In einem ersten Schritt wurden die für die Universitäten zuständigen Bibliotheken per Suchmaschinenrecherche ermittelt. Anschließend wurden die zugehörigen Websites systematisch auf Lehr- und Lernangebote zum Thema KI untersucht. Dazu wurden ausgehend vom auf der Website implementierten Menü alle relevant erscheinenden Unterseiten manuell durchsucht. Sofern über die Website darauf hingewiesen wurde, dass auch über YouTube Lernangebote zugänglich gemacht werden, wurde auch der Auftritt auf dieser Plattform untersucht.

Bei KI handelt es sich um ein sehr breites, interdisziplinäres Feld, welches viele verschiedene Bereiche und Begriffe umfasst. Daraus ergab sich die Herausforderung, zuverlässig alle Lehr- und Lernangebote der Universitätsbibliotheken zu identifizieren, welche mit KI in Verbindung stehen. Zur Orientierung für die Identifizierung relevanter KI-Bildungsangebote wurde daher auf eine Liste von 25 Schlüsselbegriffen rund um KI zurückgegriffen. Diese wurde von Mah und Büching in Zusammenarbeit mit KI-Expert*innen zusammengestellt.15 Die Liste wurde im Zuge der Recherche um weitere Begriffe ergänzt (die vollständige Liste findet sich am Ende des Beitrags). Bei der Recherche fanden sich auch Angebote, die sich auf spezifische Werkzeuge und Tools bezogen. Konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Tools KI nutzen, wurden die entsprechenden Angebote in die Auswertung aufgenommen. Wurden Angebote im Rahmen einer Veranstaltungsreihe durchgeführt, so wurde jedes Angebot einzeln gezählt, welches sich mit KI beschäftigte. Wenn ein Angebot mehrmals im Semester angeboten wurde, so wurde es nur einmal gezählt.

Für die einzelnen Universitäten, an denen die Bibliotheken angesiedelt sind, wurden folgende Merkmale erhoben:

Für die gefundenen Lehr-/Lernangebote wurden die folgenden Merkmale erhoben:

Für einzelne Merkmale (z.B. Themenschwerpunkte) wurden nach der Erhebung induktiv Kategorien aus dem Datenmaterial herausgebildet.

4. Ergebnisse

4.1 Anzahl und Verteilung der Angebote

Insgesamt konnten 101 Lehr-/Lernangebote zu KI an 31 der 105 untersuchten Universitätsbibliotheken gefunden werden. Damit boten weniger als ein Drittel (29,5 %) der untersuchten Bibliotheken im Wintersemester 2023/24 mindestens ein Bildungsangebot zum Thema KI an.

Die Analyse hat ergeben, dass 57 der 101 ermittelten Lehr- und Lernangebote zu KI (56,4 %) von den Universitätsbibliotheken in Zusammenarbeit mit mindestens einem Kooperationspartner realisiert wurden (vgl. Abbildung 1). Insgesamt 39 Angebote wurden in Kooperation zwischen mehreren Bibliotheken durchgeführt. Der Grund für die hohe Zahl ist, dass einige der KI-Bildungsangebote von den Universitätsbibliotheken in kooperativen Veranstaltungsreihen angeboten werden. Da diese Angebote jedoch von jeder Bibliothek in ihr spezifisches Veranstaltungsprogramm aufgenommen wurden, wurden sie auch jeder Bibliothek einzeln zugerechnet.16 Weitere Kooperationspartner waren andere Hochschulen (N=8), externe Partner (N=8) sowie interne Partner in der eigenen Universität (N=7).

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Um zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der Studierendenzahl der Universitäten und dem Vorhandensein von KI-Lehr- und Lernangeboten besteht, wurden die Universitätsbibliotheken gemäß der Studierendenzahl der jeweiligen Universität in fünf gleich große Gruppen unterteilt und jeweils der Anteil der Bibliotheken mit KI-Bildungsangeboten ermittelt (vgl. Tabelle 1). Demnach bieten Universitätsbibliotheken, welche großen Universitäten angegliedert sind (Kategorie 4 und 5), deutlich häufiger Bildungsangebote zu KI an als die Bibliotheken kleinerer Universitäten. In der Gruppe der geringsten Studierendenzahl (Kategorie 1) bietet keine der Bibliotheken Lehr- und Lernangebote zu KI an.

