Grundlagen der Informationswissenschaft / herausgegeben von Rainer Kuhlen, Dirk Lewandowski, Wolfgang Semar und Christa Womser-Hacker ; begründet von Klaus Laisiepen, Ernst Lutterbeck, Karl-Heinrich Meyer-Uhlenried. – 7., völlig neu gefasste Ausgabe. – Berlin, Bonn: De Gruyter. – XLV, 958 Seiten : Illustrationen. – ISBN 978-3-11-076895-4 : EUR 220.00 (auch als E-Book im Open Access verfügbar unter https://doi.org/10.1515/9783110769043)

Einleitung

Nach sechs Auflagen der Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation liegt nun unter dem Titel Grundlagen der Informationswissenschaft (im weiteren Grundlagen) die kurz vor Jahresende 2022 erschienene 7. Auflage dieses Werkes vor. Das von Laisiepen, Lutterbeck und Meyer-Uhlenried 1 1972 begründete Standardwerk ist vielen auch als LaiLuMU bekannt, obwohl es schon seit mehreren Ausgaben andere Herausgebende hat. Aus der bislang im Untertitel als „Handbuch zur Einführung in die Informationswissenschaft und -praxis“ geführten Bezeichnung wurde nun der alleinige Titel Grundlagen der Informationswissenschaft. Somit ist die Praxis ohne substanzielle Begründung im Titel entfallen – obwohl praktische Aspekte des Anwendungsfelds durchaus reichhaltig im Buch vertreten sind. Als Begründung für die Umbenennung dient die wenig überzeugende Aussage: „Damit soll dem Rechnung getragen werden, dass die Informationswissenschaft es verstärkt unternimmt, die Grundlagen ihres Faches und ihrer Profession wissenschaftlich abzusichern“ (S. VII). Wirklich belegt wird diese Behauptung – auch in Abgrenzung zu einer qualitativ anderen Situation bei den beiden vorherigen Ausgaben der Grundlagen – aber faktisch nicht. Denkbar wären z.B. bibliometrisch abgesicherte Belege für die behauptete „deutlich erkennbare, fortschreitende wissenschaftlich-theoretische Durchdringung aller Prozesse, die mit Information zu tun haben“ (ebd.).

Angesichts des Umstandes, dass in Deutschland drei von ursprünglich sechs originär informationswissenschaftlichen Lehrstühlen an Universitäten (Saarbrücken, Konstanz und Düsseldorf) in den letzten Jahren nicht wiederbesetzt wurden, ist eine solche Behauptung für die deutschsprachige Informationswissenschaft (IW) mindestens mutig. Sicher, an vielen deutschsprachigen Hochschulen – gleich, ob vom Typ Universität oder Fachhochschule – sind Informationswissenschaftler*innen etabliert, forschen und lehren. Dabei sind informationspraktische Perspektiven und Forschungsaktivitäten gerade an den Fachhochschulen ausgeprägt — allerdings häufig, ohne dass das Label Informationswissenschaft explizit genannt wird. Vor diesem Hintergrund und bei aller Sympathie, die der Autor 2 dieser Rezension für die IW hegt: Den Praxisbezug im Titel wegzulassen, ist ein Fehler. Viele Autor*innen haben in ihren Beiträgen zwar Sachverhalte generisch und damit eher aus einer wissenschaftlichen Perspektive dargestellt, die meisten kommen aber – erfreulicherweise und bestimmt auch im Sinne der Verständlichkeit mancher Aussagen – ohne Verweise auf die konkrete Praxis und auf entsprechende Beispiele nicht aus. Auch mit Blick auf die vom Verlag genannte Zielgruppe der Grundlagen, nämlich „Studierende der Informations- und Bibliothekswissenschaften, Wissenschaftler/-innen, Bibliothekar/-innen“ 3 ist dies vermutlich sinnvoll.

Das fast 1.000 Seiten umfassende Werk ist eine beeindruckende und anerkennenswerte Leistung – intellektuell und sicher auch organisatorisch. Es bietet einen breit angelegten Einblick in die vielfältigen Aspekte der Wissenschaft und Praxis im Themenfeld Informationsgenerierung, -aufbereitung, -distribution und -nutzung sowie zu Institutionen, beruflichen Tätigkeiten und Regularien in diesem Umfeld. Unterstützt wird die Lektüre u.a. durch ein Abkürzungsverzeichnis, ein sehr gutes und insbesondere für die Zielgruppe Studierende hilfreiches Glossar, ein Autorenverzeichnis (leider ohne Angabe von ORCID iD) sowie ein Register (faktisch ein Sachregister). Die 70 Beiträge von 41 Autorinnen und 60 Autoren 4 sind in die folgenden sechs Themenblöcke gegliedert:

  1. Informationswissenschaft im Kontext
  2. Methoden und Systeme der Inhaltserschließung, Wissensorganisation und Wissensrepräsentation 5
  3. Information Retrieval
  4. Informationsverhalten
  5. Proprietäre und offene Informationsmärkte
  6. Regulierungsformen von Wissen und Information

Sie werden nachfolgend jeweils in einem kurzen Überblick vorgestellt. Interessierte, die einen vertieften Einblick zu den Themenblöcken erhalten möchten, können die als Anhänge beigefügten ausführlicheren Kommentierungen nachlesen. 6 Die hier vom Rezensenten gewählte Perspektive unterliegt der folgenden Prämisse: Die von den Herausgebenden formulierten Themenblöcke werden jeweils als Basis eines thematischen Überblicks verstanden, der – idealweise nach einer Einführung – möglichst kohärent das Themenfeld vorstellt und erläutert. Damit verbunden ist die Erwartung an eine gewisse innere Logik der Themenblöcke.

Inhalte der einzelnen Themenblöcke

A Informationswissenschaft im Kontext

Dieser erste Themenblock der Grundlagen hat nach Aussage der Herausgebenden zwei Schwerpunkte: einerseits die Informationswissenschaft selbst – auch wenn kaum die IW, sondern mehr ihre zentrale Kategorie Information betrachtet wird –, andererseits ihr Umfeld, z.B. in den Beiträgen zu Bibliotheken, Archiven oder Museen – nicht jedoch zur Informatik. Aus Sicht der Herausgebenden wird durch dieses Umfeld deutlich, „dass die Informationswissenschaft umgeben ist von einer Vielzahl von Fächern und Institutionen, die mit vergleichbaren, aber durchaus genuinen Verfahren sich der Herausforderung stellen, zum einen das kulturelle Erbe zu sichern und zum anderen die vorhandenen Wissensobjekte für die Nutzung durch die allgemeine Öffentlichkeit oder auch nur für Spezialisten zur Verfügung zu stellen“ (S. VIII).

B Methoden und Systeme der Inhaltserschließung, Wissensorganisation und Wissensrepräsentation

Mit 18 Beiträgen auf ca. 220 Seiten ist dieser Themenblock der umfangreichste des Buches. Neben Beiträgen zu den Instrumenten und Verfahren der formalen wie der inhaltlichen Erschließung bilden insbesondere automatische, d.h. durch informatikbasierte Verfahren ermöglichte Formen der Erschließung ein zentrales thematisches Cluster des Themenblocks. Auffallend ist, dass die Beiträge bezüglich Abstraktionsniveau und Forschungsorientierung eine große Varianz aufweisen. Auch die Reihenfolge der Beiträge scheint nur bedingt Sachzusammenhängen zu folgen.

C Information Retrieval

Der Themenblock Information Retrieval (IR) setzt zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Funktionsweise von IR-Systemen, die ihnen zugrundeliegenden Modelle sowie die Verfahren zur Behandlung spezieller, insbesondere multimedialer Objektgruppen. Zum anderen werden Aspekte der Benutzungsperspektive, die sich daraus ergebenden Implikationen und die möglichen bzw. systemseitig wünschenswerten Reaktionen angesprochen. Schließlich sind es normalerweise meistens Menschen mit ihren individuellen Hintergründen und Erwartungen, die IR-Systeme nutzen, um Daten und Informationen für vielfältige Fragestellungen zu ermitteln.

Wäre der Themenblock in der hier vorgestellten Weise strukturiert, so wäre für die Leser*innen schon viel gewonnen. Stattdessen sind die genannten thematischen Aspekte aber bunt gemischt über ca. 130 Seiten Text verteilt – und es bleibt Aufgabe der Leser*innen, aus den Beiträgen eine solche grobe Struktur abzuleiten.

D Informationsverhalten

Als Informationsverhalten werden im Themenblock D nicht nur Sachverhalte vorgestellt, die über lange Zeit alleine unter den Teilaspekten Nutzerforschung und Usability thematisiert wurden. Der Überblicksartikel Information Behaviour gibt einen gut strukturierten Überblick, in den sich z.T. auch die weiteren Beiträge des Themenblocks einordnen lassen. Darüber hinaus werden Aspekte von Information Need, Informationsbedarf und -bedürfnis, der Informationssuche sowie der Hürden angesprochen, die dabei von Nutzenden in der Interaktion mit IT-Systemen zu bewältigen sind. Beiträge zur Informationskompetenz und zu der Frage, wie Informationsdidaktik sie am ehesten vermitteln kann, runden den Themenblock ab. Inhaltlich erweist sich der Themenblock Informationsverhalten mit seinen Beiträgen als über weite Strecken kohärent und gut lesbar.

Diskussionswürdig ist jedoch die Einordnung des gesamten Themenfeldes Informationsverhalten NACH dem Themenblock Information Retrieval. Schließlich sollten die Informationsbedürfnisse und generell das Informationsverhalten ZUERST reflektiert worden sein, um darauf aufbauend passende Strategien und Verfahren zur Suche zu entwickeln.

E Proprietäre und offene Informationsmärkte

Der Themenblock E präsentiert sich als sehr heterogen. So werden einige spezialisierte Themen sehr ausführlich und andere trotz hoher Relevanz nur knapp behandelt. Auf die Möglichkeit, durch thematische Cluster und/oder durch bewusst umfangreichere oder kürzere Behandlung klare Schwerpunkte zu setzen und damit auch strukturelle Aussagen zu treffen, haben die Herausgebenden hier wie in anderen Teilen der Grundlagen verzichtet.

