The academic teaching librarian’s handbook / Claire McGuinness. – London: Facet Publishing, 2021. – XIX, 279 Seiten. – ISBN 978-1-78330-462-2 : GBP 55.00 (auch als E-Book verfügbar)

Ein Handbuch für Teaching Librarians gibt es im deutschen Bibliothekswesen erstaunlicherweise bislang nicht, sodass Claire McGuinness für ihr mit Blick auf den englischsprachigen Raum vorgelegtes Werk auch bei uns Interesse beanspruchen darf. McGuinness, die am University College Dublin lehrt und bereits ein Lehrbuch zur Lehrtätigkeit von wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren veröffentlicht hat,1 schreibt in ihrem Vorwort, dass sich Information Literacy als Arbeitsbereich im wissenschaftlichen Bibliothekswesen durchgesetzt habe und mittlerweile weit verbreitet sei. Allerdings würden die Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich auf dem Gebiet der Förderung von Information Literacy (bzw. Informationskompetenz) engagieren, recht weit gespannte und ambitionierte Ziele verfolgen.

Unterstrichen hätten dies, so McGuinness, die ausdrückliche Betonung der wichtigen Rolle von Information im täglichen Leben und ihren Herausforderungen für die Menschen, wie sie Barack Obama in seiner Antrittsrede als US-Präsident zum Ausdruck gebracht habe, ferner wichtige Institutionen wie die UNESCO und die IFLA, die sich in Proklamationen für eine Förderung von Informationskompetenz auf globalem Niveau ausgesprochen hätten. Gleichzeitig sei aber zu beobachten, dass die neue Aufgabe des Vermittelns und Lehrens bei manchen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren auf Skepsis, ja sogar bisweilen auf Feindseligkeit gestoßen sei. Zurückgeführt werde dies auf einen Mangel an pädagogischer Qualifikation, ferner auf die offene Frage, inwieweit pädagogische Kenntnisse und Fähigkeiten im bibliothekarischen Bereich nötig seien, um eine effektive Förderung von Informationskompetenz leisten zu können. Damit verbunden seien die Überlegungen in Richtung auf mehr Zusammenarbeit mit den Lehrenden in der Hochschule und die Integration von Informationskompetenz in die Curricula. McGuinness verweist auf Positionen der Association of College and Research Libraries (ACRL, 2010), die von einer paradigmatischen Wende im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken gesprochen habe: „In the new paradigm, librarians focus on information skills, not information access (...); they think like educators, not service providers“.2

Daraufhin habe es (auch qualitative) Studien hinsichtlich der Einstellungen von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren der Lehrendenrolle gegenüber gegeben. In einer systematischen Übersichtsarbeit zu den sechs identifizierten Hauptrollen für „information professionals“,3 also für das im Bibliotheks- und Informationswesen tätige Fachpersonal, war die des „Librarian as Teacher“ eine Rolle, deren Bedeutung man gar nicht hoch genug einschätzen könne. Allerdings müsse auch gesehen werden, dass es vielfach an Anerkennung dieser neuen Rolle von außen, vor allem vonseiten der Hochschullehrenden mangele, und dass mehr Zusammenarbeit nötig sei – nicht nur zwischen den Personen, sondern auch auf der institutionellen Ebene.

Als Adressatinnen und Adressaten des Handbuchs nennt McGuinness vor allem die Beschäftigten in wissenschaftlichen Bibliotheken, sodann Studierende der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (LIS-Programme), die sich speziell mit Vermittlungstätigkeiten in Bibliotheken befassen und diese Aufgabe in einer ganzheitlichen Weise durchgehend für ihr späteres Berufsleben entwickeln möchten. Da McGuinness am University College Dublin in der School of Information and Communication Studies (ICS) für die Undergraduate-Programme zuständig ist, liegt ihr das Studium besonders am Herzen.

Das Handbuch verfolgt, so McGuinness, vier Kernziele:

Diese Zielsetzungen werden in zwei großen Teilen des Handbuchs behandelt.

