Qualitätssicherung für die Lehre

Ein Supervisionsprojekt von Universitätsbibliothek und hochschuldidaktischem Zentrum der TU München 1

Dorothea Lemke, Universitätsbibliothek der Technischen Universität München
Caroline Leiß, Universitätsbibliothek der Technischen Universität München

Zusammenfassung

Schulungen zur Informationskompetenz gehören mittlerweile zum Standardangebot der meisten Bibliotheken. Jedoch haben die wenigsten Bibliotheksbeschäftigten eine pädagogische oder didaktische Ausbildung. Wie können Lehrende sicherstellen, dass ihre Kurse didaktisch sinnvoll aufgebaut sind, Präsentation und Kursgestaltung die Teilnehmenden ansprechen und sie sich als Dozent*innen weiterentwickeln? Die Universitätsbibliothek (UB) der Technischen Universität München (TUM) bietet mit derzeit 17 verschiedenen Kursen und insgesamt ca. 300 Veranstaltungen im Jahr ein umfangreiches Schulungsprogramm an. Im Wintersemester 2019/20 hat die Bibliothek ein Supervisionsprojekt mit ProLehre, dem hochschuldidaktischen Zentrum der TUM, durchgeführt. Ziel war es, von externer Seite einen professionellen Blick auf die Kurse zu erhalten und die Dozent*innen durch ein strukturiertes, konstruktives Feedback in ihrer Rolle als Lehrende zu unterstützen. Der Artikel beschreibt die Planung und Durchführung des Projektes. Außerdem wird davon berichtet, wo vom Projektplan abgewichen werden musste, wie das Feedback der Teilnehmenden war und wie die Bibliothek nach dem Projekt die Qualität ihres Schulungsangebotes durch eine Verstetigung der kollegialen Hospitation sicherstellen will.

Summary

Today, information literacy training is a part of the standard service offered by most libraries. But very few colleagues have any educational qualification or training in didactics. How can librarians make sure that their courses are structured in a didactically sensible way, that presentation and course design engage the participants and that they develop as teachers? The University Library (UB) of the Technical University of Munich (TUM) currently offers an extensive training programme consisting of 17 different courses, giving approximately 300 courses per year. In the winter semester 2019/20, the library conducted a supervision project with the TUM’s centre for media and higher education didactics - ProLehre. The aim was to obtain a professional view of the courses from an external perspective and to support the librarians in their role as teachers by providing structured, constructive feedback. This article describes the planning and implementation of the project. It also reports on where the project plan had to be adapted, what the feedback from the participants was like and how the library wants to ensure the quality of its courses beyond the project by introducing peer observation as a permanent feature.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5858

Autorenidentifikation:
Lemke, Dorothea: ORCID: https://orcid.org/0000-0002-2605-6665
Leiß, Caroline: ORCID: https://orcid.org/0000-0002-2792-2625

Schlagwörter: Lehre; Informationskompetenz; Supervision; Didaktik

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International .

1. Ausgangslage

Die Universitätsbibliothek (UB) der Technischen Universität München (TUM) bietet mit 17 verschiedenen Kursen ein umfangreiches Schulungsangebot für alle Zielgruppen – für Studierende, Doktorand*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, Beschäftigte der Verwaltung sowie externe Bibliotheksnutzer*innen. Der Schulungsbereich stellt einen zentralen Teil des Dienstleistungsangebots der UB dar.

Dies ermöglicht ein ca. 40-köpfiges Schulungsteam, dessen Mitglieder in unterschiedlichem Umfang am Schulungsprogramm beteiligt sind. Einige Kolleg*innen konzipieren Schulungsveranstaltungen, erstellen Lehrmaterialien und halten bis zu 50 Kurse pro Jahr. Andere Kolleg*innen sind nur an einzelnen Schulungsveranstaltungen beteiligt und wechseln punktuell in die Dozent*innen-Rolle.

Eines aber verbindet alle Schulenden miteinander: Niemand hat eine pädagogische oder didaktische Ausbildung. Inhalte didaktisch aufzubereiten, eine gute Lernatmosphäre zu schaffen, anschaulich zu erklären und aktivierende Methoden einzusetzen zählt zu den zentralen Fähigkeiten für eine gute Lehre. In aller Regel erwerben die Schulenden diese Kompetenzen „on the job“, erarbeiten sich das nötige Wissen nach und nach selbst oder nehmen an Fortbildungen zu Didaktik oder Präsentations­techniken teil.