Von den 13 Beiträgen thematisieren sieben eher kommerzielle Themenaspekte, z.B. eine grundsätzliche Analyse des Informationsmarktes „im Kontext von Bildung und Wissenschaft“ (S. 605), aber auch das Thema Plattformökonomie. Synergieeffekte durch Zusammenführung wären gerade bei den Themenfeldern Marketing oder Openness denkbar gewesen. So hätte man zumindest einige Redundanzen vermieden und grundsätzlichere Aussagen fokussiert vorgestellt.

Insgesamt erscheint der Themenblock Proprietäre und offene Informationsmärkte – trotz diverser sehr guter Einzelbeiträge – aus strukturellen Gründen nicht als der wünschenswerte, konzeptionell überzeugende Überblick, den man in den Grundlagen gerade angesichts der Herausgeberexpertise in diesem Bereich erwarten würde.

F Regulierungsformen von Wissen und Information

Der abschließende Blick auf die Regulierungsformen von Wissen und Information macht mit Beiträgen zur Informationsethik, aber auch zum Urheberrecht und zu Datenschutz und Informationsfreiheit deutlich, welche gesellschaftlichen und sozialen Einflussfaktoren beim Umgang mit Information zum Tragen kommen. Sie sind auch angesichts neuer technischer Möglichkeiten zur Erfassung und Analyse großer Datenmengen bzw. der digitalen Spuren unserer Aktivitäten eminent relevant. Gleiches gilt für Informations-, Kommunikations- und Webtechnologien – allerdings wäre dieser Beitrag wegen der strukturellen Bedeutung des Themas besser im Themenblock A Informationswissenschaft im Kontext verortet worden. Der Beitrag Plagiat und der abschließende Beitrag Informationspathologien – Desinformation thematisieren eher manipulative Beeinträchtigungen als Regulierungsformen von Wissen und Information.

Strukturelle, inhaltliche und formale Aspekte

Angesichts des Umfangs der Grundlagen ist es hier leider nicht möglich, all jene Inhalte und Beiträge besonders hervorzuheben, die interessant, besonders gelungen und unbedingt lesenswert sind. Von ihnen gibt es sehr viele (vgl. die Hinweise in den Anhängen). Wegen diverser Defizite, die eher von den Herausgebenden als von den Autor*innen zu verantworten sind, beschränkt sich die nachfolgende Analyse vorzugsweise auf diese Problembereiche.

Strukturen

Mit Blick auf den thematischen und faktischen Umfang der 7. Ausgabe der Grundlagen sollte jede kritische Bewertung mit der Frage verbunden sein, ob und, falls ja, wie man einzelne Aspekte hätte besser realisieren können. Die vier herausgebenden Hochschullehrer dürften schon in ihrem – im Fall von Rainer Kuhlen ehemaligen – beruflichen Alltag mit Lehre, eigener Forschung und verwaltenden Tätigkeiten im Wissenschaftsbetrieb hinreichend beschäftigt sein. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass im Vorwort der Herausgebenden nur die – erwartbare und insofern als selbstverständlich anzusehende – Verlagsunterstützung sowie die Unterstützung von Mitarbeiter*innen dreier Herausgebender, die sich primär auf Formales bezog, erwähnt werden. Fachlich kompetente Unterstützung, die mit der nötigen Sorgfalt auf Widersprüche, Redundanzen, qualitative Mängel und fachliche Fehler innerhalb einzelner Beiträge bzw. innerhalb der Themenblöcke hingewiesen hätte, hätte der Qualität und Konsistenz des Buches gut getan. 7 Jedenfalls ist bei der Lektüre des Werkes erkennbar, dass eine übergreifende, die ursprüngliche inhaltliche Konzeption des Buches ggf. in Teilbereichen revidierende Perspektive nach Vorliegen der Beiträge zu kurz gekommen ist. Dies gilt speziell für die inhaltliche Struktur einzelner Themenblöcke, die z.T. eine sachimmanente Kohärenz vermissen lassen (vgl. die Anhänge). Mit Blick auf eine der vom Verlag genannten Zielgruppen, nämlich die Studierenden, wäre zudem wünschenswert gewesen, alle Themenblöcke mit stärker strukturierenden Überblicksbeiträgen zum Themenfeld zu beginnen. Wer diesbezüglich lediglich auf Beiträge in früheren Auflagen der Grundlagen oder auf andere Publikationen verweist, macht es sich zu einfach und ignoriert die Rezeptionssituation der Leser*innen. Besonders positiv sei allerdings hervorgehoben, dass das mehr als 70-seitige Glossar 8 die Lektüre unterstützt. Allerdings kann und wird dies kaum ausgleichen, was an Uneinheitlichkeit bezüglich der Zielsetzung und des didaktischen Konzepts respektive des Abstraktionsniveaus einzelner Beiträge zu konstatieren ist. Auch hier wären lektorierende Eingriffe der Herausgebenden bzw. aus Fachperspektive hilfreich und notwendig gewesen, um die zielgruppenorientierte Vermittlungsleistung einzelner Beiträge zu verbessern.

Organisatorisch vereinfachend mag es sein, wenn den Autor*innen eine feste maximale Zeichen- oder Seitenzahl für den jeweiligen Beitrag zugestanden wird. Die gängigen Kämpfe um mehr Zeichen und Seiten sind dem Rezensenten durchaus vertraut. Dennoch: Eine solch starre Vorgabe verhindert bei diesem Buch inhaltliche Flexibilität und Kreativität, wo inhaltlich durch Clusterung von Themen eine deutliche Fokussierung möglich gewesen wäre und vermutlich auch eine Reduzierung des Umfangs zur Folge gehabt hätte. Konkrete Fallbeispiele hierfür werden in den Anhängen zu dieser Rezension genannt.

Inhalte

Inhaltlich bietet die 7. Auflage durchaus Neues und setzt damit Zeichen. 9 Insbesondere die erweiterte Behandlung des Themenfeldes Informationsverhalten (D) sowie die im Teil F angesprochenen Überlegungen zu Desinformation und ihren Folgen sind hier zu nennen, ebenso die Ausweitung des Themenfeldes Openness in verschiedenen inhaltlichen Facetten. Andere inhaltliche Aspekte werden jedoch eher halbherzig und ohne die wünschenswerte Weitsicht aufgegriffen.

Bedauerlich sind die inhaltlichen Defizite. Wünschenswert wäre gewesen, dass IW deutlich mehr als Teil eines auf Synergien ausgerichteten, kooperativen Ansatzes erkennbar wird. Statt synergetischem Austausch mit den z.T. angesprochenen, im weiten Themenfeld der Informationsverarbeitung verortbaren Fachdisziplinen, klingt stattdessen im Ansatz ein postuliertes Primat der IW an. Nicht zuletzt wegen der fehlenden Auseinandersetzung mit der Informatik im Themenblock A ist dies fragwürdig. Schließlich wird an diversen Stellen der Grundlagen erkennbar, dass ohne die – zumindest in Teilen informationswissenschaftlich orientierte – Informatik die IW noch weniger als Fachdisziplin wahrnehmbar wäre, als es aktuell ohnehin schon der Fall ist. Der wachsende Stellenwert der Informatik für die Informationspraxis erweist sich z.B. rund um das Thema Text- und Data-Mining bzw. bei KI-Fragen als immer wichtiger. Von einer kritischen Reflexion dieser Entwicklung, die sich an manchen Hochschulen u.a. in der Verortung der IW in der Informatik sowie bei entsprechenden Stellenbesetzungen zeigt, hätten interessante Impulse für eine Debatte um das informationswissenschaftliche Selbstverständnis ausgehen können.

Das Thema Daten wird u.a. in den Beiträgen zu Forschungsdaten, Open Data, Data Mining sowie an diversen anderen Stellen der Grundlagen angesprochen. Allerdings macht die – auch im Glossar bei den Einträgen zu Daten* erkennbare – Verstreutheit von Angaben zum Thema deutlich, dass der von vielen Autor*innen angesprochene hohe Stellenwert des Themas im Konzept der Grund­lagen noch nicht angekommen ist. In der altbekannten informationswissenschaftlichen Trias Daten – Information – Wissen hatten Daten lange Zeit allenfalls den Status einer Kategorie, die erst durch pragmatische Kontextualisierung wirklich relevant wurde. Diesbezüglich hat sich der Blickwinkel vieler Wissenschaftler*innen verändert. Durch die nur deskriptive Erwähnung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) 10 wird ein informationswissenschaftliches Handbuch dem heutigen Stellenwert von Daten und dem verstärkt auf ihre Nachnutzung orientierten wissenschaftlichen Umgang mit Daten wohl kaum gerecht. Angesichts des strukturellen Stellenwerts der NFDI in Deutschland mit langfristig geförderten, auch international eingebetteten Strategien zum Umgang mit Forschungsdaten und entsprechenden Maßnahmen in den Nachbarländern und auf EU-Ebene ist diese Fehlstelle zumindest verwunderlich.

Auch der zunehmende Stellenwert von Social Media nicht nur für die Wissenschaftskommunikation, sondern auch für den privaten und sonstigen kommunikativen Alltag weiter Gesellschaftskreise kommt insgesamt in den Grundlagen zu kurz. Das betrifft z.B. die Aspekte der Influencer-basierten Einflussnahme, der Falschinformation 11 und der Verleumdung, aber auch Abhängigkeiten von Nutzenden bis hin zur Sucht.

Abschließend zur regionalen Abdeckung der Grundlagen: Es scheint allein den Autor*innen überlassen worden zu sein, Sachverhalte zumindest im Vergleich mit deren Behandlung in den deutschsprachigen Nachbarländer anzusprechen. Nur wenige haben diese Option aufgegriffen. Dieses inhaltliche, jedoch strukturell provozierte Defizit ist mindestens eine verpasste Chance zu einer weiteren Perspektive, um national unterschiedliche Ansätze stärker zu hinterfragen und interessante Gestaltungsalternativen aufgreifen zu können.

