Tschechische Literatur im Ausland: Übersetzung erweitert Horizonte

Ein Bericht über die Unterstützung und Verbreitung der tschechischen Literatur im Ausland von der Mährischen Landesbibliothek Brünn und vom Tschechischen Literaturzentrum 1

Bibliotheken sind ein fester Bestandteil des literarischen Lebens. Dies ist in ihrer DNA verankert, aber es ist dennoch keine Selbstverständlichkeit. Die Mährische Landesbibliothek Brünn, die zweitgrößte Bibliothek Tschechiens, strebt in diesem Sinne nach einem dauerhaften Interesse an der tschechischen Literatur nicht nur im tschechischen Inland, sondern auch im Auftrag des Kulturministeriums der Tschechischen Republik im Ausland. Es handelt sich auf europäischer Ebene um einen einzigartigen Fall.

CzechLit

Zu diesem Zweck wurde 2017 das Tschechische Literaturzentrum (CzechLit) als eine Sektion der Mährischen Landesbibliothek Brünn errichtet. Dessen Ziel ist eine methodische und systematische weltweite Verbreitung der Buchkultur, der tschechischen Literatur, ihrer Autor*innen und Übersetzer*innen. Darüber hinaus wird die Verteidigung der Meinungsfreiheit, des Pluralismus der Buchkultur und der Literatur angestrebt.

Als Leiter des CzechLit (seit 2019) koordiniere ich mit meinen Kolleg*innen alle kulturell-literarischen Aktivitäten der Tschechischen Republik im Ausland, einschließlich der Gastlandauftritte auf den internationalen Buchmessen.

Im Bereich der tschechischen, europäischen und weltweiten Buchkultur ist CzechLit eine Partner­institution für Einzelpersonen und Organisationen, die an der Teilnahme, Entwicklung, Präsentation und Vermittlung dieser Kultur interessiert sind. Mit staatlicher finanzieller Unterstützung spielt CzechLit die Rolle eines aktiven Förderers der tschechischen Buchkultur im Ausland und ist gleichzeitig ein Vermittler für die Begegnung und Zusammenarbeit mit vielen Akteur*innen: Autor*innen, Übersetzer*innen, Kulturmanager*innen, Literaturagent*innen, Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen, Bibliothekar*innen, Verleger*innen, Redakteur*innen, Kritiker*innen und Journalist*innen. Der Interessen- und Tätigkeitsbereich von CzechLit umfasst eine breite Palette von Buchprodukten, literarischen Formen und Genres: Belletristik (Prosa, Lyrik, Drama, Kinder- und Jugendliteratur), Sachbücher, Essayistik und Fachliteratur. Zur Buchkultur gehört auch der künstlerische Aspekt der Bücher, d. h. Illustrationen, Grafikdesign und Typografie. Neben den traditionellen Formen der Buchkultur, wie zum Beispiel gedruckte Bücher, konzentriert sich CzechLit auch auf globale Trends wie Podcasts oder E-Books. Gleichzeitig widmet sich CzechLit der klassischen Literatur bereits verstorbener tschechischer bzw. tschechoslowakischer Autor*innen.

Zu den wichtigsten Arbeitsinstrumenten von CzechLit gehören:

Tschechische Neuerscheinungen in Übersetzung

Die Grundvoraussetzung für die genannten Aktivitäten ist eine ausreichende Anzahl von Übersetzungen der nationalen tschechischen Literatur. Auf dem Weg eines Buches auf den internationalen Markt sind viele Akteur*innen wichtig: Benötigt wird ein*e gute*r Agent*in, ein*e gute*r Übersetzer*in und vor allem ein*e gute*r Schriftsteller*in. Sobald die Verleger*innen wissen, welche Bücher bei Leser*innen und Kritiker*innen auf Interesse stoßen und ein europäisches oder internationales Potenzial haben, beginnen sie, sich mit der Finanzierung einer Übersetzung zu befassen. Die Tschechische Republik ist ein kleines Land mit einer von wenigen Sprecher*innen gesprochenen Sprache und eher unbekannten Autor*innen. Deshalb bietet das Kulturministerium der Tschechischen Republik zweimal im Jahr ein Förderprogramm für die Übersetzung tschechischer Literatur an. Die Gesamtunterstützung für eine Veröffentlichung darf 70 % der Produktionskosten nicht überschreiten. Die Auswahl der Autor*innen sowie Titel oder Genres ist den Verleger*innen uneingeschränkt freigestellt. Eine Fachjury wählt aus den eingegangenen Bewerbungen die zu übersetzenden Titel aus und gibt eine Empfehlung für eine finanzielle Unterstützung an den Kulturminister ab. Im Mai 2022 hat das Kulturministerium die ersten Ergebnisse des diesjährigen Förderprogramms für Übersetzungen tschechischer Bücher veröffentlicht. 2 Der Expertenausschuss verteilte fast 200.000 EUR auf 117 Projekte und weitere 200.000 EUR werden für Grafik, Satz und Druck ausländischer Ausgaben tschechischer Titel ausgegeben. Die meisten Zuschussanträge betrafen Werke zeitgenössischer tschechischer Prosa und wurden von Verleger*innen aus vierzig Ländern in Europa, Asien, Nord- und Südamerika und Afrika eingereicht. Derzeit investiert das Ministerium hierfür jährlich etwa 18 Mio. CZK, das entspricht etwa 710.000 EUR.