Vor diesem Hintergrund entschied sich die UB, den Schulungsbereich stärker in den Fokus zu nehmen und sich dafür professionelle Unterstützung zu suchen. Angestrebt war ein längerfristig angelegtes Supervisionsprojekt für alle Mitglieder im Schulungsteam, um – ausgehend von der praktischen Lehrtätigkeit – jede*n Einzelne*n individuell zu fördern. Es sollte ein Rahmen geschaffen werden, in dem anhand einer konkreten Schulungssituation persönliche Stärken und Schwächen in einem vertraulichen Rahmen thematisiert werden können. Langfristig sollte das Supervisionsprojekt dazu beitragen, die Lehrenden in ihrer Rolle als Dozent*innen zu stärken und die erforderlichen Kompetenzen zu vertiefen.

Die UB der TUM verfügt über eine Abteilung für Informationsdienste, in der das Schulungsprogramm organisiert wird. 2 Vereinheitlichte Abläufe stellen sicher, dass für jeden Kurstyp, sei es Literaturrecherche, Zitieren oder Forschungsdatenmanagement, eine Person die Verantwortung trägt und sich nach einheitlichen Regelungen um Werbemaßnahmen, Anmeldung, Teilnehmerkommunikation, Erstellung von Lehrmaterialien gemäß Corporate Design der TUM, Evaluierung und Statistik-Erfassung kümmert.

Für die Durchführung der Kurse ist das abteilungsübergreifende Schulungsteam verantwortlich. Für alle Mitglieder der Abteilung Informationsdienste sowie alle Fachreferent*innen gehört die Schulungstätigkeit zum regulären Aufgabenprofil. Darüber hinaus arbeiten Kolleg*innen aus anderen Abteilungen, die Freude am Unterrichten haben, im Schulungsteam mit.

2. Ziel des Projekts

Das Supervisionsprojekt verfolgte mehrere Ziele. 3

3. Organisatorische Rahmenbedingungen

Die TUM bietet mit der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung ProLehre | Medien und Didaktik 4 (ProLehre) eine professionelle Partnerin für alle Fragen zur Qualität der Hochschullehre.

Eine zentrale Dienstleistung von ProLehre ist die Beratung und das individuelle Coaching von Lehren­den im Bereich Hochschul- und Mediendidaktik. Das Angebot ist grundsätzlich kostenpflichtig und richtet sich an Fakultäten, nicht aber an zentrale Einrichtungen wie die UB. Durch ausdrücklichen Wunsch des Vizepräsidenten für Lehre war es jedoch möglich, die Unterstützung von ProLehre für die UB kostenfrei in Anspruch zu nehmen, obwohl die Größenordnung des geplanten Vorhabens mit einem erheblichen und längerfristigen Ressourceneinsatz für ProLehre verbunden war.

So waren ausgezeichnete Rahmenbedingungen geschaffen. ProLehre stellte ein Supervisionsteam von Didaktik-Expert*innen zusammen, die UB beauftragte zwei Kolleginnen der Abteilung Informationsdienste mit der Projektleitung. Gemeinsam wurde das Supervisionsprojekt für das Wintersemester 2019/20 geplant.

Die Bibliotheksleitung hatte die Entscheidung getroffen, dass alle Kolleg*innen, die mindestens einen Kurs pro Semester halten, verpflichtend am Projekt teilnehmen. Da nicht alle Dozent*innen Webinare hielten, wurde entschieden, die Supervision jeweils in Präsenz-Veranstaltungen durchzuführen.

Die Teilnahme am Supervisionsprojekt konnte auf das Zertifikat Hochschullehre der Bayerischen Universitäten 5 angerechnet werden. Auf diese Weise hatten die Lehrenden der UB die Option, mit einigen zusätzlichen Fortbildungen ein lebenslaufwirksames Weiterbildungszertifikat zu erwerben.

Feedback, Supervision, Qualitätsverbesserung: Ganz unproblematisch sind diese Begriffe nicht. Seitens einiger Dozent*innen gab es durchaus Skepsis, dass das Projekt auf die Kontrolle der Leistungen einzelner Personen ausgerichtet sein könnte. Verstärkt wurden diese Vorbehalte durch die Entscheidung für eine verpflichtende Teilnahme.

Individuelle Vorgespräche der Projektleiterinnen mit skeptischen Lehrenden trugen dazu bei, diese Vorbehalte weitgehend auszuräumen und deutlich zu machen, dass der Fokus des Projekts auf der Unterstützung der Lehrenden lag und Möglichkeiten für Weiterentwicklung im Bereich Didaktik schaffen sollte. Eine personenbezogene Leistungsmessung oder -kontrolle wurde ausgeschlossen. Für alle personenbezogenen Aktivitäten, wie Unterrichtsbesuche und Feedback-Gespräche, war strikte Vertraulichkeit vereinbart.

