Das Fachreferat als Kommunikationsschnittstelle

Erfahrungsaustausch geisteswissenschaftlicher Fachreferate, 17./18. September 2023

Fortsetzung einer bewährten Fortbildungsreihe

Der „Erfahrungsaustausch: Fachreferate der Geisteswissenschaften“ ist ein mittlerweile etabliertes und in der Fachcommunity beliebtes Format. Im Rhythmus von zwei Jahren treffen sich Fachreferent*innen geisteswissenschaftlicher Disziplinen, um sich über aktuelle Trends in ihren Fächern zu informieren. Neben den Impulsvorträgen aus der Praxis gibt es wie immer auch Gelegenheit, sich mit den Kolleg*innen fachlich auszutauschen und Einblicke in andere Bibliotheken zu erhalten. Die offene Atmosphäre erleichtert das Kennenlernen und Ins-Gespräch-Kommen; besonders nach der langen Corona-bedingten Pause war es schön, Kolleg*innen wieder einmal „in echt“ zu sehen.

Die diesjährige Veranstaltung, organisiert von Dorothee Graf, Rosemarie Kosche (UB Duisburg-Essen), Alice Rabeler (ULB Bonn) und Viola Voß (ULB Münster) sowie dem ZBIW, fand im CJD Tagungs- und Gästehaus in Bonn statt.

Es zeigte sich erneut: Fachreferent*innen sind auf lokaler Ebene in der Regel mit spezifischen Anforderungen konfrontiert, teilen aber gemeinsame Fragestellungen: Wie erkenne ich Bedarfe aus Forschung und Lehre? Wie kann ich meine Fachreferatsarbeit nutzer*innenorientiert und forschungsnah ausrichten? Wie kann ich für aktuelle Themenfelder wie Data Literacy oder den Einsatz künstlicher Intelligenz in der wissenschaftlichen Arbeit vor Ort konkrete Angebote entwickeln?

Der Austausch war in drei Blöcke zu den Themenbereichen Bestandsentwicklung, Forschungsunterstützung und Kompetenzen unterteilt; ein Besuch der neuen Fachbibliothek Philologien der ULB Bonn rundete das Programm in Richtung Bibliotheksmanagement ab.

Bestandsentwicklung: Aktuelle Herausforderungen für die Literaturversorgung durch eBook- und eJournal-Pakete

Der erste Themenblock widmete sich den Neuerungen im Bereich Bestandsaufbau – in der Vergangenheit eine klassische Domäne der Fachreferent*innen, aber wie entwickelt sie sich im „digitalen Zeitalter“?

Mario Kowalak (FU Berlin) skizzierte einleitend die Auswirkungen, die die Zunahme maschinengestützter Verfahren im Bestandsaufbau auf die Tätigkeiten im Fachreferat hat. „Digital ausgerichtete, nutzungszentrierte, evidenzbasierte und massenorientierte Erwerbungsmethoden sind gekommen, um zu bleiben“, so lautete Kowalaks Kernthese.

Diese Erwerbungsmodelle orientierten sich stark am aktuellen Bedarf. Bei großen Paketen und Lizenzverträgen finde meist keine Auswahl von Einzeltiteln mehr statt, und aufgrund des hohen Kostenvolumens würden sie häufig aus zentralen Mitteln finanziert. Die digitalen Erwerbungsverfahren entlasteten die Fachreferate also finanziell, aber auch zeitlich. Das böte die Chance zur Vertiefung bestehender oder Wahrnehmung neuer Aufgabenfelder, beispielsweise im Bereich der Personalführung oder der Leitung von Stabsstellen und Projekten im Bereich Open Science.

