Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) hat sich vom 7. bis 9. November 2023 zu einer Klausurtagung im Kloster Haydau in Morschen getroffen. Im Anschluss fand eine verkürzte reguläre Sitzung statt.

Klausurtagung des AWBI

Die Klausurtagung des AWBI stand unter dem Thema „Erfolgsfaktoren für das Gelingen kooperativ getragener Infrastrukturen“. Eingeleitet wurden die Diskussionen des AWBI mit drei Impulsvorträgen zur Ausgangslange, zur strategischen Zielsetzung und zur Rolle und Funktion von Communities in der Förderung von Informationsinfrastrukturen. Daran anschließend wurden in einem World-Café-Format die Themenkomplexe „Schärfen der Zielsetzung”, „Beobachtung von Erfolgsfaktoren und Hindernissen“ und „Betrachtung der Akteure“ intensiv beraten. Die Ergebnisse der Klausurtagung werden in einem Strategiepapier dokumentiert, das nach Beratung in den DFG-Gremien Ende 2024 publiziert werden soll. Ziel des Strategiepapiers wird es sein aufzuzeigen, in welcher Weise die Informationsinfrastruktur durch gezielte Kooperation, stimulierte Nachnutzung und Absichern der Anschlussfähigkeit effizienter werden kann. Deutlich wurde zudem, dass die klare und differenzierte Zuschreibung von Rollen, Akteuren, Funktionen und Einrichtungen für die Förderung von Informationsinfrastrukturen immer bedeutsamer wird.

Reguläre Sitzung des AWBI

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID)

Auf der Grundlage der Ergebnisse der vergleichenden Bewertung von elf Anträgen im Programm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft” aus der ersten Kohorte des Jahres 2023 befasste sich der AWBI erneut mit den Aspekten der Kooperation und Netzwerkbildung zum Aufbau einer FID-Gesamtstruktur. Positiv hervorgehoben wurde, dass Kooperationen einzelner FID mit anderen Einrichtungen deutlich zugenommen haben und in den Anträgen mehr thematisiert wurden, allerdings wurde teilweise noch eine konkrete Zuordnung zu einzelnen Tätigkeitsfeldern vermisst, vor allem im Bereich der Nachnutzung technischer Infrastrukturen.

Vor dem Hintergrund übergreifender Diskussionen zur Rolle des AWBI in der Förderung von Informationsinfrastrukturen für die Forschung reflektierte der AWBI erneut auch seine eigene Rolle im Prozess der Herausbildung einer FID-Gesamtstruktur und diskutierte, ob das Gremium stärkere zentrale Vorgaben entwickeln solle. Im Ergebnis bekräftigten die AWBI-Mitglieder die eingeschlagene Richtung der Etablierung einer belastbaren FID-Gesamtstruktur durch Selbstorganisationsprozesse der FID und der antragstellenden Einrichtungen. Die strategische Zielsetzung und inhaltliche Ausgestaltung der Gesamtstruktur sollte maßgeblich von den die FID-Gesamtstruktur tragenden Stakeholdern erarbeitet werden. Bei Bedarf können diese Prozesse weiterhin durch einen Dialog mit dem AWBI unterstützt werden.

Digitalisierung und Erschließung

Ausschreibung „Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte”

Der AWBI hatte sich ursprünglich zunächst für ein zweistufiges Verfahren zur Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Erschließung (noch) rechtebewehrter Objekte ausgesprochen. So sollte im Rahmen eines Koordinierungsprojektes die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung einer Pilotphase erfolgen. Dazu war im Dezember 2022 eine Ausschreibung veröffentlicht worden. In der sich daran anschließenden Pilotphase sollten technisch-organisatorische Lösungen für die Digitalisierung und Bereitstellung rechtebewehrter Objekte erarbeitet werden.

Zur Vorbereitung eines Antrages für ein Koordinierungsprojekt hatte sich unter der Federführung der Staatsbibliothek zu Berlin ein Konsortium gefunden, dem die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und das Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart, angehören. Im Zuge der Antragsvorbereitungen und der konzeptionellen Abstimmungsprozesse unterbreitete das Konsortium dem AWBI den Vorschlag, auf ein Koordinierungsprojekt zu verzichten und direkt eine Pilotphase auszuschreiben.

Der AWBI stellte in seinen Beratungen dieses Vorschlags fest, dass die Diskussionen im Konsortium die im Rundgespräch von April 20211 identifizierten Arbeitsfelder bestätigt haben und ein weiteres Arbeitsfeld zu Derivaten von rechtlich bewehrten Texten hinzugekommen ist. Da seitens des Konsortiums die zu bearbeitenden Themenfelder klar benannt und die Anforderungen an eine Pilotphase präzise und nachvollziehbar dargelegt wurden, befürwortet es der AWBI, direkt eine Pilotphase auszuschreiben. Mit der Pilotphase wird ein wichtiges und für die Forschung höchst relevantes Themenfeld bearbeitet, so dass es auch vor diesem Hintergrund zu begrüßen ist, dass der Prozess zeitlich gestrafft wird.