Formales

Am Ende des Vorworts der Grundlagen werden drei Mitarbeiterinnen namentlich genannt, die sich besonders um die Einhaltung der APA-Regeln bei den Literaturangaben verdient gemacht haben. Sie werden sich wohl kaum um andere Formalia der mehr als 840 Seiten Text plus Glossar oder um den Index, das Inhalts-, Abkürzungs- und Autor*innenverzeichnis und schließlich noch um das Vorwort gekümmert haben können. Eine solche Mammutaufgabe kann nur arbeitsteilig unter Einsatz vieler Personen (oder weniger Personen mit viel Zeit) geschehen. Und dennoch: Es ist eine Aufgabe, die konstitutiv zur Produktion eines Buches gehört. Bedauerlicherweise ist sie an überdurchschnittlich vielen Stellen zu kurz gekommen. Vermutlich ist auch die im Vorwort erwähnte Mitarbeiterin des Verlags, „die als Lektorin die finale Editierungsarbeit mit großer Sorgfalt geleistet hat“ (S. XII), hier an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen. Trotz aller unterstellten Sorgfalt sind Fehler im Inhaltlichen, aber auch im Formalen (Orthografie, Verweise auf andere Kapitel, Platzierung von Grafiken, Auslassungen, uneinheitliche Bezeichnungen und Ähnliches mehr) sicher unvermeidbar – erst recht bei einem Werk dieses Umfangs. Doch deutlich weniger davon hätten die Lektüre der Grundlagen sicher erleichtert. Es müsste eigentlich auch im Interesse des in Fachkreisen bekannten Verlages sein, die gemeinhin reklamierte Qualitätssicherung auch auf dieser Ebene zu gewährleisten. Ein Ruhmesblatt für das Einlösen dieses Anspruchs sind die Grundlagen leider nicht.

Fazit

Mit der 7. Ausgabe des früheren LaiLuMU, nun unter dem Titel Grundlagen der Informationswissenschaft, ist eine Gesamtschau zu vielen relevanten Bereichen der Informationswissenschaft und -praxis sowie ihres fachlichen Umfeldes verfügbar. Es ist ein großes Verdienst der Herausgebenden, aber auch der Autor*innen der einzelnen Beiträge, dass sie sich um eine State-of-the-art-Sicht auf die Informationswissenschaft bzw. Informationspraxis und ihr Umfeld bemüht haben. Die notwendige Hartnäckigkeit und das Durchhaltevermögen für ein solches Unterfangen sollten nicht unterschätzt, sondern sollen stattdessen hier explizit gewürdigt werden. Zu danken ist insbesondere auch all jenen Autor*innen, die nicht nur eine inhaltlich aktuelle und vollständige Übersicht zu dem von ihnen behandelten Thema erstellt, sondern diese Inhalte auch gut lesbar und mit erkennbaren didaktischen Überlegungen aufbereitet haben.

Die genannten strukturellen, inhaltlichen und formalen Defizite dieser Ausgabe der Grundlagen sind angesichts der fachlichen Expertise der Herausgebenden bedauerlich, da sie vermutlich z.T. bewusst in Kauf genommen wurden. Dabei sendet insbesondere das explizite Weglassen der Informationspraxis im Titel der Grundlagen ein falsches Signal, das nicht nur Traditionen, sondern auch wesentliche Per­spektiven ignoriert. Manche Defizite hätte ein umfassendes, insbesondere fachkompetentes Lektorat erkennen und bereinigen können. Vielleicht hätte das den Veröffentlichungstermin der bislang ungefähr im 10-Jahres-Rhythmus erscheinenden Grundlagen hinausgezögert, aber diese Verzögerung wäre dem Buch in mehrfacher Hinsicht zu Gute gekommen. Zu vermuten ist, dass der wissenschaftliche Stellenwert so manchen Beitrags schneller überholt sein dürfte, als dies in früheren Jahren der Fall war. Allerdings dürften – zukünftig vermutlich noch mehr – wissenschaftliche Spezialpublikationen einzelne Themenfelder auch im Überblick darstellen und so manches Defizit über die Zeit relativieren.

Sehr erfreulich ist hingegen, dass das Werk zeitgleich mit der Veröffentlichung als gedrucktes Buch auch unentgeltlich als Open-Access-Publikation verfügbar ist. Allerdings: Alles andere wäre heutzutage gerade in der IW inakzeptabel gewesen. Dass der im Themenfeld fast schon monopolartig agierende Verlag hierfür nicht unerhebliche Publication Charges erhalten hat, zeigt, wie weit wir offensichtlich noch vom wünschenswerten Ziel einer Diamond-Open-Access-Publikation auch für solche Werke entfernt sind.

Anhänge

Die nachfolgenden Anhänge bieten einen vertiefenden inhaltlichen Blick auf die einzelnen Themenblöcke der Grundlagen der Informationswissenschaft in ihrer Gesamtheit und auf einzelne Beiträge. Sie mögen die Leser*innen der obigen Rezension dabei unterstützen, ggf. gezielt ausgewählte Beiträge einzusehen und nachzulesen – und durchaus auch dazu anregen, sich ein eigenes Bild zu machen.

Anhang A: Informationswissenschaft im Kontext

Dieser erste Themenblock der Grundlagen hat nach Aussage der Herausgebenden zwei Themenschwerpunkte: Einerseits die Informationswissenschaft (IW) selbst, andererseits ihr Umfeld. Aus Sicht der Herausgebenden wird durch dieses Umfeld deutlich, „dass die Informationswissenschaft umgeben ist von einer Vielzahl von Fächern und Institutionen, die mit vergleichbaren, aber durchaus genuinen Verfahren sich der Herausforderung stellen, zum einen das kulturelle Erbe zu sichern und zum anderen die vorhandenen Wissensobjekte für die Nutzung durch die allgemeine Öffentlichkeit oder auch nur für Spezialisten zur Verfügung zu stellen“ (S. VIII).

Naheliegend und erwartbar ist der Versuch, die grundlegende Kategorie Information zu erläutern und sie in einen Verständniszusammenhang zu stellen. Diese Erwartung wird im ersten Beitrag Information – ein Konstrukt mit Folgen (A1; Rainer Kuhlen und Wolfgang Semar) erfüllt. Dabei verstehen die Autoren ihre Ausführungen gleichzeitig auch als Beitrag zu einer Theorie der IW. Sie entwickeln dabei den von Kuhlen begründeten pragmatischen Ansatz der Konstanzer IW weiter und differenzieren zwischen einer Information-P (potenzielle Information) und einer Information-N (auf die jeweilige aktuelle Nutzung bezogene Information). Allerdings erheben sie keinen „Alleinvertretungsanspruch“ bezüglich ihres Verständnisses von Information. Erklärtermaßen ist dieses auch eine Reaktion auf das Unmögliche, nämlich eine so große Zahl von Autor*innen wie in den Grundlagen auf einen gemeinsamen Informationsbegriff einschwören zu wollen.

Dies entlastet allerdings die Herausgebenden und Autoren nicht von der Erwartung, auch ihr Verständnis von Informationswissenschaft zu erläutern. Die Aussage, wonach IW die „Wissenschaft von der Information“ sei, ist relativ banal. Ein erwartbarer Diskurs über das eigene Verständnis von IW und seine Verortung im fachlichen Umfeld ist unterblieben. Dabei wäre es höchst interessant gewesen, eine argumentative Auseinandersetzung gerade auch mit anderen Verständnissen von IW zu lesen, wie sie in verschiedenen Beiträgen im Buch erkennbar wird. Unklar bleibt daher auch, wie aus der Sicht der Autoren bzw. Herausgebenden das Verhältnis der Informationspraxis zur IW sowie zu den offensichtlich nicht zum Kernbereich der IW gerechneten Bereichen mit anderer Tradition und anderem Selbstverständnis gesehen wird. Angesichts der argumentativ nur sehr dünn unterlegten Umbenennung der Grundlagen ist diese fehlende Verortung zu den Defiziten des Buches zu rechnen.

Der nachfolgende, z.T. irritierende Beitrag Institutionalisierung der Informationswissenschaft und der IuD-Infrastruktur in Deutschland (A2; Marlies Ockenfeld) berücksichtigt erstaunlich wenig die Rolle der Dokumentationspraxis und der DGD für die Entwicklung von Methodik und Strukturen im IuD-Bereich. Dass die langjährige ehemalige Präsidentin der heutigen Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen (DGI) die „Rolle der DGD“, also der Vorläuferorganisation der heutigen DGI (Umbenennungen 1998 und 2014) dabei insbesondere auf deren Qualifizierungsaktivitäten bis 1991 reduziert, lässt anderes leider außen vor. Auch der spätere Beitrag des Hochschulverband Informationswissenschaft (HI), der die Open-Access-Bereitstellung der Grundlagen mitfinanziert, wird nur marginal angesprochen. Dies ist ebenso erstaunlich wie das Fehlen wichtiger Aspekte zur IW in der DDR (z.B. TU Ilmenau). Die mittlerweile aus marktpolitischen Gründen weitgehend verschwundenen, politisch durch das IuD-Programm und seine Nachfolgeprogramme initiierten Strukturbildungsversuche der 1970er- und 1980er-Jahre in der BRD werden hingegen mit vielen Detailangaben, aber weniger unter strukturellen Gesichtspunkten oder dem Aspekt Nachhaltigkeit thematisiert. Über die Aussageintention z.T. irrelevanter Statistikdaten oder inhomogener Angaben zu Hochschuleinrichtungen (S. 33) kann ebenfalls nur gerätselt werden.

Den – primär im internationalen Kontext entwickelten – Theorien in der Informationswissenschaft (A3; Hans-Christoph Hobohm) wie auch den Methoden in der Informationswissenschaft (A4; Julia Maria Struß und Dirk Lewandowski) widmen sich zwei besser fundierte Beiträge. Ergänzt wird dieser erste Themenblock durch einen weitgehend guten Überblick zu Ausbildung, Studium und Weiterbildung in der Informationswissenschaft (A5; Ursula Georgy, Frauke Schade und Stefan Schmunk). Auch wenn die Bibliothekswissenschaft im Titel unterschlagen wird und Fortbildungsangebote ein wenig zu kurz kommen: Ihre Darstellung bezieht sich auf die im Qualifizierungskontext gängige Bezeichnung „Library and Information Science“ (LIS) und nicht primär auf IW. Angesichts der Veränderungsdynamik in Studieninhalten und Studiengangbezeichnungen dürften manche Angaben dieses Beitrags leider rasch veralten. Umso wichtiger bleiben jedoch seine strukturellen Hinweise.

