Open-Access-Publikationsfonds der Universitätsbibliothek Marburg

Ein Praxisbericht zum neuen DFG-Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“

Einleitung

Der folgende Beitrag1 widmet sich der Frage, wie an der Universitätsbibliothek (UB) Marburg der Wechsel in das neue Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“2 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gelungen ist: Wie hat sich die Publikationsförderung unter den neuen Rahmenbedingungen im Jahr 20223 entwickelt? Welche Herausforderungen aus der Praxis erfordern weitere Regelungen, damit der administrative Aufwand der Open-Access-Publikationsförderung überschaubar gehalten werden kann? Welche konkreten Schritte im Bereich der Datenerhebung für ein zukünftiges Informationsbudget wurden unternommen? Der Beitrag versteht sich als Praxisbericht und wird daher nur wenige Beiträge aus der Literatur erwähnen.4

Organisation und politischer Rahmen

„Die Universität Marburg ermutigt ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu, ihre Forschungsergebnisse auf dem Weg des Open Access der weltweiten Wissenschaftscommunity sowie auch der allgemeinen Öffentlichkeit zu präsentieren.“5

Schon 2015 hat die Philipps-Universität Marburg eine Open-Access-Policy verabschiedet und fördert seitdem die Open-Access-Transformation durch unterschiedliche Angebote. Die Open-Access-Dienste sind bei der UB angesiedelt. 2021 wurden erste Schritte in Richtung Informationsbudget6 unternommen, um den konkreten Forderungen der DFG7 aber auch den grundsätzlichen Erwägungen von Wissenschaftsrat,8 BMBF und KMK9 Rechnung zu tragen.

Der Prozess erfolgte von Anfang an unter intensiver Beteiligung des Präsidiums der Philipps-Universität Marburg und in enger Abstimmung mit dem Bibliotheksbeirat und den Gremien der Universität. Auf diesen Prozess wird an anderer Stelle noch ausführlicher eingegangen werden.10 In Summe erhielt die UB die politische Zustimmung, den Weg zum Aufbau eines Informationsbudgets zu gehen.

Als erster konkreter Schritt wurde in der Abteilung Medienbearbeitung Ende 2021 das Sachgebiet „Open Access, Lizenzen und Mittelverwaltung“ gebildet und personell aufgestockt. Seitdem arbeiten die Open-Access-Beauftragte11, die Konsortialbeauftragte, eine Spezialistin für die Monographien-Förderung und eine Spezialistin für Rechnungsbearbeitung und Mittelcontrolling als fester Bestandteil der Linien-Organisation in einem Sachgebiet zusammen. Das dient nicht nur der weiteren Professionalisierung, sondern soll den Aufbau eines Informationsbudgets auch ganz konkret erleichtern.

Ergänzend werden im Sachgebiet „E-Medien“ der Abteilung Medienbearbeitung die Rechnungen der Transformationsverträge praktisch bearbeitet und etwa die Zeitschriftenpakete im PICA-Erwerbungsmodul ACQ, im Electronic Resource Management System LAS:eR und der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek verzeichnet. Das Sachgebiet „Forschungsnahe E-Dienstleistungen“ der Abteilung Digitale Dienste betreut den Publikationsserver und das Open-Journal-System bibliotheksfachlich und technisch. Alle drei Sachgebiete arbeiten mit der Erwerbungsleitung der UB Marburg in der lokalen „Arbeitsgemeinschaft Open Access“ zusammen. So können Dienste aufeinander abgestimmt, miteinander verzahnt und gerade für die Nutzer*innen unabhängig von der internen Arbeitsorganisation gebündelt nach außen dargestellt werden. Das zeigt sich etwa in der integrierten Website „Open-Access-Förderung“.12 Auf Ebene der Philipps-Universität Marburg finden enge Abstimmungen mit dem „Servicezentrum digital gestützte Forschung“ und der Projektgruppe zur universitätsweiten Einführung eines Forschungsinformationssystems statt. In beiden ist die UB institutionell vertreten. Das Servicezentrum berät Antragssteller*innen von Forschungsprojekten auch zu Publikationsstrategien und -dienstleistungen.13

Publikationsförderung der Universitätsbibliothek Marburg

Open-Access-Artikel

Die Philipps-Universität Marburg hat sich entschieden, die hybriden Transformations- und DEAL-Verträge voll aus den Erwerbungsmitteln der UB zu finanzieren und die von der DFG bewilligten Zuschüsse gebündelt für die Förderung goldener Open-Access-Artikel zu nutzen. Dadurch soll ein Höchstmaß an Kontinuität zur bisherigen Förderpolitik gewährleistet werden.14

Insofern fördert die UB Marburg seit 2022 Article Processing Charges (APC) mit bis zu 2.000 EUR brutto für ihre Marburger Erst- bzw. Korrespondenzautor*innen. Eine anteilige Förderung von höherpreisigen APCs ist möglich. Ebenfalls neu ist die Vorgabe, dass vorhandene Publikationsmittel der Autor*innen aus Drittmittelprojekten prioritär verausgabt werden müssen. Die Autor*innen bestätigen dies beim Ausfüllen des Antragsformulars. Wenn ein Antrag die Förderkriterien erfüllt, kann die Rechnung direkt über den Publikationsfonds bezahlt werden. Im Antragsformular werden Angaben zur Ko-Finanzierung (Kostenstelle, Kostenstellenverantwortlicher), zum Forschungsförderkontext (Research Funding) und eine ORCID iD erbeten. Die UB prüft vorab, ob die Zeitschrift im Directory of Open Access Journals (DOAJ) verzeichnet ist, ob es ein Mirror Journal15 ist und ob die Lizenz eine dauerhafte, rechtssichere Nachnutzung gewährleistet.

Alle geförderten Publikationen werden zusätzlich auf dem DINI-zertifizierten Publikationsserver der UB in einer gesonderten Sammlung16 gespeichert, mit entsprechenden ORCID-Einträgen verknüpft und im hebis-Verbundkatalog katalogisiert, so dass die nationale und internationale Sichtbarkeit der Publikationen gewährleistet ist. Das Repositorium wird wiederum in BASE (Bielefeld Academic Search Engine) indexiert, und die Metadaten werden darüber in weitere Nachweissysteme eingebunden.