Die Digitalisierung verändere auch die verbale Inhaltserschließung als weiterer Kernbereich des Fachreferats. Viele eBook-Pakete werden bereits mit Metadaten geliefert, die Schlagwörter enthalten. Die Qualität der Metadaten variiert allerdings stark und erfüllt manchmal nicht die gewohnten Erwartungen. Wenn noch intellektuell erschlossen wird, betrifft dies eher spezialisierte Bestände, beispielsweise Pflichttitel aus dem Bereich der grauen Literatur oder aus FIDs. Diese Sacherschliessung fließt in spezialisierte Bibliographien mit einem hohen Standard für Metadaten ein, was sie besonders wertvoll macht.

Im anschließenden Worldcafé stand das Thema Kommunikation zwischen Fachreferat und Wissenschaftler*innen im Vordergrund. Für die Nutzenden sind unterschiedliche DRM-Bedingungen, Nutzungsoberflächen und Laufzeiten von Paketen oft unverständlich. Fachbereiche wissen oft wenig über die Kosten, die für digitale Angebote anfallen. Die „Big Deals“ begünstigen große Verlage, große Sprachen und finanzstarke Fächer. Besonders wichtig war aus Sicht der Teilnehmenden, dass Fachreferat und Institute intensiv über mögliche Bedarfe kommunizieren. Aufgrund der Unübersichtlichkeit des digitalen Literaturmarkts kommt den Fachreferent*innen weiterhin eine starke Rolle im Bereich der Vermittlung zu. Sie kennen Angebote und Bedarf und können dank ihrer Expertise Lücken im digitalen Bestandsaufbau gezielt erkennen und füllen. Sie helfen den Nutzenden, den Überblick über die verschiedenen Angebote der Bibliothek zu behalten und sie sinnvoll zu nutzen.

In der abschließenden Diskussion zur Zukunft des Fachreferats wurde neben der Sorge um dessen Bedeutungsverlust durch das Obsoletwerden zahlreicher Kernaufgaben auch die Sorge um Monopolisierungstendenzen im Verlagswesen laut. Daher sollten Erwerbungsentscheidungen, die etwa auf Landesebene oder durch die Politik getroffen werden, mehr mit den Bibliotheken abgestimmt werden. Um etwa Open-Access-Modelle fördern zu können, müssten diese Ansätze stärker im Bereich der Forschungsförderung verankert sein.

Verbundforschung: Forschungsinfrastruktur-Bedarfe erkennen und lösen

Im zweiten Teil der Veranstaltung galt es, den Blick aus einer einzelnen Einrichtung „herauszuzoomen“ und sich mit Anforderungen und Problemen zu beschäftigen, die auftreten können, wenn Forschungsprojekte temporär an mehreren Fachbereichen einer Hochschule oder an mehreren Hochschulen verortet sind.

In einem ersten Impulsbeitrag stellte Jeannine Bischoff vom Exzellenzcluster „Bonn Center for Dependency & Slavery Studies“ (BCDSS)1 „infrastrukturelle Herausforderungen von Exzellenz“ vor, die sich aus der Interdisziplinarität des Forschungsthemas, den multinationalen Partnern und weiteren Umständen im Cluster ergeben.

Die Wissenschaftler*innen im von 2019 bis 2025 geförderten Cluster beschäftigen sich aus inter- und transdisziplinären Perspektiven mit sozialen Abhängigkeitsverhältnissen über Epochen und Regionen hinweg. An der Forschung und den beiden Masterstudiengängen, die am Cluster absolviert werden können, sind 43 Disziplinen aus vier Fakultäten der Universität Bonn beteiligt.

Während der Literaturbedarf über gedruckte Bücher mit Mitteln aus dem Cluster, der Bearbeitung durch Mitarbeiter*innen der ULB Bonn und der Aufstellung der Bestände in der ULB relativ pro­blemlos gemeinsam gedeckt werden kann, verlangt die sogenannte „Library of Ancient Slavery“ (LAS)2 besondere Überlegungen und Absprachen: Die rund 3.500 Titel wurden während eines Projekts der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz 1977–2012 zusammengestellt; die Akademie hat sie nun dem Bonner Cluster als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Dieser Bibliotheksbestand gilt als weltweit bestsortierte Sammlung zum Thema Antike Sklaverei, ist aber bislang nicht vollständig erschlossen. Die vorhandenen Metadaten können aus juristischen Gründen nicht in den Katalog der ULB Bonn eingespielt werden, weil es sich nur um eine Leihgabe und keinen dauerhaften Bestand handelt; zudem wäre für die Einspielung eine Neukatalogisierung der Werke notwendig gewesen. Daher erfolgt die Erschließung über Zotero; in dieser Bibliografie können dann auch die aus Cluster-Mitteln beschafften Titel notiert werden, die thematisch in die LAS-Sammlung passen, aus finanziellen und rechtlichen Gründen aber nicht physisch integriert werden können.3

