FAIRe Forschungsdaten in den Geisteswissenschaften
Umfrage über Aufbereitung und Archivierung von Daten
Zusammenfassung:
Der Beitrag zeigt anhand einer kleinen, nicht repräsentativen und anonymen Umfrage aus dem Jahr 2021, wie Forschende aus dem Bereich Kinder- und Jugendmedien in deutschsprachigen Ländern mit ihren Forschungsdaten umgehen. Thematisiert wird, ob sie sich mit Langzeitverfügbarkeit der Daten beschäftigen, ob die FAIR-Prinzipien berücksichtigt werden, welche Unterstützung sie eventuell zusätzlich benötigen und wie Forschungseinrichtungen darauf reagieren können. Die Ergebnisse zeigen, dass hier weitere Unterstützung beim Datenmanagement nötig ist. Eine Erweiterung und stärkere Bewerbung des Angebots an Tools und Möglichkeiten der Speicherung wäre ebenfalls wichtig, ebenso eine stärkere Einbindung der Forschenden und eine Optimierung des Aus- und Weiterbildungsangebots.
Summary:
Using a small, non-representative and anonymous survey from 2021, this article shows how researchers in the field of children’s and youth media in German-speaking countries currently handle their research data, whether long-term data availability is addressed, whether the FAIR principles are taken into account, what additional support they may need and how research institutions can respond. The results show that further support in data management is needed. An expansion and stronger promotion of the range of tools and storage options seems also important, as well as greater involvement of researchers and optimising the training and further education on offer.
1.Einleitung
Als Teil der forschungsunterstützenden Services der Universitätsbibliothek Wien unterstützt das Team Forschungsdatenmanagement Forschende aus allen Fachrichtungen beim Managen ihrer Daten bzw. beim Ausfüllen der Datenmanagementpläne.1 Dabei hat sich gezeigt, dass der Umgang mit Forschungsdaten sehr unterschiedlich ist, abhängig von den Gepflogenheiten der einzelnen Fächer. Aber auch in den einzelnen Disziplinen existieren differenziert zu betrachtende Herangehensweisen. In den Geisteswissenschaften etwa gibt es Forschende, die bereits sehr versiert handeln, wie zahlreiche Personen, die den Digital Humanities zuzuordnen sind und andere, die sich bisher wenig mit Datenmanagement beschäftigt haben. Daraus entstehen sehr unterschiedliche Wünsche und Anforderungen an Unterstützungsangeboten.2 Um zu erfahren, wie Forschende derzeit mit ihren Daten umgehen, wurde im Sommer 2021 in Kooperation mit der Forschungsplattform „Mediatised Lifeworlds. Young people‘s narrative constructions, connections and appropriations”3 und der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung“4 eine Umfrage unter Kinder- und Jugendmedienforscher*innen aus unterschiedlichen Fachkontexten im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Ziel der Umfrage war es einen Überblick zu erhalten, in welcher Form Unterstützung nötig ist, welche Angebote bereits vorhanden sind und welche Wünsche und Pläne seitens der Forschenden bestehen. Der Beitrag soll anhand dieser klein gehaltenen Umfrage diskutieren, inwieweit Bibliotheksmitarbeiter*innen auf die Bedarfe von Forschenden eingehen können, wo ein Ausbau der Angebote nötig ist und welche neuen Strukturen eventuell gebraucht werden, um den Anforderungen im Bereich Datenmanagement gemäß den FAIR-Prinzipien5 (findable, accessible, interoperable, reusable) „as open as possible, as closed as necessary“ nachzukommen.6
2.Der Umgang von Forschenden mit ihren Daten