Der AWBI dankte dem Konsortium für sein großes Engagement ausdrücklich und billigte den vorgelegten Ausschreibungsentwurf grundsätzlich. Die auf der Grundlage der Diskussionen des AWBI angepasste Ausschreibung wurde bereits veröffentlicht.2 Ziel der Ausschreibung ist es, generische Lösungen zu finden und spezifische Fragestellungen zunächst zurückzustellen. Ergänzend zu den Pilotprojekten ist auch ein Koordinierungsprojekt ausgeschrieben, das die zentrale Steuerung der gesamten Pilotphase sowie die Zusammenführung der Ergebnisse übernehmen soll. Aus Sicht des AWBI stellt die Zusammenarbeit zwischen dem Koordinierungsprojekt und den einzelnen Pilotprojekten einen zentralen Faktor für den Erfolg des Gesamtvorhabens dar.

Rundgespräch „Zukunft der Produktion und Bereitstellung von Volltexten für die nationalbibliographischen Verzeichnisse VD 16, 17 und 18”

Der AWBI hatte sich im September 2022 mit den Zwischenergebnissen des aktuell laufenden Projektes zur Entwicklung der OCR-D-Software für die Volltexterzeugung der digitalisierten Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts befasst. Ziel der derzeitigen dritten Förderphase ist neben der Entwicklung sogenannter Implementierungspakete die Erarbeitung von Konzepten zur Verstetigung der OCR-D-Software und zur abgestimmten Volltexttransformation der nationalbibliographischen Verzeichnisse der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (VD 16, VD 17, VD 18). In der seinerzeitigen Sitzung hatte der AWBI angeregt, für die zur Erarbeitung der beiden Konzepte erforderlichen Abstimmungsprozesse ein Rundgespräch durchzuführen. Dieses Rundgespräch fand im August 2023 statt. In seiner Sitzung befasste sich der AWBI mit den Ergebnissen des Rundgesprächs sowie mit den vorliegenden Konzeptentwürfen, die einen konsolidierten Zwischenstand darstellen. Grundsätzlich wurde festgestellt, dass die Entwicklung der Software einen guten Stand erreicht hat. Zudem wurde die Sinnhaftigkeit der Volltexttransformation im Grundsatz bestätigt. In seiner Diskussion beider Entwürfe gab der AWBI den Antragsteller*innen eine Reihe von Hinweisen für die Finalisierung der Konzepte, deren endgültige Fassungen zum Ende der laufenden Förderphase im vierten Quartal 2024 vorliegen sollen.

Open-Access-Publikationskosten

Der AWBI hat sich über die Ergebnisse eines Austauschforums für Geförderte im Programm „Open-Access-Publikationskosten“ informiert, an dem im September 2023 neben 84 Personen von geförderten Einrichtungen auch Mitglieder des AWBI teilgenommen haben. Das Forum diente zum einen der Bilanzierung der ersten Phase des Förderprogramms und zum anderen dem Austausch zu zentralen Aspekten der zweiten Förderphase vor dem aktuellen Status der Open-Access-Transformation. Ein Bericht über das Austauschforum wurde inzwischen publiziert.3

Senats-adhoc-AG zum Digitalen Wandel

Auch über die Diskussionsergebnisse der Senats-adhoc-AG zu den Themen des Digitalen Wandels hat sich der AWBI informiert. In ihrer November-Sitzung hatte sich die AG dahingehend mit dem Themenkomplex generative KI-Modelle befasst, inwieweit die Nutzung von KI-Modellen, insbesondere Large Language Models (LLMs), Einfluss auf den Forschungs- und Erkenntnisprozess hat bzw. künftig haben wird. Vor diesem Hintergrund wurden auch mögliche Konsequenzen für das Förderhandeln der DFG diskutiert. Wesentliche Aspekte der Diskussionen waren unter anderem der Zugang zu (kommerziellen) KI-Modellen für die Wissenschaften, die Relevanz von Aus- und Weiterbildung im Umgang mit KI-Modellen sowie Fragen zur Bedeutung von Kreativität und Innovation als wesentliche Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens.

