Exkursion durch Wiener Bibliotheksstandorte 16.-19.10.2023

Bericht der gemeinsamen Baukommission von dbv und VDB

Überblick

Die gemeinsame Baukommission von dbv und VDB1 setzte im Oktober 2023 ihre Exkursionsreihe mit einer Fahrt zu den lebendigen und innovativen Bibliotheksstandorten in Wien fort. Auf dem Programm standen die neue Bücherei Seestadt Aspern, die Bibliothek und der Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, der neue Lesesaal der Bibliothek der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Data Visualisation Space an der TU Wien Bibliothek, die Hauptbücherei der Büchereien Wien, die Parlamentsbibliothek, die Österreichische Nationalbibliothek sowie optional das Learning Center der Johannes-Kepler-Universität Linz. Neben fünf Mitgliedern der Baukommission nahmen 23 Personen, größtenteils Bibliothekar*innen beider Sparten, teil.

Stadtbücherei Seestadt Aspern

Als fakultatives Vorprogramm startete die Exkursion mit einem Besuch der Stadtbücherei in der Seestadt Aspern.2 Die Seestadt Wiens ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas. Dem hohen Anspruch an Lebensqualität folgt die umweltbewusste Gestaltung, immer auch unter dem Aspekt der Wirtschaftsförderung. Bis in die 2030er Jahre wird im Nordosten Wiens im 22. Wiener Gemeindebezirk für mehr als 25.000 Menschen Wohnraum entstehen mit über 20.000 Arbeits- und Ausbildungsplätzen, konzentrisch angelegt um einen fünf Hektar großen künstlichen Badeteich.

Die Bücherei unter Leitung von Melanie Basche befindet sich im Quartier „Am Seebogen“ auf einer Fläche von 550 qm. Mit einem Bestand von rund 27.000 Medien ist sie viertgrößter Standort im System der Wiener Stadtbüchereien. Planer waren einszueins architektur und Tillner Willinger ZT. Die Fertigstellung erfolgte im Mai 2021. Die neue Bücherei motiviert zur Interaktion, zum gemeinsamen Tun und zum Ausprobieren, z.B. von Alltagsgegenständen (Werkzeuge, Instrumente usw.), die in der „Bücherei der Dinge“ bereitgestellt werden. Als „Maker Space“ bezeichnet wird ein großer Tisch inmitten der Sachbuch-Abteilung: Hier finden u.a. Workshops statt, oftmals in Zusammenarbeit mit Initiativen vor Ort, die sich im Bereich Gesundheit engagieren. Auch das Regionalforum, ein Bündnis der Projektbeteiligten der Seestadt, veranstaltete bereits einige seiner Quartalstreffen vor Ort in der Bücherei.

Lernen und Arbeiten lässt sich an speziellen PC-Plätzen; offenes WLAN wird ebenfalls zur Verfügung gestellt. Im Café-Bereich können sich Besucher*innen selbst Kaffee oder Tee zubereiten oder mit Wasser versorgen. Der Lesegarten – für Programm unter freiem Himmel – ist mit Möbeln ausgestattet, die in der benachbarten StadtBox von Jugendlichen angefertigt wurden. Besonderen Wert legt die Bücherei auf ein vielfältiges Angebot zur Leseförderung wie Bilderbuchkino oder Vorlesestunden. Das Programm für Erwachsene mit Lesungen, Vorträgen und Publikumsdiskussionen wird teils von der Bücherei, teils auch von Initiativen der Seestadt veranstaltet.