Kategorie

Anzahl Studierende
im WiSe 2022/23

Anzahl Universitäten nach Kategorie

Anzahl Bibliotheken mit
Lehr-/ Lernangeboten zu KI

Anteil Bibliotheken mit Lehr-/ Lernangeboten zu KI

1

103 – 2.025

21

0

0,0 %

2

2.026 – 8.060

21

3

14,3 %

3

8.061 – 17.015

21

6

28,6 %

4

17.016 – 28.022

21

11

52,4 %

5

28.023 – 62.633

21

11

52,4 %

Gesamt

105

31

29,5 %

4.2 Thematische Schwerpunkte

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Universitätsbibliotheken mit ihren Bildungsangeboten zu KI ein breites Themenspektrum abdecken (vgl. Abbildung 2). Zur Auswertung wurden sechs Subkategorien gebildet. In die Kategorie „Wissenschaftliches Arbeiten allgemein“ fielen alle Angebote, welche allgemeine Themen rund um das wissenschaftliche Arbeiten behandeln.17 Obwohl der „Schreibprozess“ sowie „Forschungsdatenmanagement“ und „Data Mining“ auch Teil des wissenschaftlichen Arbeitens sind, wurde hierfür eine eigene Kategorie gebildet, da sich viele Angebote konkret diesen Themen zuordnen ließen. Darüber hinaus wurden die Kategorien „OCR“18 und „KI-Grundlagen“ gebildet, da auch hier mehrere Angebote zugeordnet werden konnten. In die Kategorie „Sonstiges“ fallen alle Angebote, welche keiner der anderen Kategorien zugeordnet werden konnten.

Der deutlich überwiegende Teil der ermittelten Lehr- und Lernangebote thematisiert den Einsatz von KI beim wissenschaftlichen Arbeiten (Kategorien „Wissenschaftliches Arbeiten allgemein“, „KI im Schreibprozess“ und „Forschungsdatenmanagement und Data Mining“). Insgesamt 77,2 % der Angebote können diesem Thema zugeordnet werden.

Betrachtet man die gebildeten Kategorien einzeln, so zeigt sich, dass mit insgesamt 32 nahezu ein Drittel aller identifizierten Lehr- und Lernangebote den Einsatz von KI im Schreibprozess thematisieren. Beispielhaft soll hier die Coffee-Lecture-Reihe Bib um 12 der Universitätsbibliothek Bamberg angeführt werden. Fünf der sechs Termine drehten sich im Wintersemester 2023/24 um das Thema KI-gestütztes Schreiben. Dabei wurde bei jeder Veranstaltung ein spezifisches KI-Schreibtool vorgestellt und aufgezeigt, wie dieses im wissenschaftlichen Schreibprozess unterstützen kann.19

Mit 27 identifizierten Angeboten lässt sich über ein Viertel der Angebote darüber hinaus dem Themenbereich „Wissenschaftliches Arbeiten allgemein“ zuordnen. So stellt bspw. die Universitätsbibliothek Leipzig unter dem gemeinsamen Titel How to mehrere Tutorials zur Verfügung, in denen die Funktionsweise verschiedener KI-Tools zur Unterstützung der Literaturrecherche erklärt wird.20 Knapp 19 % der gefundenen Lehr- und Lernangebote behandeln Themen aus dem Bereich KI in Verbindung mit Forschungsdatenmanagement und Data Mining. Die Themenbereiche OCR und KI-Grundlagen werden hingegen mit sechs und vier Lehr- und Lernangeboten nur selten behandelt.