Mit der Frage, wie Forschende mit ihren Daten umgehen, beschäftigte sich 2015 eine österreichweite Umfrage, die im Rahmen des Projekts „e-infrastructure austria“7 durchgeführt wurde.8 Damals wurden bei der Frage, mit welcher Art von Daten gearbeitet wird, am häufigsten Texte, Grafiken und Tabellen genannt, jedoch auch Videos, Datenbanken und Quellcode aufgezählt. Die Umfrage sollte ein klareres Bild von den Bedürfnissen der Forschenden schaffen. Um die Forschenden in Zukunft besser im Bereich Datenmanagement unterstützen zu können, wurden einige Schritte empfohlen, wie etwa die Schaffung einer flächendeckenden technischen Infrastruktur in Österreich unter Berücksichtigung von disziplinären Bedürfnissen. Einige dieser Empfehlungen, wie beispielsweise der Rat, Data Stewards zu qualifizieren, wurden bereits umgesetzt9 bzw. befinden sich gerade in einer Aufbauphase. Data Stewards haben durch ihren wissenschaftlichen Hintergrund die Fähigkeit, Forschende ihres Fachbereichs gezielt beim Umgang mit Daten zu unterstützen, sie mit aktuellen Informationen zu versorgen und die Verbindung zu forschungsunterstützenden Stellen an den jeweiligen Institutionen herzustellen. Von einer breit angelegten und umfassenden Infrastruktur, die 2015 angedacht war, kann man derzeit zwar noch nicht sprechen, aber einige Projekte arbeiten bereits sehr intensiv in diese Richtung.10 Die Verabschiedung von institutionellen Policies wurde ebenso eingefordert. Auch hier ist ein Erfolg zu verzeichnen, denn zahlreiche Universitäten in Österreich haben mittlerweile eine Forschungsdatenpolicy.11 Darin wird zugleich auch auf die Services im Bereich des Forschungsdatenmanagements hingewiesen, wie etwa an der Universität Wien.12 Gleichzeitig wurden an vielen Forschungseinrichtungen unterstützende Services für Forschende auf- und ausgebaut.13 Das Angebot reicht von der Unterstützung beim Ausfüllen von Datenmanagementplänen über das Bereitstellen von Tools zum Aufbereiten und Speichern der Daten bis zur Langzeitarchivierung von Forschungsdaten sowie deren Visualisierung. Die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit wird ebenfalls bereits in nationalen und internationalen Projekten, wie etwa FAIR Data Austria14, EOSC Support Office Austria15, bei OpenAIRE16 und bei EOSC Associations Task Forces17 umgesetzt. Die Implementierung von geeigneten Anreizsystemen steht dagegen noch weitgehend aus.
3.Unterschiedliche Bedürfnisse der Forschenden
All diese Aktivitäten richten sich an Forschende aus allen Fachbereichen, wobei die langjährige Erfahrung im Bereich Unterstützung beim Forschungsdatenmanagement gezeigt hat, dass die Erwartungen, Bedürfnisse und Kenntnisse in den einzelnen Disziplinen sehr unterschiedlich sind. Sie schwanken jedoch auch stark innerhalb einer Disziplin. In den Geistes- und Sozialwissenschaften beispielsweise werden sehr unterschiedliche Daten produziert, wie etwa Texte, Bilder, Videos oder statistische Daten aus Umfragen. In den digitalen Geisteswissenschaften, also den Digital Humanities, sind die Anforderungen an technische Unterstützung sehr divers und zum Teil sehr komplex.
Um herauszufinden, wie Geistes- und Sozialwissenschafter*innen mit ihren Daten umgehen bzw. welche Unterstützung sie benötigen, wurde von Mai bis August 2021 gemeinsam mit Kolleg*innen eine Umfrage durchgeführt, die sich vor allem an Personen richtete, die im Bereich der Kinder- und Jugendmedienforschung arbeiteten. Der Bereich erschien vor allem deshalb sehr interessant, weil hier mit sehr unterschiedlichen Methoden und Daten gearbeitet wird und weil die Forschenden in unterschiedlichen Disziplinen tätig sind. Das Thema Kinder- und Jugendmedien wird beispielsweise in der Anglistik, in der Germanistik, der Publizistik, der vergleichenden Literaturwissenschaft und in weiteren Fächern aufgegriffen. Neben Text- und Bildanalysen werden zunehmend auch Videos und Umfrageergebnisse verwendet und ausgewertet. Da in die Untersuchungen oft auch Kinder und Jugendliche miteinbezogen werden, sind juristische oder ethische Fragen häufig sehr relevant.