Das Fördergeschehen im Jahr 2022 entwickelte sich sehr positiv: die Zahl der geförderten goldenen Open-Access-Artikel stieg weiter an, und kein Förderantrag musste aus dem Grund abgelehnt werden, weil kein Geld mehr im Fonds war. Hier half die Tatsache, dass die Monographienförderung erst mit großem Zeitverzug angelaufen ist und die für Monographien reservierten Mittel für Artikel ausgegeben werden konnten.

Während im Jahr 2020 noch 95 und 2021 weitere 147 Artikel gefördert werden konnten, stieg die Zahl im Jahr 2022 auf 190 geförderte Artikel. Das Fördervolumen lag 2021 noch bei 234.627 EUR. Im Jahr 2022 konnten allein aus DFG Mitteln 228.146 EUR und nochmal 113.378 EUR aus Eigenmitteln der Philipps-Universität Marburg, zusammen also 341.524 EUR, in goldene Open-Access-Artikel investiert werden. Hinzu kamen noch 103.490 EUR aus den Kostenstellen der Autor*innen zur Ko-Finanzierung solcher APCs, die über 2.000 EUR brutto lagen. Für mindestens 48 Artikel wurden weitere 122.348 EUR vollständig aus Mitteln der Fachbereiche und einzelner Arbeitsgruppen bzw. aus anderen Drittmitteln dezentral finanziert.

Mit einzelnen Verlagen wurden Vereinbarungen getroffen, damit die Mitglieder der Philipps-Universität Marburg einen Rabatt auf die APCs bekommen. Ende 2022 wurde mit Frontiers ein Rabatt von 10 % vereinbart. Durch die Teilnahme am „Institutional Open Access Program“ des Verlags MDPI wird ebenfalls ein Rabatt von 10 % auf die APC gewährt. Die Einsparungen, die durch diese Rabatte erzielt werden konnten, beliefen sich auf über 25.800 EUR. Insofern lohnt sich die Teilnahme an institutionellen Partnerschaften durchaus.17

Bei Einbeziehung der Aufwendungen für hybrides Open-Access-Publizieren belaufen sich die Ausgaben der Philipps-Universität für Open Access im Jahr 2022 auf ca. 1,1 Millionen Euro. Der Open-Access-Publikationsfonds hat sich also auch unter den neuen DFG-Rahmenbedingungen sehr gut weiterentwickelt und kann als erfolgreiche Fortführung der bisherigen Förderung gesehen werden.

Open-Access-Verlagsmonographien

Mit der Ausweitung des neuen DFG-Förderprogramms fördert die UB Marburg seit 2022 die Open-Access-Erstpublikation von Monographien in kommerziellen Verlagen. Dies geschieht insbesondere in dem Bewusstsein, auch akademischen Fächern ein Open-Access-Angebot machen zu können, in denen monographische Publikationsformen eine wichtige Rolle spielen. Von der DFG wurde die Förderung von drei Monographien (bzw. Sammelbänden) und drei Dissertationen pro Jahr bewilligt, deren Inhalte aus einem DFG-Projekt hervorgegangen sein müssen. Die Philipps-Universität Marburg hat sich entschieden, zusätzlich zwei Monographien und drei Dissertationen aus Eigenmitteln zu fördern, um auch Publikationen zu fördern, die nicht aus einem DFG-Forschungsförderkontext stammen.

Monographien und Sammelbände können aus dem Publikationsfonds mit bis zu 5.000 EUR brutto gefördert werden. Darüberhinausgehende Kosten müssen die Autor*innen bzw. Herausgeber*innen aus eigenen Mitteln finanzieren. Um bei den Nachwuchswissenschaftler*innen die veranschlagten Mittel auf mehr Personen verteilen zu können, wurde der Förderbetrag für Dissertationen auf maximal 2.000 € brutto begrenzt. Zusätzliche Voraussetzung ist hier, dass die Dissertation mit magna bzw. summa cum laude bewertet sein muss.

Für beide Buchtypen muss der Verlag im Directory of Open Access Books (DOAB) als Open-Access-Verlag gelistet sein und/oder Mitglied in der Open Access Scholarly Publishers Association (OASPA) sein und sich an den von der AG Universitätsverlage definierten Qualitätsstandards für Open-Access-Monographien orientieren. Gefördert werden ausschließlich Open-Access-Publikationsgebühren, konkret Kosten für die Open-Access-Stellung, Qualitätssicherung, Auffindbarmachung und für das Lektorat. Druckkosten etwa für eine parallele Printausgabe sind nicht förderfähig.

Im Jahr 2022 wurden drei Förderzusagen gegeben, davon eine Dissertation mit DFG-Hintergrund und je eine Monographie und eine Dissertation ohne DFG-Forschungsförderkontext. Eine Rechnung kam noch Ende 2022, alle Mittel flossen aber erst 2023 ab. Schon im ersten Quartal 2023 wurden weitere vier Veröffentlichungen zugesagt und zu zwei der 2022 zugesagten Veröffentlichungen kamen die Rechnungen. Die ausgewählten Verlage waren alle von guter wissenschaftlicher Reputation (z.B. Mohr Siebeck, Schüren, Beltz und ein Springer Imprint). Vermeintlich „preiswerte“ Dissertationsverlage waren nicht unter den Förderanfragen.

Um einen halbwegs planbaren Mittelabfluss sicherzustellen, gilt die Förderzusage der UB maximal 12 Monate. So lange wird die zugesagte Summe reserviert. Trotz des mehrfachen Hinweises vorab, dass die Förderung erst beantragt werden möge, wenn die Veröffentlichung verlagsseitig tatsächlich kurz bevor steht und trotz der mehrfachen Versicherung, dass das Manuskript „fertig“ sei, kam die schnellste Rechnung neun Monate nach Zusage und die langsamste nach – auf den Tag genau – 12 Monaten.