Aus dieser „Gemengelage“ ergeben sich mehrere Herausforderungen in der bibliothekarischen Betreuung des Clusters. Den größten Bereich macht die Medienbeschaffung aus, die mit der Frage beginnt, welche Fachreferate an der ULB eigentlich zuständig sind, was aufgrund der Diversität der Sprachen und Disziplinen so gelöst wurde, dass die Aufgabe des Bestandsaufbaus ins Cluster gegeben wurde und die ULB sich um die Abwicklung der Anschaffungsvorschläge kümmert. Einige Titel sind z.B. aufgrund von Alter und Veröffentlichungsort nur schwer zu beschaffen, und oft ergibt sich Erläuterungs- und Diskussionsbedarf zur Bereitstellungsart gedruckt vs. elektronisch vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit, der Kosten, der Nutzungspräferenzen und -möglichkeiten (auf dem Campus ist der elektronische Zugriff kein Problem, aber manchmal führen Forschungsreisen in Gebiete, in denen kein VPN genutzt werden kann) und dem Wissen der Wissenschaftler*innen um Beschaffungs- und Bereitstellungswege. Noch zu entscheiden ist, was mit den Beständen nach dem Laufzeitende des Clusters passiert: Können sie einfach durch die ULB Bonn übernommen werden? Bis dahin ist u.a. zu berücksichtigen, dass das Cluster seine Fördermittel nicht für laufende Verpflichtungen wie Zeitschriftenabonnements einsetzen kann; hier springt die ULB ggf. mit ihren Fachetats ein. Sie kümmert sich zudem um die Digitalisierung spezieller Bestände wie Mikrofilme.

Die Klärung dieser und vieler weiterer Fragen und Bedürfnisse aus dem Cluster und dabei das Zusammenbringen unterschiedlicher Erwartungshaltungen und Wissensstände bedarf häufiger Kommunikation mit der Bibliothek, führt aber auch zu intensivem Austausch und auf Seiten der Wissenschaftler*innen immer wieder zu der schönen Erkenntnis: „Ach, das kann die ULB alles?!“

Im zweiten Beitrag gab Julia Mariko Jacoby vom Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“ Einblicke in ein an mehreren Universitäten – Duisburg-Essen, Münster und Bochum – verortetes Forschungsprojekt.4 Ziel der ersten Förderphase 2021–2024 ist die Erarbeitung eines Antrags für einen Transregio-Sonderforschungsbereich, der 2025 starten soll.

Während es für einige Infrastrukturprobleme, die die Verteilung über mehrere Standorte mit sich bringt, relativ einfache Tools wie Sciebo5 für die Dateiablage oder Citavi für die Dokumentation des Forschungsstandes gibt, gibt es andere Probleme, die nur schwer oder auch gar nicht gelöst werden können: Für eBooks gibt es keine campus-übergreifenden Lizenzen, und es gibt auch keine Möglichkeit, Forschende als Nutzer*innen digitaler Medien an den jeweils anderen Standorten zu registrieren.6 Der im Antrag des Forschungsverbundes gefasste Vorsatz, eine „digitale Bibliothek“ einzurichten, die universitätsübergreifend allen Mitgliedern des Profils Zugang gewährt, ist daher kaum umzusetzen. Daher werden gedruckte Bücher gekauft und in Duisburg-Essen in einem Projektbüro als Handapparat mit einem informellen Ausleihverfahren aufgestellt, wobei die Vorgabe beachtet werden muss, dass das Projekt-Literaturbudget nicht für „Grundbedarf“ verausgabt werden darf. Was beschafft werden darf und kann, wird als Verbrauchsmaterial erworben und ist daher nicht in den Katalogen der Bibliotheken der beteiligten Hochschulen nachgewiesen. Der Weg über Citavi für eine zentrale Bibliographie mit Bestandsnachweisen ist hier ein recht gut funktionierender Workaround; schwierig ist aber z.B. das Nachhalten von an den drei Bibliotheken nur temporär lizenzierten eBooks, um sie ggf. bei Bedarf nach Lizenzablauf der eBook-Pakete in gedruckter Form nachzukaufen.