4.Zur Umfrage
Die nicht repräsentative Onlineumfrage, die mit dem Tool surveymonkey durchgeführt wurde, richtete sich an die Mitglieder der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung, die auch die Schweiz miteinschließt, sowie an die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung.18 Insgesamt waren 27 Fragen19 zu beantworten, wobei neun davon offen gehalten waren. Es bestand die Möglichkeit auch Fragen zu überspringen, zum Teil waren Mehrfachantworten möglich. Mit dieser Umfrage konnten Forschende aller Karrierestufen, von Student*innen bis zu emeritierten Professor*innen, aus unterschiedlichen Fachbereichen wie etwa Anglistik, Germanistik, Film- und Medienwissenschaften, Kulturwissenschaften, Philosophie, Geschichte und Romanistik erreicht werden.
Insgesamt sollte vor allem Folgendes herausgefunden werden, um in Zukunft die Services verbessern zu können:
1. Wie gehen Forschende im Bereich der Kinder- und Jugendmedien derzeit mit ihren Forschungsdaten um?
2. Welche Voraussetzungen benötigen Wissenschaftler*innen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendmedienforschung, um ihren Forschungsoutput gemäß den FAIR-Prinzipien behandeln zu können?
3. Wo gibt es derzeit noch Hindernisse für ein adäquates Forschungsdatenmanagement?
Um möglichst viele Forschende adressieren und für die Umfrage gewinnen zu können, wurde eine sehr offene Definition des Begriffs Forschungsdaten verwendet: „Forschungsdaten bezeichnen (digitale) Daten, die je nach Fachkontext Gegenstand eines Forschungsprozesses sind, während eines Forschungsprozesses entstehen oder sein Ergebnis sind.“20
Wichtig war uns beispielsweise zu wissen, wie die Befragten Möglichkeiten nutzen, um ihre Forschungsergebnisse möglichst frei zur Verfügung zu stellen.
5.Hypothesen und Ergebnisse
Unsere Hypothesen waren unter anderem:
1. Forschende im deutschsprachigen Raum im Bereich der Kinder- und Jugendmedien beschäftigen sich derzeit kaum bis gar nicht mit der Langzeitverfügbarkeit ihres Forschungsoutputs, weder die Publikationen noch die Daten betreffend, wie etwa eine österreichweite Umfrage aus dem Jahr 2015 zeigt.21
2. Es gibt derzeit bei den Forschenden nur wenige Überlegungen, wie ihre Daten nach den FAIR-Prinzipien behandelt werden sollen.
3. Forschende erhalten derzeit wenig Unterstützung beim Datenmanagement.
Insgesamt beantworteten 32 Personen die Fragen.22 Im Folgenden werden einige der Fragen und Ergebnisse herausgegriffen.
Die meisten Teilnehmer*innen ordneten sich selbst der Allgemeinen Literaturwissenschaft, der Germanistik, Literaturgeschichte und der Kulturwissenschaften zu. Fast dreiviertel der Befragten kamen aus Österreich.
Ein Kernbereich der Umfrage war die Art und Weise, wie und wo Forschende ihre Daten speichern.
Auf die Frage „Verwenden Sie Repositorien, um Ihre Publikationen frei zugänglich zu machen?“, antworteten 43,8 % mit ja, 65,63 % mit nein. Auf die Frage „Publizieren Sie in Open-Access-Zeitschriften oder in Open Access-Monografien?“ waren mehrere Antworten möglich. Bzgl. Open-Access-Zeitschriften haben 59,38 % mit ja geantwortet, 37,5 % der Befragten gaben an, in Open-Access-Monografien zu veröffentlichen. Ebenso viele teilten mit, weder in Open-Access-Zeitschriften noch in Open-Access-Monografien zu publizieren. Nicht gefragt wurde, wie oft die Forschenden Open-Access publizierten, es könnte also durchaus sein, dass manche nur gelegentlich ihre Publikationen frei zur Verfügung stellen.
