FDM-Dienste und -Infrastrukturen – Chancen nur im Verbund?

Bericht zur Podiumsdiskussion auf der BiblioCon 2023

Die Diskussion um Forschungsdatenmanagement (FDM) als Baustein eines Portfolios von forschungsnahen Diensten in wissenschaftlichen Bibliotheken ist nicht neu. Auf der BiblioCon 2023 wurde der Diskurs über die Rolle der Bibliotheken im FDM nun unter dem Titel „FDM-Dienste und -Infrastrukturen – Chancen nur im Verbund?“ mit besonderem Blick auf die Bedeutung und Möglichkeiten kooperativer Angebote fortgeführt.1 Dabei diskutierten Jens Dierkes, stellvertretender Dezernent Innovation und Entwicklung an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Jörg Lorenz, stellvertretender Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek Münster und Stabsreferatsleiter Wissenschaft und Innovation, Robert Strötgen, Direktor der Universitätsbibliothek Braunschweig, und Stephanie Rehwald, Leiterin der Landesinitiative für Forschungsdatenmanagement – fdm.nrw. Matthias Fingerhuth, ebenfalls von der Landesinitiative fdm.nrw, leitete die Diskussion, bei der differenziert auf die verschiedenen Dimensionen, in denen sich Kooperationsmöglichkeiten für Bibliotheken im Handlungsfeld FDM bieten, eingegangen wurde. Allen Beteiligten sei für die angeregte Diskussion gedankt!

Der gut gefüllte Saal zeigte, dass die Frage nach kooperativen Ansätzen gegenwärtig als relevant empfunden wird. Eine Blitzumfrage via Handzeichen vor Beginn der Diskussion verdeutlichte, dass bereits an vielen der Heimatinstitutionen FDM-Dienste angeboten werden. Die Folgefrage, ob diese Einrichtungen bereits bestehende oder geplante Kooperationen für ihre Angebote zu FDM haben, führte dagegen zu weit weniger Handzeichen. Ohne Anspruch auf Repräsentativität wurde hier jedoch auch trotz der positiven Meldungen deutlich, dass noch lange nicht alle wissenschaftlichen Bibliotheken sich im Bereich FDM substantiell aufgestellt und profiliert haben und die vorhandenen Dienste noch längst nicht flächendeckend kooperativ gedacht werden.

Der Titel der Diskussion beinhaltet die These, dass Kooperationen im Bereich der FDM-Dienste vorrangig in einrichtungsübergreifenden Strukturen zu suchen seien. Dieser Aspekt wurde in der Diskussion ausführlich erkundet, darüber hinaus aber auf die komplexere Gemengelage im Handlungsfeld Forschungsdaten ausgeweitet. So finden Aktivitäten zum Aufbau von FDM-Diensten und -Infrastrukturen sowohl mit der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) auf Bundesebene als auch auf Ebene der Länder und schließlich auch an den Standorten statt. Eine übergreifende Koordination dieser Aktivitäten besteht bisher nicht, so dass sie zurzeit nur punktuell ineinandergreifen. Das Panel konnte gute Beispiele dafür aufzeigen, wie Bibliotheken in dieser Situation ihre Rolle suchen. So ist die USB Köln Teil von NFDI4Health, einem NFDI-Konsortium, das personenbezogene Gesundheitsdaten fokussiert, und nimmt dort die Aufgabe wahr, als Interface des NFDI-Konsortiums zu Forschenden zu agieren. In Nordrhein-Westfalen entsteht gegenwärtig ein Landeskonzept für FDM, in dem eine Reihe von Infrastrukturen und Diensten kooperativ bereitgestellt werden sollen. Stephanie Rehwald erläuterte, dass die Nutzung der technischen Infrastrukturen entscheidend von der begleitenden Beratung abhänge. Bibliotheken komme hier eine zentrale Rolle in der Vermittlung an die Endnutzenden zu. Die Bibliotheken sähen große Chancen darin, im Rahmen des Landeskonzepts gemeinsame Angebote aufzubauen, die die Synergiepotentiale in diesem Bereich heben.