Im zweiten, den „Kontext“ der IW thematisierenden Teil dieses Themenblocks folgen Beiträge zu Bibliotheken (A6; Robert Strötgen und René Schneider), Archive (A7; Karin Schwarz), Museen (A8; Hartwig Lüdtke) und Mediatheken (A9; Barbara Müller-Heiden), die die jeweiligen Themenfelder in z.T. gelungenen Überblicken vorstellen. Der kleinen Beschäftigtengruppe sogenannter Information Professionals (A10; Ragna Seidler-de Alwis) ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Warum sie – im Vergleich zu den quantitativ weitaus größeren anderen Gruppen von im LIS-Bereich Beschäftigten mit differenzierten Qualifikationsprofilen – speziell hervorgehoben wurde, bleibt unklar. Vielleicht sollten sie als zeitweiliger Wunschprototyp von IW-Beschäftigten dargestellt werden.

Der weitgehend auf Wissenschaftliche Bibliotheken (WB) fokussierte Beitrag Bibliotheken (A6), dem als „Grundmodell“ von Bibliotheken ein nur noch in Teilen gültiges Konzept zugeordnet ist, nämlich „dass Bibliotheken Bücher bereitstellen“ (S. 85), geht nur am Rande auf jene Bereiche ein, auf die gerade WB zunehmend fokussieren: Forschungsnahe Dienstleistungen wie Publikationsservices und Services rund um Forschungsdaten. Angesichts des in manchen WB schon über 70 % liegenden Etatanteils für digitale Medien hätten zudem die damit verbundenen Aufgaben und Fragestellungen eine höhere Gewichtung im Beitrag verdient. Vergeblich sucht man darin außerdem tiefergehende Analysen zu Öffentlichen Bibliotheken, was umso irritierender ist, als diese den zweiten Aspekt des von den Autoren angesprochenen Grundmodells von Bibliotheken, nämlich „Orte des Aufenthalts und der Begegnung“ (ebd.) zu sein, bislang viel stärker einlösen wollen als WB. Bedauerlich ist auch, dass die gerade bei WB und Spezialbibliotheken erkennbaren Synergien von LIS-bezogenen Qualifikationsprofilen nicht thematisiert werden.

Die zwei abschließenden Beiträge thematisieren Normen und Standardisierung im Informationsbereich (A11; Axel Ermert; inhaltlich in Teilen defizitär und ohnehin besser im Themenblock F verortet) und das Thema Langzeitarchivierung (A12; Thomas Bär), das inhaltlich eingeschränkt ist auf Aspekte der digitalen Langzeitarchivierung. Inhaltlich überraschend ist hierbei, dass das in der digitalen Langzeitarchivierungsforschung und -praxis weithin akzeptierte Data-Curation-Continuum-Modell keine Erwähnung findet. Inhaltliche Defizite zeigen sich auch bzgl. der Langzeitarchivierung (LZA) dynamischer digitaler Objekte (z.B. Webanwendungen, Datenbanken etc.) als typische digitale Objekte des 21. Jahrhunderts. Ebenso findet die gerade in der LZA anerkanntermaßen notwendige kooperative und kollaborative Organisation von Aktivitäten keinen Niederschlag in diesem z.T. sehr undifferenzierten Beitrag. 12 Die national wie international relevante Frage der Zertifizierung wird ebenfalls nicht angesprochen. Querverweise zu anderen Beiträgen fehlen – wie in vielen anderen Beiträgen – ebenfalls.

Statt des Gemeinsamen wird im Kontext-Bereich A häufiger das Trennende thematisiert. Vielleicht liegt dies auch daran, dass die Herausgebenden für die IW eine Eigenständigkeit postulieren, die das synergetische Potenzial dieses Kontextes zumindest vernachlässigt. Zu wünschen gewesen wäre, dass dieses Umfeld in seinem Facettenreichtum skizziert wird – eine schöne Herausforderung für eine Visualisierung! –, insbesondere aber, dass nicht ein wesentlicher Teilaspekt der Informationswissenschaft und -praxis wie ein blinder Fleck ignoriert wird: die Informatik. Ihr wachsender Stellenwert und ebenso jener von Daten und Datenwissenschaft wird zwar an anderer Stelle in einigen Beiträgen der Grundlagen direkt angesprochen und erkennbar. Für kommerzielle Erfolgsgeschichten, die – wenn überhaupt – allemal eher der Informationspraxis als der IW zugeordnet werden können, ist die Informatik jedoch konstituierend. Eine kritische Reflexion dieser Entwicklung fehlt jedoch leider. Schließlich hätte sie erkennen lassen, dass der wissenschaftssystematische Anspruch der interdisziplinär angelegten IW primär durch interdisziplinäre Synergien eingelöst werden kann. Auch eine reduzierende Rückbesinnung der IW auf das frühe, eher sozialwissenschaftliche Verständnis, wie es von Wolf Rauch in seiner Keynote anlässlich des International Symposiums für Informationswissenschaft 2021 angesprochen wurde, 13 wäre von solchen Synergien getragen.

Anhang B: Methoden und Systeme der Inhaltserschließung, Wissensorganisation und Wissensrepräsentation

Als einziger der sechs Themenblöcke der Grundlagen wurde dieser – vermutlich im Nachhinein, da nicht im Vorwort – mit einem auf S. 145 eingeführten erweiterten Titel benannt: „Methoden und Systeme der Inhaltserschließung, Wissensorganisation und Wissensrepräsentation“. Diese Erweiterung erlaubt auch die Einbeziehung beispielsweise des Themenfeldes Formale Erschließung, aber auch anderer Beiträge, für die das alleinige Label „Inhaltserschließung“ nicht gepasst hätte. Mit 18 Beiträgen auf ca. 220 Seiten ist er der umfangreichste Themenblock des Buches. Aber auch darüber hinaus weist dieser Teilbereich Spezialitäten auf, die angesprochen werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Reihenfolge der Beiträge, die eher zufällig als nach Sachzusammenhängen erfolgt zu sein scheint. „Formale Erschließung“ (B6) hätte z.B. – der üblichen Arbeitsweise bei der Erschließung folgend – deutlich früher platziert werden dürfen, ggf. dicht gefolgt vom Beitrag Metadaten (B9). Ebenso läge eine Gruppierung anderer Beiträge nahe, wie sie in der hier nachfolgenden Analyse vorgenommen wird.

Mit dem sehr gut zu lesenden und nachvollziehbaren Beitrag Einführung in die Wissensorganisation (B1; Ulrich Reimer) erhält man einen anschaulichen Überblick zu diesem Thema. Gemeint ist mit Wissensorganisation die „Organisation der Ablage und die inhaltliche Charakterisierung von Informationsobjekten und dem durch sie repräsentierten Wissen, so dass sie leicht(er) auffindbar sind.“ (S. 147). Die inhaltliche Skizze von Reimer greift allerdings nur einen Teilaspekt des Konzepts für den Themenblock auf.

Einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung und damit auch Wiederauffindbarkeit von Ressourcen jeglichen Typs leistet die Formale Erschließung (B6; Heidrun Wiesenmüller). Hier stehen die „äußerlichen, formalen Kriterien“ (S. 207) im Mittelpunkt. Verständlich und gut nachvollziehbar beschreibt die Autorin in ihrem Beitrag generisch und ergänzt durch Beispiele aus der Praxis die Zielsetzung und Grundprinzipien der Formalerschließung. Darauf aufbauend werden Typen von Standards – insbesondere bibliothekarische, aber auch solche aus anderen Anwendungsbereichen – bzgl. ihrer strukturellen und Anwendungsspezifika vorgestellt. Hinweise auf die Themen Datenqualität, Metadatenmanagement und Semantic Web verweisen ebenfalls auf praktische Fragen der Formalerschließung. Wünschenswert wäre gewesen, dass andere, im LIS-Kontext relevante Standards (z.B. der Langzeitarchivierung) explizit erwähnt oder durch Querverweise auf andere Kapitel der Grundlagen in Bezug zu diesem Beitrag gebracht worden wären.

Deutlich anders stellt sich der inhaltlich eigentlich affine Beitrag Metadaten (B9; Rolf Assfalg) dar. In Teilen unabhängig vom klassischen Verständnis der Einteilung in deskriptive, administrative und strukturelle Metadaten entwirft der Autor in diesem Beitrag eine zumindest im informationswissenschaftlichen Kontext nicht gängige Sicht auf das Thema. Es sollte jedoch Metadaten-Spezialist*innen überlassen werden, die Ausführungen im Detail zu bewerten. Allerdings sind auch schon für Nicht-Spezialisten Fehler erkennbar, die im Rahmen eines Lektorats hätten bereinigt werden müssen (z.B. bei Dublin Core). Auffallend ist auch, dass aktuelle Standardliteratur zum Thema Metadaten wohl nur z.T. verarbeitet wurde.

Was die Gründe gewesen sein mögen, den 2004 (!) in der 5. Ausgabe 14 der Grundlagen veröffent-lichten Beitrag des 2015 verstorbenen, in der Fachwelt hochgeschätzten Darmstädter Informations-wissenschaftlers Gerhard (privatim Gerd) Knorz als von den Herausgebern Rainer Kuhlen und Wolfgang Semar überarbeiteten Beitrag Intellektuelles Indexieren (B2; Gerd Knorz) zu veröffentlichen, darüber muss gerätselt werden. Sollte es eine posthume Würdigung sein, so hätte dies mit einer Fußnote erläutert werden können. 15 Besonders fragwürdig ist allerdings das gewählte Verfahren, in dem nicht explizit kenntlich gemacht wird, welche Textstellen von Knorz und welche von den Überarbeitern zu verantworten sind. Auch vor diesem Hintergrund dürfte das posthum Knorz zugeordnete © fragwürdig sein. Wie ein solches Vorgehen ethisch zu bewerten ist, sollte an anderer Stelle diskutiert werden. Da der Ausgangstext ja ohnehin bearbeitet wurde, wäre die Einbeziehung der Weiterentwicklung zu kollaborativen Verfahren der Inhaltserschließung naheliegend gewesen, wie sie im Beitrag Folksonomies & Social Tagging (B18; Isabella Peters) vorgestellt werden. Nicht von ungefähr stellt die Autorin in ihrem guten Überblick immer wieder Bezüge zu traditionellen Verfahren der Inhaltserschließung und des Information Retrieval her. Allerdings wird an diesem Thema mit Blick auf die Veröffentlichungsjahre in der Literaturliste erkennbar, wie rasch neue Themen und Verfahren zumindest als Forschungsgegenstand an Relevanz verlieren können.