Abb. Seestadt

Abb. 1: Bücherei Seestadt. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 2: Lesegarten. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Library & Learning Center (LLC) der WU Wien

Die WU Wien geht auf die 1898 als k.u.k. Exportakademie gegründete Hochschule für Welthandel zurück. Da die alten Räumlichkeiten aus den 1980er Jahren zu klein und nicht mehr zeitgemäß waren, begann man im Jahr 2009 mit dem Bau eines neuen Campus für die Wirtschaftsuniversität auf dem ehemaligen Weltausstellungs- und Messegelände. Die Eröffnung erfolgte wie geplant am 4. Oktober 2013 nach nur vier Jahren Bauzeit und unter Einhaltung des Budgets von 493 Mio. Euro. Der Masterplan des österreichischen Architekturbüros BUSarchitektur verfolgte dabei die Ziele, die zersplitterte Struktur der Universität zu vereinen und die Flexibilität der Gebäude für zukünftige technologische Anforderungen zu gewährleisten. Der Fokus lag darauf, die kleinteilige Struktur mit 76 Institutsbibliotheken aufzuheben und das interfakultative Lernen zu fördern. Der Campus, auf dem sich die Gebäude um eine zentrale Achse mit verschiedenen Erweiterungen gruppieren, die als Plätze zur Begegnung und zum Verweilen einladen, soll Begegnungsmöglichkeiten schaffen und ist als offener Ort angelegt. Sechs renommierte Architekturbüros wurden engagiert, um auf dem neuen Campus eine hochwertige Architektur zu schaffen und sechs Gebäudekomplexe für 25.000 Studierende und 2.300 Beschäftigte zu entwerfen.3

Das markante Library & Learning Center (LLC) von Zaha Hadid ist als zentraler Punkt des Campus konzipiert. Sein dynamisch geneigter Bau mit auskragendem Dach sprengt die üblichen Regeln der Architektur und rückt auch optisch das LLC in den Mittelpunkt der Universität. Die avantgardistische Architektur führt aber bei der Gestaltung der Innenräume auch zu Einschränkungen. Zum Beispiel behindern die in unterschiedlichen Winkeln geneigten Wände teilweise die Nutzung oder machen zusätzliche Geländer als Unterlaufschutz notwendig. Auch die durch schräge Wände führenden Treppenhäuser empfinden manche Besucher*innen als Herausforderung an den Gleichgewichtssinn.

Neben der Bibliothek mit 1.500 Arbeitsplätzen beherbergt das LLC Tagungszentrum, Studienbüro, akademisches Auslandsamt und eine Cafeteria. Über spiralförmige Rampen und Treppen gelangt man zum Eingang im ersten Obergeschoss, von wo aus sich die Bibliothek über sechs trichterförmige Stockwerke erstreckt und die oberen Etagen komplett einnimmt. Die Bibliotheksfläche ist klar zoniert in ruhige und kommunikative Bereiche, manche Plätze bieten einen spektakulären Blick auf den Prater.

In den zehn Jahren seines Bestehens hat sich das LLC als Zentrum des akademischen Lebens der Wirtschaftsuniversität etabliert. Zwischenzeitlich wurden einige Anpassungen an veränderte Benutzungsbedarfe vorgenommen, z. B. die Einrichtung einer Lounge mit bequemem, informellen Sitzmobiliar auf der großen Leseterrasse. Die starke Nutzung des Gebäudes führt zu Belastungen für die Klimatisierung und gelegentlich zu Lärmbelästigungen trotz schalldämmender Maßnahmen. Bemerkenswert gut hat sich der ungewöhnlich hochflorige Teppich gehalten, vom Bibliothekspersonal liebevoll „Pudel“ genannt, wie Bibliotheksleiter Nikolaus Berger und Benutzungsleiterin Silvia Köpf während der Bibliotheksführung berichten.

In der Bibliothek wurde stark auf RFID-Technologie gesetzt, wobei eine UHF-Frequenz gewählt wurde, die als zukunftssicherer Standard betrachtet wird. Selbstverbuchung, Rückgabeautomaten, Sicherungsgates und die Revision funktionieren mit hoher Zuverlässigkeit. Neben dem LLC gibt es noch mehrere Fachbibliotheken auf dem Campus, die zusammen mit den Lernplätzen im Hörsaalgebäude weitere 1.000 Arbeitsplätze für Studierende beherbergen.

