Multiplikator*innen für eine offene Wissenschaft

Das Konzept der Train-the-Trainer-Workshops von open-access.network

Immer noch existiert eine Diskrepanz zwischen dem Wunsch der Wissenschaft nach freiem Zugang zu wissenschaftlicher Information auf der einen und der eigenen Veröffentlichungspraxis auf der anderen Seite. Eine wesentliche Ursache dafür ist die Unsicherheit der Wissenschaftler*innen in ihrer Rolle als Autor*innen über die Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Möglichkeiten von Open-Access-Publikationen in ihren Einrichtungen. Hier setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von Dezember 2019 bis November 2022 geförderte Projekt open-access.network an. Es unterstützt die Vernetzung und den Kompetenzaufbau von Open Access (OA) Professionals und Wissenschaftler*innen durch zielgruppenorientierte Veranstaltungsformate, Austauschangebote sowie Hilfestellungen in Form von Informationsseiten und Services wie einem Forum1, einem Open Access Helpdesk2 und einem Recherchetool für die Suche nach Publikationsorten3. Zu den begleitenden Fort- und Weiterbildungsangeboten gehört neben Barcamps, Staff Weeks und thematischen Workshops auch eine Veranstaltungsreihe von zwölf Train-the-Trainer-Workshops.

1. Was bedeutet Train-the-Trainer?

Die Train-the-Trainer-Workshops sind ein Angebot zur intensiven Weiterbildung von Open-Access-Multiplikator*innen auf der Basis eines „Train-the-Trainer“-Ansatzes. Der Schwerpunkt der zweitägigen Intensiv-Veranstaltungen liegt darauf, die didaktischen Kompetenzen von Personen, die beratend bei einer Publikation unterstützen, zu stärken und ihnen Ideen zur strukturierten Planung und Konzeption eigener Veranstaltungen zu vermitteln. Darüber hinaus fördert das Format den Austausch und die Bildung einer Open-Access-Community of Practice.

Aufgrund der pandemischen Situation werden die Train-the-Trainer-Workshops im Online-Format mit maximal 20 Teilnehmenden durchgeführt. Die Durchführung der Veranstaltung an zwei Vormittagen hat sich sowohl für die Aufnahmefähigkeit als auch generell für die Möglichkeit zur Teilnahme als sinnvoll erwiesen. Hauptzielgruppe sind Open-Access-Multiplikator*innen aus Bibliotheken (Open-Access-Beauftragte, Erwerbungsleiter*innen, Mitarbeiter*innen im Bereich elektronisches Publizieren etc.) sowie aus weiteren forschungsunterstützenden Bereichen (Forschungsförderung, Drittmittelverwaltung). Die Workshops dienen dem Empowerment der Multiplikator*innen. Über die Vermittlung didaktischer Kenntnisse und Trainingsmethoden hinausgehend, wird auch der Aufbau einer Community of Practice von Open-Access-Trainer*innen und -Multiplikator*innen ermöglicht, in der Erfahrungen ausgetauscht, voneinander gelernt und Materialien miteinander geteilt werden können.