Automatische, d.h. durch informatikbasierte Verfahren ermöglichte Formen der Erschließung können als ein weiteres thematisches Cluster identifiziert werden. Hierzu wären zu rechnen die Beiträge Automatisches Indexieren (B3; Klaus Lepsky) – ein wohltuend klarer, sehr gut nachvollziehbarer Überblicksbeitrag, Abstracting – Textzusammenfassungen (B8) und Automatische Sprachverarbeitung (B12; beide von Udo Hahn) – zwei sprachlich als auch in ihrer forschungsorientierten Darstellung deutlich über dem Komplexitätsniveau einer Einführung in das Thema stehende Beiträge. Auch der Beitrag Maschinelle Übersetzung (B14; Melanie Siegel) – trotz Forschungsorientierung verständlicher als die Beiträge B8 und B12 – und schließlich die Beiträge Text Mining und Data Mining (B16; Thomas Mandl) sowie Informationsvisualisierung und Visual Analytics (B13; Hans-Christian Jetter) mit gut erkennbaren Praxisbezügen sowie – bei B13 – mit Hinweisen auf Möglichkeiten datenbasierter Mustererkennung, Hypothesenbildung und entsprechenden Analyseverfahren sind diesem Cluster zuzurechnen.

Hinsichtlich der Instrumente und Verfahren der inhaltlichen Erschließung wäre es einen Versuch wert gewesen, die Themen Thesauri (B4; Andreas Oskar Kempf) – ggf. in Verbindung bzw. in Abgrenzung zu Ontologien und Linked Open Data (B10; Heiko Rölke und Albert Weichselbaum) –, das Thema Klassifikation (B5; Michael Kleineberg) und den Beitrag Register/Indexe (B7; Jochen Fassbender) in einem umfassenderen, die vermutliche 10-Seiten-Vorgabe sprengenden Beitrag in einer Gesamtschau anzusprechen. Vielleicht wäre so die Praxisrelevanz der Klassifikation als eine der ältesten, gerade im Bibliotheks- und Informationsbereich, also in der Informationspraxis (!) weit verbreiteten und relevanten Form der Inhaltserschließung noch deutlicher geworden. Der Autor stellt sie in seinem gut strukturierten methodischen Überblick unter Einbeziehung auch konzeptioneller Details vor. Als Nebeneffekt wäre so vielleicht auch die Autorensicht des Anbieters einer einschlägigen Software für Registererstellung relativiert worden.

Passend zum Themenfeld Wissensorganisation und Wissensrepräsentation sind die Beiträge Bibliometrie (B11; Isabelle Dorsch und Stefanie Haustein) und Verfahren der wissenschaftlichen Qualitäts- / Relevanzsicherung / Evaluierung (B15; Ulrich Herb), wobei letzterer fachlich fundiert gerade aktuelle Entwicklungen mit einbezieht. Thematisiert werden hier u.a. das Predatory Publishing sowie dubiose sog. Paper Mills, von denen ein „Komplettservice“ (S. 323) für das Verfassen wissenschaftlicher Papers inkl. der zugehörigen angeblichen Forschungsdaten bereitgestellt wird. Allerdings wäre dieser Beitrag vermutlich besser in den Abschnitten E oder F verortet.

Anders der Beitrag Forschungsdaten (B17; Heike Neuroth): Schließlich ist mit Forschungsdaten ein entscheidender Impuls verbunden, Forschung insgesamt transparenter, nachvollziehbarer und nachhaltiger zu machen. Gleichzeitig stellen Forschungsdaten aber auch einen neuen Forschungsgegenstand dar. Entsprechend seinem Stellenwert hätte das Thema Forschungsdaten daher sinnvollerweise eher im Bereich A Informationswissenschaft im Kontext platziert werden sollen. Dann hätten auch die in diversen Kapiteln des Inhaltserschließungsteils der Grundlagen, z.T. sogar prominent im Titel angesprochenen Bezüge zum systematischen, wissenschaftlichen Umgang mit Daten klarer verortet werden können. So aber entsteht der – nicht von der Autorin dieses Beitrags zu verantwortende – Eindruck, dass die Relevanz der Daten-Dimension (informations-)wissenschaftlicher Prozesse in der Konzeption der Grundlagen strukturell unzureichend bedacht wurde.

Die Beiträge dieses Themenblocks weisen bezüglich Abstraktionsniveau und Forschungsorientierung eine große Varianz auf. In vielfältiger Weise wird auch erkennbar, dass ein inhaltliches Lektorat nach Vorliegen der Beiträge wohl nicht (mehr) stattgefunden hat. Dadurch hätten zumindest diverse Fehler, fehlende Verweise und uneinheitliche Bezeichnungen vermieden werden können. Erfreulich ist, dass die meisten der Autor*innen es sich nicht haben nehmen lassen, auf die informationspraktischen Aspekte ihres jeweiligen Themas einzugehen.

Anhang C: Information Retrieval

Der Themenblock C Information Retrieval (IR) setzt zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Funktionsweise von IR-Systemen, die ihnen zugrundeliegenden Modelle sowie die Verfahren zur Behandlung spezieller, insbesondere multimedialer Objektgruppen. Zum anderen werden Aspekte der Benutzungsperspektive, die sich daraus ergebenden Implikationen und die möglichen bzw. systemseitig wünschenswerten Reaktionen angesprochen. Schließlich sind es normalerweise meistens Menschen mit ihren individuellen Hintergründen und Erwartungen, die IR-Systeme nutzen, um Daten und Informationen für vielfältige Fragestellungen zu ermitteln.

Wäre der Themenblock wie hier skizziert strukturiert, wäre für die Leser*innen schon viel gewonnen. Stattdessen sind diese zwei thematischen Aspekte bunt gemischt auf 12 Beiträge über ca. 130 Seiten Text verteilt – und es bleibt die Aufgabe der Leser*innen bzw. des Rezensenten, daraus eine solche grobe Struktur abzuleiten.

Einen – auch historischen – Überblick zur Entwicklung des IR gibt der Beitrag Informationswissenschaftliche Perspektiven des Information Retrieval (C1; Christa Womser-Hacker) – und liefert auch eine gut begründete und nachvollziehbare Eingrenzung des Themenfelds. Auch wenn er einige Beiträge verweisend einordnet, versteht er sich wohl nicht als ein Überblick zum gesamten Themenblock. Auch die zunehmende Nutzerorientierung des IR sowie das darauf aufbauende Verständnis von IR als aufgabenorientierter Prozess werden angesprochen. In diesem Prozess sind die fragenden Nutzer*innen situativ und bezüglich ihres Vorwissens als handelnde Akteure einzubeziehen. Die Autorin macht somit deutlich, wie weit sich IR von den Booleʼschen Anfängen eines bloßen Matching von Suchbegriffen mit Deskriptoren oder Dokumentinhalten entfernt hat.

IR assoziieren heutzutage die meisten Menschen nicht mehr mit der mehr oder minder spezialisierten Suche in sog. Fachinformationsdatenbanken oder Online-Katalogen, sondern mit der Suche mittels Suchmaschinen und deren meist kaum bekannter bzw. durchschaubarer Funktionalität. Entsprechend prominent und wichtig – und im konkreten Fall auch hilfreich dank guter Darstellung und Erläuterung – ist der Beitrag Suchmaschinen (C3; Dirk Lewandowski). In ihm werden typische Fragetypen, insbesondere aber der Aufbau und die Funktionsweise von Internet-Suchmaschinen erläutert. Hierbei sind gerade die Rankingprozesse und -faktoren bei der Anzeige sowie andere Einflussfaktoren auf das Zustandekommen von Suchergebnissen ein wichtiges Thema. Angesichts der gesellschaftsbeeinflussenden Bedeutung von Suchmaschinen ist die abschließende Frage von Lewandowski, weshalb die Beschäftigung mit Suchmaschinen in der Informationswissenschaft keinen höheren Stellenwert erfährt, durchaus nachvollziehbar und mehr als berechtigt.

Ausführlicher thematisiert – und damit auch ein Spiegel der stark von der Informatik beeinflussten Forschungsaktivitäten – sind hingegen Modelle im Information Retrieval (C2; Norbert Fuhr), Verfahren des Bild- und Video-Retrieval (C5; Thomas Mandl und Sebastian Diem) und des Audio- und Musik-Retrieval (C6; Maximilian Eibl, Josef Haupt, Stefan Kahl, Stefan Taubert und Thomas Wilhelm-Stein) sowie Sprachmodelle und neuronale Netze im Information Retrieval (C9; Philipp Schaer). Während sich im gesellschaftlichen Alltag digitale Bildverarbeitung und Spracherkennung zunehmend etabliert haben, sind die technischen Prozesse, die der Bildanalyse und dem Bild- bzw. Video-Retrieval wie auch dem Audio-Retrieval zugrunde liegen, den meisten Nutzer*innen vermutlich weitgehend unbekannt – und faktisch auch schwer zu verstehen. Gleiches gilt auch für die Sprachmodelle, mit deren Anwendung wohl eine deutliche Leistungssteigerung im Retrieval erreicht werden konnte. Trotz der erkennbaren Bemühungen der Autoren, die jeweiligen Themen verständlich zu erläutern, sind ihre Beiträge ohne einschlägige Vorkenntnisse nur bedingt zu verstehen. Hier wie auch bei anderen, stark informatikbezogenen Sachverhalten, stellt sich die Frage nach der Zielgruppenorientierung dieser Beiträge.