Abb. Aussenansicht Library Learning Center

Abb. 3: Außenansicht Library & Learning Center der WU Wien. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 4: Innenansicht Library & Learning Center der WU Wien. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Bibliothek der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Als nächste Station stand die neu sanierte Bibliothek der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf dem Programm, wo die Leiterin der Abteilung „Bibliothek, Archive & Sammlungen“ Sibylle Wentker einen sachkundigen Einblick in den Bibliotheksbetrieb und die Umbauarbeiten gab.4 Die Akademie der Wissenschaften befindet sich in diversen Gebäuden in Wien, u.a. im ehemaligen Jesuitenkolleg, einem Bau mit großem Innenhof, der gegenüber dem Hauptgebäude der Akademie liegt und östlich an die Jesuitenkirche anschließt. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens kam das Gebäude 1773 zur Universität, danach folgte ab Anfang des 20. Jahrhunderts eine wechselvolle Zeit, in der u.a. die Postsparkasse sowie die Tischtennishalle des Polizeisportvereins darin untergebracht waren.

Abb. AW-Innenhof

Abb. 5: Ein großer Kastanienbaum konnte im ruhigen Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegs erhalten bleiben und trägt zur kontemplativen Atmosphäre bei. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

2022 wurde das Gebäude, in dem sich seit 1980 auch das Archiv der ÖAW befindet, durch das Büro Riepl Kaufmann Bammer Architekten generalsaniert, wodurch eine einzigartige Forschungsinsel mitten in der Stadt entstanden ist. Im Zuge der Sanierung wurde auch der frühere Lesesaal wieder in Betrieb genommen und in moderner Formensprache unter Einbeziehung einiger barocker Elemente wiederhergestellt. Er befindet sich oberhalb des ehemaligen Refektoriums im 1. Stock und ist als öffentlicher Bibliotheksbereich zugänglich. Die Deckenhöhe beträgt acht Meter, so dass man sich in Anlehnung an die frühere Lesesaalausstattung für eine umlaufende Galerie entschied, die allerdings aus Sicherheitsgründen nur für das Bibliothekspersonal zugänglich ist. Auf den oberen Regalböden ist dementsprechend ein wertvoller Bestand historischer Geographica der Sammlung Woldan untergebracht. Durch die Verwendung moderner Regale in betont schlichter Optik wird ein bewusster Kontrast zu dem beeindruckenden barocken Deckengemälde von Anton Hertzog aus dem Jahr 1734 gesetzt.

Abb. AW_Hyperglobe

Abb. 6: Ein Highlight des neuen Lesesaals der ÖAW ist der Hyperglobe. Die Software wurde am Institut für Geographie entwickelt und ermöglicht, historische Karten (oder auch Bilder von Mozartkugeln) auf den runden Bildschirm zu projizieren. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

TU Wien Bibliothek

Der dritte Bibliotheksbesuch des zweiten Exkursionstages führte zur TU Wien am Karlsplatz.5 Die TU Wien Bibliothek ist die größte naturwissenschaftlich-technische Bibliothek Österreichs und existiert bereits seit 1815. Schon von weitem fällt der 1987 eröffnete, markante Bau der TU Wien Bibliothek ins Auge mit seiner postmodernen Fassadengestaltung und hier vor allem der mehrere Etagen überspannenden Eulen-Skulptur. Die Bibliothek selbst ist inzwischen etwas in die Jahre gekommen: die Haustechnik ist sanierungsbedürftig und die an sich hochwertige Möblierung an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß für die heutigen vielfältigeren Benutzungsbedarfe. Die Bibliothek wird so intensiv genutzt, dass eine bauliche Erweiterung angezeigt scheint. Bibliotheksdirektorin Beate Guba treibt dieses Thema in der TU voran, indem sie die Bibliothek in ein multidisziplinäres „Smart Campus“-Projekt mit den Fachbereichen Architektur, Elektrotechnik und Informatik sowie der zentralen Bauabteilung eingebracht hat.