Der Begriff „Forschungsdaten“ wird in unterschiedlichen Disziplinen auf verschiedene Art und Weise interpretiert. In einigen Fachbereichen spricht man eher von Forschungsgrundlagen oder Forschungsmaterialien. Aus diesem Grund wurden mögliche Forschungsdaten aufgelistet. Aufschlussreich waren die Antworten auf die Frage, was die Forscher*innen jeweils als eigene Forschungsdaten bezeichnen. Hier standen Texte deutlich an erster Stelle, gefolgt von Bildern und Datenbanken. Transkripte, Video- und Audiofiles sowie Umfragedaten wurden ebenfalls häufig angegeben. Sehr wenige teilten mit, überhaupt nicht mit Daten zu arbeiten, wobei man dabei selbstverständlich mitbedenken muss, dass sich diese Personengruppe wahrscheinlich nicht von der Umfrage angesprochen fühlte.
Der jeweilige Umgang mit den eigenen Forschungsdaten war ebenfalls sehr interessant, denn hier zeigte sich, inwieweit das von Forschungsinstitutionen und Fördergebern geforderte umfassende Datenmanagement bereits in den Alltag der Forschenden integriert wurde. Wenig überraschend speicherte die große Mehrheit ihre Forschungsdaten auf dem eigenen Computer ab (84,38 %), gefolgt von externen Festplatten (59,39 %), dem USB-Stick (37,5 %), auf dem Server der eigenen Institution (31, 25 %), kommerziellen (18,75 %) und universitätseigenen Cloud-Diensten (31, 25 %).23 Datenrepositorien wurden nicht genannt. Ähnlich gestaltete sich das Bild betreffend der Langzeitarchivierung der Forschungsdaten. Hier stand ebenfalls der eigene Computer an erster Stelle (78,13 %), gefolgt von der externen Festplatte, dem USB-Stick und Cloud-Diensten der eigenen Einrichtungen. Danach wurden Server der eigenen Institutionen und kommerzielle Cloud-Dienste angegeben. An letzter Stelle standen Datenrepositorien und die Aussage, dass die Daten gar nicht gespeichert werden. Das steht etwas im Gegensatz zu der Aussage von mehr als der Hälfte der Befragten, die behauptet hatte, dass Langzeitarchivierung für sie sehr wichtig sei.
Daraus resultiert die Frage, ob denn schon mal Daten verloren gegangen wären. Dies sollte ja durch die Einhaltung der FAIR-Prinzipien nicht passieren. Mehr als 51 % verneinten dies, knapp 40 % erlebten bereits einen Datenverlust und 10 % wussten nicht, ob sie Daten bereits verloren haben oder nicht. Damit hat, zusammengefasst, nur die Hälfte der Befragten ihre Daten noch sicher verwahrt und kann darauf zugreifen.
Da der Begriff „ FAIR-Prinzipien“ auch in den Datenmanagementplänen vorkommt und die Einhaltung von den Fördergebern gefordert wird24, wird eigentlich das Wissen darüber bereits vorausgesetzt. Auf die Frage „Wie bekannt sind Ihnen die FAIR-Prinzipien?“ antworteten allerdings nur 9,38 % der Befragten mit „sehr gut“ und nur 12,5 % mit „gut“. 43,78 % gaben an, schon einmal davon gehört zu haben bzw. waren damit ein wenig vertraut, alle anderen kannten den Begriff FAIR nicht. Re-Use, ein wesentlicher Bestandteil der FAIR-Prinzipien, wird von allen Seiten auch im Sinne der Nachhaltigkeit immer stärker gefordert. Dazu müssen die Daten jedoch möglichst offen zur Verfügung gestellt werden.
Mit den eigenen Daten gehen die meisten der befragten Forschenden recht freigiebig um. Die Frage „Stellen Sie Ihre Daten auch anderen Forscher*innen zur Verfügung?“ wurde mit 62,5 % bejaht. Ebenso viele greifen auf Daten ihrer Kolleg*innen zurück. Der Datenaustausch erfolgt dabei meist per Mail. Wenn keine Daten ausgetauscht wurden, lag es oft an rechtlichen Fragen, manchmal aber auch daran, dass nicht explizit danach gefragt wurde. Fremde Daten nachzunutzen wurde ebenfalls nicht ausgeschlossen, aber oft konnten die Daten nicht genutzt werden, weil sie nicht genau dem entsprachen, was die Forschenden benötigten, oder es war aus rechtlichen Gründen nicht möglich sie weiter zu verwenden. Eine Person nannte als Grund, fremde Daten nicht weiterzuverwenden: „Ich forsche zu gerne selbst“.