Im Laufe der bisherigen Projektlaufzeit haben sich somit einige Desiderate ergeben:

In der Diskussion waren sich die Teilnehmer*innen darin einig, dass sich Wissenschaftler*innen schon in der Antragsphase mit „ihren“ Bibliotheken beratschlagen sollten, nicht nur, wie es in letzter Zeit durchaus schon häufiger vorkommt, zu Themen wie Forschungsdatenmanagement oder Open Access, sondern auch zu Aspekten der Literaturversorgung unter den jeweiligen Rahmenbedingungen. Rund um Forschungsprojekte stellt sich ja auch die Frage, ob neben der Bibliothek vor Ort nicht auch einer der Fachinformationsdienste (FID) unterstützen könnte. Allerdings zeigen die vorgestellten Projekte in ihrer Interdisziplinarität, dass es oft nicht „den einen zuständigen FID“ gibt, sondern mehrere beteiligt werden müssten.

Zur Versorgung mit elektronischer Literatur stoßen Wissenschaftler*innen mit ihrem Wunsch nach flexibleren Lizenzen bei Bibliothekar*innen auf offene Ohren; es bleibt zu eruieren, wie hier Bibliotheken, aber auch die Wissenschaft, Fachverbände oder auch Forschungsförderer Einfluss auf die Verlage nehmen könnten.

Fachreferat & Data Literacy: geänderte Anforderungen und neue Technologien

Der dritte Themenblock widmete sich der Ausrichtung wissenschaftlicher Bibliotheken auf eine zunehmend datenintensive Wissenschaft sowie technologische Neuerungen im Bereich KI: Wie können Bibliotheken unter sich wandelnden Anforderungen Infrastruktur- und Serviceangebote bedarfsgerecht gestalten? Welche Rolle nimmt das Fachreferat hierbei ein?

Angela Hammer (ULB Darmstadt) beschrieb in ihrem Vortrag „Ein Fachreferat, zwei Laufbahnen: Ein Erfahrungsbericht der ULB Darmstadt zur Neuorganisation des Fachreferats“ eine umfassende, strategisch-organisatorische Neuausrichtung der Fachreferate an der ULB. Es ist eine systematische Erweiterung des Aufgabenportfolios vorgesehen: Fachreferent*innen sollen künftig ‒ ähnlich wie eingangs von Mario Kowalak mit dem Begriff des „Liaison Librarian“ umschrieben ‒ verstärkt folgende Funktionen übernehmen: Mitarbeit am Aufbau forschungsnaher Dienste, fallweise auch Begleitung von Forschungsprojekten und besondere Spezialisierung im Bereich Datenkuratierung. Die Betreuung ihrer Fachreferate sowie vielfältige Managementaufgaben, etwa die Leitung von Stabsstellen oder Projektkoordinationen, bleiben davon unberührt. Um Kapazitäten für die neuen Aufgabenbereiche zu schaffen, sieht die ULB eine sukzessiv erfolgende Aufgabenverlagerung zwischen Fachreferat, gehobenem und mittlerem Dienst in den Bereichen Bestandsaufbau und Erschließung vor. Dabei werden z.B. klassische Fachreferatsaufgaben wie Literaturauswahl und intellektuelle Inhaltserschließung weitgehend in den gehobenen Dienst delegiert.
Dieser Change-Prozess stellt, so Angela Hammer, die ULB intern vor Herausforderungen hinsichtlich der Akzeptanz der neuen Entwicklungen unter den Mitarbeiter*innen, des hohen Fortbildungs- und Schulungsbedarfs vieler Beteiligter und einer zunächst zusätzlichen Arbeitsbelastung durch die Neuorganisation.