Der Fokus des Besuchs lag auf dem im Mai eröffneten Datenvisualisierungslabor (Data Visualisation Space DAVIS), das digitale Daten im physischen Raum gemeinsam erlebbar machen und somit einen neuen kollaborativen Raum für Lehren und Lernen anbieten will.6 Der Raum steht allen Fakultäten offen und ist zugleich öffentlich zugänglich, um Citizen Science zu unterstützen. Es ist ein inklusives, immersives Angebot für die Aneignung von digitalen Kompetenzen, die Unterstützung experimentellen Lernens und die kollaborative Wissenskreation.7

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Abb. 7: Außenansicht TU Wien Bibliothek. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Abb. TU Wien DAVIS

Abb. 8: Doron Goldfarb präsentiert den Data Visualisation Space DAVIS der TU Wien Bibliothek. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Der Vormittag des dritten Exkursionstages stand unter dem inoffiziellen Motto „Bibliotheken als Orte der Demokratie“.

Hauptbücherei der Stadt Wien

Die Hauptbücherei der Stadt Wien, durch die uns Bibliotheksleiterin Magdalena Schneider führte, wurde im April 2003 fertiggestellt.8 Architekt war der Wiener Ernst Mayr. Herausfordernd für den Planer waren die Parameter: Positionierung über der U-Bahn, Einbeziehung des Zelts über dem Vorplatz, Anpassung an die Höhen der umliegenden Gebäude, Abstandswahrung zu benachbarten historischen Häusern (wie die Hochbahnstation Otto Wagners). Ziel war es damals, durch die neue Bücherei nicht nur ein Lesezentrum, sondern auch einen neuen Kommunikations- und Kulturknotenpunkt zu schaffen, der sich genau auf der Grenze zwischen zwei Bezirken sehr unterschiedlicher sozialer Prägung befindet.

Nun führen – über eine imposante Freitreppe, inspiriert von der Villa Malaparte auf Capri - 54 Stufen zum Eingang der Bücherei (oder barrierefreier: Aufzug oder Rolltreppe) und 102 Stufen zum Café «Oben». Als Zentralstelle der Wiener Büchereien ist der 150 m lange Riegel nicht nur ideell deren Flaggschiff, er erinnert auch durch weitere Attribute an ein Schiff: Ortsbezeichnungen wie Heck, Bullaugen an den Flanken und das Rauschen – nicht des Meeres, sondern des lautstarken umgebenden Verkehrs.

Auf zwei Ebenen stehen 240.000 Bücher und 60.000 audiovisuelle Medien sowie Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung, verteilt in verschiedenen Abteilungen, genannt „Colleges“. Kirango heißt der Bereich speziell für Kinder. Da die Hauptbücherei nach 20 Jahren ihre räumlichen Grenzen erreicht hat, wurde das Wiener Büro urban architektur ZT-OG mit einer Machbarkeitsstudie zur Erweiterung der Publikumsbereiche beauftragt. An eine Umsetzung, die mit einer Auslagerung einiger Büros der Zentraladministration einher gehen würde, ist jedoch frühestens 2030 zu denken.

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Abb. 9: Freitreppe der Hauptbücherei. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 10: Blick aus der Hauptbücherei auf die U-Bahn. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Parlamentsbibliothek

Die Parlamentsbibliothek im imposanten Gebäude des Österreichischen Parlaments am Dr.-Karl-Renner-Ring wurde bereits 1869 gegründet und ist die größte politische Fachbibliothek Österreichs.9 Sie dient mit 370.000 Büchern und rund 270 Zeitschriften traditionell der Literatur- und Informationsversorgung der Abgeordneten des Nationalrats und der Mitglieder des Bundesrates, der österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie deren Mitarbeitenden. Von 2017 bis 2023 wurde sie grundlegend durch das Architekturbüro BWM Architekten renoviert und öffnete sich im Zuge der damit verbundenen Umbaumaßnahmen stark auch für externes Publikum. Der Eingang zur Bibliothek liegt nun gut sichtbar und attraktiv in der zentralen Magistrale des Parlamentsgebäudes hinter dem Besucherzentrum.