Neben dem Zeitfaktor ist die Identifizierung und Ansprache der in DFG-Projekte eingebundenen Personen an der Universität eine weitere Herausforderung:18 Ein zentrales Vorgehen über das Dezernat „Forschungsförderung“ ist zwar in Planung, hat aber die systembedingte Einschränkung, dass dort nur Groß- bzw. Verbundprojekte (DFG-SFBs etc.)19 bekannt sind, aber z.B. keine Projekte der DFG-Einzelförderung. Es gibt keinen zentralen Mailverteiler bzw. es müssten zur gemeinsamen Ansprache per Mail erst einmal alle laufenden DFG-Forschungsprojekte der Universität aufwändig ermittelt werden. Dies wurde für einen Pilotfachbereich durchgeführt, aber die wenigen Rückmeldungen rechtfertigen diesen Aufwand nicht. Insofern wurde in der Folge die Bewerbung der Förderoption von Open-Access-Monographien aus dem DFG-Forschungsförderkontext mit Unterstützung der Fachreferent*innen durchgeführt. Eine Mailvorlage und ein Merkblatt wurden auch in anderen Fachbereichen und in den Gremiensitzungen der Fachbereiche (Fachbereichsrat, Bibliotheksausschuss) durch die Fachreferent*innen teils mit Unterstützung der Open-Access-Expert*innen bekannt gemacht. Aber auch diese Aktivitäten führten bisher kaum zu gesteigerten Förderanfragen.

Mit jeder Förderanfrage ergaben sich neue Fragen, wie etwa eine zur Förderfähigkeit von Sammelbänden: Manchen Herausgeber*innen war es wichtig, dass sie gleichberechtigt in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt werden. Was aus Sicht der gleichberechtigten Verantwortung für den Inhalt richtig sein mag, kann aber zu dem Problem führen, dass etwa bei bibliometrischen Analysen eine gemeinsame Publikation nur der ersten affiliierten Institution zugeordnet wird. Die Erfassung in Datenbanken und Katalogen beginnt mit dieser Person, und manchmal wird nur die*der erste Herausgeber*in verzeichnet. Etwas zugespitzt soll vermieden werden, dass „Marburg“ zahlt und eine andere Universität die „Lorbeeren“ erntet. Daher hat die UB Marburg entschieden, dass bei Sammelbänden tatsächlich die*der Marburger Herausgeber*in auch als erste*r auf dem Titelblatt genannt sein muss.

Es gab Rückmeldungen, dass 2.000 EUR als Förderung für Dissertationen zu wenig seien. Die Idee, möglichst viele Nachwuchswissenschaftler*innen fördern zu können, sei zwar gut, aber gerade Doktorand*innen müssten über die Förderung hinausgehende Kosten in der Regel „privat“ zahlen. Um die Kosten zu senken, wurde von den Promovierenden vereinzelt auch die nicht förderfähige, aber günstigere Option in Betracht gezogen, die Open-Access-Stellung nach einer Embargofrist zu wählen. Das Kostenargument muss auch insofern differenziert gesehen werden, als es bei gedruckten Verlagsveröffentlichungen von Dissertationen bei einigen Verlagen durchaus üblich ist, dass die Doktorand*innen hohe Druckkostenzuschüsse leisten müssen. Das grundsätzliche Problem der Finanzierung der Veröffentlichung ist eher unabhängig von der Frage, ob ein Druckkostenzuschuss oder eine Book Processing Charge gezahlt werden muss.

Die für die UB Marburg noch neuen Erfahrungen werden auf jeden Fall zu einer Evaluation der Förderkriterien führen – gerade was den Fortsetzungsantrag für die zweite Förderphase im DFG-Programm „Open-Access-Publikationskosten“ im Jahr 2024 betrifft.

Herausforderungen Affiliationsprüfung & Research Funding Acknowledgements

Der Zeitfaktor ist auch bei wissenschaftlichen Artikeln nicht zu unterschätzen. Die Veröffentlichung von Aufsätzen kann sich über mehrere Monate hinziehen, in denen Wissenschaftler*innen z. B. an eine andere Universität wechseln können:

Ein Aufsatz im Thieme Verlag wurde beispielsweise im Dezember 2021 eingereicht, Ende Februar 2022 angenommen und Anfang Juli 2022 online veröffentlicht.20 Der ursprüngliche corresponding author hat in diesem Zeitraum kurzfristig die Philipps-Universität Marburg verlassen. Damit die Publikationskosten trotzdem erstattet werden konnten, wurde offiziell ein anderer Mitautor zum corresponding author, der noch Mitglied der Philipps-Universität Marburg war. Grundsätzlich bedenkenswert wäre, eine kurze Karenzzeit zu erlauben. Wenn aber z. B. eine Dissertation in einem dreijährigen Projekt in Marburg entstanden ist, der Aufsatz dazu jedoch erst ein halbes Jahr nach Ende des Projektes bzw. nach Auslaufen der Stelle an der Philipps-Universität Marburg erscheint, ist dieser dann nicht mehr förderfähig, obwohl es inhaltlich sinnvoll wäre. Wenn der*die Autor*in zwei Jahre später eine feste Stelle in Mainz hat, sollte er*sie sicherlich nicht mehr aus Marburger Mitteln gefördert werden. Was könnte hier eine sachgerechte, sinnvolle, leicht zu überprüfende und praktikabel anzuwendende Grenze21 sein?

Die Affiliationsprüfung ist in der Praxis deutlich schwieriger als in der Theorie der Förderlogik. Der Status, ob jemand förderberechtigt ist, lässt sich im Alltag nur für Teilgruppen schnell und einfach ermitteln. Die Grundlage der Affiliationsprüfung ist die Selbstauskunft im Antragsformular und eine Prüfung im Personenverzeichnis der Philipps-Universität Marburg. In diesem Verzeichnis sind z. B. Promotionsstudierende nicht erfasst. Auch Privatdozent*innen und außerplanmäßige Professor*innen führen zu Prüfproblemen. Eine direkte Kommunikation nicht nur mit den Antragstellenden sondern ggf. auch mit Dekanaten und Sekretariaten zur validen Bestätigung ist für jeden Einzelfall nicht leistbar. Bei den hybriden DEAL-Artikeln müssen die Affiliationen innerhalb weniger Tage in den Verlagsdashboards bestätigt werden. In dem Zeitraum lassen sich komplexere Fälle nicht klären. Auch gibt es Organisationsformen, die sich einer Überprüfung per technischem Hilfsmittel entziehen: Ob jemand Doktorand am Forschungscampus Mittelhessen22 ist, kann an der Philipps-Universität Marburg nicht verifiziert werden, da der Forschungscampus in Gießen verwaltet wird.