Für Personen, die mit dem Forschungsdatenmanagement befasst sind, war vor allem die Frage „Bietet Ihre Institution Hilfe beim Datenmanagement an?“ wichtig. Dabei wurden mehrere Antwortmöglichkeiten angeboten. Am häufigsten wurde das Bereitstellen von Tools (z.B. Software, Repositorien) genannt (48,39 %). Danach folgte mit 41,94 % technische Unterstützung, sowie Beratung für Datenmanagementpläne und allgemeine Fragen zum Datenmanagement (jeweils 35,48 %). 19,35 % gaben an, juristische und ethische Beratung in Anspruch nehmen zu können. 16,13 % wussten nichts von diversen Unterstützungen und 12,9 % antworteten, dass sie keinerlei Hilfe an ihrer Institution hätten. „Wenn ja, woher erhalten Sie Unterstützung?“ lautete die Anschlussfrage. Mehrere Antwortmöglichkeiten waren angegeben. Knapp 70 % gaben dabei die Universitätsbibliotheken an, gefolgt vom Forschungsservice, Computercenter, Open-Access-Büro, Abteilung für Forschungsdatenmanagement und von Projekten.
Auf die Frage, welche Unterstützung sich die Forschenden im Bereich Datenmanagement wünschen würden, wurde Beratung im Bereich von Datenformaten genannt und vor allem mehr Information über die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten. Eine Antwort lautete: „Ich denke, dass meine Uni das eigentlich hat, aber dass ich selber noch zu wenig Zeit investiert habe, diese helpline zu suchen/verwenden.“
Das Projekt „Forschungsdaten in der Kinder- und Jugendliteraturforschung – eine Bestandsaufnahme“25, durchgeführt 2022/2023 von Absolvent*innen des Universitätslehrganges „Library and Information Studies“ mit dem Ziel, einen Überblick über freiverfügbare Forschungsdaten aus diesem Forschungsbereich zu schaffen und anhand dessen eine systematisierte und kommentierte Sammlung dieser Forschungsdaten zur Verfügung zu stellen, ergab, dass die Praxis des Forschungsdatenmanagements im Bereich der Kinder- und Jugendliteraturforschung noch kaum etabliert ist. Die Autor*innen ziehen daraus den Schluss: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Recherche in öffentlich zugänglichen Repositorien und Metasuchmaschinen keine verwertbaren Ergebnisse bezüglich nachnutzbarer Forschungsdaten in der KJL-Forschung ergab. Es kann folglich konstatiert werden, dass eine etablierte Praxis der Indexierung und öffentlichen Zugänglichmachung von Forschungsdaten in Repositorien aus dem Bereich der KJL-Forschung nicht erkennbar ist.“26
6.Fazit
Wie oben bereits beschrieben, handelte es sich um eine sehr klein gehaltene Umfrage mit 32 Teilnehmer*innen, sodass daraus bestenfalls ein Stimmungsbild kreiert werden kann. Dennoch lassen die Aussagen, zumindest auf den Bereich Kinder- und Jugendmedienforschung bezogen, einige Schlüsse zu. Die erste Hypothese „Forschende im deutschsprachigen Raum im Bereich der Kinder- und Jugendmedien beschäftigen sich derzeit kaum bis gar nicht mit der Langzeitverfügbarkeit ihres Forschungsoutputs, weder die Publikationen noch die Daten betreffend“ kann nach diesem Stimmungsbild kaum widerlegt werden. Publikationen werden zum Großteil nicht über Repositorien zugänglich gemacht. Auch die Forschungsdaten sind zumeist bisher auf eigenen Computern oder Festplatten gespeichert, von einer sicheren Langzeitverfügbarkeit, obwohl diese den Forschenden in der Theorie sehr wichtig ist, kann man deshalb nicht sprechen. Immerhin werden zunehmend Clouddienste verwendet. Trotzdem sollte hier seitens der Bibliotheken und Forschungseinrichtungen verstärkt das Augenmerk darauf gelegt werden, den Wissenschaftler*innen mehr Möglichkeiten, mehr Tools aber auch mehr Informationen zum Thema Langzeitverfügbarkeit von Forschungsdaten zu bieten.