Im historischen Mittelmagazin der Bibliothek wurden zwei ansprechende Ausstellungen zu demokratiepolitischen Grundsatzthemen realisiert („Im Sprachraum der Demokratie“ und „Tacheles reden. Antisemitismus – Gefahr für die Demokratie“) und innenarchitektonisch originell sehr harmonisch in die historischen Regale des Magazins integriert. Die abwechslungsreiche Gestaltung lädt zur Erkundung ein. Arbeitsplätze und kleine Lounge-Zonen bieten Platz zum Verweilen und Arbeiten. Der historische Lesesaal wurde ebenfalls neugestaltet und bietet in gediegenem Ambiente moderne Arbeitsplätze zur Stillarbeit, darunter auch einen barrierefreien Arbeitsplatz für blinde Menschen. Daran schließt sich eine Servicezone mit Kopier- und Scanmöglichkeiten sowie einem kleinen Gruppenraum an.

Holger Böck, Abteilungsleiter für die Bibliothek, berichtete während der Führung von den Umbauarbeiten im laufenden Betrieb und den positiven Veränderungen, die sich durch die Öffnung nach außen und die Umgestaltung ergeben haben. So konnte die Bibliothek seit dem Umbau ihre Besucherzahlen um den Faktor 3-4 erhöhen und wird täglich von mehreren hundert Menschen aufgesucht.

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Abb. 11: Parlamentsgebäude am Dr.-Karl-Renner-Ring. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 12: Ausstellung „Im Sprachraum der Demokratie“ in der Parlamentsbibliothek. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Österreichische Nationalbibliothek

Keine Bibliotheksreise nach Wien wäre natürlich komplett ohne einen Besuch der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB).10 Unsere Gruppe wurde im Prunksaal, der ersten Station an der ÖNB, in Empfang genommen von Bibliotheksmitarbeiter Wolf-Dieter Lang, der kurzweilig die Geschichte und Eigenschaften dieses besonderen Ortes darzustellen vermochte. Die ÖNB an ihrem Standort in der Wiener Hofburg, dem ehemaligen Kaiserpalast, ist die größte Bibliothek des Landes und eine der größten in Europa. Gegründet 1368, besitzt sie heute über 12 Millionen Bücher, Karten, Handschriften und andere Medien. Der Prunksaal, der 1723 im Stil des Barocks erbaut wurde, ist 80 Meter lang, 20 Meter hoch und mit 200.000 wertvollen Büchern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert bestückt.

Im Anschluss an den Prunksaal wurde noch die moderne Gebrauchsbibliothek am Heldenplatz besichtigt, die auch von vielen Studierenden der nahegelegenen Universität als Arbeitsort rege genutzt wird. Thema hier war vor allem die Schwierigkeit, eine hohe Frequentierung und die Bedarfe heutigen Lernens in einem historischen Bestandsgebäude umzusetzen.

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Abb. 13: Der vor 20 Jahren sanierte Lesesaal der ÖNB ist mit Akustikelementen, Kameras sowie einer Luftbefeuchtungsanlage versehen. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Am Abend des dritten Exkursionstages bestand die Möglichkeit, an einer Stadtführung durch die Agentur guiding architects teilzunehmen, bei der die „Stadt der Gleichzeitigkeit“ thematisiert und u.a. das Gebäude der ehemaligen Postsparkasse Wien von Otto Wagner besichtigt wurde. Hierbei handelt es sich um eines der bekanntesten Jugendstilgebäude Wiens, in dem heute Teile der Universität für angewandte Kunst, der Kunstuniversität Linz, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Österreichischen Wissenschaftsfonds untergebracht sind.