Weiterhin sind Affiliationsangaben aus Drittquellen nicht so eindeutig, wie sie zu sein scheinen. In einem Beispiel im Web of Science (WoS) ist ein Korrespondenzautor mit drei corresponding addresses erfasst: eine aus Marburg, eine aus Jülich und eine aus Bonn, der auch die Email-Adresse entspricht.23 Das erklärt sich damit, dass der Autor 2022 vom Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit der Universität Bonn zum Juniorprofessor berufen wurde. In Marburg war er von 2018 bis 2020 Leiter einer Arbeitsgruppe. Dem Artikel aus 2022 eine Marburger Affiliation zuzuweisen, wäre also nicht richtig. Die dazugehörigen Metadaten erlauben aber keine zeitliche Differenzierung der Affiliationen und können auch keine gemeinsamen Berufungen abbilden. Auch openAPC lässt erst seit kurzem eine Zuordnung von Artikeln zu zwei Institutionen zu. Eine institutionell organisierte Publikationsförderung hat ein hohes, systembedingtes Interesse daran, einen Artikel nur einer Institution zuzuordnen.

Trotzdem sollten Mehrautorenschaft und Kooperationen besser sichtbar gemacht werden können. Idealerweise sollten sie als „erlaubte“ Option förderfähig sein und für zukünftige Mittelanträge genutzt werden können. Dann wären auch Auswertungen aus dem WoS und das Filtern nach Affiliation bzw. corresponding author unmittelbar nachnutzbar.

Das Thema „Research Funding Acknowledgements“ zeichnet sich analog zur Affiliationsprüfung durch eine beliebig hohe Komplexität aus, die sich im Förderalltag als sehr ressourcenintensiv erweist. Gerade wenn mehrere Autor*innen beteiligt sind, gibt es für die Forschungsleistung hinter einem Artikel meist verschiedene Forschungsförderorganisationen. Hier ist dann erst einmal unklar, welcher dieser Artikel zuzurechnen ist. Die DFG macht in der zweiten Förderphase des Programms „Open-Access-Publikationskosten“ die Finanzierungsverantwortung – also das Verursacherprinzip – zur Grundlage. Dann dürfen für die Mittelkalkulation nur noch Artikel gezählt werden, die aus einem DFG-Forschungsförderkontext stammen. Immerhin gibt es für diese Artikel dann 1.400 EUR als Zuschuss im Gegensatz zu den bisherigen 700 EUR. Insofern erfasst die UB Marburg seit 2022 die „Funding“-Informationen aus den Metadaten der wissenschaftlichen Aufsätze. Im Moment wird ein Artikel dann dem DFG-Forschungsförderkontext zugerechnet, wenn es überhaupt einen DFG-Bezug in den „Research Funding Acknowledgements“ gegeben hat. Wenn sich in der Zukunft die anderen Forschungsförderorganisation dazu entscheiden sollten, analog zur DFG vorzugehen, entsteht wiederum die Frage, welche der genannten Forschungsförderinstitutionen die „Finanzierungsverantwortung“ für einen Artikel hat. Beispielsweise werden in einer Funding-Information eines Springer-Aufsatzes mit 27 Autor*innen BMBF, DFG und SNSF genannt.24 Außerdem werden im selben Beispiel eine Vielzahl von DFG-Förderhinweisen angegeben. In der Reporting-Liste an die DFG kann bisher nur eine DFG-Projektnummer eingetragen werden – was grundsätzlich sinnvoll ist, da es keinen anderen Marker des DFG-Forschungsförderkontexts gibt. Wie entscheidet man aber, welches Projekt erfasst und gemeldet werden soll? Zusätzlich besteht die Schwierigkeit der praktischen Ermittlung der DFG-Projektnummern. Obwohl alle von der DFG-geförderten Wissenschaftler*innen dazu verpflichtet sind, die Projektnummern anzugeben, werden sehr häufig die nicht-öffentlichen Geschäfts- bzw. Aktenzeichen aus der Briefkommunikation genutzt und angegeben. Diese finden sich bisher nicht in der GEPRIS-Datenbank. Die GEPRIS-Recherche ist anspruchsvoll und führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen: bei mehreren Treffern zu einem Autor bzw. einer Autorin muss zusätzlich entschieden werden, welches Projekt gemeint sein könnte. Das kann für fachfremde Open-Access-Förderexpert*innen sehr schwierig sein. Für GEPRIS bemüht sich die DFG bereits um eine unterstützende technische Lösung, die den Praktiker*innen sehr helfen würde.

Erhebung dezentraler Kosten und Rechnungsbearbeitung

Eine Kernvoraussetzung des Informationsbudgets ist die Transparenz der an der Philipps-Universität Marburg für Publikationen aufgewandten Kosten. Die UB kennt die Erwerbungsmittel, die sie etwa für die DEAL-Verträge einsetzt, genauso wie die Fördermittel des Open-Access-Publikationsfonds. Daneben werden aber Publikationen auch dezentral in Forschungsprojekten und Fachbereichen bezahlt. Folgende Schritte wurden gegangen, um ein universitätsweites Mittelcontrolling zunächst im Bereich Open-Access-Publikationen in der Praxis zu etablieren und die für ein Informationsbudget notwendigen Daten zu erheben:

2016 wurde in SAP ein Sachkonto „Open-Access-Publikationskosten“ (61300310) eingeführt. Bei 800 bestellenden und buchenden Mitarbeiter*innen der Philipps-Universität Marburg in der zentralen Finanzbuchhaltung, den dezentralen Wirtschaftsverwaltungen der Fachbereiche und in den einzelnen Sekretariaten der Institute und Arbeitsgruppen mit häufig wechselndem Personal ist es eine Herausforderung, eine konsistente Kontierung zu erreichen. Schon für die Open-Access-Expert*innen in der UB ist die Abgrenzung der Dinge schwierig genug, wie soll dann bei der großen Gruppe der Buchenden das Wissen über Open-Access-Publikationen aufgebaut und vorgehalten werden?