Die Kategorie „Sonstiges“ umfasst 13 Angebote zu speziellen Themengebieten, die nicht den anderen Kategorien zugeordnet werden konnten. So bot etwa die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt im Wintersemester 2023/24 einen Vortrag zum Thema „Herausforderungen und Chancen von KI in Hinblick auf Gender und Diversität“ an. Thematisiert wurde hier der Bias von KI-Systemen in Bezug auf Gender und andere Diversitätsmerkmale.21

Auffällig ist, dass bei einem Großteil der identifizierten Lehr- und Lernangebote (78 %) konkrete KI-Tools thematisiert werden, insbesondere in den Themenbereichen „KI im Schreibprozess“ und „OCR“.

4.3 Zielgruppen und Zugänglichkeit

Lediglich bei 55 der 101 ermittelten Angebote wurde von der Bibliothek eine konkrete Zielgruppe ausgewiesen (vgl. Abbildung 3). Mit Abstand die meisten Angebote (60 %) richteten sich an Personen aus Lehre und Forschung (Promovierende, wissenschaftliches Personal, Lehrende und / oder Forschende). Nur acht Angebote (knapp 15 %) adressierten hingegen explizit Studierende als Zielgruppe. Insgesamt 13 Angebote (23,6 %) richteten sich an die gesamte Hochschulöffentlichkeit, also sowohl Studierende als auch Personen aus Lehre und Forschung. Ein Angebot wurde der Kategorie „Sonstiges“ zugeordnet. Hier war die Zielgruppe zwar angegeben, aber mit „alle Interessierten“ nicht näher spezifiziert.

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Bei der Datenerhebung fiel auf, dass viele Bibliotheken für ihre Lehr- und Lernangebote zwar bestimmte Zielgruppen auf der Website angeben, die Angebote aber z.B. durch die Veröffentlichung der Zugangsdaten für die Online-Veranstaltungen für jeden zugänglich sind. Daher wurde neben der Zielgruppe auch ermittelt, wie die Zugänglichkeit zu den identifizierten KI-Lehr- und Lernangeboten geregelt ist. Insgesamt ergab die Auswertung hier, dass der weitaus überwiegende Anteil (91,1 %) der Bildungsangebote zu KI bei den Universitätsbibliotheken öffentlich zugänglich ist.

4.4 Organisatorische Gestaltung

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Abbildung 4: Die für die KI-Lehr- und Lernangebote gewählten Lehr- und Lernformate

Als Lehr- bzw. Lernformat (vgl. Abbildung 4) wurden in der überwiegenden Zahl der Fälle (N=48; 47,5 %) interaktive Formate wie Workshops, Kurse, Webinare, Schulungen und Beratungen gewählt. Dahinter folgen nicht-interaktive Formate wie Vorträge, Coffee Lectures und Podiumsdiskussionen. Diese Formate wurden für N=39 der identifizierten Bildungsangebote gewählt. Das entspricht einem Anteil von 38,6 %. Die dritte Kategorie umfasst Angebote, welche in der Regel zum selbstgesteuerten Lernen angeboten werden, wie bspw. Tutorials und Selbstlernkurse. Mit N=13 Angeboten wurde dieses Veranstaltungsformat nur selten gewählt.

Der größte Anteil der identifizierten KI-Bildungsangebote (N=38; 37,6 %) dauerte zwischen 30 und 60 Minuten. An zweiter Stelle folgen die Angebote mit einer Dauer bis zu einer halben Stunde (N=26; 25,7 %). Damit dauern knapp zwei Drittel der Angebote maximal eine Stunde. Lediglich acht Angebote (7,9 %) nehmen hingegen mehr als zwei Stunden Zeit in Anspruch (vgl. Abbildung 5).