4. Projektplan und -durchführung

Als Kernstück des Projektes war ein Unterrichtsbesuch durch ProLehre mit anschließendem Feedback-Gespräch für alle Dozent*innen vorgesehen, flankiert von ganztätigen Auftakt- und Abschlussworkshops.

Im Auftaktworkshop sollte zunächst das Projekt vorgestellt werden. Geplant war zudem, dass die Mitglieder des Schulungsteams die Gelegenheit bekommen, sich über ihre Lehrerfahrungen auszutauschen und sich darüber zu beraten, was gute Lehre ausmacht.

Der Abschlussworkshop sollte den Dozent*innen Raum zur Reflexion und zum Austausch über die Erfahrungen der Unterrichtsbesuche bieten.

Auch eine Verstetigung war bereits im Projektkonzept angelegt: In kollegialen Veranstaltungsbesuchen sollten sich Kolleg*innen der UB auch nach Projektabschluss gegenseitig in ihren Kursen besuchen, Feedback geben und voneinander lernen. Diese Maßnahme der kontinuierlichen Qualitätssicherung sollte selbstverständlicher Teil der Schulungstätigkeit werden.

Das Projekt war auf einen Zeitrahmen von ungefähr acht Monaten angelegt und sollte zwischen Herbst 2019 und Frühsommer 2020 stattfinden. Pandemiebedingt geriet dieser Plan im März 2020 ins Wanken: Alle Präsenzkurse fielen bis auf weiteres aus. Das Projekt wurde mit erheblichen Änderungen erst im Sommer 2021 beendet.

4.1 Projektankündigung und Planung der Unterrichtsbesuche

Im Mai 2019 wurde das Projekt mit einem Beitrag im Mitarbeiter-Blog der UB angekündigt, Anfang Juni folgte eine E-Mail an alle teilnehmenden Kollegen*innen mit detaillierten Informationen zum Ablauf. Anschließend wurden die Termine für Unterrichtsbesuche vereinbart. Dozent*innen, die unterschiedliche Kurse geben, konnten angeben, in welchem Kurs sie besucht werden wollten. Dozent*innen und Supervisor*innen erhielten gegenseitige Kontaktdaten, um sich vor dem Kursbesuch in Verbindung setzen zu können.

4.2 Auftaktworkshop

Für die Teilnehmenden begann das Projekt zu Beginn des Wintersemesters 2019/20 mit einem ganztätigen Auftaktworkshop. Da die Gruppe mit fast 40 Kolleg*innen zu groß für einen Einzeltermin war, wurden zwei Tage für je ca. 20 Personen angeboten. Durchgeführt wurden die Workshops jeweils von zwei ProLehre-Kolleg*innen, Ablauf und Inhalte waren in enger Absprache zwischen Projekt­leitung und ProLehre vereinbart worden.

Inhaltlich ging es um drei Schwerpunkte:

  1. Reflexion der eigenen Rolle als Dozent*in
  2. a. Was für Erfahrungen habe ich als Dozent*in gemacht? Welche Herausforderungen habe ich gemeistert, was läuft bereits gut? Was bringe ich persönlich mit? In welchen Bereichen möchte ich mich weiterentwickeln? Was brauche ich dazu?

    b. Wie schaffe ich gute Lernbedingungen? Wie lerne ich selbst gut? Was motiviert mich zum Lernen? Wie kann ich meine Teilnehmenden besser dabei unterstützen, gut zu lernen? Welche Methoden kann ich dafür einsetzen?

  3. Einführung in didaktische Grundlagen 6 , insbesondere Strukturierung einer Unterrichtseinheit, Lehrmethoden, Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen
  4. Vorbereitung der Unterrichtsbesuche, insbesondere Erläuterung des ARIVA-Schemas (siehe unten)

4.3 Unterrichtsbesuche mit Feedback

Vorbereitung: Zur Vorbereitung des Unterrichtsbesuchs erstellte jede*r Dozent*in ein sogenanntes didaktisches Raster für den jeweiligen Kurs und verwendete dabei das ARIVA-Schema.

Das didaktische Raster ist ein Kursplan, der Lernziele, eingesetzte Methoden und zeitliche Planung enthält. Die Erstellung eines solchen Rasters zielt darauf ab, den Dozent*innen vorab eine strukturierte Selbstreflexion zu ermöglichen: Wie gehe ich eigentlich im Kurs vor, welche Lernziele will ich erreichen, wie ist meine Zeitplanung und welche Methoden setze ich ein?