Im Jahr 2021 wurde mit dem Dezernat „Haushalt und Materialwirtschaft“ – im Folgenden kurz Finanzbuchhaltung genannt – überlegt, was getan werden kann. Nach diversen Treffen wurde Ende Dezember 2021 ein großer Schritt getan, indem das Kontierungshandbuch ergänzt bzw. geändert wurde:

Abbildung-1-Kontierungshandbuch.png 

Abbildung 1: Internes Arbeitsdokument

Begriffe wie „Druck“ und „Publikation“ tauchten in diversen Kombinationen auf, was zu Unschärfen bei der Buchung im Alltag führte. Deswegen wurden die Erläuterungen ausführlicher angelegt und besser voneinander abgegrenzt. Außerdem wurde das Sachkonto für die „Sonstigen Publikationskosten“ neu eingeführt. Nicht durchsetzen ließ sich die Idee, standardisierte Buchungstexte vorzugeben (z.B. „APC“, „BPC“ …) um damit SAP-Auswertungen besser filtern zu können. Auch ist es grundsätzlich eine Frage, wie differenziert man hier tatsächlich vorgehen sollte: im Moment sind bestimmte Kostenarten förderfähig und andere nicht (wie z.B. Color Charges). Das mag bei der DFG im Jahr 2022 so sein, bei anderen Förderorganisationen kann die Ausgestaltung der Publikationsförderung durchaus anders aussehen oder sich in Zukunft auch ändern. Mit den Sachkonten wurde zwar versucht, die „Förderwürdigkeit“ aus dem DFG-Kontext abzubilden, aber es wird sich erst noch zeigen, ob das für das gesamte Publikations- und Fördergeschehen tauglich sein wird.

Ein zweiter Erfolg war die Vereinbarung, dass die zentrale Finanzbuchhaltung Rechnungen zu Publikationskosten der UB zur Prüfung der Kontierung vorlegt. Schon im Januar 2022 wurden erste Scans von Rechnungen zur Vorkontierung an die UB geschickt. Durch die so genannten handkontierten Rechnungen erfährt die UB von dezentral für Open Access verausgabten Mitteln. Dieser Workflow hat sich im ersten Jahr gut etabliert und ermöglichte die oben schon erwähnte Meldung von 48 dezentral vollfinanzierten goldenen Open-Access-Artikeln.

Zur Unterstützung der Bearbeitung von Publikationsrechnungen in der Finanzbuchhaltung hat die UB außerdem eine Handreichung mit Begriffen erarbeitet, die auf eine Publikationsrechnung hinweisen können, und zwei Beispielrechnungen entsprechend markiert als Arbeitsmittel bereitgestellt.

Im Zuge der Einführung der elektronischen Rechnungseingangsverarbeitung (EVER) an der Philipps-Universität Marburg haben sich im Jahr 2023 weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Kontierung ergeben. Seit Mai 2023 werden in SAP im EVER-Workflow für die Kreditoren MDPI, Frontiers, Public Library of Science und Hindawi das Sachkonto 61300310 hinterlegt. Wenn also eine Frontiers-Rechnung dezentral gebucht wird, dann wird automatisch das SAP-Sachkonto Open-Access-Publikationskosten vorgesteuert.

Außerdem wurde im Juni 2023 das Sachgebiet „Open Access, Lizenzen und Mittelverwaltung“ im EVER-Workflow als „Kontroll-Station“ eingebaut. Zwischen „sachlicher Prüfung“ und „Freigabe“ werden alle Buchungen der Kreditoren MDPI, Frontiers, Public Library of Science, Hindawi, Copyright Clearance Center und Elsevier immer einer Kollegin der UB zur Kontrolle der Kontierung digital vorgelegt. Im Laufe des Jahres 2023 werden alle Fachbereiche der Philipps-Universität Marburg vollständig auf die elektronische Rechnungseingangsbearbeitung umgestellt sein, inkl. der Medizin. Dann greifen diese Verbesserungen auf jeden Fall. Die beiden Erfolge mit der Vorsteuerung und der Kontrolle im EVER-Workflow sind insofern sehr vielversprechend, wenn man sich bewusst macht, dass bei den bekannten 48 dezentral finanzierten Open-Access-Artikel, die Verlage Frontiers, MDPI und Elsevier dominierten.

Zur Qualitätskontrolle der Kontierung wurde im Mai 2023 außerdem eine SAP-Auswertung zum Sachkonto „Open-Access-Publikationskosten“ (61300310) für das Jahr 2022 angefertigt und mit unseren Listen der geförderten und vorkontierten Rechnungen abgeglichen: Von den 219 Positionen waren 206 mit den uns bekannten identisch. Bei acht Positionen handelt es sich um Druckkostenzuschüsse, Submission Fees, Color Charges und Übersetzungskosten, die besser mit dem Sachkonto „Sonstige Publikationskosten“ (61300320) kontiert worden wären. Zu vier Artikeln mit Gießener corresponding authors (drei davon wurden vom Open-Access-Publikationsfonds in Gießen anteilig gefördert) wurde der Eigenanteil von Marburger Kostenstellen bezahlt. Hierbei handelt es sich um eine Kooperation im Rahmen des DFG-geförderten TRR 8125 dessen Sprecher und Projektkoordination an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt sind und daher auch in Marburg abgerechnet wird. Genau ein Artikel einer Marburger Autorin, deren APC dezentral finanziert wurde, wurde mittels der SAP-Auswertung neu entdeckt. Insgesamt funktioniert die Kontierung mit dem Sachkonto 61300310 also sehr gut und es kommen nur wenige Fehlkontierungen vor.

