Erste Open-Science-Policy an einer Universität in Deutschland

Grundsätze zur Umsetzung von Open Science an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

1. Hintergrund

Die Universitätsleitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat am 22.03.2011 ihre erste, nun mehr als 10 Jahre gültige Open-Access-Policy beschlossen. Hintergrund waren u.a. die verstärkten Aktivitäten von Drittmittelgebern im Bereich Open Access, wie bspw. verpflichtende Open-Access-Klauseln in bestimmten Bereichen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Kommission, und das damals noch relativ neue Programm „Open Access Publizieren“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Eine Überarbeitung der Open-Access-Policy war bereits seit geraumer Zeit geplant, ebenso eine neu einzuführende regelmäßige Aktualisierungspflicht, vergleichbar zur Forschungsdaten-Policy der FAU. Ähnlich wie bei der ersten Open-Access-Policy wurde das neue DFG -Programm „Open Access Publikationskosten“1 einer der Trigger der Überarbeitungsaktivitäten. Zudem gab es interne Veränderungen zu berücksichtigen: diese umfassen neue administrative Aspekte, z.B. diverse Kostenarten für die verschiedenen Open-Access-Publikationswege und -typen (Gold, Hybrid, Bücher), das Monitoring über das Forschungsinformationssystem FAU Current Research Information System (CRIS) oder Vorgaben zur Nutzung eindeutiger Affiliation-Schreibweisen und Identifikatoren. Daneben gibt es zwischenzeitlich neue Forschungsbereiche und Serviceangebote, z.B. die Professur für Open Source Software oder das Engagement des Instituts für Lern-Innovation (ILI) für Open Educational Resources (OER), und im Kontext Open Data das Modellprojekt eHumanities – interdisziplinär, ein vom Bayerischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördertes Modellprojekt für das Forschungsdatenmanagement in Bayern.

In der Kombination all dieser Fortschritte und Expertisen stand Ende Januar 2021 schnell der Entschluss fest, die ehemalige Open-Access-Policy nicht nur zu aktualisieren, sondern zu einer Open-Science-Policy auszuweiten.

2. Bezugsrahmen

Die Federführung zur Erarbeitung der neuen Policy lag bei der Universitätsbibliothek. Das war einerseits wegen der Anknüpfung zur Open-Access-Policy von 2011 naheliegend, erwies sich aber auch wegen der guten Vernetzung der Universitätsbibliothek mit den anderen Akteuren an der FAU und ihrer anerkannten Expertise auf dem Gebiet des Open Access als sehr praktikabel. Das Referat Open Access der Universitätsbibliothek erarbeitete Anfang Februar 2021 einen ersten Entwurf basierend auf der OpenAIRE Model Policy on Open Science for Research Performing Organisations (RPOs)2, unter Fortschreibung wesentlicher Aspekte der ersten Open-Access-Policy3 und der Forschungsdaten-Policy4 der FAU.

Daneben waren verschiedene Rechtssatzungen und internationale Empfehlungen zu berücksichtigen und es galt zu überprüfen, ob eine Mitwirkung des behördlichen Datenschutzbeauftragten notwendig sein könnte. Die Basis für die neue Open-Science-Policy bildeten Mandate und Standards wie die Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)5, der DFG-Kodex Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis6, die UNESCO-Empfehlung zu Open Educational Resources (OER)7, die Open Research Primers8 des UK Reproducibility Network, die San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA)9 sowie das Empfehlungspapier Implementing Open Science10 der League of European Research Universities (LERU).

Außerdem wurden weitere Grundsätze der FAU beachtet, wie etwa die Intellectual-Property-Policy (IP-Policy) und Datenschutz bzw. Privacy Policies und dortige Querverflechtungen zum Öffnen von Lehr- und Forschungsmaterialien sowie relevante Verfahren zum Qualitätsmanagement an der FAU.