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Abbildung 5: KI-Lehr- und Lernangebote nach Dauer

5. Diskussion

Die vorgestellte Untersuchung bietet eine erste, quantitative Bestandsaufnahme des Lehr- und Lernangebots zu KI an Universitätsbibliotheken in Deutschland. Limitationen ergeben sich aus der gewählten Erhebungsmethodik. So sind relevante Bildungsangebote, welche erst nach dem Erhebungszeitpunkt auf den Bibliothekswebsites beworben wurden, nicht in die Studie eingeflossen. Darüber hinaus muss damit gerechnet werden, dass Universitätsbibliotheken Angebote, welche sich ausschließlich an Hochschulangehörige richten, ggf. nur intern über das Lernmanagementsystem der Universität zugänglich machen. Diese Angebote konnten im Rahmen der Studie ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass im Wintersemester 2023/24 mit 31 von 105 untersuchten Universitätsbibliotheken nur rund ein Drittel Lehr- und Lernangebote zu KI angeboten haben. Dies macht deutlich, dass Bildungsangebote zur Förderung der KI Literacy zum aktuellen Zeitpunkt (noch) nicht an allen Universitätsbibliotheken in Deutschland etabliert sind. Bedenkt man, dass das Thema KI Literacy mit der Veröffentlichung von ChatGPT erst im November 2022 im Hochschulbereich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, ist dieses Ergebnis auch nicht verwunderlich. Schließlich brauchen die Bibliotheken Zeit, um sich in das Thema einzuarbeiten und passende Lehr- und Lernangebote zu konzipieren. Dies könnte auch der Grund dafür sein, warum die Bibliotheken ihre Lehr- und Lernangebote zu KI überwiegend für eine Dauer von maximal einer Stunde konzipiert haben. Längere Schulungen benötigen schließlich tendenziell mehr inhaltliche und konzeptionelle Vorbereitung als eine zehn- bis 30-minütige Coffee Lecture, wie sie etwa von der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie angeboten werden.22

Ein weiterer Grund für die relativ geringe Zahl der identifizierten KI-Bildungsangebote könnte sein, dass es an vielen Hochschulen in Deutschland noch keine klaren Vorgaben zum Umgang mit KI-Tools im Studium gibt. Eine Untersuchung, welche die 100 größten Universitäten und Hochschulen in Deutschland betrachtete, ergab, dass im November 2023 an 63 % der untersuchten Hochschulen keine oder nur sehr unklare Richtlinien vorhanden waren.23 Da sich die Universitätsbibliotheken bei der Konzeptionierung ihrer Lehr- und Lernangebote an den Vorgaben der Universität, der sie angehören, orientieren, könnte es sein, dass hier aktuell noch Unsicherheit besteht, ob bzw. welches Angebot zu KI-Tools überhaupt gewünscht ist.24

Im Hinblick auf die thematischen Schwerpunkte kann festgestellt werden, dass sich die Lehr- und Lernangebote der Universitätsbibliotheken zu KI insgesamt überwiegend auf den Bereich „wissenschaftliches Arbeiten“ fokussieren. Dies erstaunt nicht, da es sich dabei um einen Kernbereich der Teaching Library handelt – fördern die Universitätsbibliotheken mit ihren Bildungsangeboten doch bereits zentrale Fähigkeiten, die auch beim wissenschaftlichen Arbeiten benötigt werden. Zudem zeigt die Erhebung, dass für den überwiegenden Teil der Angebote interaktive Veranstaltungsformate gewählt wurden. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass bei über drei Vierteln der identifizierten Lehr- und Lernangebote konkrete KI-Tools thematisiert werden. Dafür eignen sich interaktive Lehr- und Lernformate besonders, da es sich anbietet, die besprochenen Tools im Rahmen der Veranstaltung gleich zu testen. Dieses Vorgehen unterstützt die Entwicklung wesentlicher Teilkompetenzen aus dem KI-Literacy-Framework von Long und Magerko.25

