Fachkräfte im Bereich der Medienpädagogik an Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland

Anforderungen und Aufgaben

Lioba Petter, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
Bernd Schmid-Ruhe, Hochschule der Medien Stuttgart

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Ergebnisse einer Bachelorarbeit vor, in welcher die Erwartungen Öffentlicher Bibliotheken an Bewerber:innen bei der Besetzung medienpädagogischer Vakanzen hinsichtlich der Aufgaben und Kompetenzen untersucht wurden. Ebenfalls betrachtet wurden die Gründe für eine fachfremde Ausschreibung sowie die Einschätzung von Mitarbeitenden, die selbst medienpädagogisch in Öffentlichen Bibliotheken tätig sind. Die Datengrundlage der Arbeit bildeten Volltexte von Stellenanzeigen der Plattform OpenBiblioJobs und der Mailingliste InetBib im Untersuchungszeitraum 2016 bis 2021. Zudem wurden qualitative Interviews mit Fachkräften im Bereich der Medienpädagogik sowie mit Bibliotheksleitungen geführt.

Summary

The article presents the results of a Bachelor’s thesis in which the expectations of public libraries towards applicants for media education positions were examined with regard to the intended tasks and required competences. Also considered were the reasons for advertising vacancies in a non-specialized way as well as the assessment of employees who already work in media education in public libraries. The data basis of the study consisted of full texts of job advertisements on the OpenBiblioJobs platform and the mailing list InetBib in the period under investigation from 2016 to 2021. In addition, qualitative interviews were conducted with professionals in the field of media education as well as library managers.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5918

Autorenidentifikation:
Petter, Lioba: ORCID: https://orcid.org/0000-0002-6908-6127,
Schmid-Ruhe, Bernd: ORCID: https://orcid.org/0000-0003-3649-4551

Schlagwörter: Medienpädagogik, Öffentliche Bibliothek, Stellenausschreibungen

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0.

1. Einleitung

Das Bibliothekswesen leidet in den letzten Jahren unter einem spürbaren Fachkräftemangel, der zunächst dazu geführt hat, dass viele Stellen für längere Zeit unbesetzt bleiben und nicht zeitnah besetzt werden können.1 Das Phänomen ist nicht neu: Inzwischen hat sich der Arbeitsmarkt nicht nur im Bereich der Bibliotheken von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt.2 Daraus resultieren einerseits Serviceeinschränkungen für Nutzerinnen und Nutzer von Bibliotheken, andererseits teilweise erhebliche Mehraufwände für die Einrichtungen, aber auch eine steigende Arbeitsbelastung für das Personal, das den Mangel an Arbeitskraft ausgleichen muss.

Die Ausweitung der Aufgaben in Richtung der Medien- und Informationspädagogik in Bibliotheken führt dazu, dass besonders Öffentliche Bibliotheken vermehrt auf der Suche nach Fachkräften in diesem Bereich sind. Eine etablierte Strategie in solchen Fällen ist es, fachfremdes Personal einzustellen und immer häufiger finden sich Stellenausschreibungen, die sich unter Titeln wie „Medienpädagoge oder Bibliothekar (w/m/d) gesucht“ an ausgebildete Medienpädagog*innen und Bibliothekar*innen gleichermaßen richten. Auch bei den in den Stellenausschreibungen genannten Aufgaben und Kompetenzanforderungen findet sich immer häufiger eine Mischung der beiden Berufsfelder.

Der Fachkräftemangel besteht unabhängig von der Bibliotheksentwicklung und kann in vielen Bereichen des Öffentlichen Dienstes3 beobachtet werden, wird aber durch die Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung und Technisierung noch verstärkt. Durch die Ausweitung des Aufgabenportfolios von Bibliotheken und die neuen Herausforderungen im technischen Bereich, sind Bibliotheken vermehrt auf der Suche nach medienpädagogischen Fachkräften. Die Situation ist vor allem auf die demographische Entwicklung zurückzuführen: Schon jetzt erfolgt eine große Anzahl an Verrentungen und Pensionierungen und die geburtenstarken Jahrgänge – die sogenannten Baby Boomer – gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Studierenden an den meisten Hochschulen. Dieser Mangel an geeigneten Bewerber*innen hat zur Folge, dass Stellen mehrfach ausgeschrieben werden oder sogar ganz unbesetzt bleiben. Um den Bedarf an medienpädagogischen Fachkräften in der eigenen Einrichtung zu decken, greifen Bibliotheken deshalb zunehmend auf Quereinsteiger*innen und fachfremdes Personal zurück.4