Die anschließende Diskussion des Ansatzes der ULB zeigte Sympathien für diesen innovativen Schritt, aber auch Skepsis mit Blick auf die Übertragbarkeit auf andere Einrichtungen: Zunächst hat die Auslagerung von Tätigkeiten aus dem Fachreferat in den Bereich des gehobenen und mittleren Dienstes gegebenenfalls Konsequenzen hinsichtlich der personellen Eingruppierungen und Laufbahnen und muss daher mit besonderer Sorgfalt bedacht werden. Erörtert wurde zudem, inwieweit die adäquate Literaturversorgung von Forschung und Lehre als bibliothekarische Kernaufgabe sichergestellt werden kann und die Bedarfe unterschiedlicher Nutzer*innengruppen durch die Fokussierung auf weitere forschungsnahe Services nicht vernachlässigt werden.

Den Implikationen technologischer Neuerungen im Bereich KI für wissenschaftliche Bibliotheken widmete sich Johanna Gröpler (TH Wildau / VK:KIWA - Virtuelles Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz und wissenschaftliches Arbeiten) mit ihrem Vortrag „Künstliche Intelligenz im wissenschaftlichen Arbeiten“: Seit dem Release von ChatGPT im Jahr 2022 sind zahlreiche weitere Services und Tools entstanden, die wissenschaftliche Arbeitsprozesse und Aktivitäten unterstützen können - von der Themenfindung über die Literatursuche bis hin zur Textproduktion.8 Gleichzeitig entwickeln sich herkömmliche Systeme weiter: Anbieter großer Datenbanken wie Scopus, Web of Science und Dimensions werden künftig verstärkt KI einsetzen, um die Suche nach und die Analyse von wissenschaftlicher Literatur zu unterstützen.
Bibliotheken, so Johanna Gröpler, können hier eine Vermittlungsfunktion einnehmen, indem sie Tools bewerten und ggf. empfehlen und gleichzeitig das Bewusstsein für ihre Einsatzmöglichkeiten und -grenzen schärfen: So sind sie in der Lage, universitäre Vorgaben wie Zitationsrichtlinien an ihre Nutzer*innen weiterzugeben; auch können sie auf die Herausforderungen sprachverarbeitender KI-Systeme hinweisen, etwa die verwendeten Trainingsdaten, die fehlende Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und die funktionale Intransparenz vieler Tools, bisweilen auch ihre Unzuverlässigkeit. Zudem können sie Nutzer*innen hinsichtlich der Verwendung persönlicher oder rechtlich geschützter Daten in Prompts sensibilisieren und damit verbundene Datenschutz- und Urheberrechtsprobleme aufzeigen. Zuletzt ist es wichtig, auf das Potenzial von Verzerrungen in den Trainingsdaten aufmerksam zu machen, welche die Ergebnisse der Tools beeinflussen können.
Für dieses Themenfeld ist eine enge Abstimmung mit der Hochschule z.B. zu didaktischen Aspekten oder Prüfungsregularien erforderlich sowie die Bereitschaft, sich in diesen neuen Bereich eigenständig einzuarbeiten und weiterzubilden.