Das im Auftaktworkshop vorgestellte ARIVA-Schema aus dem Münchner Methodenkasten 7 benennt typische Elemente eines didaktischen Ablaufs und gibt Begriffe an die Hand, um einen Lern- und Lehrvorgang theoretisch zu analysieren und zu beschreiben. Die einzelnen Elemente des Kurses werden jeweils ihrer Funktion gemäß in das ARIVA-Schema eingeordnet.

ARIVA-Schema:

Schon bei der Vorbereitung des Unterrichtsbesuchs wurde für einige Dozent*innen deutlich, dass einzelne Funktionen zu kurz kamen, während andere im Übermaß Berücksichtigung fanden.

Einige Lehrende stellten fest, dass in ihren Kursen die Funktionen Ausrichten und Reaktivieren kaum Zeit erhielten, die Teilnehmenden also nicht gut genug „abgeholt wurden“. Andere Kursdozent*innen kamen zum Ergebnis, dass sie den Fokus zu sehr auf das Informieren legten, während die Verarbeitungs- und Absicherungsphasen nicht genug Raum bekamen. Viele Lehrende fanden es hilfreich, die expliziten Begrifflichkeiten zu nutzen, um ihr im Laufe der Unterrichtstätigkeiten erworbenes intuitives Verständnis von Lehre mit einem strukturierenden didaktischen Blick besser zu verstehen.

Die Lehrenden schickten das didaktische Raster vorab an ihre jeweiligen Supervisor*innen. Einige Tage vor dem Unterrichtsbesuch fand ein kurzes, meist telefonisches Vorgespräch zwischen Lehrendem*r und Supervisor*in statt. Hier war auch Gelegenheit zu besprechen, worauf beim Unterrichtsbesuch ggf. besonders geachtet werden sollte. Das entsprach dem Leitgedanken des Projekts, allen Lehrenden einen Lernprozess zu ermöglichen, der von der jeweils eigenen Situation ausgeht.

Unterrichtsbesuch: Die/der Supervisor*in war während des gesamten Kurses anwesend, verglich das konkrete Unterrichtsgeschehen mit der Kursplanung im didaktischen Raster und machte sich Notizen für das spätere Feedback.

Feedback: Das Feedback-Gespräch fand entweder direkt im Anschluss an den Kurs oder innerhalb der nächsten Tage statt. Es dauerte i.d.R. zwischen ein und zwei Stunden und wurde vertraulich gehandhabt. Das Feedback erfolgte immer in strukturierter Weise 8 und deckte verschiedene Aspekte des Lehrens ab. Darüber hinaus konnten die Lehrenden zusätzlich Feedback zu einzelnen Aspekten erbitten, bei denen in ihrer eigenen Wahrnehmung Entwicklungsbedarf bestand.

Die Unterrichtsbesuche starteten im Oktober 2019. Die Projektleitung hielt Kontakt mit allen Lehrenden und dem ProLehre-Team. Bis März 2020 fanden 20 Unterrichtsbesuche mit Feedbackgespräch statt.

4.4 Unterbrechung des Projektes durch den ersten Corona-Lockdown

Zwei Wochen, bevor das Projekt mit dem geplanten Abschlussworkshop beendet werden konnte, brachte der erste Corona-Lockdown das Projekt zum Stillstand. Der geplante Abschlussworkshop konnte nicht stattfinden und die wenigen verbleibenden Unterrichtsbesuche wurden abgesagt – in der Absicht, diese ebenso wie den Abschlussworkshop nach dem Lockdown nachzuholen.

Im Laufe des Frühjahrs 2020 zeigte sich, dass mit der verstärken Online-Lehre neue Herausforderungen auf das Schulungsteam zukamen und der geplante Projektabschluss in Präsenz, der zur Intensivierung der teaminternen Kommunikation von vielen Seiten gewünscht wurde, weiter verschoben werden musste.

4.5 Kurs-Review-Tag

Viele Lehrende hatten bis zur Unterbrechung des Projekts schon Unterrichtsbesuche erhalten und aus intensiven Feedbackgesprächen zahlreiche Anregungen und neue Ideen mitgenommen. In der Abteilung Informationsdienste wuchs das Bedürfnis, sich über die Erfahrungen der Unterrichtsbesuche auszutauschen und Rückmeldungen zu den Kursen zusammenzutragen.