Zusätzlich werteten wir einen SAP-Kontoauszug zu den Sachkonten 613000300 (Fremdleistung/Druckaufträge), 61300320 (Sonstige Publikationskosten) und 68610000 (Aufwendungen zur Öffentlichkeitsarbeit) mit insgesamt 779 Positionen aus.26 Alle Positionen wurden intellektuell durchgesehen und vor allem gemäß Buchungstext (z.B. „Haftnotizen-Set mit Werbeaufdruck“) dann dem „richtigen“ Sachkonto (hier der Öffentlichkeitsarbeit) zugeordnet. Für nicht aussagekräftige Buchungstexte wurden 76 Einzelrechnungen geprüft.

Abbildung-2-Sachkonten-Analyse.png 

Abbildung 2: Interne Auswertung

Deutlich wird hier, dass die Abgrenzung zwischen „Sonstigen Publikationskosten“ und „Fremdleistungen/Druckaufträge“ am fehlerträchtigsten ist. Auch mit dem Sachkonto „Öffentlichkeitsarbeit“ gibt es Überschneidungen, die trennschärfer gebucht werden könnten. Trotzdem sind die meisten Buchungen sachgerecht kontiert worden und im Einzelfall auch sachlich nur schwer voneinander abzugrenzen. Wenn man bedenkt, dass nur ganze zwei Open-Access-Artikel in die „Sonstigen Publikationskosten“ gerutscht sind, ist das ein sehr gutes Ergebnis und ein Beleg dafür, dass die schon etablierten Workflows mit der Finanzbuchhaltung gut laufen. In der Summe haben die beiden SAP-Kontrollauswertungen also nur drei weitere förder- und meldefähige Open-Access-Publikationen hervorgebracht. Diese können im nächsten Jahr noch berücksichtigt und an die DFG nachgemeldet werden.

Schließlich haben wir im Mai 2023 einen Download aus dem WoS mit den Einschränkungen „Affiliation Search Philipps University Marburg“, „Publication Years: 2022“, „Open Access: Gold“ und „Document Types: Article“ zur Kontrolle untersucht. Von den gelisteten 596 Artikeln kennen wir 185 aus unseren eigenen Listen. Es bleiben 411 Artikel, die nur im WoS-Auszug, aber nicht in unserer Fonds-Liste enthalten sind. Nach Überprüfung hat sich herausgestellt, dass in dieser Liste auch normale Ko-Autor*innen aus Marburg mit enthalten sind, nicht nur corresponding authors. Schränkt man weiter auf letztere ein, bleiben 74 Artikel im goldenen Open Access. Davon erwiesen sich zwei Artikel als Diamond Open Access, bei dem keine APCs erhoben werden. 18 Artikel waren goldene Artikel in DEAL-Zeitschriften mit entsprechendem „Publication Funding Acknowledgement“, von denen zehn Artikel im Jahr 2022 noch nicht durch die MPDL abgerechnet wurden. Die anderen acht erklären sich vor allem mit doppelt angegebenen Affiliationen, sehr wahrscheinlich wurden die Artikel der jeweils anderen angegebenen Institution zugeordnet.

Bei den restlichen 54 Artikeln lassen sich drei weitere größere Fälle unterscheiden:

  1. Bei ca. 30 % der Fälle gibt es mehrere corresponding authors, von denen zwar eine*r aus Marburg kommt, die Finanzierung aber durchaus durch die anderen corresponding authors übernommen worden sein kann. In einem Fall wird explizit die Open-Access-Förderung einer englischen Universität erwähnt.
  2. Bei ca. 15 % der Fälle gibt es bei den Affiliationsangaben des corresponding authors zwar eine Marburger „Adresse“, aber eben auch andere, etwa von einem Max-Planck-Institut oder der Fraunhofer Gesellschaft. In Einzelfällen handelt es sich außerdem um Gastwissenschaftler*innen.
  3. Bei ca. 55 % der Fälle gibt es jeweils einen klaren corresponding author der Philipps-Universität Marburg, ohne dass die UB diese Publikationsfinanzierung mitbekommen hätte. Denkbare Ursachen dafür sind:
    • Der Artikel wurde von einer anderen Forschungsförderinstitution (z.B. vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, oder von anderen Stiftungen) gefördert, was einige Research Funding Acknowledgements durchaus nahelegen.
    • Beim Fachbereich Medizin ist denkbar, dass Mittel des UKGM - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH eingesetzt wurden.
    • Denkbar ist eine private Begleichung der Gebühren.
    • Denkbar ist weiterhin, dass die bis 2021 gültig gewesene Einschränkung der Förderung auf APCs bis maximal 2.000 EUR dazu geführt hat, dass Autor*innen sich den Antrag beim Publikationsfonds gespart haben.
    • Nicht auszuschließen ist außerdem die Möglichkeit, dass die UB einen Antrag auf Förderung auch abgelehnt hat (z.B. Zeitschrift nicht im DOAJ).
    • Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Marburger Mittel geflossen sind, aber andere Sachkonten benutzt wurden. Hier hoffen wir auf weitere Erkenntnisse aus dem neu etablierten EVER-Workflow.

Insgesamt arbeiten viele akademische Bereiche interdisziplinärer und sehr viel vernetzter und damit institutionenübergreifender als früher. Die Finanzierung kann insofern oft pragmatisch gelöst werden: wer noch Geld hat, der trägt die Finanzierung. Das entspricht nicht immer dem „institutionellen Setting“ bzw. der streng an einzelne Institutionen gebundenen Open-Access-Förderung. Insofern bleibt eine gewisse Unschärfe bzw. eine Lücke im Monitoring der Kosten systemimmanent und es wäre hilfreich, wenn die Förderrichtlinien der DFG diese Unschärfen anerkennen würden. Es wird in der Praxis nicht möglich sein, jedem Artikel, der irgendwie einen Marburg-Bezug hat, einzeln nachträglich zu überprüfen und die Finanzierung im Detail zu klären.

