Buten und binnen – wagen und winnen

Liebe Leserinnen und Leser,

noch selten war ein Bibliothekartag so ungewiss gewesen und zugleich so herbeigesehnt und erwartet worden – vielleicht abgesehen von dem schon viele Generationen zurückliegenden Bibliothekartag 1920 in Weimar, über den Michael Knoche jüngst berichtete.1 So lange man zurückdenken kann, war in Friedenszeiten noch nie ein Bibliothekartag abgesagt worden. 2020 gab es dazu jedoch keine Alternative: Der für Hannover fest geplante und angekündigte Bibliothekartag konnte aus Gründen der damals noch sehr neuen Covid-Pandemie nicht stattfinden – eine große Enttäuschung für alle, die an der Vorbereitung beteiligt waren, für das Ortskomitee, für die Vortragenden und die schon angemeldeten Teilnehmenden. Umso größer waren die Erwartungen für den Bremer Bibliothekartag im Juni 2021. Dass auch dieser gefährdet sein könnte, mochte sich im Frühjahr 2020 niemand vorstellen. Über Hygienekonzepte, Abstandsregeln und eine digitale Komponente war zwar frühzeitig gesprochen worden, aber die Gewissheit, später die Hoffnung, in Bremen einen Bibliothekartag überwiegend in Präsenz durchführen zu können, schwand mit der zweiten und der dritten Welle der Pandemie immer mehr. In wöchentlichen Videokonferenzen wurden die Planungen angesichts der ungewissen Lage immer aufs Neue verändert – doch in die Zukunft schauen konnte natürlich niemand.

In dieser unsicheren Situation fasste der Vorstand des VDB – Vereins Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare den Beschluss, das Motto des Bibliothekartages – „wagen und winnen“ – wörtlich zu nehmen und das Risiko für eine Präsenzveranstaltung als Verband zu tragen. Bis fast zum letzten Tag vor Beginn des 109. Deutschen Bibliothekartags in Bremen war ungewiss, was vor Ort möglich sein würde. Zwar hatte kurz zuvor die Europa-Fußballmeisterschaft begonnen, zu der Zehntausende von Zuschauerinnen und Zuschauern in Stadien zugelassen worden waren, doch für Kongresse waren die Auflagen deutlich strenger. Immerhin: Bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durften im Congress Centrum in Bremen am Bibliothekartag vor Ort teilnehmen, darunter auch einige Gäste aus dem angrenzenden Ausland. Der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen kam zur Eröffnungsveranstaltung, die durch musikalische Untermalung und einen Festvortrag den von Bibliothekartagen gewohnten festlichen Charakter erhielt, wenn auch auf den ansonsten üblichen Stehempfang verzichtet werden musste. Zum Bibliothekartagsflair gehörte auch der Bücherbus, der vor dem Congress Centrum Bremen aufgefahren war. Auch die Verleihung des Publizistenpreises fand in Bremen statt und es gab sogar, organisiert von der Stadtbibliothek Bremen, am Abend ein kleines Get-together – im Hofe des Bremer Theaters und damit coronagerecht im Freien.

Der größte Teil der über 2.300 Teilnehmenden verfolgte die in sieben Themenkreise gegliederten 138 Sitzungen des 109. Deutschen Bibliothekartags aus dem Büro oder von zu Hause aus. Von einem kurzen Systemausfall abgesehen, funktionierte das Livestreaming hervorragend – sowohl bei den hybriden aus Bremen übertragenen, wie auch bei den vollständig virtuellen Veranstaltungen.

Dass der 109. Deutsche Bibliothekartag in dieser Weise – vor Ort, hybrid und virtuell – hat stattfinden können, ist vielen zu verdanken: dem Engagement der Veranstalter, den Referentinnen und Referenten, die bereit waren, trotz aller Unsicherheit nach Bremen zu fahren, genauso wie denjenigen, die virtuell zum Kongress beitrugen, der Flexibilität der Bremer Messe, der durch den langjährigen Kongressorganisator KIT rasch eingerichteten Kongressplattform und den Firmen, die sich auch an diesem für alle neuen hybriden Format rege beteiligten. Besonderer Dank gehört dabei der Stadtbibliothek Bremen, die für das Ortskomitee in stets pragmatischer und optimistischer Weise die Vorbereitung unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen wesentlich unterstützte. Dank gebührt auch der Freien Hansestadt Bremen für eine kurzfristig gewährte finanzielle Förderung, die das Risiko der Durchführung minimierte.

Die Zeitschrift o-bib hat es wieder übernommen, eine kleine Auswahl von am Bibliothekartag gehaltenen Beiträgen in schriftlicher Form zu dokumentieren. Wie in den vergangenen Jahren werden diese zusätzlich auch in gedruckter Form erscheinen. Auch wenn die Beiträge des 109. Deutschen Bibliothekartags zunächst noch über die Kongressplattform abrufbar waren und nun die Mehrzahl davon dauerhaft mit Hilfe der TIB in deren AV-Portal zugänglich bleibt, so bietet die schriftliche Form doch einen anderen Zugang; zudem sind die ausformulierten und redaktionell bearbeiteten
Texte zitierbar. Wie auch in den letzten Jahren erfolgte die Aufnahme in diese Ausgabe von o-bib und in den gedruckten Bibliothekartagsband über einen offenen Call und ein anschließendes Review-Verfahren. Natürlich kann dieser Band nun nicht in Anspruch nehmen, repräsentativ für den gesamten 109. Deutschen Bibliothekartag zu sein – schon alleine deswegen, weil nicht aus allen Themenkreisen Beiträge vertreten sind. Dennoch wird mit dieser Zusammenstellung ein großes Spektrum an Themen angesprochen: von Makerspaces über Open Access und Forschungsdaten, Open und Citzen Science bis hin zu sehr speziellen Themen wie der Zeitungsdigitalisierung in der Schweiz oder einer Ex-Libris-Spezialsammlung. Ein Tagungsbericht, der die Veranstaltungen einer Session reflektiert, ergänzt die Aufsätze.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren für die Mühe, ihre Beiträge – trotz der in diesem Jahr besonders großen Herausforderungen – fristgerecht ausformuliert zu haben. Dank gebührt weiterhin den Gutachterinnen und Gutachtern, den Redakteurinnen und Redakteuren und den für Satz und technische Betreuung Verantwortlichen an der Universitätsbibliothek der LMU München. Wir freuen uns, nun schon den siebten frei zugänglichen Bibliothekartagsband als Sonderband der vom VDB – Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare getragenen Open-Access-Zeitschrift o-bib vorlegen zu können und wünschen eine anregende Lektüre.

Für das o-bib-Team

Klaus-Rainer Brintzinger, Heidrun Wiesenmüller und Achim Oßwald

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5785

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1 Knoche, Michael: Vor einhundert Jahren: In Weimar findet der erste Bibliothekartag der neuen Epoche statt, Aus der Forschungsbibliothek Krekelborn, 18.05./19.08.2020, <https://biblio.hypotheses.org/1779>, Stand: 17.11.2021.