Archivierung persönlicher digitaler Unterlagen

Bericht zum Hands-on-Lab auf dem 8. Bibliothekskongress 2022 in Leipzig

Die Archivierung persönlicher digitaler Unterlagen ist ein bislang im Bibliotheksbereich noch wenig aufgegriffenes Thema. Die nestor-Arbeitsgruppe Personal Digital Archiving (AG PDA)1 erarbeitet allgemein verständliche Handreichungen für den verantwortungsvollen Umgang mit privaten digitalen Daten und will diese öffentlichkeitswirksam vermitteln. Mit Blick auf entsprechende Veranstaltungsangebote von Bibliotheken hat die AG ein Hands-on-Lab – laut Call for Papers sind dies „Veranstaltungen für kleinere Gruppen, die sich intensiv und in prakti­schen Übungen mit einem Thema beschäftigen“ –, für den Bibliothekskongress 2022 in Leipzig initiiert und organisiert.

Die nestor-AG Personal Digital Archiving

Die nestor-AG PDA hat zum Ziel, Bürger*innen und Multiplikator*innen wie z.B. Mitarbeitende in Bibliotheken für das Thema der Sicherung persönlicher digitaler Unterlagen zu sensibilisieren. Hierfür betreibt sie seit 2020 die von nestor, dem Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung, finanzierte Website „meindigitalesarchiv.de“2 als Informations- und Inspirationsquelle. Auf der Website werden Erfahrungen und methodische Erkenntnisse aus der professionellen Langzeitarchivierung aufgegriffen, wie sie von Kulturerbeeinrichtungen wie z.B. der Deutschen Nationalbibliothek, den Landesbibliotheken und Landesarchiven, aber auch von Verbundzentralen seit Jahren praktiziert werden. Der Transfer auf die Fragestellungen und die Perspektiven privater Endanwender*innen geschieht dabei durch fiktive Charaktere, deren Erlebnisse im digitalen Alltag (sog. Geschichten) sowie durch nach Themen struktrierte Informationssammlungen.

Veranstaltungskonzept und -ablauf

Ziel der 90-minütigen Veranstaltung im Rahmen des Bibliothekskongresses3 war es, einerseits in das Thema der Archivierung persönlicher digitaler Unterlagen einzuführen und andererseits mit den Teilnehmer*innen über mögliche Veranstaltungsangebote an Bibliotheken zu diskutieren. Die 15 Teilnehmer*innen aus Öffentlichen, Wissenschaftlichen und Spezialbibliotheken gestalteten durch ihre eigenen Erfahrungsberichte und eine engagierte Diskussion den Ablauf der Veranstaltung aktiv mit. Daraus ergab sich ein thematischer Schwerpunkt rund um Fragen der Sicherung und Archivierung persönlicher digitaler Daten.

Nach einer kurzen Umfrage unter den Teilnehmenden bezüglich ihrer persönlichen und bibliotheksbezogenen Vorerfahrungen und Erwartungen zum Thema PDA erfolgte eine Einführung in das Thema PDA und dessen inhaltliche Facetten. Hierbei wurde durch die wiederholten Nachfragen aus dem Kreis der Teilnehmenden deutlich, dass vor dem Angebot entsprechender Veranstaltungen für Dritte das Sammeln eigener praktischer PDA-Erfahrungen durch Mitarbeitende der Bibliotheken vorteilhaft ist. Dabei wurde in der intensiv geführten Diskussion zu möglichen Veranstaltungsangeboten in Bibliotheken zu PDA und eventuell hilfreichen Kooperationspartnern schnell offensichtlich: Die Teilnehmer*innen konnten z.T. schon umfangreiche Vorerfahrungen aus ihren eigenen Sicherungs- und Archivierungsaktivitäten einbringen und hatten z.T. auch schon persönlich Erfahrungen mit Veranstaltungen im Bereich Medien- und Informationskompetenz gesammelt.

Anhand eines konkreten Fallbeispiels wurden die diversen Schritte der Auswahl und Aufbereitung, insbesondere des Taggings sowie der Umbenennung von Fotos vorgestellt. Das Beispiel aus der Praxis einer professionellen Tribute Band zeigte, wie wichtig eine bewusste Festlegung auf die Zielsetzung des Archivierens im Vorfeld des Personal Digital Archiving ist. Im gezeigten Beispiel für den Webauftritt der Metallica Tribute Band My`tallica4 ging es u.a. darum, den Inhalt von Fotos im Dateinamen abzubilden und sie somit für ein hohes Ranking im Google Index zu optimieren. Auch das Verwalten der eigenen Fotobestände bei geringem Zeitaufwand kann auf diesem Wege erheblich erleichtert werden. Dieses Beispiel aus dem persönlichen digitalen Alltag eines der Referenten machte deutlich, dass es bei der Archivierung persönlicher digitaler Daten mehr um eine individuell gewählte Strategie auf Grund eines bestimmten Zweckes geht, als um einen allgemeingültigen, generischen „Königsweg“ für die Aufbereitung und Archivierung von digitalen Materialien.

Die Motivationslage für Personal Digital Archiving

Die von Martin Iordanidis, Hochschulbibliothekszentrums des Landes NRW (hbz), und Achim Oßwald, Institut für Informationswissenschaft der TH Köln, angebotene Veranstaltung war insofern – anders als geplant – nicht von konkreten Übungen, sondern von intensiven Nachfragen und Diskussionen geprägt. Dabei wurde deutlich, dass neben dem Interesse, Veranstaltungen zum Thema anzubieten, es häufig auch eine Form von persönlicher Betroffenheit war, die die Interessent*innen zur Teilnahme animiert hatte.