So fand im Juli 2020 ein abteilungsinterner Workshop statt, in dem Feedback zu Inhalt, Struktur und Methoden der verschiedenen Kurstypen besprochen wurde. Alle Kolleg*innen entschieden selbst, welche Inhalte aus den vertraulichen Feedback-Gesprächen sie in diesem Kreis teilen wollten.

Vor allem konkrete Vorschläge zu Kursorganisation und -durchführung waren hilfreich und ermöglichten einen Einblick in die ganze Bandbreite der beim Feedback angesprochenen Themen, zum Beispiel:

Viele Anregungen waren leicht umsetzbar und konnten schnell in die Routineabläufe der Kursgestaltung übernommen werden. Komplexere Änderungsvorschläge, etwa bei der Formulierung von Lernzielen, beim didaktischen Aufbau eines Kurses oder beim Einsatz von Lehrmethoden, wurden im Laufe der nachfolgenden Wochen diskutiert und erprobt.

4.6 Webinar-Workshop

Mit Beginn der Pandemie waren sämtliche Schulungen der UB auf die Webinarform umgestellt worden. Obwohl die UB schon langjährige Erfahrung mit Webinaren hatte 9 , ergaben sich für das Team im Frühjahr 2020 einige Herausforderungen: Weitaus mehr Teilnehmer*innen als bisher, eine größere Anzahl von Kolleg*innen als Webinar-Dozent*innen, Umstellung von einigen bisher nur in Präsenz gehaltenen Kursen auf Webinar-Formate, Einsatz neuer Software, Studierende, die den ganzen Tag von einem Webinar zum nächsten wechselten und dementsprechende Ermüdungserscheinungen zeigten.

Ein Thema beschäftigte die meisten Dozent*innen: Wie kann man die Teilnehmenden online aktivieren? Und: Wie kann man auch bei vielen Teilnehmer*innen eine gute Lernatmosphäre im virtuellen Raum schaffen?

Auch hier war das Team von ProLehre bereit, die UB durch ihre Expertise im Bereich Online-Lehre zu unterstützen und einen Online-Workshop mit Fokus auf aktivierende Methoden in Online-Lernräumen anzubieten, der im Oktober 2020 stattfand. Neben der Vorstellung und dem praktischen Erproben von Tools, die zur Aktivierung der Teilnehmer*innen eingesetzt werden können, nahm der persönliche Austausch über die Webinar-Erfahrungen des vorangegangenen halben Jahres viel Raum im Workshop ein.

Deutlich wurde auch, dass es innerhalb des Schulungsteams bereits umfangreiche Kenntnisse zu Tools in der Online-Lehre gab und die Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung stärker deutlich werden sollten. Eine Beratungsbörse zu Online-Tools machte die Kompetenzen der einzelnen Kolleg*innen im Team sichtbar und bot Möglichkeiten, sich untereinander zu vernetzen.

4.7 Projektabschluss: Evaluation statt Abschlussworkshop

Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, das Projekt mit einem ganztätigen Workshop abzuschließen und dabei drei Themen in den Mittelpunkt zu stellen:

  1. Austausch über Unterrichtsbesuche und Feedbackgespräche sowie Reflexion über die Sicht auf die eigene Rolle als Dozent*in (Was hat sich seit Beginn des Projekts verändert?)
  2. Vorstellung des langfristig angelegten Anschlussprojekts „Kollegiale Veranstaltungs­besuche“
  3. Erarbeiten von Feedback-Regeln und einer wertschätzenden Haltung für kollegiales Feedback

Der persönliche Austausch über Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Dozent*innentätigkeit war ein großes Anliegen, um den schulenden Kolleg*innen einen Raum zu geben, als Team zusammen­zuwachsen und den Erfahrungsreichtum im Team als Ressource zu erkennen. Aufgrund des anhaltenden Pandemie-Ausnahmezustandes war der Abschlussworkshop jedoch weiterhin nicht in Präsenz planbar. Gleichzeitig war der Plan entstanden zukünftig einmal im Jahr Teamfortbildungen anzubieten und in diesem Rahmen den gewünschten Präsenzaustausch zu ermöglichen. Im Sommer 2020 wurde daher die Entscheidung getroffen, das Projekt mit einer Evaluierung abzuschließen.

In der Evaluierung wurde erfragt, wie es den Dozent*innen zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Lehrtätigkeit erging, wie sie den Unterrichtsbesuch und das anschließende Feedback-Gespräch wahrgenommen hatten, was sie aus dem Projekt als Ganzes für sich mitnehmen konnten und zu welchen Themen sie sich Fortbildungen wünschten.