Medienpädagogik in Bibliotheken ist dabei kein neues Thema, denn bereits Ende der Achtzigerjahre gab es erste medienpädagogische Projekte in Öffentlichen Bibliotheken.5 Zunehmend im Fokus steht heute jedoch die Frage nach der Zuständigkeit und der Qualifizierung von Personal, das medienpädagogisch in Bibliotheken tätig ist. Da die Bezeichnung „Medienpädagogin“ bzw. „Medienpädagoge“ nicht geschützt ist und es sich somit nicht um ein geschütztes Berufsbild handelt, gibt es viele verschiedene Wege sich im Berufsfeld der Medienpädagogik zu qualifizieren.6

Da das Thema in seiner Gänze und vor allem die Frage nach der gleichzeitigen Ausschreibung von Stellen für Bibliothekar*innen und Medienpädagog*innen bisher nur wenig untersucht sind, wurde diese im Rahmen einer Bachelorarbeit im Sommersemester 2021 an der Hochschule der Medien (HdM), Stuttgart, untersucht. Hierfür führte die Verfasserin eine Analyse der Stellenanzeigen durch und prüfte anhand von qualitativen Interviews die Anforderungsprofile im Bereich der Medienpädagogik.

Außerdem wurden die Einschätzungen von medienpädagogischen Fachkräften hinsichtlich ihrer Rolle in Öffentlichen Bibliotheken sowie die Gründe für eine fachfremde Ausschreibung untersucht. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit in zusammengefasster Form vorgestellt.7

2. Datengrundlage und Methodik

Um einen Eindruck von den geforderten Kompetenzprofilen und den Aufgabenbereichen von Fachkräften im Bereich der Medienpädagogik in Öffentlichen Bibliotheken zu erhalten, wurde im ersten Untersuchungsteil der Arbeit eine Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen durchgeführt. Die Stellenanzeigenanalyse zählt zu den Methoden der empirischen Qualifikationsforschung. Mithilfe dieser Methode können berufs- und branchenspezifische Anforderungen und Kompetenzen sowie der aktuelle Bedarf abgeleitet werden. Durch die Erhebung und Analyse von Stellenanzeigen ist es somit möglich einen ausschnitthaften Einblick in den aktuellen Arbeitsmarkt zu erhalten.8 Es gilt jedoch zu beachten, dass Stellenausschreibungen häufig idealtypisch formuliert sind und daher nur bedingt die tatsächlichen Anforderungen und benötigten Kompetenzen in der Berufspraxis wiedergeben.9

Die Datengrundlage der Untersuchung bildeten die Volltexte digitaler Stellenanzeigen für medienpädagogische Vakanzen an Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland, die auf dem Portal OpenBiblioJobs oder über die Mailingliste InetBib veröffentlicht wurden.10 Die Jobangebote auf InetBib wurden im Zeitraum November 2016 bis März 2019 analysiert, die Stellenausschreibungen von OpenBiblioJobs hingegen im Zeitraum November 2016 bis März 2021. Die abweichenden Untersuchungszeiträume sind darauf zurückzuführen, dass die Verteilung von Stellenausschreibungen über die Mailingliste InetBib zum 01. April 2019 eingestellt wurde und seither mehrheitlich auf OpenBiblioJobs verwiesen wurde. Die Plattform gilt spätestens seit diesem Zeitpunkt als die zentrale Anlaufstelle für Jobsuchende im Bereich der Bibliotheks- und Informationswissenschaften.11

Für die Untersuchung wurden ausschließlich Stellenausschreibungen Öffentlicher Bibliotheken aus Deutschland, die sich an Personen mit einem Abschluss auf Bachelorniveau richten, betrachtet. Als formale Qualifikation mussten somit entweder ein abgeschlossenes bibliothekarisches Bachelorstudium, ein Bachelorstudium der Medienpädagogik oder beide Studienabschlüsse gleichberechtigt genannt werden, um für die Untersuchung berücksichtigt zu werden. Nicht berücksichtigt wurden die Rahmenbedingungen der Anzeigen, wie z.B. Befristung, Stundenumfang oder die Eingruppierung der Stellen.12

Unter Berücksichtigung der typischen Struktur der Stellenanzeigen13 wurden zunächst die Aufgaben und anschließend die Kompetenzen aus den Anzeigen extrahiert und auf wesentliche Angaben reduziert. Nach der Sichtung des Materials wurden sowohl für die Aufgaben als auch für die Kompetenzen möglichst trennscharfe und beschreibende Kategorien entwickelt. Um die methodische Vorgehensweise besser nachvollziehbar zu machen und mögliche Synonyme zu verzeichnen, wurde ein Kategoriensystem erstellt. In einem abschließenden Schritt wurde das quantitative Vorkommen der Kategorien gezählt.