Die Train-the-Trainer-Workshops folgen einem ähnlichen Ablauf. Vor Veranstaltungsbeginn wird eine sogenannte Vorabfrage über ein Pad (kollaboratives Schreiben im Online-Format) an die Teilnehmenden gestellt, in der diese ihre Wünsche und Erwartungen bzw. Fragen zu der Veranstaltung benennen können. Aufgrund der möglichst offenen Frageformulierung variieren die Antworten häufig stark von Wünschen nach einer Didaktik- und Methodikeinführung oder Good-Practice-Beispielen für ganz konkrete Probleme (wie z.B. dem Aufbau eines Publikationsfonds) bis hin zu grundsätzlichen Fragen nach zielgruppenspezifischen Schulungsangeboten in der eigenen Einrichtung. Diese Vorabfrage dient zum einen einer Orientierung zur Vorbereitung für den*die Trainer*in und zum anderen ermöglicht sie eine (Teil-)Ausrichtung der Veranstaltung an Bedürfnissen der Teilnehmenden. Als didaktische Grundlagen werden die Teilnehmenden für ihre eigene Rolle als Trainer*in und ihre Zielgruppe(n) sensibilisiert. Des Weiteren werden Lern- und Motivationsstrategien behandelt sowie verschiedene Veranstaltungsformate und Wege der Vermittlung thematisiert, um diese, je nach Zielgruppe und Lernziel, selbst einzusetzen. Didaktische Elemente werden in kurzen Intervallen im Wechsel mit ausgesuchten Open-Access-Inhalten präsentiert. Ziel ist es, didaktische Methoden und Tools „erlebbar“ zu machen, damit die Teilnehmenden die didaktischen Grundlagen in Kombination von Online-Tools für Umfragen, virtuelle Pinnwände, Whiteboards oder kollaborative Schreibumgebungen (z.B. mithilfe von Mentimeter, Flinga, Tricider, Padlet) direkt anwenden können. Wichtige Bestandteile eines Train-the-Trainer-Workshops von open-access.network sind: ein Praxisbeispiel oder ein Inputvortrag zu Veranstaltungsbeginn, mehrere interaktive Einzel- und Gruppenarbeitsphasen im Wechsel und ein abschließendes Mini-Training, um Gelerntes direkt anzuwenden.4 Im Nachgang erhalten die Teilnehmenden eine aufbereitete Workshop-Dokumentation.

Als Inspiration für die Ausgestaltung dieses Formats dienten die Trainingshandbücher der Projekte FOSTER Open Science5 und FDMentor6, aus denen für die Community nachnutzbare Trainingshandbücher hervorgingen. Als weitere nachnutzbare Open Educational Resource reiht sich das kolla­-
borativ erarbeitete und jüngst veröffentlichte “Open Access und wissenschaftliches Publizieren: Train-the-Trainer-Konzept”7 ein.

2. Einbettung im Projekt open.access-network – Warum sind Multiplikator*innen so wichtig?

20 Jahre nach der Berliner Erklärung und dem Bekenntnis zu Open Access fordert der Wissenschaftsrat in 2022 immer noch, Open Access als Standard des wissenschaftlichen Publizierens zu etablieren.8 Die Unterstützung der Transformation hin zu mehr Offenheit in der Wissenschaft an den Wissenschaftseinrichtungen zeichnet sich in Folge dessen auch aktuell in der Zunahme der Zahl von für die Themenfelder Open Access und Open Science zuständigen Personen ab.

Das Train-the-Trainer-Konzept bietet die Möglichkeit, die teilnehmenden Multiplikator*innen für die Bedürfnisse der Wissenschaftler*innen und die Angebote zu Open Access an der eigenen Einrichtung zu sensibilisieren. Gleichermaßen werden universell abrufbare Informationsangebote und Tools vorgestellt, die direkt in eigenen Fortbildungsangeboten vor Ort eingesetzt werden können. In den Einrichtungen, die aufgrund von bspw. Ressourcenknappheit wenige Anlaufstellen zur Verfügung stellen können, böte sich wiederum eine gut präsentierte, ausführliche Homepage zur Beantwortung erster Fragen der Publizierenden an. Ein wichtiger, stetig im Workshop vermittelter Leitgedanke betont die Bedeutung der Sichtbarkeit und Ansprechbarkeit zuständiger Personen für Fragen der Wissenschaftler*innen an der eigenen Einrichtung. Um Wissen zu vermitteln und sich als Ansprechperson für Fragen zu Open Access vorzustellen, empfehlen wir den Teilnehmenden im Besonderen kurze Informationseinheiten, die die Zielgruppen bedürfnisorientiert ansprechen. Auch eignen sich fach-, themen- oder karrierespezifische Veranstaltungen, um über die Relevanz von bzw. die Angebote zu Open Access an der eigenen Einrichtung zu informieren. Innerhalb der Veranstaltungen lernen die Teilnehmenden Wege kennen, Wünsche und Fragen oder Herausforderungen der eigenen Zielgruppe zu erkennen. Dazu gehören unter anderem die Sondierung der Fragen aus der alltäglichen Beratungspraxis, das Versenden von Umfragen über Mailinglisten oder offen gestaltete, kurze Veranstaltungen à la “bring your own problem”.