Im ersten Teil geht es darum, im akademischen Bereich tätige Teaching Librarians zu charakterisieren, indem zunächst einige kritische Aspekte, sodann die begrifflichen Konzeptionen der Literacy mit Blick auf Teaching Librarians betrachtet werden. Danach stehen die neuen Rahmenkonzepte der Information Literacy und der Ansatz einer kritischen Informationskompetenz, ferner die Herausforderungen durch die sozialen Medien und Fake News, das Konstrukt der Learning Analytics – also die datenbasierte Analyse des Zusammenhangs zwischen Lerneffekten bei Studierenden und institutionellem Impact seitens der Teaching Library – sowie die Beachtung der E-Science und der entsprechenden Bedürfnisse von involvierten Studierenden im Mittelpunkt der Darstellung. Weiterhin befasst sich McGuinness mit der Definition von Teaching Librarians, mit deren beruflicher Identität und mit ihrer Identität als Lehrende, mit ihren Rollen und Zuständigkeiten, sodann mit dem „information-literate self“, mit einer reflektierten Praxis für Teaching Librarians und mit der Entwicklung einer persönlichen (personal) Lehrphilosophie. In einem weiteren Abschnitt des ersten Teils setzt sich McGuinness damit auseinander, wie man Teaching Librarian wird bzw. diesen Weg beschreitet, nämlich im Rahmen einer Selbstanalyse, auch hinsichtlich der Lehrendenrolle. Sie fragt, ob es so etwas wie eine „Lehrpersönlichkeit“ gebe, und fordert dazu auf, das eigene Lehrprofil transparent zu machen, die Lehrendenrolle zu planen und zu entwickeln, sich bezüglich neuer Lehrtrends auf dem Laufenden zu halten sowie die geleistete Arbeit zu dokumentieren und zu präsentieren in Richtung auf Lehrportfolios für Bibliothekarinnen und Bibliothekare.

Wie sich akademische (wissenschaftliche) Teaching Librarians auszeichnen können – das ist das große Thema im zweiten Teil des Handbuchs. Wiederum in drei Kapiteln verdeutlicht und veranschaulicht McGuinness, welche Bedingungen und Kompetenzbereiche vorhanden sein müssen, um diesem ambitionierten Ziel näherzukommen. Als wesentlich wird zunächst die Rolle der Technologie angesichts einer digitalen Umgebung für lehrende Bibliothekarinnen und Bibliothekare hervorgehoben. Vorangestellt sind einige Fragen zur Selbstreflexion, zum Beispiel:

Das Handbuch soll also nicht nur eine Anleitung und ein Leitfaden für bibliothekarisches Lernen und Lehren sein, sondern auch dazu anregen, sich selbst Klarheit über eigene Einstellungen und Rahmenbedingungen für das Engagement als Teaching Librarian zu verschaffen, also Metakognitionen anregen. Dies war bereits ein wesentliches Anliegen des Metaliteracy-Modells von Mackey/Jacobson, dort primär mit Blick auf die Lernenden/Studierenden. McGuinness behandelt dann die verschiedenen Teilbereiche des Lernens und Lehrens in digitalen Umgebungen. Anschließend beschreibt sie in kompakter Form Schlüsselkonzepte wie EdTech (Educational Technology), E-Learning, Web-Enhanced Learning, Online Learning, Blended Learning, Digital Learning, digitale Lernkategorien (Informationszugang und -versorgung), kommunikations- und interaktionstechnologische Umgebungen für die Vermittlung von Nutzerinteraktionen sowie Social-Software-Technologien wie WhatsApp, Suite oder Slack, die gruppenbasierte und Higher-order-learning-Aktivitäten unterstützen. McGuinness betont, dass solche Kategorien dabei helfen, die Lernressourcen mit den Lernergebnissen, Lernaktivitäten und der Lernunterstützung abzustimmen, wenn digitale Lernaktivitäten entworfen und integriert werden sollen. McGuinness greift dann weiter aus auf das digitale Lernen generell im Hochschulstudium und behandelt die Konsequenzen für Teaching Librarians: Sie postuliert einige wichtige Wissensdomänen für das digitale Lernen und bietet dazu ein Rahmenkonzept für die Teaching Librarians, stellt Niveaustufen für notwendige Fertigkeiten und notwendiges Wissen für digitales Lernen vor und weist auf zusätzliche Rahmenkonzepte für digitale Lehr- und Lernkompetenzen hin. In reflexiver Absicht befasst sich das Handbuch mit Planung und Design digitalen Lernens, ehe ein Fazit dieses Kapitel abrundet.