In weiteren Beiträgen werden – wie angesprochen – Frage- und Problemstellungen der Nutzenden von IR-Systemen thematisiert, so z.B. im Beitrag Modellierung von Benutzer*innen, Kontextualisierung, Personalisierung (C10; Stefanie Elbeshausen), der die Komplexität einer schwer modellierbaren Suchsituation verdeutlicht, die durch vielfältige Aspekte wie persönliches und organisationsbezogenes Vorwissen, Zielsetzung der Suche, persönliche und emotionale Präferenzen u.a.m. beeinflusst wird. Entsprechend können jene Verfahren, die die Perspektive der Nutzer*innen als systemseitige (Vor-)Einstellungen (z.B. durch typisierte Nutzermodellierungen, Personas, Personalisierung und Kontextualisierung oder ggf. auch dynamische Reaktionen auf Nutzungsverhalten) einbeziehen, immer nur eine unvollständige Annäherung an die individuelle Perspektive der Nutzenden sein. Der diesbezüglich weiterhin bestehende Forschungsbedarf wird deutlich. Dies gilt ebenso für Cross-Language Information Retrieval (CLIR) (C7; Christa Womser-Hacker), also der Suche nach Informationen in Dokumentbeständen, die nicht in der von den Suchenden beherrschten Sprache zur Verfügung stehen. Sie wird in international ausgerichteten Lebens- und Arbeitszusammenhängen, insbesondere aber in Wirtschaft und Wissenschaft, immer wichtiger. Die sehr gut verständliche Darstellung zeigt u.a. auch aktuelle Forschungsfelder auf. Auch hier wird deutlich: Retrieval-Prozesse sind Interaktionen von Menschen mit Systemen. Dabei reagieren Retrieval-Systeme zunehmend dynamisch auf die Einbeziehung von Vorerfahrungen, Hintergrundwissen, verfügbarer Zeit und anderen Einflussfaktoren seitens der Nutzer*innen.

Interaktive Unterstützung der Suche z.B. durch vorgeschlagene Suchwörter oder andere Maßnahmen sind mittlerweile in vielen IR-Systemen implementiert. Im Beitrag Interaktives Information Retrieval (C4; David Elsweiler und Udo Kruschwitz) zeigen die Autoren auf, dass bei der zukünftigen Entwicklung dialogbasierter Suchen die Verarbeitung natürlicher Sprache an Bedeutung gewinnen wird. Dabei kommen immer häufiger Empfehlungssysteme (C12; Ulrich Reimer) zum Tragen, die den meisten Leser*innen aus Online-Plattformen vertraut sein dürften. Solche Empfehlungen können aus der Beschreibung von Objekten abgeleitet werden, die Ähnlichkeiten zu den von Nutzer*innen bevorzugten Objekten aufweisen (inhaltsbasierte Filterung). Alternativ können Empfehlungen aus Bewertungen und Nutzungspräferenzen anderer, ggf. ähnlich orientierter Nutzer*innen abgeleitet werden (kollaborative Filterung). Die Funktionsweise sowie die Vor- und Nachteile beider Verfahren werden von Reimer gut nachvollziehbar skizziert. Sie vervollständigen die Ausführungen über Verfahren und Konzepte, die das explizit und implizit zum Ausdruck gebrachte Nutzungsverhalten in Informationssystemen in den Blick bzw. zur Grundlage von Systemreaktionen nehmen.

Die praxisbezogene Konkretisierung der verschiedenen Nutzendenperspektiven erfolgt im Beitrag Informationsrecherche (C11; Ragna Seidler-de Alwis). Hierin werden die vielfältigen Rahmenbedingungen und sonstigen Einflussfaktoren auf Recherchesituation und Rechercheablauf konkret benannt, auch wenn dadurch an manchen Stellen die Übersichtlichkeit des Beitrags ein wenig leidet. Angesichts der inhaltlichen, formalen und Glaubwürdigkeitsvarianz der im Internet auffindbaren Daten und Dokumente wird die Fähigkeit zur interaktiven Bewertung von (Zwischen-)Ergebnissen einer Informationsrecherche eine immer wichtiger werdende Kompetenz. Die Ausführungen bei Lewandowski (C3) lassen allerdings Zweifel aufkommen, inwieweit solche Kompetenz bei den Suchenden tatsächlich in der Breite vorhanden ist.

Seidler-de Alwis macht faktisch auch deutlich, dass im Vergleich zu früher, als Informationsrecherchen vorzugsweise in strukturell weitgehend homogenen Fachinformationsdatenbanken erfolgten, die Komplexität des Rechercheprozesses eher zugenommen hat, auch wenn das reine Handling vordergründig für die Nutzer*innen vereinfacht wurde.

Anhang D: Informationsverhalten

Als Informationsverhalten wird im Themenblock D vorgestellt, was in der informationswissenschaftlichen Praxis lange Zeit lediglich unter dem Teilaspekt Nutzerforschung und im weitesten Sinne auch der Usability thematisiert wurde. Im Überblicksartikel Information Behaviour (D1; Elke Greifeneder und Kirsten Schlebbe) geben die Autorinnen einen gut strukturierten Einblick in das Themenfeld, wobei sie z.T. auch die weiteren Beiträge des Themenblocks einordnen. Dabei erläutern sie auch verschiedene Forschungsschwerpunkte anhand des sog. turn-Konzeptes, mit dem Neuansätze in der Forschung auf der Zeitschiene der Forschungsentwicklung angesprochen werden. Hinweise zur Information-Behavior-Community sowie zu den wesentlichen Publikationen und Tagungen des Forschungsfeldes runden diesen gut lesbaren Beitrag ab.

Den Informationsbedarf wie auch das Informationsbedürfnis thematisieren die Autorinnen des Beitrags Information Need, Informationsbedarf und -bedürfnis (D5; Kirsten Schlebbe und Elke Greifeneder). Gut nachvollziehbar ist die Vielfalt dessen, was aus der Literatur zum Thema Informationsbedürfnis – von den Autorinnen als Äquivalent zu information need verstanden – vorgestellt wird und was die Forschung zu information need in den letzten Jahrzehnten bis hin zu neueren Discovery-Verfahren entwickelt hat, bei denen Nutzer*innen Informationsangebote zu vermeintlichen oder tatsächlichen Informationsbedürfnissen erhalten.

Computervermittelte Kommunikation (D2; Nicola Döring) nutzen wir alle heutzutage ganz selbstverständlich – und die meisten von uns sind sich der Unterschiede zu direkter Face-to-Face-Kommunikation mehr oder minder bewusst. Dabei wird unsere Interaktion mit Computern ganz wesentlich beeinflusst durch deren Gebrauchstauglichkeit (usability) und das Benutzererlebnis (user experience; UX). Beide Anforderungen, seit längerem auch als Normen formuliert, werden im Beitrag Mensch-Computer-Interaktion, Usability und User Experience (D3; Hans-Christian Jetter) als interdisziplinärer Forschungsansatz gut nachvollziehbar und (als impulsgebend für die IW) unter Bezugnahme auf die benutzerbezogene Gestaltung (user-centered design) vorgestellt und erläutert.

Vermutlich für jede*n verständlich beeinflussen Emotionen im Information Seeking (D4; Gabriele Irle) die bewusste oder unbewusste Information Seeking Behaviour (D6; Dirk Lewandowski und Christa Womser-Hacker), die im Beitrag dieser beiden Herausgebenden thematisiert wird. Informationsverhalten kann in einzelne Aktivitäten wie Problemidentifikation, Artikulation des Informationsbedürfnisses, Frageformulierung und Bewertung der Ergebnisse gegliedert werden; aber auch weniger zielgerichtete Formen der Informationssuche wie z.B. Browsing oder Monitoring sind im alltäglichen Informationssuchverhalten relevant. Dabei kommen immer auch persönlichkeitsbezogene oder situative Einflussfaktoren zum Tragen (vgl. hierzu die Ausführungen zum Teil C). Überlegenswert wäre gewesen, diesen Beitrag mit jenem zu den Emotionen beim Suchen zu verbinden. So hätte man Redundanzen (vgl. S. 556f. bzw. S. 536) und auch den Verweis auf einen falschen Titel in D4 (S. 557) vermieden.

Der Beitrag zum Informations- und Wissensmanagement von Wolfgang Semar ist am weitesten vom thematischen Kern des D-Bereichs entfernt, zumal er sich – wie im fachlichen Kontext durchaus üblich – primär auf die Gegebenheiten in wirtschaftlich aktiven Organisationen bezieht. Der Blick auf den Verwaltungsbereich bleibt weitgehend ausgeblendet. Individuen und ihr Informations- und Wissensmanagement werden reduziert auf PIM (Personal Information Management) und damit allein auf den Umgang mit persönlichen digitalen Kommunikationsmetadaten. Entsprechende Auslassungen hätten zumindest angesprochen und insbesondere für den Verwaltungsbereich begründet werden sollen. 16 Forschungen zu Verfahren des Know-How-Transfers, um implizites Wissen von Mitarbeitenden (bei Jobwechsel oder Wechsel in den Ruhestand) z.B. mittels Verfahren des Storytelling zu erlangen, werden leider ebenfalls nicht thematisiert. Trotz dieser Auslassungen handelt es sich hier um einen gut lesbaren Überblicksartikel.

Den vielfältig interpretierbaren Begriff Informationskompetenz (IK; D8; Joachim Griesbaum) – im Kern verstanden als die Fähigkeit, „sich als Nutzer oder Nutzerin informationell absichern zu können“ (S. 589) – stellt der Autor definitorisch und historisch vor, um darauf aufbauend die gängigen Modelle sowie die aktuell anerkannten Verfahren zur Förderung von IK zu erläutern. Gut nachvollziehbar ist die Erläuterung, dass IK abhängig von Lebensphasen und Lebensbereichen ist – womit gleichzeitig auch auf die im nachfolgenden Beitrag herausgearbeitete Notwendigkeit verwiesen wird, u.a. fachspezifisch angepasste Ansätze zur Vermittlung von IK zu entwickeln.

Griesbaum – wie auch den Autorinnen des nachfolgenden Beitrags zur Informationsdidaktik (D9; Antje Michel, Maria Gäde, Anke Wittich und Inka Tappenbeck) – ist es offensichtlich ein Anliegen, deutlich zu machen, dass seine bzw. ihre Ausführungen in Abstimmung mit der Fachgruppe IK der KIBA (Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge) erfolgt sind. Dieser begrüßenswerte Ansatz stärkt das Vertrauen in die fachlich breite Absicherung der Ausführungen in beiden Fällen.

Langfristiges Ziel einer speziellen Informationsdidaktik könnte dabei sein, eine „Fachdidaktik der Informationswissenschaft“ (S. 596) zu entwickeln. Diese sollte aus Sicht der Autorinnen auf der Analyse verschiedener u.a. fachlich, sozial, kulturell und generationenbezogen geprägten Wissenskulturen aufsetzen, um zielgruppenspezifisch erfolgreich wirken zu können.