Open Access ist ein Querschnittsthema, dessen mannigfaltige Bereiche häufig nicht durch einzelne Open-Access-Beauftragte einer wissenschaftlichen Institution abgedeckt werden können. So ist es lohnenswert, Multiplikator*innen aus den Fachcommunitys oder aus administrativen Bereichen zu akquirieren und einzubinden, um fachspezifischen, detaillierten Anfragen begegnen zu können. Ein regelmäßiger Austausch dieser (fach- und themenübergreifenden) Multiplikator*innen mit den Open-Access-Beauftragten vor Ort bleibt unerlässlich. Die Train-the-Trainer-Workshops von open-access.network möchten darüber hinaus den institutionenübergreifenden Austausch von Erfahrungswerten in der Beratungspraxis einerseits und den Austausch von Good Practices andererseits befördern. Eine überregionale Vernetzung unterstützt Synergien, schafft Raum für neue Ideen der Vermittlung und verweist auf nachnutzbare Angebote.

3. Stimmen der Teilnehmenden

In den bisher zehn durchgeführten Workshops konnten über 150 Teilnehmende zu Multiplikator*innen weitergebildet werden. Zehn Gastredner*innen haben die Workshops mit ihren Vorträgen – direkt aus der Praxis oder aus laufenden Projekten – bereichert und sich den interessierten Nachfragen aus dem Plenum gestellt. Zielgruppen waren Open-Access-Beauftragte und Personen aus publikationsunterstützenden Bereichen von Universitäten, Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Fachinformationsdiensten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie jüngst Fachreferent*innen der Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften und Fachreferent*innen der MINT-Fachbereiche.

In dem projektinternen, gestaffelten Evaluationsverfahren werden innerhalb einer ersten Evaluationsrunde – direkt nach dem Workshop – erste Rückmeldungen zu der Veranstaltung, den Veranstaltungsinhalten und der Organisation eingeholt. Vor allem die Workshop-Atmosphäre mit wiederholten Gruppenarbeiten zum gegenseitigen Austausch wurde als sehr gewinnbringend wahrgenommen. Für die eigene Veranstaltungspraxis empfanden es viele Teilnehmende als hilfreich, didaktische Grundlagen zur Ausrichtung kennenzulernen sowie verschiedene Online-Tools anzuwenden. Auch Listen mit URLs zu Tools, aktuellen Open-Access-Projekten und weiterführenden Internetseiten wurden als Hilfe zur Selbsthilfe wahrgenommen. Die Teilnehmenden stellten fest, dass das „Schlüsselerlebnis“ das Aufdecken ähnlich gelagerter Probleme sei, das den Workshop so wertvoll machte. „Der Austausch von Ideen und Erfahrungen stärkt das Wir-Gefühl einer Open-Access-Community ungemein“9. Als verbesserungswürdig sahen die Teilnehmenden das etwas knappe Zeit- und Pausenmanagement an und äußerten den Wunsch, – bspw. in einer Fortsetzung der Veranstaltungsreihe – stärker in einzelne Themenfelder einsteigen zu wollen.