Interesse an tschechischer Literatur gibt es eher in kleineren Verlagen, vor allem in Europa. Die meisten Übersetzungen werden auf dem deutschsprachigen Markt und in Polen veröffentlicht.

Weltweite Unterstützung der Bohemistik

Angesichts der Schwierigkeit und der begrenzten praktischen Anwendbarkeit der tschechischen Sprache verdient jeder, der sich für ein Studium der Bohemistik entschieden hat, großen Respekt. Unter den Absolvent*innen dieses Studiengangs finden sich viele Verleger*innen oder Buchredakteur*innen mit einer Leidenschaft für tschechische Literatur. Auch die meisten Übersetzer*innen tschechischer Bücher kommen aus diesem Umfeld. CzechLit organisiert regelmäßig Veranstaltungen mit tschechischen Autor*innen oder Übersetzer*innen und Aufenthalte in der Tschechischen Republik für Bohemistik-Studierende diverser Universitäten. Zum Beispiel waren im Frühjahr 2022 fünf ausländische Übersetzer*innen und Bohemist*innen aus Frankreich, Spanien, Schweden, Japan und Polen in Prag und Brünn. Während ihres Aufenthalts traf die japanische Bohemistin Junko Shimada mit Student*innen der Masaryk-Universität in Brünn zusammen, während Tora Hedin aus Schweden mit Student*innen der Skandinavistik an der Karls-Universität in Prag über Übersetzungen diskutierte.

Die Arbeit der Übersetzer*innen ist unersetzlich. Ihre Kontakte zu Verleger*innen sind sehr wichtig und können oft ausschlaggebend für die Auswahl eines Buches zur Veröffentlichung im Ausland sein. Aus diesem Grund stellt CzechLit seine diesjährigen Aktivitäten im „Jahr der Übersetzung“ unter das Motto „Übersetzung erweitert Horizonte“. Das Ziel ist es, die Unterstützung für Übersetzer*innen zu intensivieren und ihre Arbeit und ihren Auftrag der Öffentlichkeit näher zu bringen.

Übersetzung erweitert Horizonte

Übersetzer*innen können ein Stipendium mit Residenzaufenthalt in Prag, Brünn oder im Kloster Broumov in der Tschechischen Republik nutzen. CzechLit hat für sie eine Reihe professioneller Workshops und Seminare vorbereitet, zum Beispiel auf der internationalen Buchmesse in Prag oder auf der internationalen Buchmesse für Kinder und Jugendliche in Bologna, Italien. Für das schottische Festival StAnza organisierte CzechLit gemeinsam mit der Literaturzeitschrift „Modern Poetry in Translation“ eine Ausstellung mittel- und osteuropäischer Poesie in englischer Übersetzung. In Zusammenarbeit mit dem globalen Netzwerk der Tschechischen Zentren fand dieses Jahr ein Übersetzer*innenseminar für die Gewinner*innen des Susanna Roth Preises 2021 statt. 3 Dieser Wettbewerb richtet sich an angehende Übersetzer*innen aus dem Tschechischen. Außerdem initiiert CzechLit eine Reihe von Auftritten der Autor*innen und ihrer Übersetzer*innen, inklusive Interviews für Podcasts und weitere mediale Vermittlungsformen.

Tschechische Literatur auf den internationalen Buchmessen

Internationale Buchmessen sind eine der wichtigsten Plattformen für die Präsentation zeitgenössischer Literatur und die Vernetzung der Akteur*innen im Literaturbetrieb. Im Jahr 2015 wurde die Mährische Landesbibliothek in Brünn auf Beschluss des Kulturministeriums der Tschechischen Republik mit der Durchführung der nationalen Präsentationen auf den Messen betraut. Sie arbeitet dabei eng mit CzechLit zusammen.

