Biblio-Tekken – niemand kämpft für sich allein

Sabrina Ramünke, Freie Universität Berlin
Claudia Frick, Technische Hochschule Köln

Zusammenfassung

Seit Herbst 2020 gibt es die Online-Community Gamebrarians, die Menschen zusammenbringt, die einerseits eine Leidenschaft für Videospiele und andererseits einen beruflichen Bezug zu Bibliotheken haben oder anstreben. Basierend auf einer Umfrage unter den knapp 200 Mitgliedern im Frühling 2023, wird die Community mit ihren Geschichten vorgestellt und analysiert. Am Ende steht ein Fazit und die Frage, was wir als Bibliothekswelt von den Gamebrarians über Community-Building lernen können.

Summary

The online community Gamebrarians has been around since autumn 2020, bringing together people who have a passion for video games on the one hand and a professional connection to libraries on the other, or who aspire to do so. Based on a survey among the nearly 200 members in spring 2023, the community and its stories are presented and analysed. At the end, there is a conclusion and the question of what we as the library world can learn from the Gamebrarians about community building.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5951

Autorenidentifikation:
Sabrina Ramünke: ORCID: https://orcid.org/0000-0003-4091-7588,
Claudia Frick: ORCID: https://orcid.org/0000-0002-5291-4301

Schlagwörter: Online-Community, Gaming, Discord, Community Building

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1. Einleitung

Die Gamebrarians sind eine deutschsprachige Online-Community von Menschen, die in Bibliotheken arbeiten oder durch Ausbildung oder Studium darauf hinarbeiten. Was sie darüber hinaus verbindet, ist ihre Leidenschaft für Videospiele. Damit erklärt sich auch das “Biblio-Tekken” im Titel, da “Tekken” eine Kampf-Videospielreihe ist und sich zusammen mit dem Präfix “Biblio” fast wie “Bibliotheken” ausspricht und anhört.1 Der Name Gamebrarians setzt sich hingegen aus dem englischen Wort für Spiel (Game) und dem für Bibliotheksmenschen (Librarians) zusammen.

Entstanden sind die Gamebrarians im Rahmen des BibCamp Ende 2020 und sind seitdem stetig gewachsen, wie bereits eine erste Umfrage unter den Mitgliedern von Anfang 2021 zeigte.2 Aus den ursprünglich 7 Interessierten sind mittlerweile 187 Mitglieder geworden.3 Aufbauend auf der ersten Umfrage erfolgte im Frühjahr 2023 eine erneute Umfrage, die in Auswahl auf der 111. BiblioCon vorgestellt wurde.4 Dieser Beitrag beleuchtet nun detaillierter das erfolgreiche Community-Building der Gamebrarians, basierend auf den Umfrageergebnissen, und kombiniert sie im Anschluss mit einem theoretischen Rahmen, um daraus ein vollständiges Bild zu zeichnen.

2. Discord

Ein wichtiger Aspekt bei der folgenden Betrachtung ist die Plattform Discord, auf der die Gamebrarians ihren eigenen Online-Community-Space pflegen und beleben. Auch wenn soziale Netzwerke und ihre Plattformen lediglich die Tools sind und das Community-Building hauptsächlich davon abhängt, wie die Mitglieder der Community sie einsetzen,5 sind sie dennoch prägend und geben einen Rahmen für die Ausgestaltung.6

Discord erlaubt das Einrichten einzelner Community-Spaces in Form von Servern.7 Jede Person kann einen solchen Server anlegen und andere einladen, beizutreten und Mitglied zu werden. Sie sind digitale Orte, in denen man sieht, welche Mitglieder gerade online sind, in Textkanälen miteinander schreiben und in Sprachkanälen miteinander sprechen (Voicecalls) sowie sich sehen (Videocalls) kann.8 Die Textkanäle erlauben neben dem Senden von Text auch das Senden von Emojis, Stickern,9 GIFs,10 Videos, Bildern und Sprachnachrichten. Die Sprachkanäle ermöglichen neben dem Sprechen auch das Einschalten der Kamera, die Bildschirmübertragung, das Abspielen von Sounds, das gemeinschaftliche Ansehen von Videos oder das Spielen eingebauter Minigames. Was davon auf einem Server möglich ist, welche und wie viele Kanäle es gibt, wie sie heißen, was darin passiert, wie sie gruppiert sind, das gestaltet die Community. Dieser Prozess ist fortlaufend, und Server wandeln sich mit ihren Communities mit.