3. Ergebnisse der Stellenanzeigenanalyse

Unter Einhaltung der zuvor beschriebenen Auswahlkriterien und nach Aussortierung von Dubletten stand eine Gesamtzahl von 76 Stellenanzeigen zur Auswertung zur Verfügung. Von diesen 76 Stellenanzeigen richteten sich 20 Anzeigen bereits im Titel ausschließlich an Medienpädagog*innen während sich die übrigen 56 Inserate entweder an beide Berufsgruppen gleichermaßen richteten oder allgemeinere Bezeichnungen verwendeten wie beispielsweise „Stelle im medienpädagogischen Bereich“ oder „medienpädagogische Fachkraft“. Teilweise wendeten sich die Stellenanzeigen auch an Bibliotheks- und Medienpädagog*innen gleichermaßen.

Abb. 1: Anteil der Stellenanzeigen, die sich ausschließlich an Medienpädagog*innen richten und Anteil der Inserate, die sich an beide Berufsgruppen richten

Die untersuchten Stellenangebote verteilten sich wie folgt auf den Untersuchungszeitraum:

Das Stellenanzeigenarchiv reicht bis November 2016 zurück, jedoch konnte für die beiden letzten Monate des Jahres 2016 keine Anzeige gefunden werden, die den Auswahlkriterien entsprach. Im Jahr 2017 waren es zwei entsprechende Anzeigen. 2018 waren es bereits 13 Stellenanzeigen. Im Jahr 2019 waren es 29 und im Jahr 2020 konnten 26 Stellenausschreibungen ausgemacht werden. Für das erste Quartal 2021 waren es insgesamt sechs Inserate.

Die vorliegende Stichprobe an Stellenanzeigen kann aufgrund ihrer geringen Größe nicht als repräsentativ angesehen werden. Es gilt außerdem zu berücksichtigen, dass man für eine höhere Repräsentativität der Ergebnisse vor April 2019 zusätzlich Stellenausschreibungen anderer Mailinglisten (z.B. Forum ÖB) hätte betrachten müssen, da der Kernbereich für die Kommunikation von Vakanzen im Bibliotheksbereich nicht abgeschlossen ist, aber auch einen hohen Überschneidungsbereich kennt. Dennoch lässt die Untersuchung in diesem eingeschränkten Korpus zu, die Entwicklung der Stellenanzeigen und eine zunehmende Tendenz hinsichtlich des Bedarfs an medienpädagogischen Fachkräften in Öffentlichen Bibliotheken zu vermuten.

3.1 Genannte Aufgaben

Die in Stellenanzeigen genannten Aufgaben sollen üblicherweise einen Einblick in die zu erwartenden Tätigkeiten geben und lassen je nach Darstellung Rückschlüsse auf die notwendigen Qualifikationen zu. Die einzelnen Aufgaben wurden im Rahmen der Analyse verschiedenen Tätigkeitskategorien zugeordnet. Die Häufigkeit der Nennungen ist in Prozent angegeben.

Aus der Grafik (Abb. 3) wird ersichtlich, dass bei den Stellenanzeigen, die sich an beide Berufsgruppen richten ein höherer Anteil an Aufgaben aus dem Feld des Bibliotheks- und Informationsmanagements gefordert wird, als bei den Anzeigen, die sich ausschließlich an Medienpädagog*innen richten. Vor allem die Kategorie Bestandsmanagement mit den Aufgabenbereichen Erwerbung und Erschließung spielt hier eine deutlich größere Rolle und wird in über der Hälfte der Anzeigen für beide Berufsgruppen genannt (32 zu 4 Anzeigen / 57,1 % zu 20,0 %).

