Forschungsnahes Arbeiten und Verbandsarbeit im VDB

Positionsbestimmung des Vorstands

Forschungsnähe – unterschiedliche Dimensionen

Forschungsnähe ist ein zentrales Kriterium der Hochschullehre sowie der Funktionsfähigkeit von Universitäten und Hochschulen allgemein. Sie stellt eine besondere Herausforderung für die Querschnittseinrichtungen (Bibliotheken, Rechenzentren, Bauabteilungen) dar, diese müssen forschungsbezogen, bedarfsorientiert und zudem oft unter Zeitdruck agieren. Forschungsnähe ist fächerbezogen auszugestalten und berücksichtigt daher sowohl Fachunterschiede als auch methodisch differierende Herangehensweisen innerhalb der jeweiligen wissenschaftlichen Einrichtung.

Forschungsnähe betrifft damit die gesamte Hochschule. Forschungsnähe erfordert die Anstrengung der Einzelnen, aber auch institutionelle Anstrengungen. In Einrichtungen, in denen geforscht wird, müssen Bibliotheken die Forschungsnähe als Leistungskriterium und permanente Herausforderung annehmen.

Wie arbeiten wir forschungsnah?

Die Veränderung des eigenen beruflichen Mindsets ist eine Herausforderung. Forschungsnahes Arbeiten erfordert ein permanentes „kommunikatives Miteinander“, die Etablierung einer Kultur des Ausprobierens und der Akzeptanz partiellen Scheiterns sowie eine von allen Akteurinnen und Akteuren gelebte Dynamik des Lernens und der Iteration. Der ganze Campus sollte eine intellektuelle „Spielwiese“ sein.

Forschungsnähe zeigt sich deshalb häufig im „Herausgehen“ aus der Bibliothek und der Kooperation mit anderen Playern oder in der Bereitstellung von Ressourcen für Zielstellungen, die mit anderen Einrichtungen verbunden sind. Die Identität der Bibliothek drückt sich dabei durch bestimmte Werte der Wissenschaft aus, nicht durch ein Verharren in traditionellen Aufgabenstellungen.

Fachinformationsdienste oder Open-Science-Abteilungen sind typische Arbeitsumgebungen forschungsnaher Dienste. Fachreferatstätigkeiten sind grundlegend forschungsnah auszugestalten. Häufig verläuft die Anforderungsentwicklung schneller als regelmäßige Antragsprozesse. Daher müssen Prozesse offengehalten werden und muss laufend Schnittstellenkommunikation mit den Forschenden und der Hochschulleitung stattfinden.

Forschungsnahes Arbeiten und der VDB

Das Kriterium Forschungsnähe betrifft den VDB als Personalverband als Ganzes genauso wie die Kommissionen des VDB, die für die inhaltliche Arbeit des VDB stehen. Ziel ist es, aus dem Frage- in einen Antwortmodus zu kommen, wie bei der Etablierung forschungsnaher Dienste vorgegangen werden kann. Die Perspektive darf dabei nicht auf die Alternative „Daten, IT und Rechenkapazitäten mit Support“ oder „Menschen und Räume“ verkürzt werden.

Von Kommissionen und Vorstand wurden Schwerpunktthemen erarbeitet, die die Verbandsarbeit in den kommenden Jahren begleiten sollen.1

Schwerpunktthema 1: Identitäten – ins Tun kommen

Die berufliche Identität vieler Kolleginnen und Kollegen besteht aus der Kombination von wissenschaftlichem Fachstudium und Bibliotheksfachlichkeit. In forschungsnahen Arbeitskontexten muss der Anspruch eingelöst werden, beides zu verbinden. Die neuen Anforderungen sind in Studium und Ausbildung adäquat zu verankern. Die Wertigkeit der neuen forschungsnahen Aufgaben soll sich in der tariflichen Eingruppierung sowie der organisatorischen Einbindung ausdrücken.

Schwerpunktthema 2: Arbeiten in der forschungsnahen Bibliothek

Forschungsnahe Themen erfordern Austausch und Teamstrukturen mit flexiblen Zeitanteilen. Einrichtungsübergreifendes Communitybuilding bringt Zugewinne, benötigt aber auch Zeit. Eine einzelne Person kann forschungsnahes Arbeiten in der Bibliothek nicht leisten. Die Größe der Herausforderung z.B. beim Datenmanagement sowie die notwendigen Qualifikationsschritte können zu Veränderungsresistenz führen. Daher ist es notwendig, skalierbare Basisdienstleistungen zu entwickeln, Aufwände zu messen und Betreuungsschlüssel zu finden.

Schwerpunktthema 3: Räume bespielen

Eine alleinige räumliche Schwerpunktsetzung auf Lernräume stellt eine Verkürzung dar. Forschungsnahe Dienste sind räumlich häufig wenig sichtbar. Labs und Kreativräume werden für Forschende und für forschendes Lehren jedoch immer wichtiger. Eine forschungsnah arbeitende Bibliothek sollte sich daher dem Anspruch stellen, Räume für forschungsnahe Dienste (Labs) bereitzuhalten. Themenräume müssen zur Aktivität einladen und bespielt werden (Space Curator).

Freiraum bieten – was fällt weg?

Organisationsüberlegungen sollten mit einer Aufgabenkritik beginnen. Das Produktportfolio muss auf forschungsnahe Dienstleistungen ausgerichtet und an den Bedarf angepasst werden. Das gilt auch für den VDB, der seine Kommissionen und ihr Zusammenwirken untereinander und über den VDB hinaus inhaltlich neu ausrichten wird. Der Vorstand sieht folgende Tendenzen, die sich auch in der Verbandsarbeit widerspiegeln müssen:

Fachaufgaben und Leitungsaufgaben an Bibliotheken werden anders zugeschnitten und neu verteilt. Auch ein überkommenes Selbstverständnis von Bibliothekar*innen als Vermittelnde von Dienstleistungen oder Kompetenzen muss überwunden werden. Forschungsnahe Dienste erfordern in erster Linie Kooperation. Die dafür notwendigen Kompetenzen werden laufend neu erworben.

Der VDB wird daher in den nächsten Jahren neue Schwerpunkte setzen, um die Arbeit des Verbands stärker auf die veränderten Anforderungen auszurichten. Das kommissionsübergreifende Arbeiten am Schwerpunktthema „Forschungsnahes Arbeiten“ stellt dabei den ersten Schritt dar.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5929

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 siehe auch den Bericht zum Workshop in diesem Heft <https://doi.org/10.5282/o-bib/5923>