Ein Server gehört nach dem Erstellen zunächst der Person, die ihn erstellt hat. Diese kann ihre Rolle und Verantwortung jedoch teilen und Mitgliedern und Gruppen aus der Community Rechte und Rollen einräumen, die ihnen mehr oder weniger die Mitgestaltung erlauben. Wie Communities diese Rollen und Rechte ausgestalten, ist so divers wie das Community-Spektrum auf Discord selbst und jeder Community selbst überlassen. Ein gewisses Maß an Moderation11 ist jedoch ratsam, um die Sicherheit der Mitglieder, z.B. vor Trollen12 und ihrem Trolling13 sowie Spam, zu gewährleisten, und je nach Art des Servers sogar notwendig.14 Letztendlich spiegelt ein Server, wie jeder andere Community-Space, die Struktur seiner Community wider.

3. Mitgliederstruktur und Community-Leben der Gamebrarians

Für den Vortrag auf der 111. BiblioCon in Hannover wurde eine Online-Umfrage unter den Gamebrarians durchgeführt. Diese lief vom 17. März bis zum 07. April 2023 und insgesamt 49 Mitglieder haben daran teilgenommen. Die Beteiligung an der Umfrage belief sich damit auf 28%, da die Gamebrarians insgesamt 174 Mitglieder in diesem Zeitraum hatten. Die Umfrage bestand aus 11 Fragen. Darunter waren fünf qualitative Freitextfragen, vier baten um demographische Angaben, und zwei reflektierten die Interaktionen zwischen den Mitgliedern.

Mitgliederstruktur

Zur Mitgliederstruktur lässt sich festhalten, dass unter den Antwortenden die größte Gruppe ihren aktuellen Job mit Bibliothekar*in und die zweitgrößte Gruppe mit FaMI selbst beschreibt (Abbildung 1). Die Altersverteilung deckt das gesamte Spektrum ab mit einem klaren Maximum zwischen 31 und 35 Jahren (Abbildung 2). Die Verteilung auf Einrichtungen ist gemischt mit dem größten Anteil aus Wissenschaftlichen Bibliotheken, direkt gefolgt von Öffentlichen Bibliotheken (Abbildung 3). Bei den höchsten Abschlüssen liegen Ausbildung, Bachelor und Master beinahe gleich auf (Abbildung 4)15.

Im Folgenden soll ein besonderer Fokus auf die Freitextantworten gelegt werden, die qualitative Einblicke in das Online-Community-Leben gewähren. Dass dieses vielfältig ist, illustriert Abbildung 5. Von den befragten Mitgliedern haben 85% bereits miteinander Videospiele gespielt, aber auch 53 % schon miteinander gearbeitet. Es finden also über ein gemeinsames Hobby Personen zusammen, die auch beruflich zusammenarbeiten wollen und können. Dieser berufliche Aspekt zieht sich wie ein roter Faden durch die Antworten der Umfrage, die in Kategorien zusammengefasst wurden.

Fachlicher Austausch

An den Antworten auf die Frage, wie der Server bereits eine Hilfe in Beruf, Studium und/oder Ausbildung war, ist deutlich zu erkennen, dass besonders der berufliche Austausch eine große Rolle spielt (Tabelle 1). Es wurden insgesamt sieben Kategorien gebildet, wobei das Spektrum von allgemeiner Motivation für Beruf, Studium und/oder Ausbildung über Vernetzung innerhalb und auch außerhalb des Servers, den Austausch auf beruflicher oder studentischer Basis, dem Ideenaustausch bis hin zur Hilfe bei Bewerbungen reicht.