Externe Open-Science-Policies konnten nur bedingt als Muster herangezogen werden. Anfang Februar 2021 waren über Internetrecherchen im deutschsprachigen Raum nur das Leitbild Open Science der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften11 sowie die Open-Science-Policy12 des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) auffindbar. Am 16.02.2021 hat zudem die Ernst-Abbe-Hochschule Jena eine Open-Science-Policy verabschiedet.13

Die FAU war damit am 13. Oktober 2021 die erste Universität in Deutschland, die eine dezidierte Open-Science-Policy verabschiedete. Im weiteren deutschsprachigen Raum hat nur die Universität Zürich (UZH) schon früher eine Open-Science-Policy veröffentlicht14. Ungefähr zeitgleich zur FAU arbeitete die Universität Konstanz ebenfalls an einer Open-Science-Policy und hat diese am 24. November 2021 verabschiedet.

3. Genese

Nach der Vorlage des Policy-Entwurfs erfolgten im Februar 2021 und in den Folgemonaten Prüf-, Kommentierungs- und Diskussionsrunden in folgender Abfolge:

Zwei Stationen sollen besonders erläutert werden:

Dem behördlichen Datenschutzbeauftragten hat der Entwurf ebenfalls vorgelegen, damit er im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben mitwirken kann. Er hat jedoch nach kurzer Prüfung mitgeteilt, dass eine Mitwirkung von seiner Seite nicht notwendig ist, da im Kontext der Policy selbst keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden und die Aktivitäten der benannten Akteure gesondert davon zu betrachten sind.

Als wichtiges Rückkopplungselement in die Forschung erwies sich die Bibliothekskommission. Hier wurde noch einmal sehr kritisch und konstruktiv diskutiert, inwieweit der Entwurf die Forschungsspezifika der Fakultäten und der Fächer beachtet. Es war günstig, dass diese Diskussion ganz am Ende der Erarbeitung der Policy stand, so dass technische, organisatorische oder infrastrukturelle Fragen bereits gelöst und beantwortet waren, und sich das Gremium der Fragestellung rein unter dem Aspekt der Forschungsbedürfnisse widmen konnte.

Die finale Fassung unter Einarbeitung aller Rückmeldungen ging an das Kanzlerbüro zur Vorbereitung der Beschlussfassung. Nach Mitzeichnung des Entwurfes durch den CIO wurde die Open-Science-Policy schließlich in der Sitzung der Universitätsleitung (UL) am Mittwoch, dem 8. September 2021, vorgestellt und besprochen. Sie wurde in der UL-Sitzung grundsätzlich positiv aufgenommen, es gab jedoch kleinere Änderungswünsche. Zudem wurde eine zusätzliche englischsprachige Fassung erbeten, die der Sprachendienst in der Folge übersetzt und geliefert hat. Die angepasste deutsche und englischsprachige Fassung ging wiederum an das Kanzlerbüro zur Einbringung als Beschlussvorlage in die UL.

Am 13. Oktober 2021 hat die UL die Open-Science-Policy offiziell beschlossen. Der gesamte Überarbeitungsprozess hat damit ab Erstentwurf und nach Einbeziehung aller Akteure über die diversen Prüf-, Kommentierungs- und Diskussionsrunden circa 10 Monate gedauert.

In der Folge wurde dann die deutsch- und englischsprachige Open-Science-Policy von der FAU Grafik im Corporate Design gestaltet und vom Referat Open Access auf Zenodo unter der Concept-DOI 10.5281/zenodo.5602559 veröffentlicht. In den Metadaten ist die ehemalige Open-Access-Version erwähnt und deren Ersetzung durch die Open-Science-Policy dokumentiert. Zenodo zeigt deren Ablösung auch mittels „Related identifiers: Obsoletes https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:29-opus4-68651“ an. Die Links auf die alte Open-Access-Policy wurden auf allen Webseiten der FAU durch Links auf die Concept-DOI der neuen Open-Science-Policy ersetzt.

4. Ausblick

Die FAU ist nach eigenem Wissensstand die erste Universität Deutschlands mit einer Open-Science-Policy gewesen. In der Folge soll dies sowohl FAU-intern als auch darüber hinaus bekannt gemacht werden und damit der Sensibilisierung für das Thema dienen. Neuberufene Professorinnen und Professoren der FAU erhalten die Open-Science-Policy in gedruckter Form mit ihren Begrüßungsunterlagen.