Die Online-Evaluierung bot zwar nur bedingt die Möglichkeit, das Projekt Revue passieren zu lassen, ermöglichte aber zumindest auf individueller Ebene, Veränderungen in der Wahrnehmung der eigenen Dozent*innen-Tätigkeit zu reflektieren, und warf – mit der Frage nach gewünschten Fortbildungsthemen – auch einen Blick in die Zukunft.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass die Dozent*innen

4.8 Verstetigung: kollegiale Veranstaltungsbesuche

Viele Dozent*innen hatten die Feedback-Gespräche als außerordentlich motivierend und inspirierend erlebt und waren voller Tatendrang, sich und ihre Kurse weiterzuentwickeln. Bei diesem einmaligen Erlebnis sollte es nicht bleiben: Feedback öffnet Entwicklungsräume! Der Schwung aus diesen Erfahrungen sollte in den Schulungsalltag hineinwirken. Schulende sollten regelmäßig die Möglichkeit erhalten, die positive Wirkung eines konstruktiven Feedbacks zu erfahren. Gleichzeitig sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich Schulende weiterhin im Team über ihre Erfahrungen austauschen können.

Zu diesem Zweck wurden, erneut mit Unterstützung des Teams von ProLehre, kollegiale Veranstaltungsbesuche eingeführt. Im Rahmen eines kollegialen Veranstaltungsbesuchs können Kolleg*innen sich gegenseitig in ihren Kursen besuchen und auf Wunsch Feedback geben. Dabei wird zwischen rein informatorischen Veranstaltungsbesuchen und Veranstaltungsbesuchen mit Feedback unterschieden.

Informatorische Veranstaltungsbesuche dienen der eigenen Fortbildung und enthalten keine Feedback-Komponente. Sie können genutzt werden, um sich über Kursinhalte zu informieren oder sich Anregungen für didaktische Methoden, Kursgestaltung oder Präsentationsweisen zu holen. Die informatorischen Veranstaltungsbesuche sind auch für alle Kolleg*innen, die nicht im Schulungsteam arbeiten, offen – zum Beispiel um herauszufinden, ob sie selber Interesse hätten, im Schulungsteam mitzuarbeiten.

Veranstaltungsbesuche mit Feedback dienen kursgebenden Dozenten*innen als Möglichkeit, durch strukturiertes Feedback die eigene Schulungspraxis weiter zu entwickeln. Voraussetzung für einen Veranstaltungsbesuch mit Feedback ist, dass beide Seiten (Dozent*in und Gast) dem Feedback-Gespräch zustimmen.

Konstruktives, wertschätzendes Feedback zu geben will gelernt sein. Die Evaluation des Supervisionsprojektes hatte deutlich gezeigt, als wie wertvoll ein gut vorbereitetes und umsichtiges Feedback wahrgenommen wird, wie problematisch umgekehrt aber Feedback ist, bei dem grundlegende Regeln nicht beachtet werden.

Auch an dieser Stelle im Projektablauf war die professionelle Unterstützung des ProLehre-Teams hochwillkommen. Die kollegialen Veranstaltungsbesuche wurden mit einem weiteren Workshop eingeleitet, in dem die Lehrenden unter Anleitung von ProLehre Feedback-Regeln erarbeiteten.

Inhaltlich ging es um diese Fragen:

Die Regeln, auf die sich die Lehrenden während des Workshops verständigten, wurden schriftlich niedergelegt und durch konkrete Feedback-Vorlagen 10 ergänzt, an denen sich Feedback-Gebende orientieren können. Auch der organisatorische Ablauf eines kollegialen Veranstaltungsbesuchs, d.h. die Terminplanung sowie die Dokumentation des erfolgten Besuches, wurden in einem Leitfaden festgehalten, der allen Bibliotheksangehörigen im Intranet zur Verfügung steht.

Langfristig wird von Seiten der Bibliotheksleitung angestrebt, dass jede*r Dozent*in zweimal pro Jahr an einem kollegialen Veranstaltungsbesuch teilnimmt. So bleibt das Schulungsteam auf dem Laufenden über das aktuelle Kursangebot und alle Lehrenden haben regelmäßig die Gelegenheit, sich mit der eigenen Schulungstätigkeit auseinanderzusetzen.

5. Fazit

Was hat das Supervisionsprojekt konkret verändert? Inwieweit konnten die mit dem Projekt verbundenen Ziele erreicht werden?