Motivation

Vernetzung

Austausch Beruf

Austausch Studium

Ideenaustausch

Bewerbung

Keine Hilfe

2

11

21

6

2

5

3

Der berufliche Austausch reicht vom “Austausch über verschiedenste Fachgebiete” hin zum Wissenstausch, denn “[b]ei jeglichen Fragen kann man das Schwarmwissen der Gamebrarians anzap[f]en. Irgendjemand kennt sicher eine Antwort oder zumindest eine gute Quelle.” Ein Servermitglied hält zudem fest, dass die Antworten “direkt im beruflichen Alltag angewendet” werden können. Der berufliche Austausch geht jedoch über das einfache Stellen von Fragen und das Verstehen von Bibliotheken16 hinaus. Es geht um eine neue Art der Zusammenarbeit. So haben sich aus fachlichen Diskussionen oder dem Unterhalten über zukünftige Tagungen auch Personen für “gemeinsame Arbeitsprojekte” gefunden: Es wurden gemeinsam Publikationen geschrieben, Vorträge gehalten, Workshops durchgeführt oder man besuchte Veranstaltungen jenseits des üblichen Horizonts, weil man wusste, dass ein “Gamebrarian darin verwickelt ist” und hat “dadurch [N]eues gelernt”.

Die nach dem Austausch am häufigsten gewählte Kategorie war Vernetzung. Neben dem Aspekt “Partners in Crime”, also Menschen für alle Lebenslagen, haben die Mitglieder auch das Gefühl immer die richtigen Ansprechpartner*innen zu finden oder erleben eine sehr einfache “Vermittlung von Kontakten”. Die Gamebrarians als deutschsprachige Online-Community helfen zudem “[b]ei der Vernetzung mit Bibliotheksmenschen aus der Schweiz”. Auch der Austausch rund ums Studium wurde häufig genannt: von Interviewpartner*innen für Hausarbeiten über Unterstützung rund ums Studium bis hin zu “Co-Working-Sessions” zur Motivation beim Schreiben von Hausarbeiten lässt sich alles finden. Hilfe bei Bewerbungen ist kaum weniger wichtig. Hier gab es Unterstützung beim Formulieren von Bewerbungsschreiben und das Üben von Bewerbungsgesprächen. Darüber hinaus haben die Gespräche über Ausschreibungen auf der Seite der Ausschreibenden dazu beigetragen zu erkennen, “was Bewerbende aus Stellenausschreibungen mitnehmen/herauslesen und wie man gute Stellenausschreibungen” schreiben kann.

Der Austausch von Ideen, der auf dem Server zum Beispiel über Schulungsangebote stattfindet, wurde gleich häufig genannt wie die Motivation, die durch die Gamebrarians entsteht. Ein Servermitglied äußert sich deutlich: “[I]ch glaub[e] wenn der [S]erver nicht da wäre[,] um mich zu motivieren[,] hät[te] ich schon aufgegeben und das [S]tudium abgebrochen”. Auch wenn einigen Mitgliedern die Community bisher nicht beruflich weitergeholfen hat, hilft sie anderen dabei “den eigenen Wert der Arbeit zu erkennen”.

Gemeinsames Erleben

Die nächste Frage versuchte die Geschichten und Ereignisse zu sammeln, die in den letzten zweieinhalb Jahren bei den Gamebrarians erlebt wurden. Insgesamt konnten aus den Kommentaren acht Kategorien gewonnen werden (Tabelle 2). Die Online- und Offline-Treffen wurden zusammengenommen am häufigsten genannt.

Offline-Treffen

Online-Treffen

Zusammen spielen

Basteln für den Server

Interpersonale Beziehungen

Sonstiges

Treffen auf Fachveranstaltungen

Diskussionen

7

4

7

3

4

8

5

5

In Berlin und rund um Köln gibt es immer wieder Treffen mehrerer Gamebrarians. So wurde in Köln gebowlt (Abbildung 6) und in der Umgebung eine ”Twilight Watchparty inklusive eines an den Fernseher geklebten Schnur[r]bartes” abgehalten. In Berlin gibt es gemeinsame Irish-Pub-Abende, traditionell wird einmal im Jahr ein Mittelaltermarkt besucht, und einmal wurde das Computerspielmuseum besichtigt. Vier Antworten haben dabei noch einmal besonders die persönlichen Verbindungen erwähnt, die durch den Server und das Miteinander entstanden sind und wie aus Personen der Fachcommunity Freund*innen geworden sind.

Beim ersten gemeinsamen Bibliothekskongress in Leipzig hat sich gezeigt: [D]as Miteinander [hat] auch in der relat[i]v großen Gruppe vom Start weg funktioniert”. Die Treffen auf oder rund um Fachveranstaltungen können sowohl online als auch offline stattfinden, die Grenzen sind fließend. So wurde die BiblioCon auf dem Server diskutiert und die Gamebrarians vor Ort haben vorab online ihre Offline-Abende geplant.