Das Beispiel der ULB Münster zeigt aber auch, dass die Rolle der Bibliotheken deutlich über eine reine Vermittlerrolle hinausgehen kann. Dort agiert die Bibliothek als ein Anbieter und Entwickler von FDM-Anwendungen, die den Forschenden in enger Zusammenarbeit mit dem dortigen Rechenzentrum bereitgestellt werden. Der in Münster verfolgte Ansatz basiert auf der Nutzung von Cloud-Technologie, die sich im Umfeld privatwirtschaftlicher Unternehmen bereits in vielen Bereichen durchgesetzt hat. Diesem Ansatz zugrunde liegt ein klares Modell der Aufgabenteilung und Verantwortlichkeitsübereinkunft, in der Bibliothek und Rechenzentrum unterschiedliche Rollen in der Bereitstellung digitaler Dienste übernehmen. Damit zeigt es deutlich, dass es auch im Bereich der standortinternen Zusammenarbeit zwischen zentralen Einrichtungen möglich ist, neue Formen der Zusammenarbeit zu leben. Dieser Ansatz bleibt jedoch in seinen Möglichkeiten nicht auf die lokale Dimension beschränkt. Denn mit ihm verbunden ist – wie Jörg Lorenz erläuterte – eine Vision, wie sich auf diesem Wege standortübergreifend Dienste für Forschende gestalten lassen. Die Cloud-Technologie schafft einen übergreifend kompatiblen Betriebsrahmen für die Bereitstellung von FDM-Anwendungen. Analog zum Softwareshop bei kommerziellen Anbietern, in dem Kunden Software automatisiert bereitgestellt bekommen, könnten FDM-Anwendungen in Zukunft auf vergleichbarem Weg von Forschenden bezogen werden. Bibliotheken könnten sich gemeinschaftlich und in gegenseitiger Absprache an der Entwicklung der Software beteiligen und Forschenden so gemeinsam ein breites Portfolio von Anwendungen zur Verfügung stellen. Dies würde, so betonte Jörg Lorenz, gegenüber dem gegenwärtigen Zustand, in der sich Forschende Infrastrukturkomponenten oft mühevoll zusammensuchen müssen, eine wesentliche Verbesserung darstellen. Hier zeigt die Zusammenarbeit in verschiedenen Formen einen Lösungsweg für die Herausforderungen in der Bereitstellung von IT-Infrastrukturen auf. Doch eine solche neue Rolle als Hauptverantwortliche in einem IT-Gebiet und die Einbindung in Forschungsaktivitäten sind für Hochschulbibliotheken neu, ordnete Robert Strötgen ein, so dass es dahingehend interner Aushandlungsprozesse bedürfe. Jens Dierkes zeichnete an dieser Stelle die stärkere Mitarbeit in Forschungsprojekten auf Augenhöhe mit den Forschenden als einen möglichen Weg auf, sich in dieser Rolle zu bestimmen.

Die Frage nach den Kooperationsmöglichkeiten wies an diesem Punkt darauf hin, dass in manchen Fällen noch eine individuelle Standortbestimmung zur Rolle der Bibliothek als IT-Anbieter und an Forschungsprojekten beteiligte Einrichtung aussteht. Dessen ungeachtet gibt es bereits Beispiele für Bibliothekskooperationen zu FDM-Diensten. So verwies Robert Strötgen auf die Zusammenarbeit der TU9-Bibliotheken in der Weiterbildung zu FDM. Auf strategischer Ebene können unterschiedliche Bedarfslagen bei Forschenden aber auch zu Spannungen zwischen individuellen Standortinteressen und den Zielen der Gemeinschaft führen. Jens Dierkes betonte, dass rein kooperative Entwicklungen trotz möglicher Arbeitsteilung die Erfüllung spezifischer Anforderungen auch einschränken können. Diese ausdifferenzierten Bedarfe entstehen gleichzeitig womöglich gerade bei exponierten Akteuren wie Sonderforschungsbereichen oder Exzellenzclustern. Es gilt also eine Gratwanderung zwischen breit anwendbaren und spezialisierten Diensten zu leisten und mit den vorhandenen Ressourcen zu haushalten. Gleichzeitig versprechen Kooperationen gerade in dieser Hinsicht Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Herausforderungen, z.B. hinsichtlich des gegenwärtigen Mangels an qualifiziertem Personal.

