Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

In seiner Präsenzsitzung am 19./20. September 2022 in Bonn hat sich der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) mit folgenden Themen befasst:

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID)

Entwicklung einer FID-Gesamtstruktur

Der AWBI hat sich erneut mit den Beiträgen der einzelnen Fachinformationsdienste zur Entwicklung einer FID-Gesamtstruktur und deren Bewertung im Begutachtungsprozess der Anträge befasst. Wie bei den Anträgen aus dem Jahr 2021 wurde auch bei den Anträgen aus der ersten Kohorte des Jahres 2022 festgestellt, dass sich die FID an fachlichen Netzwerken und technischen Kooperationen beteiligen und an der Governance-Struktur des FID-Systems mitwirken, die aus der AG-FID und dem FID-Lenkungsgremium besteht. Im technischen Bereich sieht der AWBI noch deutliches Potenzial für mehr Synergieeffekte, z.B. durch Nachnutzung bestehender Systeme. Hierbei könnte über das FID-System hinaus beispielsweise auch an gemeinsame Verantwortungsstrukturen für zentrale Dienstleistungen gedacht werden. Auch die Sichtbarkeit des FID-Systems sollte verbessert werden, vor allem mit Blick auf eine erhöhte Benutzung der geschaffenen Angebote.

Das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und den einzelnen FID sollte aus Sicht des AWBI noch stärker konkretisiert werden. Da hier die unterschiedlichen Entwicklungsstadien in den beiden Programmen zu berücksichtigen sind, sind die bisherigen Absichtserklärungen und Abstimmungsprozesse eine gute Grundlage, um zu klar definierten Kooperationen und eindeutig benannten Aufgabenbereichen zu gelangen.

Der AWBI hat zudem darauf hingewiesen, dass eine Abdeckung der gesamten fachlichen Breite keine strategische Zielsetzung des Programms „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ darstellt. Bei neuen Fachbereichen müsste jeder Einzelfall geprüft werden, zum einen mit Blick auf die potenzielle Nutzendencommunity, aber auch vor dem Hintergrund des FID-Gesamtsystems und einer eventuellen verstärkten Vernetzung der vorhandenen FID.

Aktionsplan des FID-Lenkungsgremiums zur FID-Gesamtstruktur 2022–2024

Vertreterinnen des Vorstands des FID-Lenkungsgremiums stellten dem AWBI den Aktionsplan des FID-Lenkungsgremiums zum FID-Netzwerk für den Zeitraum 2022 bis 2024 vor. Der Aktionsplan benennt Arbeitsschwerpunkte in den drei Themenbereichen Kooperationsnetzwerke, Kommunikationsstrukturen und Forschungsdatenmanagement. Die AWBI-Mitglieder formulierten Anerkennung für das Ergebnis des Diskussions- und Abstimmungsprozesses. Es sei erkennbar, dass die selbstorganisierte Entwicklung des FID-Netzwerks weiter voranschreitet und wesentliche Aushandlungsprozesse und Themenfindungen erfolgen. Gleichwohl müsse eingeräumt werden, dass die Zielsetzungen des Aktionsplans, vor allem im Bereich der technisch-organisatorischen Kooperation, z.T. noch verhalten formuliert sind. Insbesondere mit Blick auf Kooperationsnetzwerke zur technischen Infrastruktur konstatiert der AWBI Nachholbedarf. Als wertvoll und auch notwendig wird die Fortführung der Dokumentation bzw. Kartierung der Infrastrukturangebote bzw. -komponenten bewertet. Diese Maßnahme und die ergänzende Einrichtung eines Technik-Boards betrachten die Mitglieder des AWBI als wesentliche Grundlagen für die bessere Nutzung von Synergien auf Ebene der Infrastrukturangebote und -komponenten. Wichtig ist dem AWBI die Botschaft, dass es bei der Nutzung dieser Synergien nicht nur um Kostenersparnisse innerhalb des FID-Gesamtsystems geht, sondern vor allem darum, gemeinsam bestmögliche Informationsinfrastrukturen zur Verfügung zu stellen. Die Begutachtung und Bewertung von FID-Anträgen würdigt die Nachnutzung bestehender Dienste und Ressourcen ebenso wie die Aufwände in der Bereitstellung für zur Nachnutzung angebotene Dienste bereits und wird darauf künftig noch größeren Wert legen. Angesichts des heute schon erreichten Entwicklungsstands der FID-Infrastrukturen wird die koordinierte, auch das infrastrukturelle Umfeld berücksichtigende Weiterentwicklung nachnutzbarer Angebote weiterhin im Vordergrund der Förderung stehen. Innovative Neuentwicklungen sind nur bei besonderem Bedarf unter vornehmlicher Berücksichtigung des Aspekts der Nutzungsorientierung vorgesehen. Entsprechende Antragspositionen sind im Kontext des FID-Gesamtsystems begründungspflichtig.