Betrachtet man die Zielgruppe, so zeigt die Untersuchung, dass die Angebote sich vor allem an Personen aus Forschung und Lehre richten. Dies stellt eine deutliche Diskrepanz zu den Befunden aus der Literatur dar, wonach Studierende die häufigste Zielgruppe der Universitätsbibliotheken bei der Konzeptionierung von Lehr- und Lernangeboten sind.26 Die Notwendigkeit, KI Literacy zu fördern, sehen die Universitätsbibliotheken der vorliegenden Erhebung zufolge also eher bei Personen der fortgeschritteneren wissenschaftlichen Laufbahn. Im Sinne eines Train-the-Trainer-Ansatzes ist dieses Vorgehen, bei solch einem neuen Bereich, unter Umständen auch sehr sinnvoll. So können Kompetenzen bei Lehrenden aufgebaut werden, die diese dann in ihrer Arbeit mit Studierenden weitergeben können. Jedoch muss in diesem Zusammenhang auch infrage gestellt werden, wie aussagekräftig die Ergebnisse in diesem Bereich sind. Schließlich konnten bei 40,4 % der identifizierten Angebote keine Angaben zur Zielgruppe erhoben werden. Positiv hervorgehoben werden kann hingegen, dass die meisten der identifizierten Angebote zu KI öffentlich zugänglich sind, wenngleich die Universitätsbibliotheken gemäß ihrem Auftrag vor allem für die Angehörigen der Universität zuständig sind.27 Damit leisten die Universitätsbibliotheken einen Beitrag zur Förderung der KI Literacy in der Gesellschaft insgesamt.

Auffällig ist, dass über die Hälfte der identifizierten Bildungsangebote zu KI von den Universitätsbibliotheken in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern angeboten werden. Die Kooperation mit anderen Institutionen scheint insofern sinnvoll, als die Bibliotheken Synergien nutzen, vorhandenes Wissen teilen und gemeinsam Knowhow aufbauen können. Gleichzeitig können gerade durch die Kooperationen zwischen den Bibliotheken aber auch mehr Nutzer*innen von den Angeboten profitieren. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass nur ein kleiner Teil der realisierten Kooperationen universitätsintern geschieht. Da sich an vielen Universitäten auch Lehrende und Forschende intensiv mit KI auseinandersetzen, wären hier mehr universitätsinterne Kooperationen zu vermuten gewesen.

6. Fazit und Ausblick

Dass Universitätsbibliotheken in Deutschland die Förderung von KI Literacy im Zuge der Teaching Library als ihre Aufgabe betrachten, konnte mit der durchgeführten Studie gezeigt werden. Bei der Auswertung wurde jedoch auch deutlich, dass der Anteil der Universitätsbibliotheken, die Bildungsangebote zu KI anbieten, mit etwa 30 % in Deutschland gegenwärtig relativ gering ist. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Anteil der Universitätsbibliotheken, die sich bei der Förderung von KI Literacy engagieren, in Zukunft noch steigt, da es sich um ein für die Bibliotheken relativ neues Thema handelt, das Einarbeitungszeit benötigt. So könnte es förderlich sein, über die Bildung eine Community of Practice in und für diesen Bereich nachzudenken. Erste Ansätze gibt es schon, wie einschlägige Veranstaltungen auf der #vbib 2023 sowie der Gemeinsamen Kommission Informationskompetenz von dbv und VDB zeigen. Diese Ansätze könnten in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Um zu verfolgen, wie sich die Universitätsbibliotheken mit ihren Lehr- und Lernangeboten langfristig in diesem Feld positionieren, bietet es sich an, die vorliegende Untersuchung regelmäßig zu wiederholen.