Als Online-Treffen wurden die Watchparties für die Eurovision Song Contests 2022 und 2023 und die unregelmäßigen Film- und Serienabende genannt. Beim gemeinsamen Online-Spielen finden sich Gamebrarians regel- und unregelmäßig zusammen, um gemeinsame Abenteuer zu erleben. So werden in Minecraft ganze Dörfer und Eisenbahnstrecken gebaut, in Sea of Thieves die “Weltmeere unsicher” gemacht, in Grounded Insekten bekämpft, virtuell zusammen Golf It gespielt und sich in unzähligen Runden Among Us gegenseitig des Lügens bezichtigt.

In der Community wird gerne diskutiert, egal ob fachlicher Natur oder “über abstruse Dinge”. Diese Diskussionen haben auch zu den Markenzeichen Gurke, Toast und Glitzer geführt und die Versuche, die Saftigkeit von Gurken zu quantifizieren, gipfelten in “spontanen ‘wissenschaftlichen’ Vorträge[n]”, die als Videos auf dem Server geteilt wurden. Hier geht es also fließend über in das Basteln für den Server: von Emojis über Banner bis hin zur ganzen Webseite.17

Inhaltlich fielen einige Antworten auf diese Frage eher in das Themenspektrum der vorherigen Frage, wie Hilfe bei Bewerbungsschreiben oder der Medienauswahl für die eigene Bibliothek. Diese wurden unter Sonstiges subsumiert.

Die Frage „Sind durch den Server Projekte oder Verbindungen entstanden, die sonst so vielleicht nicht passiert wären?“ brachte als neue Aspekte noch die Petition zur Namensänderung zur BiblioCon formerly known as Bibliothekartag auf. Über die Gamebrarians werden also nicht nur Vorträge gehalten, sondern Gamebrarians finden sich zu diversen Themen zusammen, um Workshops zu organisieren, Publikationen zu schreiben und die Bibliothekswelt zu revolutionieren.18

4. Online-Community-Building

Wie andere Gaming-Communities, ermöglichen die Gamebrarians es Menschen Beziehungen aufzubauen, Wissen zu teilen und einen virtuellen Raum mit ihrer eigenen Community zu finden.19 Die Erkenntnis, dass Online-Kommunikation begrenzend und hinderlich, aber auch befreiend und hilfreich sein kann, ist nicht neu.20 So können Online-Spaces Barrieren abbauen, beispielsweise für marginalisierte Gruppen oder Menschen, denen durch physische Attribute Offline-Kommunikation erschwert wird.21 Physische Einflüsse werden minimiert und Gemeinsamkeiten betont.22 Gleichzeitig vertiefen sich Beziehungen, und neue Kommunikationskanäle und -formen kommen hinzu. “Often, relationships become so deep through purely computer-mediated channels that face-to-face meetings become yet another step in a continuum of relationship development.”23, 24 Auch Online-Communities basieren auf gegenseitiger Unterstützung, Informations- und Ressourcenaustausch25 und fördern die Interaktion zwischen ihren Mitgliedern, was das gegenseitige Vertrauen26 und das Engagement für die Community steigert.27

Mit Blick auf die Gamebrarians und die gesammelten Geschichten scheint all dies zuzutreffen. Setzt man die sieben Prinzipien der Zugehörigkeit28 als Analyserahmen für Communities ein, wie es bereits für andere Communities passiert ist,29 ergibt sich folgendes Bild.

1. Prinzip: Grenzen (Boundaries)

Die Grenzen einer Community definieren sich über Gemeinsamkeiten. Bei den Gamebrarians sind diese Bibliotheken und Videospiele. Zusätzlich braucht es den Schritt, dem Online-Community-Space beizutreten. Dazu kann eine Anfrage via E-Mail oder Social Media gestellt werden.