Um eine höhere Verbindlichkeit zu erreichen und den Aktionsplan erfolgreich umsetzen zu können, riet der AWBI dem FID-Lenkungsgremium dazu, sich insbesondere im Themenfeld der technischen Kooperation auf klare Ziele und diesen entsprechende Erfolgskriterien zu verständigen; solche Verständigung kann aus Sicht des AWBI nur bzw. muss über die Selbstorganisation der Fachinformationsdienste gelingen.

Der AWBI hatte sich vom Aktionsplan 2022–2024 des FID-Lenkungsgremiums für das FID-Netzwerk Inhalte erwartet, die eine konkrete Weiterentwicklung der Kriterien für den Beitrag des einzelnen FID zur Entwicklung der Gesamtstruktur ermöglichen. Entsprechende Inhalte enthält der Aktionsplan leider nicht. Deshalb beschloss der AWBI, sich in seiner Sitzung im Februar 2023 erneut damit zu befassen, wie Beiträge zum Aktionsplan 2022–2024 in der Begutachtung und Bewertung von FID-Anträgen künftig systematisch berücksichtigt werden sollen. Zur Vorbereitung des entsprechenden Tagesordnungspunktes wurde das FID-Lenkungsgremium gebeten, relevante weitere Arbeitsergebnisse und Präzisierungen aus seinen internen Beratungen an die DFG-Geschäftsstelle zu übermitteln.

Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren

Der AWBI hat sich zudem in seiner Sitzung aufgrund der strategischen Relevanz für die Open-Access-Transformation über den Zwischenstand im Projekt „Die Realisierung von DEAL: Die Sicherung des weltweit größten Open-Access-Transformationsvertrags Projekt DEAL – Springer Nature zum Nutzen der gesamten deutschen und globalen Forschungsgemeinschaft“ informiert. Das Projekt hat die Unterstützung der Open-Access-Transformation durch den Publish & Read-Vertrag (PAR-Vertrag) zwischen DEAL und Springer für den Vertragszeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2023 zum Ziel. Der PAR-Vertrag zwischen Projekt DEAL und Springer Nature stellt eine der größten transformativen Open-Access-Vereinbarungen weltweit dar. Angestrebt wird, durch den Umbau der Infrastruktur, der Workflows, der Geschäftsmodelle von Verlagen und Bibliotheken von einer Subskriptionslogik hin zu einer Open-Access-Logik einen neuen Standard zu etablieren.