Learning Center Johannes-Kepler-Universität Linz

Ein letzter Höhepunkt der Exkursion war ein fakultativer Zwischenstopp auf der Heimreise in Linz, den ein Großteil der Teilnehmenden wahrnahm. Das bestehende Bibliotheksgebäude der Johannes-Kepler-Universität Linz aus den 80er Jahren wurde in den Jahren 2018 - 2020 von Riepl Riepl Architekten um ein spektakuläres Obergeschoss mit Dachterrasse und einer großen Freitreppe erweitert.11 Hier befinden sich auf ca. 1.700 m² großzügige offene Lernräume mit vielfältiger Möblierung und weitem Blick aus großen Glasfronten auf den umliegenden grünen Campus. Auch das Erdgeschoss der Bibliothek wurde umgestaltet mit einem neuen Thekenbereich, einer 24/7 geöffneten Arbeitsplatzzone sowie integrierter Buchhandlung und Cafeteria. Neben einem neuen Veranstaltungsbereich mit Bühne wurde auch eine Schau-Küche untergebracht, in der Events mit der Zubereitung von Speisen stattfinden. Dort nahmen uns Bibliotheksleiter Michael Kranewitter und seine Kollegin Helga Primetzhofer in Empfang und führten uns durch die unterschiedlichen Etagen des Gebäudes.

Die Obergeschosse atmen noch den unveränderten Charme der 80er Jahre mit dem typischen Holzmobiliar und Regalen, die sich zwar gut erhalten haben, aber nicht mehr dem heutigen Geschmack und den Anforderungen eines modernen Lernortes entsprechen. Umso spektakulärer ist der Unterschied, wenn man die oberste Etage mit dem Learning Center betritt. Dieses quadratisch angelegte Obergeschoss umfasst einen Innenhof mit Sitzstufen, der auch direkt durch die große Freitreppe vom Vorplatz der Bibliothek angebunden ist.

In den Räumen des Learning Centers befindet sich eine vielfältige Arbeitsplatzlandschaft, die Stillarbeitsplätze, bewegliche Gruppentische, Sitzsäcke, Sesselgruppen und abgeschirmte Sitzgruppen aller Art beherbergt. Die Konzeption der Kommunikationszonen ging allerdings nur bedingt auf, da die meisten Nutzenden auf der offenen Fläche ihre Mitstudierenden nicht stören möchten. So findet Gruppenarbeit vorwiegend in drei Gruppenräumen statt, die als gläserne Raum-in-Raum-Lösungen innerhalb der offenen Fläche angeordnet sind. Es zeigt sich hier die häufige Erkenntnis, dass Nutzende Räume eigenständig und oft anders bespielen, als dies ursprünglich geplant war.

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Abb. 14: Library and Learning Center Linz, Außenansicht. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 15: Library and Learning Center Linz, Dachterrasse. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

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Abb. 16: Library and Learning Center Linz, Innenraum des Obergeschosses. Foto: Gemeinsame Baukommission von dbv und VDB

Mit diesem attraktiven und beeindruckenden Beispiel eines modernen Lernraums endete die Exkursion und wir traten mit vielen neuen Inspirationen und Eindrücken die Heimreise an. Wir bedanken uns bei allen Kolleginnen und Kollegen der österreichischen Bibliotheken, die wir besuchen durften, für die Hilfen bei der Planung, den herzlichen Empfang und die kompetenten Führungen.

Als Baukommission nehmen wir das gute Feedback der Teilnehmenden als Bestätigung für unser Vorhaben, die Reihe der Exkursionen im In- und Ausland stetig fortzusetzen. Weiterführende Informationen zu den besuchten Bibliotheken findet man im Blog der Baukommission.12

Claudia Dostler, Stadtbücherei Ravensburg
Michael Mönnich, KIT-Bibliothek Karlsruher Institut für Technologie, https://orcid.org/0000-0001-5674-9422
Tatjana Mrowka, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, https://orcid.org/0000-0002-9976-9383
Alice Rabeler, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, https://orcid.org/0000-0001-7896-6225
Ilona Rohde, Universitätsbibliothek Marburg, https://orcid.org/0000-0002-8978-482X

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6010

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