Abseits der standortinternen und -übergreifenden Kooperationen findet eine dritte Dimension der Zusammenarbeit im Kontext von Open Science statt: FDM, erläuterte Jörg Lorenz, solle den Schulterschluss mit anderen Themen wie Open Access und Open Source suchen und die Wertediskussion über Offenheit in der Wissenschaft nicht alleine führen. Bibliotheken, ergänzte Robert Strötgen, können in diesem Zusammenhang die Aufgabe übernehmen, die Diskussion in Einrichtungen hereinzutragen, sich um den Prozess der Aushandlung zu kümmern und so als Makler für die nötigen Dienste auftreten. Dazu gehört es jedoch auch, ggf. Dinge aus der Hand zu geben, denn, so der übereinstimmende Tenor der Diskussion, die Möglichkeiten einzelner Einrichtungen sind endlich und unter Umständen schnell erreicht. Dabei gilt es, gab Stephanie Rehwald zu bedenken, noch grundlegende Dinge gerade in Bezug auf die infrastrukturellen Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Open Science zu klären. Lässt sich offene Wissenschaft auf Systemen kommerzieller Anbieter umsetzen oder ist Autonomie auch hinsichtlich der Hardware eine Grundvoraussetzung für ihr Gelingen? Auch wenn Bibliotheken kaum allein die Antwort auf diese Frage geben können, sollten sie zumindest den entsprechenden Diskurs anregen.

Das Publikum knüpfte im Anschluss mit weiteren Impulsen an die Diskussion an. Mit Verwunderung wurde wahrgenommen, dass die Unterhaltung weitgehend ohne eine Erwähnung der NFDI ausgekommen war. Stephanie Rehwald antwortete darauf, dass die NFDI bei den Überlegungen durchaus mitgedacht werde und einen Orientierungspunkt darstelle, gleichzeitig aber auch die Lücke der fehlenden Infrastruktur Realität sei, die – auch von Bibliotheken – gefüllt werden müsse. Robert Strötgen entgegnete weiter, dass der NFDI bislang in weiten Teilen klare Strukturen und ein unmittelbares Portfolio an Diensten noch fehlen. Jens Dierkes ergänzte, dass das Einbringen von Ideen in die NFDI als nicht an einem Konsortium beteiligte Einrichtung aus der gegenwärtigen Perspektive noch durchaus mühsam erscheine.

Auch nach der Rolle der Bibliotheksverbünde wurde an dieser Stelle gefragt. In ihren Antworten betonten Jörg Lorenz und Robert Strötgen die Aufgaben im Bereich der Sicherung von Daten und hinsichtlich der Einbringung der Kompetenzen im Bereich der Metadaten. Dies werde beispielsweise in NRW durch die Einbindung des Hochschulbibliothekszentrums (hbz) in die Strukturen der DH.NRW – einer hochschulübergreifenden Kooperationsplattform, in der auch die Landesinitiative fdm.nrw verortet ist – bereits praktisch verfolgt.

Aus dem Publikum wurde auch die Frage nach einem möglichen Beitrag der Bibliotheken zur Qualitätssicherung von Forschungsdaten eingebracht. Jörg Lorenz wies darauf hin, dass sich z.B. über die Verknüpfung mit Normdaten wie der Gemeinsamen Normdatei (GND) durchaus Möglichkeiten böten, bestehende Strukturen und Expertise in den Bereich Forschungsdaten einzubringen. Auf der anderen Seite wies Robert Strötgen darauf hin, dass bibliothekarische Metadaten in Bezug auf Forschungsdaten schnell an ihre Grenzen stoßen und die Entwicklung fachspezifischer Standards in den Aufgabenbereich der NFDI falle. Stephanie Rehwald erwiderte weiter, dass gerade an dieser Stelle vielversprechende Chancen für den Aufbau kooperativer Strukturen lägen. In Nordrhein-Westfalen seien es abermals die Bibliotheken, die den Gedanken eines Netzwerks zur Kuratierung von Forschungsdaten im Sinne der Qualitätssicherung vorbringen und verfolgen.

Eine weitere Publikumsfrage zielte darauf ab, ob auch kleinere Bibliotheken von Kooperationen profitieren können. Gerade für kleinere Standorte, so führte Jörg Lorenz aus, würden kooperative Strukturen und der Einsatz von Clouddiensten einen Mehrwert bedeuten. Stephanie Rehwald stimmte dem zu und sprach davon, dass insbesondere kleinere Standorte regelrecht abhängig davon seien, auch externe Dienste mitzunutzen. Zugleich betonte sie die Bedeutung, sich aktiv am übergreifenden Diskurs zu beteiligen und die individuellen Bedarfe artikulieren zu können. Auch Robert Strötgen stellte die Bedeutung heraus, ein Mindestmaß an Kompetenzen selbst aufzubauen.