Der AWBI hat dazu festgestellt, dass der Umstieg auf eine reine Open-Access-Finanzierung noch nicht vollzogen ist, da die Kosten noch deutlich über den Artikelgebühren für rein goldene Zeitschriften liegen. Zentrale Aufgabe von DEAL muss es daher weiterhin sein, die Kosten zu senken, um sich dem Gold-Open-Access-Modell anzunähern. Im Gesamtsystem sind Einsparungen zu verzeichnen, allerdings sind bei einzelnen Einrichtungen auch deutliche Mehrbelastungen entstanden. Das dafür vorgesehene Prinzip der Ausgleichszahlungen, mit dem möglichst viele Einrichtungen für eine Beteiligung am Vertragsmodell gewonnen werden sollten, hat sich als problematisch erwiesen, da nicht alle Einrichtungen in der Lage sind, diese Zahlungen zu leisten. Die Umstellung der Finanzierungslogik erfordert auch weiteres Engagement der Länder als Unterhaltsträger, um durch eine nachhaltig angepasste Budgetverteilung die Bedarfe für Open Access auszugleichen. Positiv hervorgehoben wurde, dass das Vertragsmodell auch für kleinere Einrichtungen interessant ist, die den Lesezugang für ihre Nutzenden stark ausweiten konnten. So kann das Ziel, den Zugang zu Publikationen auch in dieser Hinsicht zu verbessern, als erreicht bewertet werden. Für die deutsche Wissenschaftslandschaft stellt dies einen großen Erfolg dar.

e-Research-Technologien

Auch zu der Initiative „Weiterentwicklung von Verfahren der Optical Character Recognition (Phase 3: Entwicklung von Implementierungspaketen)“ hat sich der AWBI von Vertreterinnen und Vertretern des Vorhabens über den aktuellen Zwischenstand informieren lassen. Ziele der dritten Phase der koordinierten Förderinitiative zur Weiterentwicklung von OCR-Verfahren sind die technischen und organisatorischen Vorbereitungen zu einer großflächigen Volltexterschließung der in den Verzeichnissen des im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16. bis 18. Jahrhunderts (VD) nachgewiesenen Imagedigitalisate. Dazu werden aktuell vier Implementierungs- und drei Modulprojekte gefördert. Die Implementierungsprojekte erproben den Einsatz der OCR-D-Software in unterschiedlichen technischen Umgebungen; die Modulprojekte widmen sich spezifischen Fragestellungen wie beispielsweise der Langzeitarchivierung. Weiterhin soll im Rahmen des Projektes ein Verstetigungskonzept erarbeitet werden, das die dauerhafte Betreuung und Weiterentwicklung der OCR-D-Software sicherstellt. Und nicht zuletzt wird eine bessere Bekanntheit bzw. größere Verbreitung der Software in der einschlägigen Community angestrebt. Aus Sicht des AWBI sind vor allem zwei Ziele von hoher Relevanz, deren Umsetzung noch aussteht: zum einen ein Konzept für den nachhaltigen Betrieb und die Pflege der OCR-D-Software, zum anderen ein tragfähiges Konzept zur abgestimmten Volltexterzeugung der VD-Bestände. Der AWBI hat angeregt, die dafür erforderlichen Abstimmungsprozesse im Rahmen eines Rundgesprächs vorzunehmen.

Rundgespräch „Diamond Open Access“

Im Zusammenhang mit dem von der DFG im März 2022 unterzeichneten „Action Plan for Diamond Open Access“ plante der AWBI, ein Rundgespräch zu Diamond Open Access durchzuführen mit dem Ziel, bestehende Förderoptionen im Programmportfolio der Gruppe LIS zur Unterstützung für Diamond-Open-Access-Infrastrukturen weiterzuentwickeln. Der AWBI verabschiedete das Konzept für das Rundgespräch, das Ende November 2022 stattgefunden hat. Im Vordergrund standen Fragen zu Qualitätsanforderungen und zur Qualitätssicherung, aber auch zur langfristigen Absicherung, zur gemeinschaftlichen Finanzierung überregionaler Infrastrukturen durch regional ausgerichtete Infrastruktureinrichtungen, zu Standards auch im technischen Bereich sowie zum Thema der Anerkennung im Wissenschaftssystem für das Engagement durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In seiner nächsten Sitzung wird der AWBI Schlussfolgerungen aus dem Rundgespräch ziehen.