Im Abstand von mindestens vier Monaten erfolgt jeweils eine zweite Evaluationsrunde, um den langfristigen Erfolg des Veranstaltungsformats in der Praxis zu eruieren. Dabei wurden u.a. die Ausrichtung eigener Veranstaltungen inkl. adressierter Zielgruppen, die Nachnutzung von Materialien, der Ausbau von Kontakten und die Beurteilung des Formats “Train-the-Trainer” erfragt. Bei einem insgesamt zurückhaltenden Rücklauf gaben knapp die Hälfte der Antwortenden an, zwischenzeitlich eigene Veranstaltungen wie z.B. Online-Vorträge, -Seminare und -Workshops für die Zielgruppen Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen, Bibliothekspersonal und die Öffentlichkeit ausgerichtet zu haben. Mehr als die Hälfte der Befragten hatte demnach von dem Ausbau fachlicher Kontakte im Nachgang des Workshops und den erlernten didaktischen Methoden profitiert. Alle an der zweiten Evaluation Teilnehmenden beantworten die Frage, ob der Workshop ihnen insgesamt geholfen habe, bessere Trainer*innen zu werden, mit “ja” oder “eher ja”.

4. Train-the-Trainer – ein nachhaltiges Format?

Nach bisher zehn durchgeführten Train-the-Trainer-Workshops im Rahmen des Projekts open-access.network stellt sich die Frage: Wie nachhaltig ist das Format und wie kann Nachhaltigkeit in diesem Kontext aussehen? Die Train-the-Trainer-Workshops dienen in ihrem interaktiven Format dazu, ein Miteinander zwischen den Teilnehmenden und die Identifikation ihrer selbst mit der Rolle als Trainer*in zu erzeugen. Durch die aktive Einbindung der Teilnehmenden und den Erfahrungsaustausch wird die Motivation für die Arbeit im Themenfeld Open Access an der eigenen Institution und darüber hinaus gefördert. Die Trainings von open-access.network unterstützen Multikplikator*innen, bilden sie weiter und tragen somit zu einer Stärkung der Open-Access-Community im deutschsprachigen Raum bei.
Dem Wunsch nach einer Fortsetzung der Reihe und einer thematischen Vertiefung entsprechend, wäre die Weiterentwicklung des Formats hin zu “Train-the-Expert”10 überlegenswert.

Sabrina Stockhusen, Universität Bielefeld

Linda Martin, Open-Access-Büro Berlin, Freie Universität Berlin

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5829

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Forum open-access.network unter <https://forum.open-access.network>, Stand: 16.05.2022.

2 Helpdesk open-access.network unter <https://open-access.network/services/helpdesk>, Stand: 16.05.2022.

3 Recherchetool oa.finder unter <https://finder.open-access.network>, Stand: 16.05.2022.

4 Martin, Linda: Nachhaltig für Open Access begeistern – Oder: Wie erreiche ich die Wissenschaftler*innen meiner Einrichtung?, Zenodo, 2021, <https://doi.org/10.5281/zenodo.5535297>.

5 Bezjak, April; Clyburne-Sherin u.a.: Open Science Training Handbook (1.0), Zenodo, 2018, <https://doi.org/10.5281/zenodo.1212496>.

6 Biernacka, Katarzyna u.a.: Train-the-Trainer-Konzept zum Thema Forschungsdatenmanagement (4.0), Zenodo, 2021, <https://doi.org/10.5281/zenodo.5773203>.

7 Biernacka, Katarzyna u.a.: Open Access und wissenschaftliches Publizieren: Train-the-Trainer-Konzept, Zenodo, 2022, <https://doi.org/10.5281/zenodo.6034407>.

8 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access, 2022, <https://doi.org/10.57674/fyrc-vb61>.

9 Martin, Linda: Dritter Workshop von open-access.network zum Schwerpunkt „Open Access-Beauftrage an Univer­sitäten und Hochschulen – Multiplikator*innen für eine offene Wissenschaft“, 2021, Online: <https://open-access.network/services/news/artikel/open-access-staerken-wege-der-vermittlung-fuer-die-eigene-einrichtung-gemeinsam-
entdecken
>, Stand: 16.05.2022.

10 Biernacka, Katarzyna u.a.: Open Access und wissenschaftliches Publizieren: Train-the-Trainer-Konzept, Zenodo, 2022,
<https://doi.org/10.5281/zenodo.6034407>, S. IV.