Auch die zweite Hypothese „Es gibt derzeit bei den Forschenden nur wenige Überlegungen, wie ihre Daten nach den FAIR-Prinzipien behandelt werden sollen“ muss ebenfalls bestätigt werden, denn die Mehrheit der Befragten gab an, nur ansatzweise oder gar nichts über die FAIR-Prinzipien zu wissen. Wenn diese Prinzipien nicht geläufig sind, fällt es jedoch schwer, richtige Entscheidungen über die langfristige Auffindbarkeit zu treffen, sich um eine umfassende Beschreibung der Daten zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie in einer Art und Weise gespeichert sind und auch in Zukunft mit anderen Systemen ausgetauscht werden können.
Die Prüfung der dritten Hypothese „Forschende erhalten derzeit wenig Unterstützung beim Datenmanagement“ muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Immerhin erhalten fast 42 % technische Unterstützung an ihren Institutionen, mehr als 48 % stehen Tools zur Verfügung. Datenmanagement- und Datenmanagementplanberatung können 35,8 % in Anspruch nehmen. Auch juristische und ethische Beratung wird an den Institutionen angeboten und von ca. 19 % der Befragten auch wahrgenommen. Bedenklich dagegen ist, dass fast 13 % gar keine Angebote erhalten und mehr als 16 % angaben, darüber nichts zu wissen. Das wiederum bedeutet, dass es nicht nur zu wenig Angebote gibt, sondern dass die bereits vorhandene Unterstützung noch nicht ausreichend bekannt ist.
Daraus ergeben sich mehrere Forderungen:
1.Ausbau der forschungsunterstützenden Services an den jeweiligen Forschungsinstitutionen, wie beispielsweise Beratungen im Bereich Datenmanagement und Datenmanagementpläne. Dieser Service sollte möglichst gut vernetzt sein und von mehreren Stellen, zum Beispiel von Universitätsbibliotheken, den Computercentern und den Forschungsservicestellen beworben werden.
2.Erweiterung des Angebotes von Software, Repositorien, Möglichkeiten der Speicherung und Archivierung der Daten. Werden diese nicht ausreichend von den eigenen Institutionen angeboten und beworben, besteht die Gefahr, dass andere Tools genutzt werden und die eigenen Forschungsinstitutionen keinen Zugriff auf die Daten haben, deren Entstehung sie in den meisten Fällen (mit)finanziert haben.
3.Verstärkte Bewerbung der vorhandenen Angebote. Forschende müssen immer mehr administrative Tätigkeiten erledigen und sind oft dankbar, wenn sie erkennen, dass sie an ihrer eigenen Institution Unterstützung beim Datenmanagement finden. Dabei ist es sinnvoll, aktiv an die Forschenden heranzutreten.
4.Anpassung der Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich durch Schulungen und modular aufgebaute Kurse zu unterschiedlichen Spezialthemen. Der Bereich Forschungsdatenmanagement ändert sich derzeit sehr rasch. Umso wichtiger ist es, dass vor allem Bibliothekar*innen und Personen aus dem IT-Bereich auf dem Laufenden bleiben.
5.Eine veränderte Personalpolitik an den Forschungsinstitutionen und Bibliotheken, die zum Beispiel das Quereinsteigen von Techniker*innen erlaubt. Durch die rasche technische Weiterentwicklung, aber auch aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit des Themas Datenmanagement, werden Personen benötigt, die Spezialwissen mitbringen oder sich rasch aneignen. Das System sollte durchlässiger werden, um nach Bedarf gut ausgebildete Mitarbeiter*innen einstellen zu können.
6.Eine möglichst breite Vernetzung von Mitarbeiter*innen der forschungsunterstützenden Services und Forschenden, um Bedürfnisse rasch erkennen und darauf reagieren zu können. Hochqualitatives Datenmanagement kann nur im Team gut funktionieren, denn dafür braucht es technisches, bibliothekarisches und juristisches Wissen. Sehr wichtig sind dabei aber auch die Forschenden selbst, denn sie bringen die Anforderungen ein. Für ein zufriedenstellendes Ergebnis sollten sie deshalb beim Entwickeln von Tools und Services möglichst früh eingebunden werden.