Allianz-Schwerpunkt „Digitalität in der Wissenschaft“

In der Initiative „Digitale Information“ der Allianz der Wissenschaftsorganisationen standen fünfzehn Jahre vorrangig Fragen des Zugangs zu Information und Daten im Mittelpunkt. Im Juni 2023 wurde die Fortführung der bisherigen Allianz-Initiative als Allianz-Schwerpunkt unter dem neuen Namen „Digitalität in der Wissenschaft“ beschlossen. Nun soll die konkrete digitale Forschungspraxis stärker in den Fokus genommen werden. Im Vordergrund stehen dabei die offene Zugänglichkeit und die digitale Souveränität, denen sich der Schwerpunkt in einer agileren Arbeitsstruktur zuwendet. Der AWBI hat sich über die Einrichtung von bisher sechs Interessengruppen informiert, in denen die Themen wissenschaftliches Publizieren, digitale Werkzeuge einschließlich künstlicher Intelligenz, digitale Infrastrukturen und Dienste, Aus- und Weiterbildung, Reputation und regulatorische Rahmenbedingungen erörtert werden. Konkrete Ergebnisse, wie beispielsweise für wissenschaftspolitische Positionierungen der Allianz, sollen künftig in Task Forces erarbeitet werden. Eine erste Task Force befasst sich aktuell mit dem Forschungsdatengesetz. Ein Steuerungsgremium begleitet weiterhin alle Aktivitäten.

Rundgespräch zur Thermographie-Digitalisierung von Wasserzeichen

Der AWBI hat sich zudem über die Ergebnisse des im Oktober 2023 in Wien abgehaltenen Rundgesprächs zum Thema „Stand der Technik/Forschung/Standardisierung zur Thermographie-Digitalisierung von Wasserzeichen (hier: in Musikhandschriften – mit Bezug zu Bildverarbeitung/Mustererkennung und Langzeitarchivierung)“ informiert. Ziele des Rundgesprächs waren die Vernetzung aller fachlich ausgewiesenen Akteure, die Erarbeitung einer Anforderungsanalyse aus Nutzungsperspektive, die Erstellung eines „White Paper“ zum Stand der Technik und die Erarbeitung eines Vorschlags zur weitgehenden Standardisierung eines „end-to-end workflows“. Das geplante „White Paper“ soll im Frühjahr 2024 publiziert werden.

Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Ein weiterer Informationspunkt für den AWBI waren die aktuellen Entwicklungen zum Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Im August 2023 hat das NFDI-Expertengremium Eckpunkte für die zweite Förderphase der NFDI-Konsortien veröffentlicht.4 In der zweiten Förderphase wird der Fokus auf der Konsolidierung der 27 Konsortien liegen, um zum einen den fortlaufenden Betrieb zu sichern, zum anderen auch die bedarfsorientierte Weiterentwicklung zu ermöglichen. Die Antragsunterlagen werden im Frühjahr 2024 veröffentlicht. Das ergänzende Datenblatt, das für die Anträge der zweiten Förderphase sowie für die Berichte verpflichtend sein wird, wurde bereits veröffentlicht.5

Im September 2023 hat zudem die erste vom NFDI-Direktorat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) veranstalte Conference on Research Data Infrastructure (CoRDI) mit 680 Teilnehmenden stattgefunden. Das NFDI-Expertengremium sowie die DFG-Geschäftsstelle waren mit mehreren Beiträgen am Programm beteiligt. Aus Sicht der DFG waren vor allem die Rückmeldungen verschiedener Zielgruppen sowohl zur NFDI als auch zu anderen DFG-Programmen mit Bezug zu Forschungsdaten sehr hilfreich. Aufgrund der großen Resonanz soll die nächste, für 2025 geplante Konferenz in einem größeren Rahmen durchgeführt werden.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft
Gruppe ‚Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme’ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6023

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden: DFG-Rundgespräch zum Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material am 28. April 2021. Bericht für die DFG, https://www.dfg.de/resource/blob/175574/44cb92cfb5af05a12ad390d8391b26ad/bericht-dfg-rundgespraech-rechtebewehrte-objekte-data.pdf, Stand: 10.03.2024.

2 DFG: Ausschreibung Pilotphase „Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte“, Januar 2024, https://www.dfg.de/de/foerderung/foerdermoeglichkeiten/programme/infrastruktur/lis/lis-foerderangebote/digitalisierung-erschliessung/rechtebewehrte-objekte, Stand: 10.03.2024.

3 DFG: Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“. Bericht zum Austauschforum am 26.09.2023, Dezember 2023: https://www.dfg.de/resource/blob/324514/54b7a5e4925d3137ad75ea5ac403a1e1/bericht-austauschforum-2023-data.pdf, Stand: 10.03.2024.

4 NFDI-Expertengremium: Eckpunkte für die zweite Förderphase der NFDI-Konsortien, August 2023, https://www.dfg.de/resource/blob/204400/0d1b64172bf7e2f57edcd4b10115524e/eckpunkte-zweite-foerderphase-de-data.pdf, Stand: 10.03.2024.

5 DFG: Supplementary data sheet for consortia of the National Research Data Infrastructure (NFDI), Februar 2024, https://www.dfg.de/resource/blob/326644/85bb2c18ddc6a4396d7b860152d9a82f/nfdi1000-en-data.xlsx, Stand: 10.03.2024.