Auf die Frage, wie strategisches Handeln angesichts der hohen Dynamik der Entwicklungen im Bereich FDM ausgerichtet werden könne, verwies Robert Strötgen auf die Wichtigkeit von Pilotprojekten, um Technologien und Praktiken auszuprobieren. Dazu gehöre auch der Mut zum Scheitern. Jens Dierkes regte ein Mindset hin zu agilem Handeln an. Es gebe jedoch auch ein Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit, sowohl Fragen der Nachhaltigkeit von Projekten zu klären als auch Entscheidungen über das Beenden von Diensten treffen zu müssen. Die Entwicklung von Exit-Strategien könne helfen, diesen Konflikt zu navigieren.

Schließlich wurde noch die Frage nach der internationalen Dimension von Kooperationen aufgeworfen. Stephanie Rehwald erläuterte, dass es grundsätzlich aktuell wenig Spielraum gebe, sich außerhalb der durch die von der Finanzierung durch Länder oder Bund gesetzten Grenzen zu bewegen. Aber gerade auf europäischer Ebene biete die European Open Science Cloud einen Rahmen für internationale Zusammenarbeit. Auch im Bereich der Qualifizierung zu FDM gibt es bereits Beispiele für grenzüberschreitende Kooperationen. Ein Kommentar aus dem Publikum nahm die Problematik der Grenzen auf und verwies auf die NFDI als ein erfolgreiches Beispiel für die Überwindung vermeintlicher Ländergrenzen. Doch dies zu schaffen, sei eine Gestaltungsaufgabe und kein Selbstläufer. Die Lösung müsse deshalb lauten: „Frage nicht, was die NFDI für dich tun kann, frage, was du für die NFDI tun kannst.“ Bibliotheken, die noch kein Selbstverständnis zu ihrer Rolle in Bezug auf Forschungsdaten entwickelt haben, könnten dieses mit Blick auf die NFDI als stabiler Größe verfolgen.

Zum Abschluss wurde das Panel nach Aktionsmöglichkeiten gefragt, die sie handlungswilligen Einrichtungen mitgeben könnten. Jörg Lorenz regte an, sich hinsichtlich der eingesetzten Technik zu entwickeln und die Nutzung von Clouddiensten als Chance zu verstehen. Stephanie Rehwald setzte den Fokus darauf, Netzwerke zu bilden und die Teilhabe am Handlungsfeld FDM voranzutreiben. Jens Dierkes betonte die Bedeutung des Ausbaus von Schulungsangeboten. Robert Strötgen schlug vor, sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen, um die Stärken in Kooperationen einzubringen und bei Schwächen Hilfe anzunehmen.

Damit wurden in der Podiumsdiskussion verschiedene Handlungsmöglichkeiten für Bibliotheken im Feld des FDM beschrieben und ein markiger Appell formuliert, sich aus den Bibliotheken heraus in der NFDI zu engagieren. Bibliotheken können – wie in der Diskussion deutlich wurde – wesentlich dazu beitragen, einen anderen Umgang mit Forschungsdaten zu vermitteln, sind jedoch keinesfalls auf diese Rolle beschränkt, sondern können auch selbst als Anbieter von Forschungsdateninfrastrukturen und -diensten auftreten. In beiden Bereichen versprechen Kooperationen einen wesentlichen Mehrwert, auch wenn sie nicht immer ohne Interessenkonflikte gehoben werden können. Die Landesebene rückt dabei in der Diskussion wiederholt als ein möglicher Ankerpunkt für solche Zusammenarbeit in den Blick. Klar scheint, dass die Weichen für übergreifende Zusammenarbeit letztlich in den einzelnen Einrichtungen gestellt werden müssen, damit die Rolle der Bibliotheken im Handlungsfeld Forschungsdatenmanagement in der Breite gestärkt werden kann.

Magdalene Cyra, Landesinitiative für Forschungsdatenmanagement – fdm.nrw, https://orcid.org/0000-0001-7738-2703

Matthias Fingerhuth, Landesinitiative für Forschungsdatenmanagement – fdm.nrw, https://orcid.org/0000-0002-0248-8914

Jessica Stegemann, Landesinitiative für Forschungsdatenmanagement – fdm.nrw, https://orcid.org/0000-0002-4149-1825

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5963

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Dieser Beitrag beruht auf der Podiumsdiskussion „FDM-Dienste und -Infrastrukturen – Chancen nur im Verbund?“ am 23.05.2023 anlässlich der 111. BiblioCon in Hannover.