Typisch bibliothekarische Tätigkeiten, wie die Fernleihe, das Einstellen von Medien oder die Zeitschriftenverwaltung finden sich nur in Ausschreibungen für beide Berufsgruppen und werden insgesamt selten erwähnt. Die Mitarbeit im Auskunftsdienst sowie die Beratung der Nutzer*innen und Mitarbeitenden der Bibliothek ist die am häufigsten genannte Kategorie aus dem Bereich des Bibliotheks- und Informationsmanagements und wird auch regelmäßig in Anzeigen gefordert, die sich nur an Medienpädagog*innen richten (50 zu 16 Anzeigen / 89,2 % zu 80,0 %). Auch die Übernahme eines Lektorats wird in einem Viertel der Anzeigen, die sich an Medienpädagog*innen richten vorausgesetzt.

Im Aufgabenbereich der Veranstaltungs- und Programmarbeit ist die häufigste Nennung bei den Stellenanzeigen ausschließlich für Medienpädagog*innen mit 75,0 % (15 Anzeigen) die Konzeption und Durchführung von medienpädagogischen Veranstaltungen. Die Entwicklung von Konzepten für die pädagogische Arbeit in der Bibliothek wird hier mit 55,0 % (11 Anzeigen) in etwas über der Hälfte der Anzeigen gefordert, wohingegen sie mit 14,2 % (8 Anzeigen) bei den gemischten Anzeigen einen deutlich geringeren Anteil aufweist.

Die Netzwerkarbeit und die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen – vor allem den umliegenden Schulen – ist ein zentraler Aufgabenbereich, der in beiden Ausschreibungsformen regelmäßig genannt wird (40 zu 16 Anzeigen / 71,4 % zu 80,0 %). Auch die Mitarbeit bei der Öffentlichkeitsarbeit ist eine relativ häufig geforderte Tätigkeit (23 zu 10 Anzeigen / 41,0 % zu 50,0 %). Aufgaben im Bereich der Informationstechnik wurden insgesamt selten genannt. Hier wird vor allem die Einrichtung und Betreuung von Endgeräten (5 zu 6 Anzeigen / 8,9 % zu 30,0 %), die Websitepflege (4 zu 2 Anzeigen / 7,1 % zu 10,0 %) oder die Auswahl geeigneter Software (2 zu 4 Anzeigen / 3,5 % zu 20,0 %) erwartet.

Weitere Aufgaben, die in den Stellenanzeigen genannt wurden, waren das Führen und Warten eines Fahrzeugs, das Halten von Vorträgen und Präsentationen, der Besuch von Messen, die Organisation und Koordination eines Zustelldienstes, die Betreuung von Auszubildenden und Praktikant*innen, die Personalvertretung sowie die Verantwortlichkeit für den Bereich Arbeitsschutz in der Bibliothek.

3.2 Geforderte Kompetenzen

Bei den genannten Kompetenzen dominieren die personalen Kompetenzen, sogenannte „Soft Skills“ über alle Stellenanzeigen hinweg deutlich. Dabei unterscheiden sich die beiden Zielgruppen nur geringfügig. Den Öffentlichen Bibliotheken kommt es hier besonders auf die Team- und Kooperationsfähigkeit (39 zu 15 Anzeigen / 69,9 % zu 75,0 %) sowie eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit (40 zu 18 Anzeigen / 71,4 % zu 90,0 %) der Bewerber*innen an. Auch eine selbständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise (30 zu 17 Anzeigen / 53,5 % zu 85,0 %), eine hohe Leistungsbereitschaft (29 zu 16 Anzeigen / 51,7 % zu 80,0 %) sowie eine starke Kunden- und Serviceorientierung (34 zu 15 Anzeigen / 60,7 % zu 75,0 %) sind häufig gewünschte Eigenschaften.

Im Bereich der Managementkompetenzen wird vor allem auf eine gute Organisationsfähigkeit (21 zu 7 Anzeigen / 37,5 % zu 35,0 %) sowie die Fähigkeit zu konzeptionellem Denken (6 zu 6 Anzeigen / 10,7 % zu 30,0 %) Wert gelegt. Die geforderte IT-Kompetenz beschränkt sich auf allgemeine Anwendungskenntnisse und wird in etwa der Hälfte der Anzeigen genannt (29 zu 11 Anzeigen / 51,7 % zu 55,0 %). Nur wenige Bibliotheken verlangen hier Kenntnisse einer speziellen Bibliothekssoftware (13 zu 4 Anzeigen / 23,2 % zu 20,0 %). Weitere Punkte, die in den Stellenanzeigen als Kompetenzen aufgeführt wurden, waren die Bereitschaft zu Spät- und Samstagsdiensten, Berufserfahrung, der Besitz eines Führerscheins, Sprachkenntnisse sowie eine Ersthelferausbildung.