2. Prinzip: Willkommen (Initiation)

Die Ankunft eines neuen Mitglieds wird allen Mitgliedern durch einen Bot angekündigt, worauf mit Stickern reagiert wird, wobei der Tomaten-Sticker, der eigentlich ein Pfirsich ist, besonders beliebt ist. Das ist für Außenstehende und Neulinge selten nachvollziehbar, bringt aber die Mitglieder der Community zusammen. Neue Mitglieder werden gebeten sich im Kanal ‚#vorstellungs-ecke‘ kurz vorzustellen.

3. Prinzip: Rituale (Rituals)

Rituale sind Aktivitäten, die eine Gemeinschaft zusammenbringen, wie das Begrüßungsritual. Aktive Gamebrarians posten ein GIF zum guten Morgen und ein Mitglied postet ein spezielles GIF zur guten Nacht. Moderator*innen posten GIFs mit Besen oder Staubsaugern, wenn ein Kanal vom vorgegebenen Thema abweicht. Es gibt regelmäßige Spielerunden mit festen Wochentagen und Mitgliedern.

4. Prinzip: Ort (Temple)

Die Gamebrarians treffen sich online kontinuierlich auf dem Server und manchmal offline auf Konferenzen oder extra organisierten Treffen. Gerade bei Konferenzen organisieren sich die Mitglieder vorher in dafür vorgesehenen Textkanälen zu Hotels und möglichen gemeinsamen Aktivitäten. Es wird damit online ein Raum für die Community offline geschaffen. Online sind alle Kanäle des Servers bibliothekarisch in Kategorien sortiert: Willkommens-Ecke, Allgemeine-Ecke, Games-Ecke, Guck-Ecke, Off-Topic-Ecke, Fach-Ecke, Konferen-Zecke und Sprachkanäle. Seit dem 30. Juni 2023 ist der Gamebrarians-Server ein offizieller Discord-Community-Server.30

5. Prinzip: Geschichten (Stories)

Das, was die Gamebrarians von sich preisgeben und die Geschichten der Community, die sie gemeinsam schreiben,31 spiegeln gemeinsame Werte und ihr Selbstverständnis wider. Diese zu erfassen und darzustellen, war das Ziel der Umfrage im letzten Abschnitt. Die Zitate und Kategorien zeigen, wie divers das erlebte und gelebte Community-Leben ist.

6. Prinzip: Symbole (Symbols)

Symbole repräsentieren, was einer Community wichtig ist und welche Ideen und Ideale sie hat. Die Gamebrarians haben unter anderem Elmo vor Flammen, Gurken und Toast. Sie repräsentieren die Oberhand über das Chaos und beliebte Snacks, aber eigentlich sind sie Symbole für den Humor der Gamebrarians, der die Community zusammenschweißt. Wie in anderen Communities ist Humor ein wichtiges Bindeglied.32 Forschung zeigt, dass insbesondere bei asynchroner Kommunikation via Text die Bildung und Verwendung neuer Ausdrucksmittel wie Emojis und Insider-Jokes die Reflexion fördern und den Online-Community-Space in ein dynamisches und humorvolles Spielfeld für kreative Kommunikation verwandeln können: “Conveying humour, “getting it,” and laughing at it, can reassure both the sender and the receiver of the humorous message, as they discursively construct shared ground for communication.”33 Einige Communities verwenden Tone Tags, um Humor zu signalisieren,34 die Gamebrarians nutzen Emojis. Discord erlaubt Servern eigene Emojis hochzuladen, die das bekannte Unicode-Repertoire erweitern und die Community durch Symbole stärken.35 Die Wirkung der Symbole geht auch über den Community-Space hinaus (Abbildungen 7 und 8).

7. Prinzip: Engagement (Inner Ring)

Es ist das Engagement der Mitglieder, das entscheidet, ob und wie eine Community besteht und wächst. Die Mitglieder haben selbst in der Hand, wie sie sich einbringen und wie aktiv sie sein wollen. Ein Mitglied kann ohne Weiteres Terminabfragen für Events wie Spielerunden einrichten und andere dazu einladen. Wenn Entscheidungen über die Zukunft der Gamebrarians diskutiert werden, finden sich besonders aktive Mitglieder zusammen, organisieren sich selbst mit Unterstützung der Admins und der Moderatorin, planen, machen Vorschläge, diskutieren, verteilen Aufgaben und setzen am Ende um.

Die Gamebrarians füllen die sieben Prinzipien auf ihre ganz eigene Art und Weise aus und zeichnen so das Bild einer erfolgreichen Online-Community.