Das erste Projektziel war die individuelle Unterstützung der Lehrenden, ausgehend von einer konkreten Schulungssituation. Hier ergibt sich ein eindeutiges Bild: Insbesondere die Unterrichtsbesuche mit dem anschließenden Feedback entfalteten eine sehr positive und nachhaltige Wirkung. Die vertrauliche, mit externen Expert*innen geführten Feedback-Gespräche boten einen Rahmen, um auch schwierige Punkte anzusprechen: Wie klingt meine Stimme? Wie wirke ich? Formuliere ich klar? Halte ich Blickkontakt? Schaffe ich es, eine konzentrierte Lernatmosphäre zu schaffen? Es stärkte die Lehrenden und verringerte Unsicherheiten, dass in einem vertrauensvollen Rahmen Rückmeldungen auch zu solchen persönlichen Aspekten des Verhaltens gegeben und besprochen wurden. 11

Bewusstsein für die eigene Dozent*innen-Rolle schaffen: Auch dieses Ziel wurde erreicht. Die Lehrtätigkeit wurde sichtbarer, Lehrende nahmen sich deutlicher in ihrer Rolle als Dozent*innen wahr. Das Projekt war in der ganzen Bibliothek bekannt, wurde über den Mitarbeiter-Blog angekündigt und von Bibliotheksleitung und Abteilungsleitungen unterstützt. Auch die explizite Unterstützung der Hochschulleitung schuf eine starke Öffentlichkeit für den Aufgabenbereich der Lehre.

Das dritte Ziel, das Teambuilding im Schulungsteam, endete mit einer gemischten Bilanz. Punktuell gelang die Intensivierung der teaminternen Kommunikation, vor allem während der beiden Workshops. Sehr deutlich war bei der ersten, noch in Präsenz durchgeführten Veranstaltung, wie groß das Bedürfnis nach Austausch unter den Lehrenden war. Von schwierigen Kursteilnehmer*innen zu erzählen, sich zu erinnern, wie ein von einem massiven Technikausfall betroffener Kurs nur durch Improvisationstalent gerettet werden konnte – all das tat gut, schuf Verbindungen und hätte noch mehr Zeit in Anspruch nehmen dürfen. Außerhalb der Workshops verflog dieses Team-Gefühl jedoch auch schnell wieder: Zu heterogen ist die Gruppe, zu wenig tatsächliche Berührungspunkte gibt es im Alltag. Diese sollen künftig verstärkt geschaffen werden, zum einen durch jährliche Team-Fortbildungen zu didaktischen Themen 12 und zum anderen durch die kollegialen Veranstaltungsbesuche, die bilaterale Austauschmöglichkeiten schaffen.

Beim vierten Ziel, der Qualitätsverbesserung der Kurse, ist die Bilanz positiv: Das Projekt hat dazu beigetragen, dass die Lehrenden die didaktische, methodische und inhaltliche Qualität ihrer Kurse zusammen mit Didaktikexpert*innen reflektieren konnten. Zahlreiche kleinere und größere Verbesserungsvorschläge wurden umgesetzt, von besserer Pausenstruktur bis hin zur didaktischen Neukonzeption eines Kurses.

Die Verstetigung des Supervisionsprojekts durch die kollegialen Veranstaltungsbesuche stellt einen Baustein einer kontinuierlichen Qualitätssicherung in der Lehre dar. Im Zuge des Projekts sind weitere Bausteine dazugekommen. So wird es etwa künftig eine strukturierte Einarbeitung von neuen Kolleg*innen im Schulungsteam geben. Sie sollen das vollständige Schulungsangebot kennen, mit dem Konzept der kollegialen Veranstaltungsbesuche vertraut sein und auch über Fortbildungs- und Unterstützungsangebote der TUM zu Didaktik-Themen informiert werden. Andere Bausteine der Qualitätssicherung, wie etwa regelmäßige Treffen der Dozent*innen eines Kurses oder die standardisierte Evaluierung aller Kurse werden beibehalten und teilweise sogar ausgebaut – so soll etwa auch für Webinare künftig von allen Teilnehmer*innen eine Einverständniserklärung eingeholt werden, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt für eine Langzeitevaluierung kontaktiert werden dürfen. 13

Lebenslanges Lernen gilt als wesentlicher Bestandteil beruflicher Werdegänge. Angesichts der sich fortwährend ändernden Anforderungen in Bibliotheken können die in Ausbildung und Studium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur einen Ausgangspunkt darstellen. Selbstverantwortung für den Lernprozess und Eigeninitiative auf Seiten der Bibliotheksbeschäftigen sind unerlässlich. Ebenso wichtig ist es, dass Bibliotheken Rahmenbedingungen schaffen, unter denen selbstgesteuertes Lernen möglich ist. Das Supervisionsprojekt hat in diesem Sinne für den Kompetenzbereich Lehre einen Rahmen geschaffen. Ihn lebendig zu halten und alle lehrenden Kolleg*innen kontinuierlich in einen Lernprozess einzubinden, bleibt eine Herausforderung für die Zukunft.