Offensichtlich geht McGuinness von einem komplexen Umfeld lehrender Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus, das von ihnen sowohl Führungs- als auch Management- und Koordinationsfähigkeiten verlangt. Dieser Komplex wird im fünften Kapitel des Handbuchs in vielfältigen Richtungen behandelt, mit Bezug auf die von der ACRL im Jahr 2017 verabschiedeten „Roles and strengths of teaching librarians“.4 Darin wird unter mehreren Rollen ausdrücklich auch die des „Coordinator“ bzw. des „Leader“ aufgeführt.

Im abschließenden Kapitel befasst sich McGuinness mit einem in der deutschsprachigen Fachliteratur zur Rolle von Teaching Librarians ungewöhnlichen Aspekt, den sie als „advocacy“ bezeichnet und mit Bezug auf das Merriam-Webster Dictionary (online 2020) als „the act or process of supporting a cause or proposal“ (S. 216) umschreibt. Sie diskutiert dieses Konstrukt bezogen auf die Rolle von Bibliotheken nach zwei Seiten hin: Unterstützung für Bibliotheken (zum Beispiel bei drohenden Schließungen oder Service-Einschränkungen) und Unterstützung durch Bibliotheken (zum Beispiel als demokratische Institution, die die Rechte aller Bevölkerungsgruppen unterstützt, die versucht, individuelle und kollektive Freiheitsrechte zu schützen, die eine Zuflucht für an den Rand gedrängte Menschen bietet usw.). McGuinness thematisiert damit eine doppelte Herausforderung, vor der Bibliotheken und damit auch Teaching Librarians stehen: Sie müssen für Unterstützung für das Fortbestehen ihrer eigenen Einrichtung und ihres Berufsstandes sorgen, aber gleichzeitig auch ihre Gemeinschaften, die sie repräsentieren, unterstützen und für deren Rechte eintreten. Wenn also eine Bibliothekarin oder ein Bibliothekar „library advocate“ sein will, so müsse er oder sie (unter Bezugnahme auf den „Advocacy toolkit“ der Illinois Library Association):5

Hier wird also deutlich eine normative Ebene angesprochen, die McGuinness im weiteren Fortgang ihrer Darstellung konkretisiert – einerseits hinsichtlich der zwei oben genannten Ebenen, die sie in enger Verschränkung miteinander sieht. Hinsichtlich der Rolle von Teaching Librarians betont sie die Lehr-Lern-Angebote der Bibliotheken, für die diese sich engagieren müssten und die sie aktiv bewerben sollten. Dies sei ein „key selling point“, weil die Bibliothek dadurch eben für die Studierenden und anderen Zielgruppen sichtbar, eventuell sogar unverzichtbar werde. Gleiches gelte für die Informationskompetenz als eine im Leben zunehmend wichtiger werdende kritische Fähigkeit, aber auch als Werkzeug für die Förderung sozialer Gerechtigkeit. Schließlich fokussiert die Autorin auf die kommunikative Funktion von Informationskompetenz, also das Bemühen, auf die greifbaren und auch die weniger greifbaren Vorteile hinzuweisen, wenn man für multiple Lebenssituationen informationskompetent ist. Verschiedene praktische Wege, um diese Ziele zu erreichen, weist McGuinness auf, zum Beispiel den Einsatz sozialer Medien, das Engagement auf politischer Ebene, das Veröffentlichen auch in populären Medien oder den Einsatz von Online-Petitionen, um nur einige Punkte zu nennen. Deutlich wird hier, dass McGuinness nicht den Typus zurückhaltender Bibliothekarinnen und Bibliothekare favorisiert, die sich der Gesellschaft und der Politik gegenüber weitgehend neutral verhalten und sich primär einem technologisch verstandenen Informations- und Wissensmanagement verpflichtet fühlen, sondern dass sie vielmehr ein bibliothekarisches Selbstverständnis vertritt, das engagiert, politisch bewusst und gesellschaftlich verantwortungsbewusst konturiert ist. Das hieße eventuell in der Konsequenz, dass Teaching Librarians drängende Probleme, wie sie beispielsweise der Klimawandel aufwirft, aktiv aufgreifen und engagiert in die Veranstaltungen und Angebote der Bibliothek einbringen müssten. McGuinness betont zudem, dass die genannten Zielsetzungen der „Advocacy“ am besten im Team oder in einer Gemeinschaft zu realisieren seien. Für das wissenschaftliche Publizieren der Teaching Librarians spricht laut McGuinness vor allem, dass dadurch ein professionelles Reflektieren der vielfältigen Rollen herausgefordert werde. Allerdings gebe es einige Hemmnisse, vor allem den Mangel an Zeit und institutioneller Unterstützung, aber auch an Selbstvertrauen; zudem diene das Publizieren nicht unbedingt dem beruflichen Fortkommen und werde in dieser Hinsicht auch gar nicht verlangt.6