5. Fazit

Plattformen wie Discord komplementieren und ersetzen teilweise traditionelle Online-Kanäle wie Mailinglisten,37 was auch in der Bibliothekswelt zu spüren ist.38 Für künftiges Online-Community-Building auf Discord können die Gamebrarians als Inspiration dienen. Die Zukunft der Gamebrarians selbst ist kein unbegrenztes Wachstum, zum einen, weil die Community nicht unendlich groß ist und zum anderen, weil zwischenmenschliche Interaktionen mit zunehmender Größe von Communities abnehmen.39 Stattdessen werden organisches Wachstum, internes Community-Building und das Wirken über die Grenzen der Gamebrarians in Zukunft wichtig. So wurden im Sommer 2023 die Webseite und die Social-Media-Kanäle überarbeitet, und es sind ein gutes Dutzend Gamebrarians gemeinsam in den Strandurlaub gefahren.

Literaturverzeichnis

1 Vielen Dank an die anonyme Einsendung dieses Titels im Rahmen der im Folgenden vorgestellten Umfrage.

2 Vgl: Ramünke, Sabrina; Wilhelms, Dominic: Gamebrarians – Ein Server verbindet die Bibliothekswelt, 109. Bibliothekartag 2021. Online: <https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-176936>.

3 Die Zahl wurde über Discord abgerufen. Stand: 1. Juli 2023

4 Vgl.: Ramünke, Sabrina; Frick, Claudia: Gamebrarians - Ein Rückblick auf zweieinhalb chaotische Jahre, 111. BiblioCon 2023. Online: <https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-183837>.

5 Vgl.: Raker, Jeffrey R.; Pratt, Justin M.; Watson, Lori A.: Building Community: A Reflection on the Interactive Online Network of Inorganic Chemists, in: Jones, Rebecca M. (Hg.): ACS Symposium Series, Bd. 1370, Washington, DC 2020, S. 131-139. Online: <https://doi.org/10.1021/bk-2020-1370.ch011>, S. 133.

6 Vgl.: Garcia, Dylan: A Gamer’s Paradise? Understanding How Discord Allows Online Gaming Servers to Develop and Maintain Communities, HCI-E MSc Final Project Report, UCL Interaction Centre, University College London, 2022.

7 Die Webseite von Discord gibt weitere Informationen zur Plattform. Online: <https://discord.com/>, Stand 11.06.2023.

8 Vgl.: Raglianti, Marco; Minelli, Roberto; Nagy, Csaba u. a.: Visualizing Discord Servers, in: 2021 Working Conference on Software Visualization (VISSOFT), Luxembourg 2021, S. 150-154. Online: <https://doi.org/10.1109/VISSOFT52517.2021.00029>, S. 150.

9 Kleine statische oder animierte Bilder zum Posten in Textkanälen, die entweder von Discord zur Verfügung gestellt oder von Nutzenden selbst erstellt werden.

10 Animierte Bilder, die auch als kurze Videos ohne Ton beschrieben werden können, die von Nutzenden in Textkanälen gepostet werden, um Emotionen und Reaktionen auszudrücken.

11 Vgl.: Grimmelmann, James: The Virtues of Moderation, in: Yale Journal of Law and Technology, 17, 2015, S. 42-109. Online: <http://hdl.handle.net/20.500.13051/7798>.

12 Vgl.: Chen, Yimin: “Being a butt while on the internet”. Perceptions of what is and isn’t internet trolling, in: Proceedings of the Association for Information Science and Technology 55 (1), 2018, S. 76–85. Online: <https://doi.org/10.1002/pra2.2018.14505501009>.

13 “[...] at the heart of this type of online behaviour is the notion of deliberate provocation for purposes of personal amusement.” Hopkinson, Christopher: Trolling in Online Discussions: From Provocation to Community-building, in: Brno Studies in English 39 (1), 2013, S. 5-25. Online: <https://doi.org/10.5817/BSE2013-1-1>, S. 23.

14 Vgl.: Garcia, Dylan: A Gamer’s Paradise?, 2022.

15 Die 2 Personen, die sowohl “Bin noch im Studium” als auch “Ausbildung” angaben, wurden hier “Ausbildung” zugeschlagen.