Anhang

Liste der KI-Schlüsselbegriffe28

Algorithmus/ Algorithmen

Ambient Intelligent

Artificial Intelligence

Assistenzsysteme

Automatisierte Systeme

Autonomes Fahren

Big Data

Bild- und Sprachverarbeitung

*ChatGPT

Data Mining

Data Science

Datenschutz / Datensicherheit

Deep Learning / tiefes Lernen

Intelligent / smart

Kognitive Modellierung

Künstliche Intelligenz

*Large Language Model (LLM)

Learning Analytics

Maschinelle Sprachverarbeitung

Maschinelles Lernen / Maschinenlernen / machine learning

Mensch-Maschine-Interaktion / Mensch-Computer-Interaktion

(künstliche) Neuronale Netze

*Optical Character Recognition (OCR)

Robotik

Semantische Informationsverarbeitung / Semantic Information Processing

*Social Bot

Smart Environments

Sprachassistenzsysteme

Suchoptimierung

Literaturverzeichnis

1 Plattform Lernende Systeme: Was bedeutet Künstliche Intelligenz?, o. J., https://www.ki-konkret.de/was-ist-ki.html, Stand: 20.05.2024.

2 Die Bundesregierung: Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, 2018. Online: https://www.bundesregie-rung.de/resource/blob/997532/1550276/3f7d3c41c6e05695741273e78b8039f2/2018-11-15-ki-strategie-data.pdf, Stand: 20.05.2024.

3 Nicht untersucht wurden hingegen ggf. vorhandene sonstige Angebote der Universitäten im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder durch sonstige Support-Einrichtungen.

4 Der vorliegende Beitrag basiert auf einer an der Hochschule der Medien erstellten Bachelorthesis, die von Prof. Dr. Tobias Seidl und Prof. Cornelia Vonhof betreut wurde: Carolin Hilscher: Lehr- und Lernangebote zu Künstlicher Intelligenz an Universitätsbibliotheken in Deutschland. Eine deskriptive Studie, Bachelorarbeit, Hochschule der Medien, Stuttgart, 2024, URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:900-opus4-70879. In der Thesis finden sich weiterführende Materialien, wie zum Beispiel ein detaillierter Überblick über die ermittelten KI-Bildungsangebote.

5 So zeigt eine im Frühjahr 2023 an der Hochschule der Medien durchgeführte Befragung der Studierenden, dass prak-tisch alle Studierenden (98,6 %) mindestens eine Art von KI-Tools nutzen. Vgl. dazu: Gottschling, S.; Seidl, T.; Vonhof, C. (2024): Nutzung von KI-Tools durch Studierende. Eine exemplarische Untersuchung studentischer Nutzungsszena­-
rien. In: Die Hochschullehre (im Druck).

6 Laupichler, Matthias Carl; Aster, Alexandra; Raupach, Tobias: Delphi study for the development and preliminary valida-
tion of an item set for the assessment of non-experts’ AI literacy, in: Computers and Education: Artificial Intelligence 4,
2023, S. 1–10. Online: https://doi.org/10.1016/j.caeai.2023.100126.

7 Long, Duri; Magerko, Brian: What is AI literacy? Competencies and design considerations, in: ACM Conferences, ACM
Special Interest Group on Computer-Human Interaction, New York 2020, S. 1–16. Online: https://doi.org/10.1145/
3313831.3376727
, S. 2.

8 ebd.

9 Eigenbrodt, Olaf: Allgegenwärtigkeit - Angst - Autonomie. Gesellschaftliche Fragen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in Bibliotheken, in: BuB - Forum Bibliothek und Information 74 (6), 2022, S. 302–305. Online: https://zs.
thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00330573/BUB_2022_06.pdf
, Stand: 20.05.2024.

10 TIB Hannover: #vbib 2023 Programm, 2023, https://www.vbib.net/vbib23-programm/, Stand: 12.12.2023.

11 Gemeinsame Kommission Informationskompetenz von dbv und VDB: Save the Date: Round Table IK 2023 zum Themen-
feld KI am 06.12.2023, 2023, https://www.informationskompetenz.de/index.php/save-the-date-round-table-ik-2023-
zum-themenfeld-ki-am-06-12-2023/
, Stand: 20.05.2024.

12 Eigenbrodt: Allgegenwärtigkeit - Angst - Autonomie, 2022; Gasparini, Andrea; Kautonen, Heli: Understanding artificial
intelligence in research libraries. An extensive literature review, in: Liber Quarterly 32, 2022, S. 1–36. Online: https://doi.org/10.53377/lq.10934.