Die Policy soll nach spätestens drei Jahren an aktuelle Standards angepasst werden. Dies überschneidet sich günstigerweise mit der jüngsten Bewilligung im DFG-Programm „Open Access Publikationskosten“ für 2022-2024. So können am Ende des Förderzeitraums etwaige Veränderungen in die zu aktualisierende Open-Science-Policy einfließen. Es ist damit zu rechnen, dass die iterativen Aktualisierungen deutlich schneller verabschiedet werden können als im jetzigen Durchlauf, in dem zunächst alle sensibilisiert, involviert und gehört werden mussten.

Interessierten, die diesen Bericht lesen und sich für ähnliche Policies an ihren Einrichtungen engagieren wollen, bieten wir den Austausch zum Thema Erarbeitung und Etablierung einer Open-Science-Policy an.

Markus Putnings und Konstanze Söllner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5784

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International

1 Deutsche Forschungsgemeinschaft: DFG setzt neue Akzente für Open Access, dfg.de, 25.01.2021, <https://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung_nr_02/>, Stand: 31.10.2021.

2 Angelaki, Marina: Model Policy on Open Science for Research Performing Organisations (RPOs), Zenodo, 01.02.2021, <https://doi.org/10.5281/zenodo.2579628>.

3 Universitätsleitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU): Open-Access-Policy der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), OPUS FAU, 22.03.2011, <https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:29-opus4-68651>.

4 Universitätsleitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU): Grundsätze zum Umgang mit digitalen Forschungsdaten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsdaten-Policy, Zenodo, 04.12.2019, <https://doi.org/10.5281/zenodo.5095730>.

5 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), fau.de, 10.10.2017, <https://www.doc.zuv.fau.de//KaB/Sonstige_Regelungen/Gute_wissenschaftliche_Praxis/Satzung_zur_Sicherung_guter_wissenschaftlicher_Praxis_und_zum_Umgang_mit_wissenschaftlichem_Fehlverhalten_an_der_FAU.pdf>, Stand: 31.10.2021.

6 Deutsche Forschungsgemeinschaft: Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Kodex, Zenodo, 15.09.2019, <https://doi.org/10.5281/zenodo.3923602>.

7 Deutsche UNESCO-Kommission: UNESCO-Empfehlung zu Open Educational Resources (OER), unesco.de, 25.11.2019, <https://www.unesco.de/document/5252/unesco-empfehlung-zu-oer>, Stand: 31.10.2021.

8 UK Reproducibility Network: Open research primers, ukrn.org, 07.02.2021, <https://www.ukrn.org/primers/>, Stand: 31.10.2021.

9 Declaration on Research Assessment (DORA): San Francisco Declaration on Research Assessment, sfdora.org, 16.12.2012, <https://sfdora.org/read/>, Stand: 31.10.2021.

10 League of European Research Universities (LERU): Implementing Open Science, leru.org, 14.12.2020, <https://www.leru.org/files/Implementing-open-science.pdf>, Stand: 31.10.2021.

11 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Das Leitbild Open Science der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, bbaw.de, 24.05.2019, <https://edoc.bbaw.de/files/3136/BBAW_Leitbild_Open_Science_2019.pdf>, Stand: 31.10.2021.

12 Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN): Open-Science-Policy, ipn.uni-kiel.de, 01.04.2020, <https://www.ipn.uni-kiel.de/de/forschung/OpenSciencePolicyIPN.pdf>, Stand: 31.10.2021.

13 Ernst-Abbe-Hochschule Jena: Open Science @EAH, eah-jena.de, 16.02.2021, <https://www.eah-jena.de/forschung/open-science>, Stand: 31.10.2021.

14 Universität Zürich: Open-Science-Policy, openscience.uzh.ch, 28.09.2021, <https://www.openscience.uzh.ch/de/definition/policy.html>, Stand: 31.10.2021.