Quereinsteigende gewinnen, qualifizieren und halten

Der demografische Wandel mit einer hohen Anzahl anstehender Verrentungen in Bibliotheken, rückläufigen Bewerber- und Absolventenzahlen für bibliotheksaffine Studiengänge führt zunehmend zu Problemen bei der Stellenbesetzung in Bibliotheken (vor allem im ländlichen Bereich), sichtbar werdend auch durch wiederholte, verlängerte Ausschreibungen. Vor diesem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels in Kombination mit sich wandelnden Bibliotheksangeboten fand wenig überraschend die Podiumsdiskussion zum Thema Quereinstieg großes Interesse.1

Auf dem fachkundig zusammengesetzten Podium war die Praxisseite vertreten durch Kirsten Brodmann aus der Stadtbibliothek Mannheim sowie Lucia Werder und Robert Hodonyi aus der Stadtbibliothek Bremen; die Hochschulseite vertrat Ulla Wimmer (Humboldt-Universität zu Berlin).

Unter Einbeziehung der zahlreichen Zuhörer*innen im Blauen Saal des Congress Centers Hannover wurde sowohl auf die schwieriger werdende Personalakquise als auch den Mehrwert eingegangen, den Quereinsteigende für eine Bibliothek nicht nur in neu hinzu gekommenen Aufgabenfeldern bedeuten können, für die sie qualifiziert erscheinen.

Den Verlauf der Diskussion, bei Einigkeit über die personellen Herausforderungen durch den demografischen Wandel, bestimmten hauptsächlich zwei mögliche Problematiken im Zusammenhang mit der Einstellung von Quereinsteigenden.

So wurde es grundsätzlich vor dem Hintergrund des verbreiteten Arbeitskräftedefizits als fraglich betrachtet, ob Bibliotheken als (zumeist immer) Teil des Öffentlichen Dienstes und mit entsprechend mehr oder minder starren tariflichen Vorgaben sowie einer im Verhältnis zur Privatwirtschaft zumeist generell geringeren Entlohnung überhaupt konkurrenzfähig gegenüber anderen Stellenanbietern sein können.

Und zudem fehlt es an belastbaren Untersuchungen, was Quereinsteigende von einem Einstieg in die Bibliotheksarbeit erwarten und vor allem, ob und welche langfristigen Perspektiven von ihnen im Bibliothekssektor gewünscht werden. Umso interessierter waren die Zuhörenden am Erfahrungsbericht von Robert Hodonyi über seinen Weg als promovierter Quereinsteiger in das Lektorat einer Großstadtbibliothek.

Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass mit der zunehmenden Anzahl neu eingestellter, fachfremder Mitarbeitender in Bibliotheken auch der Bedarf an Qualifizierungsangeboten steigt. Die (zu wenigen) Akteure – Staatliche Fachstellen, Bibliotheksverbünde, Personalverbände oder Hochschulen mit entsprechendem Studienangebot – berichten hier über einen erheblich steigenden Bedarf an Einsteigerkursen bis hin zum weiterbildenden Masterstudiengang.

Recht deutlich ‒ und auf der BiblioCon als einer Bibliothekskonferenz auch erwartungsgemäß ‒, wurde aber auch auf die Notwendigkeit der Herausstellung der Qualifikationen einschlägig vorgebildeter Absolvent/innen und das Vermeiden der Abwertung bibliotheksbezogener Kompetenzen hingewiesen. Ungeachtet des vorherrschenden Arbeitnehmermarktes sind auch Konkurrenzsituationen zwischen bibliothekarisch und fachfremd qualifizierten Bewerber*innen nicht auszuschließen.

Resümierend gilt es festzuhalten, dass der Themenbereich noch viel Diskussionsbedarf bietet. Zur Vermeidung eines Qualitätsverlustes von Bibliotheksarbeit, der weder im Interesse der Bibliotheksträger noch der Nutzenden sein kann, bedarf es der Klärung, welche sowohl generellen als auch arbeitsplatzbezogenen Kompetenzen für Quereinsteigende unerlässlich sind. Darauf aufbauend sollten zeitnah mehr und besser vergleichbare, bestenfalls genormte on-the-job-Qualifizierungsangebote (im Idealfall mit anerkannten Abschlüssen) angeboten werden, um die zweifelsohne vorhandenen Vorteile der Multiprofessionalität in Bibliotheken vollumfänglich nutzen zu können.

Karin Holste-Flinspach, Kommission für Ausbildung und Berufsbilder (KAuB) des BIB

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5947

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1 Dieser Beitrag beruht auf der Podiumsdiskussion „Quereinsteigende gewinnen, qualifizieren und halten“ am 24.05.2023 anlässlich der 111. BiblioCon in Hannover. Vgl. zum Thema auch: Tödter, Marieke: Möglichkeiten der Nachqualifizierung für Quereinsteiger*innen in wissenschaftlichen Bibliotheken, Wiesbaden 2023; Holste-Flinspach, Karin: Quereinsteigende qualifizieren, in: Bibliotheksdienst 57 (1), 2023, S. 8–18.