Für das Vorhaben, tschechische Literatur im Ausland zu präsentieren, wurden die wichtigsten europäischen Messen in London, Bologna, Leipzig und Frankfurt am Main ausgewählt. 2018 wurde das Messeteam mit einer weiteren Aufgabe beauftragt: Die Tschechische Republik war das Hauptgastland der Leipziger Buchmesse im März 2019. 54 tschechische Autor*innen aus den Bereichen Prosa, Lyrik, Drama, Comic sowie Kinder- und Jugendliteratur präsentierten sich in der Messewoche in Leipzig mit mehr als 80 Übersetzungen ins Deutsche im Rahmen von 120 Veranstaltungen. Der tschechische Gruß „AHOJ!“ wurde zum zentralen Motto des tschechischen Kulturjahres im deutschsprachigen Raum, das die Leipziger Gastgeber 14 Monate lang begleitete.

Das Jahr 2020 war in vielerlei Hinsicht besonders. Angesichts der Coronavirus-Pandemie wurden die internationalen Buchmessen in London, Leipzig, Bologna und Wien abgesagt. In Leipzig fand im November immerhin ein tschechisch-deutsches Festival mit sieben Autoren statt. Die Buchmesse im Oktober in Frankfurt am Main wurde teilweise in den digitalen Raum verlagert. Auch im Jahr 2021 musste die Mährische Landesbibliothek die Pandemie berücksichtigen. Dennoch fehlte es nicht an tschechischer Literatur in Übersetzungen im Ausland! Die abgesagten Frühjahrsmessen wurden, zumindest in Sachsen, durch das Frühlingsfest „Leipzig liest EXTRA 21“ ersetzt. Im September wurde die pandemiebedingt verschobene Teilnahme der Tschechischen Republik an der Internationalen Buchmesse in Warschau (PL) realisiert, die unkonventionell auf dem Freigelände vor dem Palast für Kultur und Wissenschaft stattfand. Fünfzehn Autor*innen stellten sich dabei den polnischen Leser*innen vor. Das Interesse an tschechischer Literatur war groß: Etwa 1500 Leser*innen verfolgten das tschechische Literaturprogramm auf zwei Bühnen und es wurden über 2500 Übersetzungen tschechischer Bücher ins Polnische verkauft. Das tschechische Zelt mit dem Slogan „AHOJ WARSCHAU!“ wurde von Zehntausenden von Menschen besucht. Diesem Erfolg folgte Ende des Jahres eine Präsentation tschechischer Literatur in Übersetzung auf der Frankfurter Buchmesse, die unter strengen Hygienemaßnahmen stattfand. Die tschechische Delegation brachte auch eine Absichtserklärung nach Frankfurt am Main mit, in der sie öffentlich das Interesse der Tschechischen Republik bekräftigte, im Jahr 2026 Ehrengast der Messe zu sein.

Im Frühjahr 2022 war die tschechische Literatur auf den Buchmessen in Bologna, London und Algier sowie beim Literaturfestival „Leipzig liest trotzdem“ vertreten, während die Leipziger Buchmesse leider bereits zum dritten Mal in Folge abgesagt wurde. Die Frankfurter Buchmesse im Oktober 2022 findet inklusive der tschechischen Teilnahme statt. Die Möglichkeit, dass Tschechien im Jahr 2026 Ehrengast dieser Messe wird, wäre ein wahr gewordener Traum und ein Tor, das den tschechischen Autor*innen den Weg in fast die ganze Welt öffnet.

Martin Krafl, Leiter des Tschechischen Literaturzentrums, Mährische Landesbibliothek Brünn (Tschechien)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5836

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1 Der Text entstand im Zusammenhang mit der Teilnahme des Autors am 8. Bibliothekskongress 2022 in Leipzig, im Rahmen der institutionellen Förderung der langfristigen konzeptionellen Entwicklung der Mährischen Landesbibliothek in Brünn.

2 o.A.: Podpora vydání české literatury v překladu (Förderung „Unterstützung der Veröffentlichung von tschechischer Literatur in Übersetzung“), Ergebnisse 2022, Webseite des Kulturministeriums der Tschechischen Republik, < https://www.mkcr.cz/podpora-vydani-ceske-literatury-v-prekladu-517.html >, Stand: 28.07.2022.

3 Vgl. o. A.: Susanna Roth-Übersetzungswettbewerb 2022, Tschechisches Zentrum Berlin, < https://berlin.czechcentres.cz/ de/programm/cena-susanny-roth >, Stand: 01.08.2022.