Die Auswertungen zeigen einerseits, dass es noch Artikel und Ausgaben für Open-Access-Publikationen gibt, die sich dem bisherigen Monitoring entziehen. Eine Hochschulbibliografie hat Marburg nicht. Ein Forschungsinformationssystem (FIS) ist erst im Aufbau begriffen und wird zunächst für einzelne Pilotfachbereiche mit Daten gefüllt. Die UB ist hier u. a. mit der Publikationsvalidierung beteiligt. Eine Einspielung von Publikationsmetadaten aus dem WoS war mit Hilfe eines besonderen Tools erfolgreich. Allerdings fehlte der Open-Access-Status des einzelnen Aufsatzes. Auch die Zuordnung der Autor*innen zu den Organisationseinheiten war nicht einheitlich bzw. nicht immer richtig. Insofern müssen die Daten manuell nachgearbeitet und validiert werden. Zwar sind die Verbesserungen der Sichtbarkeit von Open-Access-Publikationen, der Nachweis von Zweitveröffentlichungen und die Dokumentation von Funding Acknowledgements Bestandteil der FIS-Projektplanung, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis das FIS für Open Access zum sinnvollen Arbeitsinstrument wird. Auch werden FIS und SAP sehr wahrscheinlich am Ende nicht so miteinander kommunizieren können, dass sich für die Administration des Open-Access-Publikationsfonds Teilprozesse stark automatisieren ließen.

Die erläuterten Auswertungen machen andererseits deutlich, dass bei 436 gemeldeten, förderfähigen Artikeln, schon eine sehr große Zahl an Artikeln bekannt ist und in das Informationsbudget mit einbezogen werden kann. Das Delta an unbekannten Artikeln scheint überschaubar zu sein – trotzdem können sich auch wenige Artikel zu beträchtlichen Ausgaben summieren, so dass hier weitere Schritte nötig sind, die Datenlage zu verbessern.

Bilanz

Der Wechsel in das neue Förderprogramm der DFG im Jahr 2022 ist an der Philipps-Universität Marburg gelungen. Die Publikationsförderung an der UB konnte quantitativ und qualitativ ausgebaut werden. Mit den Erfahrungen von sechs Jahren erfolgreicher Publikationsförderung (2016-2021), mit einer verbesserten personellen Organisation und Verzahnung der unterschiedlichen beteiligten Akteure, und vor allem auch mit einer guten politisch-strategischen und hohen finanziellen Rückendeckung seitens der Philipps-Universität Marburg hat sich der Open-Access-Publikationsfonds auch unter den neuen DFG-Rahmenbedingungen sehr gut weiterentwickelt.

Durch die zunehmende Ausdifferenzierung der Förderformate und Maßnahmen wurden nicht nur die Medizin und Naturwissenschaften unterstützt, sondern auch die Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Umstellungen, eigene Publikationsdrittmittel zuerst einzusetzen und APCs, die höher als 2.000 EUR sind, mit zu finanzieren, wurden angenommen. Die Strategie auf die 2.000-Euro-Förderkontinuität zu setzen, hat sich als richtig erwiesen.

Die Erhebung dezentraler Publikationskosten funktioniert schon sehr zufriedenstellend und die Workflows konnten im Zuge der elektronischen Rechnungseingangsbearbeitung weiter verbessert werden.

Der Weg in Richtung eines Informationsbudgets erfordert allerdings einen beträchtlichen administrativen Aufwand. Die Transaktionskosten sind hoch, die sich schnell verändernden Vorgaben und Routinen eine Herausforderung. Die Bereitstellung der dafür notwendigen qualifizierten Expert*innen für Verwaltung und Support ist nicht nur in der Initialphase teuer.

Daher sind entweder klarere Vorgaben zum Umgang mit den oben geschilderten Problemfeldern (z.B. Mehrfachaffiliationen einer Autorin bzw. eines Autors, mehreren corresponding authors unterschiedlicher Institutionen) oder eben die Anerkennung der systemimmanenten Unschärfen notwendig. Ermittlung, Nachweis und Überprüfung einer Affiliation27 (bzw. Mehrfachaffiliation) und eines Research Funding Acknowledgements müssen im Alltag einfach möglich sein. Es braucht hier eine pragmatische Toleranz – auch gegenüber wissenschaftspolitisch erwünschten Kooperationsformen wie SFBs, TRRs oder regionalen Kooperationen wie dem Forschungscampus Mittelhessen – auch wenn das Gesamtmonitoring dann nicht vollständig institutionenscharf sein kann.

Hartmut Bergenthum, Universitätsbibliothek Marburg, https://orcid.org/0000-0002-3040-1425

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6017

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1 Teile des Beitrages wurden auf den Open-Access-Tagen 2023 in Berlin am 27.9.2023 in der Session 3 „Praxis Informationsbudget“ präsentiert, Folien unter https://doi.org/10.5281/zenodo.8399415, Videomitschnitt des Vortrags unter https://doi.org/10.5446/66705.

2 Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 491052028.

3 Der Artikel konzentriert sich auf das Jahr 2022, da die Daten für 2023 erst Mitte 2024 mit Vorliegen der PABA zu den DEAL-Verträgen vollständig verfügbar sein werden.

4 Einen guten Einstieg bieten: Söllner, Konstanze; Mittermaier, Bernhard (Hg.): Praxishandbuch Open Access, Berlin 2017. Online: https://doi.org/10.1515/9783110494068; Lackner, Karin; Schilhan, Lisa; Kaier, Christian (Hg.): Publikationsberatung an Universitäten: Ein Praxisleitfaden zum Aufbau publikationsunterstützender Services, Bielefeld 2020. Online: https://doi.org/10.1515/9783839450727. In den Beitrag ist eine Vielzahl von Vorträgen, Webinaren und Publikationen eingeflossen, ohne dass diese hier alle namentlich genannt werden können. Z. B. die Vortragsreihe „Open Access in der Erwerbung“ der dbv-Kommission Erwerbung im Jahr 2021, https://av.tib.eu/series/1053/open+access+in+der+erwerbung, Stand: 16.8.2023, und etwa der DEAL Praxis-Workshop „Erwerbung neu denken - Strategien und Methoden vor dem Hintergrund der Open Access-Transformation“, 13.7.2021, https://deal-konsortium.de/images/documents/DEAL-Praxis-Workshop-Juli2021.pdf, Stand: 14.02.2024, oder der Online-Workshop „Budgetentwicklung in Kontext der Open-Access-Transformation“, 5.5.2022, https://open-access.network/fortbilden/thematische-workshops/workshops-budgetentwicklung-im-kontext-der-open-access-transformation/online-workshop-am-5-mai-2022, Stand: 17.8.2023.