Entsprechend der häufig gewählten Stellenbezeichnung „Medienpädagoge oder Bibliothekar (m/w/d) gesucht“ findet sich auch in den Stellenbeschreibungen eine Mischung klassischer bibliothekarischer Aufgaben auf der einen Seite und medienpädagogischer Tätigkeiten auf der anderen Seite.

Insgesamt konnte durch die Stellenanzeigenanalyse gezeigt werden, dass sich die genannten Tätigkeitsbereiche, aber auch die Kompetenzanforderungen in beiden Ausschreibungsformen sehr divers gestalten und auch in den Stellenausschreibungen ausschließlich für Medienpädagog*innen einige Tätigkeiten aus dem bibliothekarischen Feld verlangt werden. Dennoch wird deutlich, dass Stellen­anzeigen, die sich ausschließlich an Medienpädagog*innen richten, vor allem in den Bereichen Kommunikation, Selbständigkeit, Leistungsbereitschaft und Öffentlichkeitsarbeit anforderungsreicher sind. Es kann spekuliert werden, aus welchen Gründen das geschieht. Eine Möglichkeit hierfür wäre z.B., dass die Personalverantwortlichen in Öffentlichen Bibliotheken höhere Erwartungen an mit der Medienpädagogik betraute Personen haben oder ob möglicherweise eine unterschiedliche Eingruppierung hierfür sorgt.

Die vorliegende Untersuchung konzentrierte sich ausschließlich auf Stellenausschreibungen Öffentlicher Bibliotheken, durch weitere Studien könnte untersucht werden, ob und wenn ja in welchem Umfang an Wissenschaftlichen Bibliotheken ein Bedarf an medienpädagogischen Fachkräften vorhanden ist. Durch eine größere Stichprobe und den Einbezug zusätzlicher Publikationskanäle könnten außerdem aussagekräftigere Ergebnisse gewonnen und die hier gezeigten Tendenzen möglicherweise bekräftigt werden. Des Weiteren kann anhand der Stellenanzeigenanalyse nicht nachgewiesen werden, in welchem Umfang Öffentliche Bibliotheken medienpädagogische Fachkräfte einstellen oder mit welchen Berufsgruppen die Stellen letzten Endes besetzt worden sind.

4. Ergebnisse der Interviews

Zur Beantwortung der Fragen nach den Aufgabenbereichen sowie den Anforderungen seitens der Öffentlichen Bibliotheken wurden im zweiten Untersuchungsteil sechs qualitative, leitfadengestützte Interviews geführt. Befragt wurden zwei Medienpädagog*innen und zwei Bibliothekar*innen, die aktuell in einer Öffentlichen Bibliothek medienpädagogische Aufgaben übernehmen. Entscheidende Kriterien für die Auswahl der Befragten waren die Stellenbezeichnungen unter welcher die jeweiligen Personen eingestellt wurden und wie sie selbst ihren Beruf definieren. Des Weiteren wurden zwei Leitungen von Öffentlichen Bibliotheken interviewt, die aktuell Fachkräfte im Bereich der Medienpädagogik in ihren Einrichtungen beschäftigen.

Für die Untersuchung kamen zwei verschiedene Leitfäden zum Einsatz, welche auf Basis der Forschungsfragen entwickelt wurden und in jeweils drei verschiedene Themenblöcke mit mehreren Hauptfragen unterteilt wurden.

Die Befragung der medienpädagogischen Fachkräfte ergab, dass diese sich bei ihrer medienpädagogischen Arbeit in erster Linie mit der Konzeption, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Förderung der Medienkompetenz befassen, wobei der Fokus auf der aktiven, handlungsorientierten Medienarbeit liegt. Die Hauptzielgruppe der Angebote sind Kinder und Jugendliche. Zusätzlich zu den medienpädagogischen Tätigkeiten übernimmt die Mehrheit der Befragten Aufgaben aus dem bibliothekarischen Bereich, aber auch aus Bereichen wie der Öffentlichkeitsarbeit oder der Verwaltung.