13 Böhme, Lisa: Der Umgang mit künstlicher Intelligenz an deutschen Hochschulbibliotheken. Untersuchung von Veranstaltungsangeboten für Studierende, Bachelorarbeit, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Leipzig 2023. Online: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:l189-qucosa2-872796.

14 Statistisches Bundesamt: Studierende: Deutschland, Semester, Nationalität, Geschlecht, Hochschulen, 2024, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=21311-0002, Stand: 20.05.2024.

15 Mah, Dana-Kristin; Büching, Corinne: Künstliche Intelligenz in Studium und Lehre. Überblickstudie zu Professuren und Studiengängen der Künstlichen Intelligenz in Deutschland, Berlin 2019. Online: https://www.plattform-lernende-systeme.de/files/Downloads/Diverses/Studie_KI_in_Studium_und_Lehre.pdf, Stand: 20.05.2024.

16 Ein hervorzuhebendes Beispiel hierfür ist die Veranstaltungsreihe der TU9-Bibliotheken. Im Wintersemester 2023/24
wurden im Rahmen der TU9-Veranstaltungsreihe insgesamt fünf Veranstaltungen zu KI angeboten.

17 Hierzu zählen bspw. Angebote zur Literaturrecherche und zum Thema Texte verstehen mit KI.

18 Unter OCR, zu Deutsch „optische Zeichenerkennung“, versteht man eine Technologie zur automatisierten Texterkennung in Bilddateien. Auf diese Weise ist es möglich, Texte und Zahlen in Bilddateien – welche normalerweise vom Computer nicht als solche erkannt werden – zu durchsuchen. Hierfür wurden zunächst spezielle Schriftarten entwickelt, welche sog. OCR-Lesegeräte dann erfassen konnten. Heute werden hingegen meist Algorithmen und KI eingesetzt. Aus diesem Grund wurde OCR als eigenständige Subkategorie in das Kategoriensystem aufgenommen (Adobe: OCR: Wie funktioniert die optische Texterkennung?, o. J., https://www.adobe.com/de/acrobat/resources/ocr.html, Stand: 20.05.2024).

19 Universitätsbibliothek Bamberg: Bib um 12. Der Info-Snack zur Mittagspause, 2023, https://www.uni-bamberg.de/ub/einfuehrungen-kurse/bib-um-12/, Stand: 20.05.2024.

20 Universitätsbibliothek Leipzig: Playlist How to. Universitätsbibliothek Leipzig Digital, o. J., https://www.youtube.com/playlist?list=PL7Yd99v_QhJilUv3RuVt9TFnbDnyenRnO, Stand: 20.05.2024.

21 Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt: Herausforderungen und Chancen von KI in Hinblick auf Gender und
Diversität, o. J., https://www.intern.tu-darmstadt.de/informationsportal/nachrichten_2/news_details_de_en_424832.
de.jsp
(Stand: 18.06.2024).

22 Karlsruher Institut für Technologie: Coffee Lectures, 2024, https://www.bibliothek.kit.edu/coffee-lectures.php, Stand: 20.05.2024.

23 Solis, Tobias: Die ChatGPT-Richtlinien der 100 größten deutschen Universitäten, 2023, https://www.scribbr.de/ki-tools-nutzen/chatgpt-universitaere-richtlinien/, Stand: 20.05.2024.

24 Böhme: Der Umgang mit künstlicher Intelligenz an deutschen Hochschulbibliotheken, 2023.

25 Long, Magerko: What is AI Literacy? Competencies and design considerations, 2020.

26 Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken, Berlin 2012 (Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis 1).

27 Schultka, Holger: Bibliothekspädagogik. Lehren und Lernen in wissenschaftlichen Bibliotheken, München 2018.

28 Liste entnommen von: Mah, Büching: Künstliche Intelligenz in Studium und Lehre, 2019; selbst hinzugefügte Begriffe sind mit * gekennzeichnet.