Inhaltlich erweisen sich der Themenblock Informationsverhalten und seine Beiträge als über weite Strecken kohärent und zudem gut lesbar. Diskussionswürdig ist jedoch die Einordnung des gesamten Themenfeldes Informationsverhalten NACH dem Themenblock Information Retrieval. Schließlich sollten die Informationsbedürfnisse und generell das Informationsverhalten ZUERST reflektiert worden sein, um darauf aufbauend passende Strategien und Verfahren zur Suche zu entwickeln.

Anhang E: Proprietäre und offene Informationsmärkte

Angesicht der ausgewiesenen Informationsmarkt-Expertise der beiden Herausgeber Rainer Kuhlen und Wolfgang Semar, die mit Beiträgen und vermutlich auch konzeptionell in diesem Themenblock vertreten sind, ist die vorgefunden Zusammenstellung in diesem Themenblock seltsam heterogen. So werden einige spezialisierte Themen sehr ausführlich und andere trotz hoher Relevanz nur knapp behandelt, denn alle wurden in ein jeweils ca. 10 Textseiten umfassendes Korsett gezwungen. Auf die Möglichkeit, durch thematische Cluster und/oder durch bewusst umfangreichere oder kürzere Behandlung von Themen klare Schwerpunkte zu setzen und damit auch strukturelle Aussagen zu treffen, haben die Herausgebenden hier wie in anderen Teilen der Grundlagen wohl ganz bewusst verzichtet.

Von den 13 Beiträgen thematisieren sieben eher kommerzielle Themenaspekte, allerdings z.T. sehr spezialisiert, so z.B. Marketing für Informationseinrichtungen (E7; Ursula Georgy und Frauke Schade), das thematisch gut mit dem Beitrag Online Marketing (E6; Joachim Griesbaum) hätte zusammengeführt werden können. Synergieeffekte durch Zusammenführung wären auch denkbar gewesen für drei Beiträge aus dem Themenfeld Openness, nämlich jene zu Open Data (E11) und Open Government (E13; beide von Tobias Siebenlist) sowie Open Educational Resources (E12; Sigrid Fahrer und Tamara Heck). So wären zumindest einige Redundanzen vermieden worden. Der Beitrag Verlage in Wissenschaft und Bildung (E4; Christoph Bläsi) löst nicht ein, was der Titel verspricht und hätte entfallen können. Aber auch die Relevanz des Beitrags – nicht des Themas! – Medienökonomie (E3; Tassilo Pellegrini und Jan Krone) ist aus Sicht des Rezensenten zumindest fragwürdig.

Orientierung für den Themenblock hätte der einleitende Beitrag Informationsmarkt (E1; Rainer Kuhlen) bieten können, allerdings erfüllt er nur in Teilen den von Leser*innen vermutlich erhofften Überblick. Stattdessen erweist er sich nach Aussage des Autors als inhaltlich fokussierte und in Teilen aktualisierte Kurzfassung einer früheren Publikation von Kuhlen aus dem Jahr 2020 (vgl. S. 605, FN 1). Basis der Überlegungen von Kuhlen ist das Verständnis von Markt als ein ggf. auch virtueller Ort für den Austausch von Wissen – unabhängig davon, ob dieser kommerziell oder nicht kommerziell organisiert ist. Speziell in den Blick nimmt Kuhlen dabei den Informationsmarkt im Kontext von Bildung und Wissenschaft, in dem eine Transformation zu freiem, primär von Open Access geprägtem Marktgeschehen zu beobachten sei. Dieses ist aus Sicht von Kuhlen durchaus kompatibel mit dem bislang dominierenden, kommerziellen Marktgeschehen. Nachdem das kommerzielle Marktsegment hinsichtlich seiner Quantitäten, aber auch mit seinen Widersprüchen und z.T. oligopolistischen Auswüchsen charakterisiert wurde, werden die Entwicklungen in den „Open-Access-Informationsmärkten“ (S. 612) skizziert und damit verbundene Finanzierungskonzepte vorgestellt. Die (Weiter-)Entwicklung der großen kommerziellen Verlagskonsortien hin zu Data Analytics Businesses klingt dabei nur als eine in der Literatur geäußerte dystopische Sicht an. Eine solche, wenig kritische Sicht eines langjährigen Beobachters des Marktgeschehens verwundert auch deshalb, weil durch diese Tendenz Oligopole weiter gestärkt werden. Glaubt man Kritikern wie Brembs 17 oder Siems 18 könnte so auch die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Akteure in Gefahr geraten.

Im Beitrag Plattformökonomie (E2; Wolfgang Semar) wird der Blick wieder auf das weit gefächerte Marktgeschehen gelenkt. Semar erläutert dieses zentrale Konzept des elektronischen Handel(n)smittels Informations- und Kommunikationstechnologie: Informations-, Vereinbarungs-, Abwicklungsphase und After-Sales-Phase charakterisieren die vier Stadien des plattformbasierten Handels. Die Organisationsformen dieser digitalen Plattformen, ihre Erlös- und Geschäftsmodelle sowie ihre Erfolgsfaktoren werden von Semar gut nachvollziehbar generisch und z.T. unter Bezugnahme auf typische Plattformen dargestellt. Dabei wird auch deutlich, dass erfolgreiche Plattformen keine 1:1-Übertragung erfolgreicher Märkte aus der realen in die digitale Welt darstellen. Für diesen Beitrag hätte man sich mehr Raum für weitere differenzierende Betrachtungen gewünscht.

Ob die Zuordnung des Themas Social Media & Social Web (E8; Isabella Peters) im Märkte-Themenblock wirklich passend ist, wäre diskutabel. Angesichts des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Stellenwerts dieses Themas wäre – analog zum Thema Forschungsdaten – eine Zuordnung zum Themenblock A Informationswissenschaft im Kontext vielleicht passender gewesen. Schließlich ermöglichen Social Media und von Nutzer*innen bereitgestellte Inhalte (user generated content) neue kommunikative Praktiken im Rahmen sozialer Netzwerke. Dabei werden selbst- und fremderzeugte Inhalte im Web bereitgestellt und weitergeleitet sowie darüber kommuniziert. Die gesellschaftliche und mediale Relevanz von Wikis, (Micro-)Blogs oder Plattformen zum Teilen von Videos und Fotos und die damit verbundenen Austauschformen nehmen stetig zu. Peters spricht zu Recht an, dass es Aufgabe der informationswissenschaftlichen Forschung sei, damit verbundene Entwicklungen und erkennbare Defizite in den Blick zu bringen, zu analysieren und hierfür Lösungsansätze zu entwickeln. Soweit dies im gegebenen Rahmen möglich war, hat die Autorin die Sachverhalte gut aufgearbeitet. Dennoch: Der zunehmende Stellenwert von Social Media für die Wissenschaftskommunikation, insbesondere aber für den privaten und sonstigen kommunikativen Alltag weiter Gesellschaftskreise kommt hier und insgesamt in den Grundlagen zu kurz. Das betrifft z.B. die Aspekte der Influencer-basierten Einflussnahme, der Falschinformation und der Verleumdung, aber auch Abhängigkeiten von Nutzenden bis hin zur Sucht. Auch der Beitrag F6 von Kuhlen am Ende des Buches deckt dies nur in Teilen ab.

Das Themenfeld Openness wird mit dem Beitrag Open Science (E9; Klaus Tochtermann und Anna Maria Höfler) eröffnet. In diesem inhaltlich und strukturell gut verständlichen Beitrag werden die Zielsetzungen und Grundprinzipien von Open Science, seine tragenden Elemente wie Transparenz, Reproduzierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und offene Kommunikation und deren Zusammenhang mit guter wissenschaftlicher Praxis herausarbeitet. Besonders erwähnenswert ist nicht zuletzt der hilfreiche Anhang mit „How-to-Guides und Hilfestellungen“ (S. 711).

Sehr gut verständlich ist auch der Beitrag Open Access (OA; E10; Ulrich Herb und Heinz Pampel) der an deutlich früherer Stelle der Grundlagen als referenzierbarer Beitrag anstelle manch stark verkürzter Ausführungen zum Thema OA hilfreich gewesen wäre. OA wird sowohl aus Autoren- wie auch aus wissenschaftspolitischer Perspektive angesprochen. Die Rolle der Verlage mit ihren über das reine (OA-)Publizieren hinausgehenden Interessen sowie die Kontroversen z.B. um DEAL werden diskutiert. Anders als im eigentlichen Beitrag zum Urheberrecht (F3) wird hier auch auf die urheberrechtliche Situation in der Schweiz und in Österreich eingegangen.

Im Anschluss daran – nicht wie im Buch früher im Themenblock – hätte der Beitrag E5 Lizenzierungsformen (Irina Sens, Alexander Pöche, Dana Vosberg, Judith Ludwig und Nicola Bieg) gut als inhaltliche Vertiefung gepasst. Orientiert am Urheberrecht in Deutschland stellen die Autor*innen mögliche Nutzungsrechte und Lizenzen von digitalen Ressourcen grundsätzlich vor. Die Darstellung der aktuell gängigen Varianten von Lizenzierungsformen ist prägnant, bezüglich ihrer Vor- und Nachteile jeweils kurz umrissen und vorbildhaft verständlich ausgeführt. Die Weiterentwicklung von Lizenzen hin zu Maßnahmen zur OA-Transformation wird nachvollziehbar abgeleitet. Gleichzeitig wird aber auch erläutert, dass für ausgewählte Verlagsprodukte wohl auch in Zukunft klassische Lizenzen relevant bleiben werden.

Insgesamt erscheint der Themenblock Proprietäre und offene Informationsmärkte – trotz diverser sehr guter Einzelbeiträge – aus strukturellen Gründen nicht als der wünschenswerte, konzeptionell überzeugende Überblick, den man in den Grundlagen gerade angesichts der Herausgeberexpertise in diesem Bereich erwarten würde.