Die Bibliotheksleitungen im Gegensatz dazu geben an, dass sie die Übernahme bibliothekarischer Aufgaben nicht unbedingt voraussetzen, sondern für einen spezialisierten Mitarbeitenden, der sich ausschließlich der medienpädagogischen Arbeit widmet, offen sind. Die Entscheidung, ob eine Person exklusiv für den Fachbereich der Medienpädagogik eingestellt werden kann, ist in erster Linie von den finanziellen und personellen Ressourcen der jeweiligen Bibliothek abhängig.

Die didaktischen Fähigkeiten sowie die personalen Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber werden als die entscheidenden Kriterien für eine Einstellung genannt. Eine bestimmte formale Ausbildungsvoraussetzung hingegen wird nicht gefordert. Die Bibliotheksleitungen sind bei der Besetzung medienpädagogischer Positionen offen für Absolventinnen und Absolventen verschiedener Studiengänge, sofern diese über Fähigkeiten und Erfahrungen in der medienpädagogischen Arbeit verfügen.

Durch die qualitativen Interviews gibt es starke Hinweise, dass die Wahrnehmung der eigenen Rolle und Berufsidentität der medienpädagogischen Fachkräfte durch die folgenden Faktoren bestimmt wird:

Die Übernahme verschiedener, nicht spezifisch medienpädagogischer Aufgabenbereiche wird dabei als Bereicherung empfunden und bietet den Vorteil, dass die medienpädagogischen Fachkräfte in der Bibliothek gut integriert sind. Jedoch hat die Koordination mehrerer Tätigkeiten auch zur Folge, dass insgesamt weniger Ressourcen für Tätigkeiten, wie beispielsweise die Ausarbeitung pädagogischer Konzepte, zur Verfügung stehen.

Aus der Untersuchung geht zudem hervor, dass zwei wesentliche Gründe angenommen werden können, weshalb Öffentliche Bibliotheken ihre medienpädagogischen Vakanzen für beide Berufsgruppen ausschreiben: zum einen die bürokratischen Hürden bei der Stellenbesetzung und zum anderen die aktuell schlechte Bewerberlage im Bibliothekswesen.

5. Fazit

Trotz der geringen Stichprobengröße ermöglicht die vorgelegte Untersuchung einen Einblick in die Aufgaben und Anforderungen von medienpädagogischen Fachkräften in Öffentlichen Bibliotheken. Sie zeigt vor allem, dass Generalisierungen über die geforderten Profile schwierig sind. Das Aufgabenfeld gestaltet sich sehr divers und obwohl Spezialist*innen ausschließlich für medienpädagogische Aufgaben durchaus gewünscht sind, werden in der Berufspraxis häufig doch bibliothekarische und weitere Tätigkeiten aus anderen Tätigkeitsgebieten übernommen. Die Tätigkeiten orientieren sich vor allem an den Anforderungen der Organisationen und weniger an den Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was eine teilweise umfangreiche Nachqualifizierung „on the job“ notwendig macht.

Dabei ist davon auszugehen, dass die Medienpädagogik einen hohen Stellenwert für die strategische Entwicklung genießt, besonders in den Öffentlichen Bibliotheken. Gerade die Ausweitung des bibliothekarischen Wirkungsbereichs, v.a. durch die Stärkung der Bibliothek als Aufenthaltsort und Treffpunkt für die Stadtgesellschaft, hat inhaltlich einen pädagogischen Kern und gruppiert sich um Fragestellungen der laienhaften Beschäftigung mit digitalen Technologien, wie sie z.B. in Makerspaces, Repaircafés und Fab-Labs unterstützt wird.

Der Bedarf steigt daher überproportional und kann bereits heute nicht gedeckt werden. Diese Situation wird sich in Zukunft wohl noch weiter verschärfen. Einerseits, weil die fortschreitende Digitalisierung dazu führen wird, dass Kompetenzen wie Medienkompetenz einen noch größeren Stellenwert einnehmen werden und andererseits, weil der Fachkräftemangel sich noch intensivieren wird.