Führung durch die Fachbibliothek Philologien der Universität Bonn

Durch die Zusammenlegung von vier Institutsbibliotheken – Anglistik & Keltologie, Germanistik & Komparatistik & Skandinavistik, Romanistik sowie Griechische & Lateinische Philologie – ist eine Bibliothek9 im System der ULB Bonn mit rund 340.000 Bänden entstanden, die im April 2023 eröffnet wurde. Nicht nur die integrierte Aufstellung der Bestände mit ihren „mitgebrachten“ Aufstellungssystematiken stellte eine große Herausforderung bei der Einrichtung der Bibliothek dar, sondern auch das Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs, in dem die fusionierten Bestände nun untergebracht sind: Viele kleine Räume und viel Glas sorgen für eine nicht ganz einfache Orientierung und hohe Temperaturen durch Sonneneinstrahlung. Zudem verlangt die Lage der Bibliothek in der vierten Etage des „luftig-durchsichtig“ konstruierten Hauses Besucher*innen mit Höhenangst etwas Mut und die Nutzung des innenliegenden Treppenhauses statt der gläsernen Aufzüge ab.

Hat man es aber in die Bibliothek geschafft, wird man von schlicht-schönen weißen Regalen und einer farbenfrohen und abwechslungsreichen Bestuhlung in lichtdurchfluteten Räumen begrüßt. Das Auffinden gesuchter Bestände geht mithilfe eines Lageplans recht zügig; die unterschiedlichen Signaturengruppen und ihre genauen Standorte sind in einem Flyer erläutert. Die Systematiken der „Quellbibliotheken“ werden nach und nach auf die Regensburger Verbundklassifikation umgestellt.

Besonderes Interesse riefen die Tische hervor, die in den Gruppenräumen zum Einsatz kommen: Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Form können sie zu verschiedenen Kombinationen für unterschiedliche Gruppengrößen zusammengestellt werden (vgl. Abbildung 1).10

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Abb. 1: Die „Fünfecktische“ in den Gruppenräumen der Bonner Bibliothek

Fazit

Insgesamt bot der Erfahrungsaustausch nicht nur aktuelle Einblicke in die wissenschaftliche und bibliothekarische Praxis, sondern ermöglichte auch wichtige Einsichten und Diskussionen zum Profil des Fachreferats selbst.

Die Ausdifferenzierung der Zuständigkeitsbereiche im Fachreferat hat starke Auswirkungen auf dieses Profil: Das Aufgaben-Portfolio wird zunehmend ortsspezifisch, viele Einrichtungen setzen unterschiedliche Schwerpunkte. In der Diskussion um nicht mehr, immer noch und zukünftig relevante Aufgaben im Fachreferat zeigte sich mit Blick auf große eBook-Pakete und das „Darmstädter Modell“, dass das lange Zeit als „kleinster gemeinsamer Nenner“ geltende Duo aus Literaturauswahl und Inhaltserschließung offenbar langsam zerfällt und damit die Debatte um das Berufsbild „Fachreferent*in“ eine neue Facette erhält.

Zunächst ist festzuhalten, dass in den Fachreferaten eine deutliche Schwerpunktsetzung in Bereichen der Personalführung und Projektverwaltung stattfindet. Aufgrund wachsender Abteilungen und mehr Verantwortlichkeiten in den vergangenen Jahren hat sich das Profil ausgehend vom Spezialisten für fachspezifische Erwerbung und Inhaltserschließung zunehmend in Richtung eines professionalisierten „middle management“ verschoben.

Darüber hinaus wird deutlich, dass der Überblick über die vielfältige Landschaft digitaler Ressourcen und ihrer Lizenzmodelle im Fachreferat besonders wichtig ist: Nach wie vor sind Fachreferate mit ihrem Wissen um die Bedarfe in den von ihnen betreuten Instituten zentral für die Entwicklung einer abgestimmten Erwerbungsstrategie. Die Schnittstellenfunktion des Fachreferats, wie sie mit dem Begriff des Liaison Librarian umschrieben wird, könnte in diesem klassischen, aber auch in den neuen Aufgabenbereichen gestärkt werden. Methoden der Bedarfsermittlung spielen in diesem Fall eine zunehmend wichtige Rolle: Die Erfahrungsberichte aus der Verbundforschung erinnerten an die Wichtigkeit der Kompetenzen „Bedürfnisse ermitteln“ und „passende Lösungen finden“, die nicht denkbar sind ohne breites Wissen über die Heterogenität aktueller Medienarten und ihrer Beschaffungswege und die Fähigkeit, (nicht nur) dazu mit unterschiedlichen Nutzer*innengruppen zu kommunizieren.