Eine Antwort auf diese Forderungen könnte die Etablierung von Data Stewards sein. Als Forschende kennen sie die Bedürfnisse in ihrer Fachdisziplin und können so eine Brücke zwischen dem allgemeinen Datenmanagement und den Forschenden bilden. An der Universitätsbibliothek Wien wurde bereits ein Pilotprojekt dazu gestartet. Für drei Jahre wurden Data Stewards an unterschiedlichen Fakultäten eingesetzt. Gleichzeit startete im Oktober 2022 an der Universität Wien ein zweisemestriger berufsbegleitender und englischsprachiger Zertifikatskurs Data Stewardship.27 „Absolvent*innen verfügen über vertiefendes Wissen, um innovative Services im Bereich Forschungsdatenmanagement zu entwickeln, Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit Daten und Open Knowledge zu steigern und Forschende individuell zu beraten.“28
Literaturverzeichnis
- Bauer, Bruno; Ferus, Andreas; Gorraiz, Juan u.a.: Forschende und ihre Daten. Ergebnisse einer österreichweiten Befragung. Report 2015, <https://phaidra.univie.ac.at/o:407513>, Stand: 09.09.2022.
- Blumesberger, Susanne: Forschungsdaten in den Geisteswissenschaften. Bereits selbstverständlich oder doch noch etwas exotisch?, in: o-bib 8 (4), 2021, S. 1–8, <https://doi.org/10.5282/o-bib/5739>.
- Blumesberger, Susanne: „Forschungsunterstützung für die Geisteswissenschaften – warum wir viele unterschiedliche Wege benötigen. Ein Erfahrungsbericht“, in: b.i.t.online 25 (1), 2022, S. 11–20.
- Gruber, Alexander; Schranzhofer, Hermann; Knopper, Sabrina u.a.: Kompetenzen von Data Stewards an österreichischen Universitäten, Graz University of Technology 2021. <https://doi.org/10.3217/datacite.g204d-rb479>.
- Kindling, Maxi; Schirmbacher, Peter: „Die digitale Forschungswelt“ als Gegenstand der Forschung, in: Information. Wissenschaft & Praxis 64 (2–3), 2013, S. 127–136, <https://doi.org/10.1515/iwp-2013-0017>.
- Nitsche, Valerie; Prinz, Klaus; Wolfsgruber, Thomas: Forschungsdaten in der Kinder- und Jugendliteraturforschung – eine Bestandsaufnahme, Wien 2023, <https://hdl.handle.net/11353/10.1828932>.
1 Vgl. Forschungsunterstützende Services und Open Science Support der UB Wien, <https://bibliothek.univie.ac.at/forschungsunterstuetzung/>, Stand: 13.09.2023.
2 Vgl. Blumesberger, Susanne: Forschungsunterstützung für die Geisteswissenschaften – warum wir viele unterschiedliche Wege benötigen. Ein Erfahrungsbericht, in: b.i.t.online 25 (1), 2022, S. 11–20.
3 #YouthMediaLife: What we do, <https://youthmedialife.univie.ac.at/what-we-do/>, Stand: 13.09.2023.
4 Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung, <https://oegkjlf.univie.ac.at/>, Stand 13.09.2023.
5 FAIR principles, <https://www.go-fair.org/fair-principles/>, Stand 13.09.2023.
6 Dieser Beitrag beruht auf dem Vortrag. „FAIRe Forschungsdaten in den Geisteswissenschaften – Umfrage über Aufbereitung und Archivierung von Daten“ in der Session „Vom Umgang mit Inhalten und Daten / Forschungsdaten in den Humanities“ am 01.06.2022 anlässlich des 110. Deutschen Bibliothekartages in Leipzig.