Deutlich wird, dass Bibliotheken bereits eigene Strategien entwickelt haben, um ihren Bedarf an Fachkräften, aber vor allem medienpädagogischen Fachkräften, zu decken und daher bereits heute eine Vielzahl an verschiedenen Berufsgruppen medienpädagogisch in Bibliotheken tätig sind. Gleichzeitig steht zu befürchten, dass eine beliebige bzw. von der Not getriebene Ausweitung der Kompetenzprofile der Personen, die in Bibliotheken arbeiten, für eine Verwässerung des Berufsbilds und letztlich eine schlechtere Sichtbarkeit des Berufs in der Öffentlichkeit sorgen wird.14

Literaturverzeichnis

1 Vgl.: Engelkenmeier, Ute: Berufsfeld Reloaded. Fachkräftemangel in Bibliotheken, in: Politik – Kultur. Zeitung des deutschen Kulturrats, 12/1, 2022/23. S. 5.

2 Vgl. u.a.: Simtion, Alexandra: Arbeitgeber, bewerbt euch! Wie der Fachkräftemangel Bibliotheken neue Chancen eröffnet, in: BuB 69 02-03/2017. S. 98–103.

3 Vgl. PricewaterhouseCoopers: Fachkräftemangel im öffentlichen Sektor, 2022, S. 24. Online: <https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/pwc-fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.pdf>, Stand: 30.09.2022.

4 Vgl. Holste-Flinspach, Karin: Quereinsteiger in der Bibliothek: Das Arbeitsfeld Bibliothek: Ein Beitrag zur Einbindung unterschiedlicher Berufsgruppen in die Mitarbeiterschaft, in: BuB – Forum Bibliothek und Information 04 (72), 2020, S. 200–202.

5 Vgl. Kluth, Theda; Ferling, Ursula; Thier, Michaela: Medienpädagogik in Öffentlichen Bibliotheken: Beispiel Video, Berlin 1990 (DBI-Materialien 98).

6 Vgl. Müller, Raphaela: Wer macht jetzt eigentlich was? Ein Überblick über das Feld der Medienpädagogik in Bibliotheken, in: BuB – Forum Bibliothek und Information 04 (72), 2020, S. 325.

7 Für Details sei auf die Vollfassung der Bachelorarbeit verwiesen: Petter, Lioba: Fachkräfte im Bereich der Medien­pädagogik an öffentlichen Bibliotheken. Anforderungen und Aufgaben, Bachelorarbeit, Hochschule der Medien, Stuttgart 2021. <https://hdms.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/docId/6671>.

8 Vgl. Harper, Ray: The collection and analysis of job advertisements. A review of research methodology, in: Library and Information Research 36 (112), 2012, S. 5. Online: <https://doi.org/10.29173/lirg499>.

9 Vgl. Hermes, Jürgen; Schandock, Manuel: Stellenanzeigenanalyse in der Qualifikationsentwicklungsforschung. Die Nutzung maschineller Lernverfahren zur Klassifikation von Textabschnitten, Bonn 2016 (Fachbeiträge im Internet), S. 31. <https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/download/8146>.

10 Die Volltexte der Stellenanzeigen entstammen einem Archiv, das im Studiengang Informationswissenschaften an der Hochschule der Medien gepflegt wird und welches der Autorin von Prof. Heidrun Wiesenmüller zur Verfügung gestellt wurde.

11 Vgl. Alle Stellenangebote im Bibliothekswesen in einem Portal, in: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal Bd. 6 Nr.1, 2019, S. 114. <https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H1S114>.

12 Für Details zur Methodik und zur Auswertung: Petter: Fachkräfte im Bereich der Medienpädagogik an öffentlichen Bibliotheken. Anforderungen und Aufgaben, 2021.

13 Typischerweise erfolgt zu Beginn der Anzeige eine Kurzvorstellung der jeweiligen Einrichtung gefolgt von einem Abschnitt, welcher Auskunft über die zukünftigen Aufgaben der Bewerber*innen gibt. In einem weiteren Abschnitt finden sich die Kompetenzanforderungen, ein typischer Indikator hierfür ist die Bezeichnung „Ihr Profil“. Im dritten Bereich der Stellenausschreibungen finden sich meist Angaben, die nicht zwingend Bewerbungsvoraussetzung sind, aber als wünschenswert angesehen werden. Im Schlussteil der Anzeigen finden sich in der Regel Angaben zu den Leistungen der ausschreibenden Einrichtungen sowie Formalien zum Bewerbungsablauf.

14 Vgl.: Schmid-Ruhe, Bernd: Der Fachkräftemangel als Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens., in: Bibliothek – Forschung und Praxis 2022, 46(3), S. 502–510.