Eigene Datenverluste oder die Berichte beispielsweise von Kolleg*innen oder Nutzer*innen der eigenen Bibliothek über Verluste von persönlichen Unterlagen oder Erinnerungsgegenständen durch die Flutkatastrophen im Juli 2021 führten plastisch vor Augen, wie schnell es zu solchen Verlusten kommen kann. Persönliche Unachtsamkeit, Bedienfehler oder auch technische Probleme bleiben sicher auch weiterhin die häufigsten Ursachen für den Verlust von Fotos, Filmen oder sonstigen digitalen Unterlagen. Das Bewusstsein für andere, umweltbezogene Ursachen wie Flut, Feuer oder Sturm ist jedoch erkennbar gestiegen.

Auch abseits der Reaktion auf Desaster-Szenarien beinhalten Kompetenzen im Bereich des Personal Digital Archiving eine große Bandbreite an Methodenwissen. Dies ist keinesfalls auf rein private Einsatzzwecke beschränkt; vielmehr wirkt es in sämtliche berufliche Tätigkeiten hinein, in denen digitale Materialien eine Rolle spielen. Praktisches PDA-Know-How bildet eine wichtige Grundlage für das erfolgreiche Lernen, Forschen und Arbeiten in digitalen Kontexten. Eine frühe Sensibilisierung für das Thema PDA – idealerweise als integraler Bestandteil von Curricula – verspricht auch großen Nutzen für Studierende allgemein und den wissenschaftlichen Nachwuchs im Besonderen. Wer in der Lage ist, persönliche Daten gut zu organisieren, wird diese Fähigkeiten auch im Management von Forschungsdaten sowie in anderen wissenschaftlichen Prozessen nutzen und weiterentwickeln können.

Perspektiven

Weitere Aspekte des Themas PDA wie z.B. die Sicherung von Kennungen und Passwörtern, aber auch Fragen rund um den digitalen Nachlass5 wie Zugriffsrechte auf Accounts, die Nachnutzung von e-Books, e-Journals oder via Streaming angebotene Musik durch Erben werden in Zukunft sicher noch relevant(er) werden. Konsens in der Diskussion war, dass diese Fragen auch in Bibliotheken in zunehmendem Maße Gegenstand von Schulungen in den Bereichen Medientechnik und Medienkompetenz werden. Empfehlungen und Hinweise können Mitarbeitende von Bibliotheken sicher besonders dann authentisch und kompetent weitergeben, wenn sie selbst Überlegungen dazu angestellt haben – und idealerweise schon praktische Erfahrungen dazu sammeln konnten.

Insofern war diese Veranstaltung in Leipzig – nach früheren Vorträgen zum Thema6 – hoffentlich ein weiterer Schritt, Aufmerksamkeit für das Thema PDA zu wecken. Ermutigt von den positiven Rückmeldungen der Teilnehmer*innen in Leipzig werden sich die Vortragenden zusammen mit der nestor-AG Personal Digital Archiving weiterhin darum bemühen, über die unterschiedlichen Aspekte rund um PDA zu informieren.

Achim Oßwald, TH Köln, Institut für Informationswissenschaft
Martin Iordanidis, Hochschulbibliothekszentrum NRW (hbz), Köln

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5842

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Vgl. <https://www.langzeitarchivierung.de/Webs/nestor/DE/Arbeitsgruppen/AG_Personal_Digital_Archiving/ag_
personal_digital_archiving_node.html
>. nestor, das Kompetenzzentrum Langzeitarchivierung, ist „ein Kooperations­verbund mit Partnern aus verschiedenen Bereichen, die mit dem Thema „Digitale Langzeitarchivierung“ zu tun haben.“
<https://www.langzeitarchivierung.de/Webs/nestor/DE/nestor/Ueber_uns/ueber_uns_node.html>, Stand: 18.06.2022.

2 Vgl. <https://meindigitalesarchiv.de>, Stand: 18.06.2022.

3 Die PDF-Versionen der Präsentationen dieser Veranstaltung beim Bibliothekskongress in Leipzig 2022 sind unter <https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-178724> abrufbar.

4 My`tallica ist eine Metallica Tribute Band; <https://www.mytallica.com/>, Stand: 18.06.2022.

6 Vgl. Oßwald, Achim, Weisbrod, Dirk: Öffentliche Bibliotheken als Partner bei der Archivierung persönlicher digitaler Materialien, in: o-bib. Das Offene Bibliotheksjournal 4(4), 2017, S. 113–126. <https://doi.org/10.5282/o-bib/2017H4
S113-126
> bzw. Oßwald, Achim: Personal Digital Archiving. Herausforderung für uns alle und wie uns Bibliotheken dabei helfen können. Vortrag am 1.2.2019 im Rahmen des Symposiums „Mit MALIS Zukunft gestalten – Konzepte
und Strategien für die bibliothekarische Praxis“, Köln, 2019. <https://docplayer.org/127378362-Personal-digital-archiving-herausforderung-fuer-uns-alle-und-wie-uns-bibliotheken-dabei-helfen-koennen-achim-osswald.html>, Stand: 18.06.2022.