Literaturverzeichnis

1 Paper zum Vortrag: Lemke, Dorothea; Hohmann, Tina: Qualitätssicherung für die Lehre. Ein Supervisions-Projekt von Bibliothek und hochschuldidaktischem Zentrum an der TUM, Leipzig 31.05.2022 (110. Deutscher Bibliothekartag in Leipzig 2022 = 8. Bibliothekskongress). < https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-179701 >.

2 Die Schulungsveranstaltungen der UB werden auf Deutsch und Englisch als Präsenzveranstaltungen, Webinare und Selbstlern-Kurse angeboten, siehe < https://www.ub.tum.de/kurse >, Stand: 22.08.2022.

3 Viele Anregungen für das Projekt wurden der folgenden Publikation entnommen: McMahon, Tim; Barrett, Terry; O‘Neill, Geraldine: Using Observation of Teaching to Improve Quality. Finding Your Way Through the Muddle of Competing Conceptions, Confusion of Practice and Mutually Exclusive Intentions, in: Teaching in Higher Education 12 (4), 2007, S. 499–511. Online: < https://doi.org/10.1080/13562510701415607 >. Übernommen wurde insbesondere die strikte Vertraulichkeit der Feedbackgespräche sowie der Ausschluss individueller Leistungsbeurteilung.

6 Für einen detaillierten Überblick über den Kompetenzbereich Lehre siehe Fleischmann, Andreas; Jäger, Christine; Strasser, Alexandra: Kompetenzmodell Hochschullehre. Welche Kompetenzen benötigen Lehrende an der Technischen Universität München?, Technische Universität München, ProLehre; Munich Center for Technology in Society 2014, < https://www.prolehre.tum.de/fileadmin/w00btq/www/Angebote_Broschueren_Handreichungen/kompetenzmodell-hochschullehre_de.pdf >, Stand: 22.08.2022.

7 Meyer, Barbara E.; Antosch-Bardohn, J.; Beckmann, M. u.a.: Münchner Methodenkasten, 2018, < https://www. profil.uni-muenchen.de/profil/publikationen/muenchner-methodenkasten/muenchner-methodenkasten.pdf >, Stand: 22.08.2022.

8 ProLehre | Medien und Didaktik: Kollegiale Hospitation. Sie geben Feedback zu einer Lehrveranstaltung eines Kollegen, Technische Universität München 2018, < https://www.prolehre.tum.de/fileadmin/w00btq/www/ Angebote_Zertifikate/Kollegiale_Hospitation_Tutoren.pdf >, Stand: 22.08.2022.

9 Lemke, Dorothea; Leiß, Caroline: Interaktiv, lebendig und spannend: Webinare an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München, in: Bibliotheksforum Bayern 12 (4), 2018, S. 242–247. Online: < https://www. bibliotheksforum-bayern.de/fileadmin/archiv/2018-4/BFB-4-18_003_Webinare_an_der_Uni-Bib_der_TU_ Muenchen.pdf >, Stand: 22.08.2022.

10 ProLehre | Medien und Didaktik: Kollegiale Hospitation, 2018, < https://www.prolehre.tum.de/fileadmin/w00btq/www/Angebote_Zertifikate/Kollegiale_Hospitation_Tutoren.pdf>, Stand: 22.08.2022.

11 Zur Bedeutung der Vertraulichkeit und des Heraushaltens hierarchischer, leistungskontrollierender Aspekte aus den Feedback-Gesprächen siehe auch McMahon; Barrett; O‘Neill: Using Observation, 2007, < https://doi.org/10.1080/ 13562510701415607 >, Stand: 22.08.2022.

12 Konkret geplant wird aktuell eine Teamfortbildung zum Thema „Gut erklären“, wiederum mit Unterstützung von ProLehre.

13 Die UB führt in größeren zeitlichen Abständen Langzeitevaluierungen ihrer Kursangebote durch, aktuell dazu siehe Hohmann: Nachhaltiges Lernen, 2022. Zum Thema Evaluierung siehe auch ProLehre: Umgang mit Ergebnissen der Lehrveranstaltungsbewertung, Technische Universität München 2020, < https://www.prolehre.tum.de/fileadmin/w00btq/www/Angebote_Broschueren_Handreichungen/Handreichungen/Umgang_Lehrveranstaltungsbewertung.pdf >, Stand: 22.08.2022.