Anhang F: Regulierungsformen von Wissen und Information

Der abschließende Blick auf die Regulierungsformen von Wissen und Information macht mit den Beiträgen zu Informationsethik, Urheberrecht sowie Datenschutz und Informationsfreiheit deutlich, welche gesellschaftlichen und sozialen Einflussfaktoren beim Umgang mit Information zum Tragen kommen. Sie sind auch angesichts neuer technischer Möglichkeiten im Kontext der Erfassung und Analyse großer Datenmengen bzw. der digitalen Spuren unserer Aktivitäten eminent relevant. Dies gilt auch für den gut zu lesenden, didaktisch verständlich gestalteten Beitrag zu Informations-, Kommunikations- und Webtechnologien (F2; Bernard Bekavac), allerdings wäre dieser Beitrag aus Sicht des Rezensenten wegen der strukturellen Bedeutung des Themas besser im Themenblock A Informationswissenschaft im Kontext verortet worden. Die Beiträge Plagiat und der abschließende Beitrag Informationspathologien – Desinformation thematisieren hingegen eher manipulative Beeinträchtigungen als vielmehr Regulierungsformen von Wissen und Information. 19 Im Beitrag Informationsethik (F1; Hermann Rösch) geht es um „alle ethisch relevanten Fragen, die in Zusammenhang mit Produktion, Speicherung, Erschließung, Verarbeitung und Nutzung von Informationen“ (S. 755) erkennbar werden. Dabei wird deutlich, dass Ethik nicht nur dem Recht vorgelagert ist, sondern auch darüber hinaus weist. Ein insgesamt nicht nur informativer, sondern auch in sich geschlossener, gut nachvollziehbarer und auch auf aktuelle ethische Fragen z.B. rund um künstliche Intelligenz eingehender Beitrag.

In dem an manchen Stellen zu detaillierten Überblick zu den bundesdeutschen Regelungen durch das Urheberrecht (F3; Peter Brettschneider) werden zentrale Fragen des Themas klärend angesprochen. Bedauerlich ist allerdings, dass das gerade für den Wissenschaftskontext wichtige Recht der Creative-Commons-Lizenzen sowie zumindest Abweichungen der urheberrechtlichen Regelungen von der deutschen Rechtssituation in Österreich und der Schweiz nicht thematisiert werden. 20 Auch die Regelungen des Copyrights im britischen und angloamerikanischen Kontext hätten mehr als nur anklingend dargestellt werden können und sollen. Interessant und erfreulich sind die Hinweise auf ein- und weiterführende Literatur zum Urheberrecht.

In dem wohltuend klaren, die Bedeutung von Datenschutz und Informationsfreiheit (F4; David Caspar) zu Recht betonenden Beitrag wird nicht nur die historische Entwicklung der heute gültigen datenschutzrechtlichen Regelungen auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene bis hin zur viel diskutierten Datenschutzgrundverordnung dargestellt, sondern auch die damit verbundene Entwicklung neuer Grundrechte. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundrecht der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie das „Recht auf Zugang zu Informationen aus öffentlichen Quellen“ (S. 813) werden jeweils in ihrer Entstehung und Auswirkung auf den Alltag erläutert und die damit verbundenen Herausforderungen werden gut nachvollziehbar skizziert.

Ein Plagiat (F5; Norman Meuschke, Nicole Walger und Bela Gipp) ist wohl weniger eine Regulierungsform, als vielmehr eine Beeinträchtigung der gängigen Weitergabe von Information und Wissen. Die Autor*innen beleuchten das Thema nicht nur gut nachvollziehbar systematisch, sondern auch die bei der Nutzung von Verfahren zur Plagiaterkennung zum Einsatz kommenden technischen Konzepte.

Das Phänomen der Falschinformation in seinen verschiedenen Ausprägungen beschäftigt den Herausgeber Kuhlen im letzten Beitrag: Informationspathologien – Desinformation (F6; Rainer Kuhlen). Dabei wird auch hier deutlich, dass es sich eher um Manipulation von Wissen und Information als um Regulierung im Sinne gesellschaftlich gewollter Steuerung handelt. Die bedauerlicherweise festzustellenden handlungsrelevanten Effekte von Fehlinformation zu akzeptieren, fällt bestimmt nicht leicht. Da „tröstet“ auch die naheliegende, von Kuhlen geäußerte Vermutung wenig, dass die Handelnden falsche Informationen als richtige oder wahre Informationen verstanden haben könnten. Die aufgezeigten Umfeldaspekte wie schwindendes Vertrauen in traditionelle Medien, Notwendigkeit der Aufklärungsarbeit durch Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz sowie Verfahren zur Ermittlung von Fake News mittels Künstlicher Intelligenz u.a.m. machen am Ende zumindest eines deutlich: Nicht nur die IW, sondern fast alle involvierten gesellschaftlichen Bereiche scheinen noch reichlich hilflos, wie der über Jahrzehnte gewachsenen Überzeugungskraft wissenschaftlich abgesicherter Information und daraus entwickeltem Wissen wieder mehr Geltung verschafft werden kann. Klar ist aber, dass aus Sicht des Autors und Herausgebers Kuhlen die IW einen Beitrag dazu leisten sollte.

Achim Oßwald, Technische Hochschule Köln, Institut für Informationswissenschaft, https://orcid.org/0000-0002-4803-2867

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5934

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International .

1 Zu den drei Erstherausgebern vgl. Müller-Heiden, Barbara: Der „LaiLuMu“. Eine biografische Skizze zu den Begründern der „Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation“, in: Information – Wissenschaft & Praxis 74 (1), 2023, S. 51–57. Online: < https://doi.org/10.1515/iwp-2022-2243 >.

2 Disclaimer: Die deutschsprachige IW ist eine seit Jahrzehnten personell relativ überschaubare Disziplin. Der Autor mit informationswissenschaftlichem Selbstverständnis, Diplom und Promotion und u.a. auch langjähriges Vorstandsmitglied des Hochschulverbands Informationswissenschaft ist mit den Herausgebenden z. T. seit Jahrzehnten persönlich bekannt; gleiches gilt für eine große Zahl der Autor*innen der einzelnen Beiträge. Er hat beim Herausgeber Rainer Kuhlen studiert und promoviert. Dies hindert ihn nicht daran, sachliche Kritik zu äußern, wo diese geboten erscheint.

3 So die Formulierung auf der Frontdoor, < https://doi.org/10.1515/9783110769043 >, Stand: 21.04.2023.

4 Interessant ist die Geschlechterverteilung bei den Autor*innen in den sechs Themenbereichen (jeweils Autorinnen zu Autoren): A – 7 zu 10; B – 6 zu 14; C – 6 zu 13; D – 11 zu 4; E – 10 zu 12 und F – 1 zu 7. Indirekt gibt sie vielleicht Hinweise auf geschlechtsspezifisch bevorzugte Themenfelder informationswissenschaftlicher Forschung und Praxis.

5 Im Vorwort des Buches nur „Methoden und Systeme der Inhaltserschließung“.

6 In den Anhängen zu den einzelnen Themenblöcken gibt es bewusst belassene textliche Überschneidungen.

7 Ein Beispiel für die z. T. zu kurz gekommene formale Qualitätssicherung ist die unterschiedliche Benennung des Themenblocks B, der im Vorwort als „Methoden und Systeme der Inhaltserschließung“, ansonsten aber mit „Methoden und Systeme der Inhaltserschließung, Wissensorganisation und Wissensrepräsentation“ bezeichnet wird.

8 So erfreulich dieses Glossar ist, so inhomogen sind die darin gegebenen Verweise auf einschlägige Kapitel. Hier erweist sich das Register als deutlich substanzieller.

9 Bewusst wurde darauf verzichtet, einen inhaltlichen Abgleich mit früheren Auflagen der Grundlagen vorzunehmen.

10 Im Glossar erfolgt bei NFDI nur ein Verweis auf den Beitrag A2, nicht jedoch auf den viel einschlägigeren zum Thema Forschungsdaten (B17).

11 Der abschließende Beitrag von Kuhlen zu Informationspathologien und Desinformation greift zumindest Teilaspekte davon auf.

12 Peinlich für den Autor wie für das Lektorat sind das dünne Literaturverzeichnis sowie u.a. die fehlerhaften Angaben zum Standardwerk nestor-Handbuch. Dazu passend verweisen manche Fußnoten auf extrem vergängliche, organisationsinterne Wiki-Seiten (z.B. zu Signifikante Eigenschaften) und eben nicht auf durchaus verfügbare – ggf. sogar LZA-gesicherte – einschlägige Publikationen. Widersprüchlicher geht es bei diesem Thema wohl kaum!

13 Vgl. Rauch, Wolf: Was aus der Informationswissenschaft geworden ist. Key-Note für die ISI2021 in Regensburg am 28. März 2021, in: Information – Wissenschaft & Praxis 72 (4), 2021, S. 169–176, speziell S. 173f. Online: < https://doi.org/10.1515/iwp-2021-2156 >.

14 Knorz, Gerhard: B5 – Informationsaufbereitung II: Indexieren, in: Kuhlen, Rainer; Seeger, Thomas; Strauch, Dietmar (Hg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. 5., völlig neu gefasste Ausgabe, München 2004, S. 179–188.

15 Gegen eine solchen Versuch der Würdigung spricht der Umstand, dass als Abbildung 1 nicht ein Buch von Knorz als Fallbeispiel genutzt wurde, sondern die 6. Ausgabe der Grundlagen, herausgegeben von Kuhlen, Semar und Strauch, an der Knorz sich nicht mehr beteiligen konnte.

16 Angesichts der Tatsache, dass die Konstanzer Informationswissenschaft, mit der der Autor verbunden ist, einen zen­tralen Bezug zur Verwaltungswissenschaft hatte, ist das Fehlen dieses inhaltlichen Bezugs zumindest verwunderlich.

17 Vgl. z.B. Brembs, Björn: Großverlage arbeiten daran, „den wissenschaftlichen Workflow zu monopolisieren“. Interview durch Georg Fischer, 8. Oktober 2021, < https://irights.info/artikel/bjoern-brembs-grossverlage-arbeiten-daran-den-wissenschaftlichen-workflow-zu-monopolisieren/31142 >, Stand: 23.04.2023.

18 Siems, Renke: Das Lesen der Anderen. Die Auswirkungen von User Tracking auf Bibliotheken, in: o-bib 9 (1), 2022, S. 1–25. Online: < https://doi.org/10.5282/o-bib/5797 >.

19 Gut in den Themenblock F gepasst hätte u.a. auch der Beitrag A11 Normen und Standardisierung im Informationsbereich.

20 Anders hierzu der Beitrag Open Access (E10) von Ulrich Herb und Heinz Pampel.