5 Open-Access-Policy der Philipps-Universität Marburg, 2015, https://www.uni-marburg.de/de/ub/publizieren/open-access/open-access-policy, Stand: 25.1.2024.

6 Vgl. Pampel, Heinz: From library budget to information budget: fostering transparency in the transformation towards open access, in: Insights 35 (8), 2022. Online: http://doi.org/10.1629/uksg.576; Pampel, Heinz: Auf dem Weg zum Informationsbudget. Zur Notwendigkeit von Monitoringverfahren für wissenschaftliche Publikationen und deren Kosten. Helmholtz Open Science Arbeitspapier, Potsdam 2019. Online: https://doi.org/10.2312/os.helmholtz.006; Rösch, Henriette et al.: Open Access ermöglichen: Open Access-Transformation und Erwerbung in wissenschaftlichen Bibliotheken – ein praktischer Leitfaden, 2022. Online: https://doi.org/10.5281/zenodo.6090208; Riesenweber, Christina: Informationsbudget: Kontexte und Ziele, 2023. Online: https://doi.org/10.5281/zenodo.7920456.

7 DFG: Merkblatt und ergänzender Leitfaden - Open-Access-Publikationskosten, 12.21, 01/23, https://www.dfg.de/formulare/12_21/12_21_de.pdf, Stand: 17.08.2023, hier S. 5-6.

8 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access, Köln 2022. Online: https://doi.org/10.57674/fyrc-vb61, S. 10, 75.

9 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Open Access in Deutschland. Gemeinsame Leitlinien von Bund und Ländern, Berlin 2023. Online: https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/1/24102_Open_Access_in_Deutschland.html, Stand: 16.8.2023.

10 Die Implementierung der Monitoringaufgaben wird in Abschnitt 4 ausführlich behandelt. Zum Informationsbudget ist ein gesonderter Beitrag in Vorbereitung.

11 In den Anfängen 2016ff. wurde der Open-Access-Publikationsfonds personell von einem bzw. einer Open-Access-Beauftragten betreut.

12 Vgl. https://www.uni-marburg.de/de/ub/publizieren/open-access, Stand: 30.01.2024.

13 Siehe https://www.uni-marburg.de/de/forschung/kontakt/eresearch/unsere-angebote/services-thematisch/publizieren, Stand: 16.08.2023. Das „Servicezentrum digital gestützte Forschung“ wurde 2019 als Kooperation der Stabsstelle Forschungsdatenmanagement, des Hochschulrechenzentrums und der UB gegründet.

14 Die Entkoppelung von Mittelzuweisung und Mitteleinsatz im Förderprogramm machte das möglich. Der Kürzungsmechanismus im Bewilligungsverfahren hätte es zusätzlich erschwert, DFG-Fördermittel für die hybriden Transformationsverträge zu nutzen.

15 Ein Mirror Journal ist eine vollständig frei zugängliche Version einer bestehenden Subskriptionszeitschrift mit meist demselben Editorial Board, denselben Peer-Review-Verfahren und -Richtlinien und nur leicht verändertem Namen. Seitens der DFG sind Mirror Journals nicht förderfähig. Vgl. https://doi.org/10.26165/JUELICH-DATA/Q51JEG.

16 Siehe https://archiv.ub.uni-marburg.de/ubfind/Record/urn:nbn:de:hebis:04-es2022-0096, Stand 16.8.2023.

17 Linda Thomas betont zu Recht, wie wichtig es sei, Einsparungen durch Rabatte sichtbar zu machen. Siehe Thomas, Linda: Auf dem Weg zu 100 Prozent Open Access, in: Bibliotheksdienst 54 (7-8), 2020, S. 545-558. Online: https://doi.org/10.1515/bd-2020-0069, hier S. 548, 554.

18 Der Austausch im Rahmen der Fokusgruppe „Open-Access-Monografienfonds“ im Mai 2023 bestätigte, dass viele Institutionen das Problem haben, dass es wenig Anfragen aus dem DFG-Forschungsförderkontext gibt und die Ansprache der DFG-Projekte an den Universitäten nicht einfach ist. Vgl. https://open-access.network/vernetzen/digitale-fokusgruppen/open-access-monografienfonds, Stand: 16.8.2023.

19 Ein SFB hat für die von ihm herausgegebene Schriftenreihe bereits einen laufenden Verlagsvertrag, der keine Open-Access-Option vorsieht. Auch das könnte ein Hinderungsgrund dafür sein, warum bisher so wenige Förderanfragen mit einem DFG-Hintergrund eingegangen sind.

20 Siehe https://doi.org/10.1055/s-0042-1749211.

21 Im DEAL-Kontext wird beispielsweise die Zugehörigkeit zur Institution danach entschieden, wo der Inhalt hauptsächlich erarbeitet wurde, nicht danach wo der*die Hauptautor*in zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Mitglied war.

22 Siehe https://www.fcmh.de/, Stand 16.8.2023.

23 Siehe den Abschnitt „Author Information“ https://www.webofscience.com/wos/woscc/full-record/WOS:000865041100001, Stand: 1.6.2023, Originalartikel unter https://doi.org/10.1038/s41398-022-02176-6.

24 Siehe https://doi.org/10.1038/s41398-022-02176-6.

25 Transregio 81 - Chromatinveränderungen in der Differenzierung und Malignität. Siehe https://www.uni-marburg.de/en/trr81/about-us/board, Stand: 17.8.2023.

26 Die Zahl der Positionen entspricht nicht der Zahl der Rechnungen, da es Rechnungen gibt, die mehrere Positionen umfassen.

27 Eine stärkere Standardisierung der Affiliationsmetadaten ist grundsätzlich wünschenswert. Praktisch versuchen Universitäten die Lage mittels Affiliationsrichtlinen zu verbessern. Gleichwohl ist es nicht realistisch, dass das in der Breite schnell und konsequent umgesetzt wird. Insofern werden die Praktiker*innen im Bereich Open-Access-Förderung noch länger damit leben müssen, dass Affiliationsangaben nicht eindeutig und nur aufwändig zu überprüfen sind.