Open-Access-Publikationskosten

Der AWBI hat die Ergebnisse der zweiten Runde der ersten Antragsphase im Programm „Open-Access-Publikationskosten“ zur Kenntnis genommen und Anpassungen am Merkblatt mit Blick auf die zweite Antragsphase (2024–2027) vorgenommen, in der der Mittelbedarf für Open-Access-Publikationen einzelner Einrichtungen auf der Basis der Publikationen kalkuliert werden soll, die aus der DFG-Forschungsförderung resultieren. Es wird in der zweiten Antragsphase keine Gelegenheit mehr geben, Mittel für Ausgleichszahlungen für bereits laufende Transformationsverträge zu beantragen. Aktuell plant der AWBI ein Austauschforum für geförderte Einrichtungen, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen der zweiten Antragsphase. Weiterhin wird 2023 erneut ein Beratungswebinar angeboten werden, das sich an Erstantragstellende und insbesondere Hochschulen richtet. Der AWBI hat zudem darauf hingewiesen, dass es in der zweiten Antragsphase erforderlich sein wird, andere Unterhaltsträger noch stärker zu aktivieren. Vermieden werden sollte, dass aufgrund fehlender Mittel aus der Grundausstattung eine Zwei-Klassen-Publikationslandschaft entsteht, in der nur Publikationen aus DFG-geförderten Projekten ausreichend finanziert werden.

Nachhaltigkeit im Förderhandeln der DFG

Der AWBI hat sich über die aktuellen Aktivitäten der DFG zur Nachhaltigkeit im DFG-Förderhandeln informiert. Zu diesem Thema hat die DFG eine Präsidialkommission unter Leitung der DFG-Präsidentin Prof. Katja Becker eingesetzt, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Nachhaltigkeitsaspekte im ökologischen Sinn sachgerecht, fächerübergreifend und im Einklang mit der Wissenschaftsfreiheit im Förderhandeln der DFG verankert werden können. Ziel ist es, für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, nicht aber harte Vorgaben zu machen oder Sanktionen zu verhängen. Dafür sollen zum einen übergreifende Empfehlungen erarbeitet werden. Angestrebt wird zum anderen, in Projektanträgen Ausführungen zur Nachhaltigkeit verpflichtend zu machen, wofür fachübergreifende Leitfragen für Antragstellende zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein weiterer Punkt bezieht sich auf die Erarbeitung von fachspezifischen Best Practices, die als lebende Dokumente von der Kommission konzipiert, dann aber seitens der jeweiligen Fachcommunities weiterentwickelt und gepflegt werden.

Neues Muster für Berichte zu DFG-geförderten Projekten

Bisher werden Zusammenfassungen der Ergebnisse von Projekten sowie eine Übersicht der daraus entstandenen Publikationen im Informationssystem GEPRIS – Geförderte Projekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft1 veröffentlicht. Künftig sollen, um die Sichtbarkeit von Projektergebnissen zu verbessern und den Kulturwandel im wissenschaftlichen Publikationswesen zu unterstützen, Abschlussberichte zu DFG-geförderten Projekten besser erschlossen und der wissenschaftliche Ergebnisteil veröffentlicht werden. Dies soll zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn sowie zur Optimierung der Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen, auch bei negativen Resultaten, beitragen. Dafür wurden die Berichtsmuster für DFG-geförderte Projekte neu strukturiert, sodass Berichte zu ab Januar 2023 bewilligten Projekten aus zwei Teilen bestehen werden: einem zur Veröffentlichung vorgesehenen Teil und einem nicht-öffentlichen Teil. Bewilligungsempfängerinnen und Bewilligungsempfänger sind gebeten, den für die Veröffentlichung vorgesehenen Teil in geeigneten Repositorien zu publizieren. Seitens der DFG wird dazu eine unverbindliche „Whitelist“ zur Verfügung gestellt mit Veröffentlichungsorten für jede Wissenschaftsdisziplin, die geprüften Qualitätsstandards entsprechen. Die für die Veröffentlichung der Berichte vergebenen Persistenten Identifier (PID) sollen der DFG übermittelt und so über das Informationssystem GEPRIS zur Verfügung gestellt werden. Die Veröffentlichung der Berichte ist nicht verpflichtend.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft
Gruppe ‚Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme’ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5920

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1 GEPRIS – Geförderte Projekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft: <https://gepris.dfg.de/gepris/OCTOPUS>, Stand: 02.02.2023.