16 “Da ich keinen bibliothekarischen Hintergrund habe, hilft mir der Server dabei zu verstehen, was meine Kolleg*innen so umtreibt und half mir dabei mich besser in die Strukturen meiner neuen Stelle zurechtzufinden”

17 Gamebrarians. Online: <https://www.gamebrarians.de/>, Stand: 1. Juli 2023.

18 Vgl.: Ramünke, Sabrina; Frick, Claudia: Gamebrarians, 2023.

19 Vgl.: Garcia, Dylan: A Gamer’s Paradise?, 2022, S. 2.

20 Vgl.: Walther, Joseph B.: Computer-Mediated Communication: Impersonal, Interpersonal, and Hyperpersonal Interaction, in: Communication Research 23 (1), 1996, S. 3-43. Online: <https://doi.org/10.1177/009365096023001001>.

21 Vgl.: Garcia, Dylan: A Gamer’s Paradise?, 2022, S. 2.

22 Vgl.: Sheng, Jeff T.; Kairam, Sanjay R.: From Virtual Strangers to IRL Friends: Relationship Development in Livestreaming Communities on Twitch, in: Proceedings of the ACM on Human-Computer Interaction 4 (CSCW2), 2020, S. 1-34. Online: <https://doi.org/10.1145/3415165>.

23 Ebd., S. 1.

24 Vgl.: Ebd., S. 13 f.

25 Vgl.: Knouse, Stephen B.; Webb, Schuyler C.: Virtual networking for women and minorities, in: Career Development International 6 (4), 2001, S. 226-229. Online: <https://doi.org/10.1108/13620430110397541>, S. 226.

26 Es gilt das Prinzip: “Wer leakt, fliegt.” Wer Gespräche vom Server weitertragen möchte, sollte sich vorher die Zustimmung der Beteiligten einholen.

27 Vgl.: McInroy, Lauren B.: Building connections and slaying basilisks: fostering support, resilience, and positive adjustment for sexual and gender minority youth in online fandom communities, in: Information, Communication & Society 23 (13), 2020, S. 7-18. Online: <https://doi.org/10.1080/1369118X.2019.1623902>, S. 7.

28 Vgl.: Vogl, Charles: The Art of Community, 2016.

29 Vgl.: Raker, Jeffrey R.; Pratt, Justin M.; Watson, Lori A.: Building Community, 2020.

30 Richte deinen Community-Server ein. Online: <https://support.discord.com/hc/de/articles/360047132851-Richte-deinen-Community-Server-ein>, Stand: 1. Juli 2023.

31 Vgl.: Sheng, Jeff T.; Kairam, Sanjay R.: From Virtual Strangers to IRL Friends, 2020, S. 12.

32 Vgl.: Raker, Jeffrey R.; Pratt, Justin M.; Watson, Lori A.: Building Community, 2020, S. 132.

33 Marone, Vittorio: Online humour as a community-building cushioning glue, in: European Journal of Humour Research 3 (1), 2015, S. 61-83. Online: <https://doi.org/10.7592/EJHR2015.3.1.marone>, S. 62.

34 Vgl.: Marcus, Ezra; O’Neill, Shane: Tone Is Hard to Grasp Online. Can Tone Indicators Help?, in: The New York Times, 09.12.2020. Online: <https://www.nytimes.com/2020/12/09/style/tone-indicators-online.html>, Stand: 24.06.2023. Siehe auch: <https://tonetags.carrd.co/>, Stand: 24.06.2023.

35 Vgl.: Garcia, Dylan: A Gamer’s Paradise?, 2022, S. 5.

36 “Tricky Tracks” wird vom Indiegame-Studio RainLight entwickelt. Online: <https://playtrickytracks.com/>, Stand: 24.06.2023.

37 Vgl.: Raglianti, Marco; Minelli, Roberto; Nagy, Csaba u. a.: Visualizing Discord Servers, 2021, S. 1.

38 Vgl.: Scharwächter, Michael: Wir sehen uns, InetBib, 01.06.2023. Online: <https://www.inetbib.de/listenarchiv/msg71241.html>, Stand: 24.06.2023.

39 Vgl.: Sheng, Jeff T.; Kairam, Sanjay R.: From Virtual Strangers to IRL Friends, 2020, S. 19 ff.