Gleichzeitig müssen nicht alle Anforderungen vom Fachreferat selbst bedient werden; oft ist es effektiver, spezialisierte Anfragen an kompetente Stellen weiterzuleiten bzw. in Zusammenarbeit mit diesen Lösungen zu entwickeln. Inwieweit (und v.a. welche) zusätzliche Fachkompetenzen wie z.B. Datenkuratierung Aufgaben des Fachreferats sind, hängt zudem nicht allein von Desideraten in der Wissenschaft ab – die Umsetzbarkeit einer solchen Spezialisierung variiert von Ort zu Ort. Eine klare Formulierung der Anforderungen und der möglichen Services ist für das Erwartungsmanagement auf Seiten der Wissenschaftler*innen und auch innerhalb der Bibliothek grundlegend. Auch können bibliotheksübergreifende Netzwerke gerade bei spezifischen Anforderungen von Vorteil sein.

Der rege Austausch der Teilnehmer*innen untereinander geht hoffentlich auch in der Zeit bis zur nächsten Veranstaltung dieser Reihe weiter. Sie ist für das Frühjahr 2025 in Bergisch Gladbach geplant.

Elena Luz, TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek, https://orcid.org/0009-0000-6050-9122

Jeanine Tuschling-Langewand, Universitäts- und Landesbibliothek Münster, https://orcid.org/0000-0001-6701-6638

Viola Voß, Universitäts- und Landesbibliothek Münster, https://orcid.org/0000-0003-3056-407X

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/6002

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Website des Clusters: https://www.dependency.uni-bonn.de/, Stand: 30.10.2023.

2 Website der Sammlung: https://www.dependency.uni-bonn.de/en/research/bcdss-library/bcdss-library-ancient-slavery, Stand: 30.10.2023.

3 „Bibliographie zur Antiken Sklaverei Online“, https://dbis.ur.de/dbinfo/detail.php?tid=0&titel_id=102042, Stand 4.12.2023. Die Wahl von Zotero statt z.B. Citavi, das an der Universität Bonn auch verfügbar gewesen wäre, erfolgte aufgrund verschiedener technischer, funktioneller und lizenzrechtlicher Gründe.

4 Website des Forschungsverbundes und zweier der drei Standorte: https://www.uni-due.de/kompromisskulturen/forschungsverbund.php, https://www.uni-due.de/kompromisskulturen/, https://www.uni-muenster.de/Kowi/forschen/projekte/forschungsverbund-kulturen-des-kompromisses.html; Twitter-Account: https://twitter.com/KompKulturen, Stand: 31.10.2023.

5 Cloud-Datenspeicher für nordrhein-westfälische Hochschulen: https://hochschulcloud.nrw, Stand: 31.10.2023.

6 Die Universitätsallianz Ruhr (https://www.uaruhr.de) ermöglicht dies nur für Studierende.

7 Informationen zum „Blauen Leihverkehr“: https://staatsbibliothek-berlin.de/die-staatsbibliothek/abteilungen/ostasien/service-und-benutzung/bestellung-und-benutzung/blauer-leihverkehr, Stand 31.10.2023.

8 Eine kuratierte Auswahl des VK:KIWA findet sich unter https://www.vkkiwa.de/ki-ressourcen/, Stand 14.11.2023.

9 Website der Bibliothek: https://www.philfak.uni-bonn.de/de/fakultaet/einrichtungen/fachbibliothek-philologien, Stand: 31.10.2023.

10 Es handelt sich um den „Fünfecktisch“ der Firma Einrichtwerk: https://einrichtwerk.de/Produkte/Tische/Fuenfecktisch-Erwachsenbildung/, Stand 1.11.2023.