7 Willkommen bei e-Infrastructures Austria!, <https://e-infrastructures.univie.ac.at/>, Stand 13.09.2023.
8 Vgl. Bauer, Bruno; Ferus, Andreas; Gorraiz, Juan u.a.: Forschende und ihre Daten. Ergebnisse einer österreichweiten Befragung. Report 2015, <https://phaidra.univie.ac.at/o:407513>, Stand: 09.09.2022.
9 So etwa an der TU Graz, vgl. Data Steward Team, <https://www.tugraz.at/sites/rdm/support-service/data-stewards>, Stand: 13.09.2023, oder an der Universität Wien, vgl. Data Stewards at the University of Vienna, <https://rdm.univie.ac.at/data-stewards-at-the-university/>, Stand: 13.09.2023.
10 Der Digitalisierungs-Cluster „Forschungsdaten“ vereint die drei durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung geförderten, im Jahr 2020 gestarteten Projekte „RIS Synergy“, „FAIR Data Austria“ und „Austrian DataLAB and Services“, sowie das 2023 gestartete Projekt „Shared RDM Services“. <https://forschungsdaten.at/>, Stand 22.09.2023
11 FDM-Policies, <https://www.forschungsdaten.info/fdm-im-deutschsprachigen-raum/oesterreich/fdm-policies/>, Stand: 13.09.2023.
12 Forschungsdatenmanagement, <https://rdm.univie.ac.at/de/>, Stand: 13.09.2023.
13 Siehe zum Beispiel das Zentrum für Forschungsdatenmanagement an der TU Wien oder das Forschungsdatenmanagement an der Universität Wien, <https://rdm.univie.ac.at/>, Stand 13.09.2023.
14 FAIR Data Austria, <https://forschungsdaten.at/fda/>, Stand: 13.09.2023.
15 EOSC Support Office Austria, <https://eosc-austria.at/>, Stand: 13.09.2023.
16 OpenAIRE, <https://www.openaire.eu/>, Stand: 13.09.2023.
17 EOSC Association Task Forces – on Top of the Community’s Agenda, 03.09.2021, <https://eosc.eu/news/eosc-association-task-forces-community-agenda>, Stand: 13.09.2023.
18 Beide Gesellschaften haben ihren Medienbegriff inzwischen erweitert, ihre Namen jedoch beibehalten.
19 Für den vorliegenden Bericht wurde bewusst eine Auswahl getroffen.
20 Kindling, Maxi; Schirmbacher, Peter: „Die digitale Forschungswelt“ als Gegenstand der Forschung, in: Information. Wissenschaft & Praxis, 64 (2–3), 2013, S. 127–136, S. 130, <https://doi.org/10.1515/iwp-2013-0017>.
21 Bauer, Bruno; Ferus, Andreas; Gorraiz, Juan u.a.: Forschende und ihre Daten. Ergebnisse einer österreichweiten Befragung. Report 2015, <https://phaidra.univie.ac.at/o:407513>, Stand: 13.09.2023.
22 Da der Fragebogen an zwei Gesellschaften ging, in denen nicht nur Forschende verzeichnet sind, lässt sich kaum eruieren, wie viele Personen theoretisch antworten hätten können.
23 Hier waren Mehrfachantworten möglich.
24 Zum Beispiel: Forschungsdatenmanagement, <https://www.fwf.ac.at/de/forschungsfoerderung/open-access-policy/forschungsdatenmanagement>, Stand: 13.09.2023.
25 Nitsche, Valerie; Prinz, Klaus; Wolfsgruber Thomas: Forschungsdaten in der Kinder- und Jugendliteraturforschung – eine Bestandsaufnahme, Wien 2023, <https://hdl.handle.net/11353/10.1828932>
26 Ebd., S. 24.
27 Data Steward, <https://www.postgraduatecenter.at/en/programs/communication-media/data-steward/>, Stand: 13.09.2023.
28 Neuer Zertifikatskurs Data Steward ab Oktober 2022, 1.6.2022, <https://www.postgraduatecenter.at/aktuelles/aktuelle-meldungen/details/news/neuer-zertifikatskurs-data-steward-ab-oktober-2022/?tx_news_pi1 %5Bcontroller %5D=News&tx_news_pi1 %5Baction %5D=detail&cHash=2535717a462d13fc0f13e62162441ed1>, Stand: 13.09.2023.