Zu Beginn jedes Kapitels erwartet die Lesenden eine Auflistung von Fragen (McGuinness nennt sie „personal reflection points“) und am Schluss der Kapitel gibt es Übungen, wie zum Beispiel den Entwurf einer digitalen Lernstrategie für die eigene Bibliothek oder das Nachdenken über die eigene digitale Bereitschaft („readiness“) sowie den Entwurf einer digitalen Lernerfahrung/Lernerkundung („learning experience“) auf der Basis eines selbst gewählten Szenarios. Die Aufgabenstellung wird jeweils näher erläutert. Hinzu kommen die zahlreichen Grafiken und tabellarischen Übersichten (teilweise über mehrere Seiten), die den Handbuchcharakter des Werks veranschaulichen und es zu einer Art von Lehrbuch machen. Im Zusammenhang der Darstellung nehmen jedoch auch die theoretisch-reflexiven Anteile bei der Behandlung von Zielen, Grundlagen, Rollenverständnis und Aufgabenstellungen der Teaching Librarians einen breiten Raum ein. Ein Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein differenzierter Index runden den Band ab.

Wer sich von dem Buch vornehmlich Rezepte oder praktische Handreichungen für die tägliche Arbeit bei der Förderung von Informationskompetenz erwartet, wie sie vielfach von Praxishandbüchern geboten werden, wird eventuell enttäuscht sein, auch wenn McGuinness durchaus die Anforderungen an Teaching Librarians differenziert beschreibt und veranschaulicht. Aber wie sie bereits in der Einleitung betont, will sie die Rolle von Teaching Librarians ganzheitlich im Zusammenhang der Berufslaufbahn darstellen und diskutieren. Dabei kommt es ihr wesentlich auf die Selbstreflexion an, man könnte auch sagen: auf die Metakognitionen, wie sie der amerikanische Lernpsychologe James H. Flavell schon in den 1970er Jahren entwickelt hatte. Sie werden auch von Mackey/Jacobson im Rahmen des Konzepts der Metaliteracy nachdrücklich vertreten: Lehrende und Lernende sollen über ihr eigenes Lehren und Lernen, über die dabei auftretenden kognitiven und affektiven Prozesse nachdenken, auch über die verwendeten Lehr-Lernstrategien. Die oben angesprochenen „personal reflection points“, mit denen McGuinness die Lesenden konfrontiert, gewinnen vor diesem Hintergrund ihren großen Nutzen. Allen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, die an Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen tätig sind und insbesondere auf dem Gebiet der Förderung von Informations-, Medien- und Digitalkompetenzen zu vertieften Erkenntnissen und Einsichten kommen möchten, ist die Lektüre des Handbuchs von Claire McGuinness uneingeschränkt zu empfehlen.

Wilfried Sühl-Strohmenger, Freiburg im Breisgau

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5767

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1 McGuinness, Claire: Becoming confident teachers. A guide for academic librarians, Oxford 2011.

2 ACRL: The value of academic libraries. A comprehensive research review and report, S. 37. Online: <https://www.ala.org/acrl/sites/ala.org.acrl/files/content/issues/value/val_report.pdf>, Stand: 01.11.2021.

3 Vgl. Vassilakaki, Evgenia; Moniarou-Papaconstantinou, Valentini: A systematic literature review informing library and information professionals’ emerging roles, in: New Library World 116 (1/2), 2015, S. 37–66.

4 ACRL: Roles and strengths of teaching librarians, 2017. Online: <https://www.ala.org/acrl/standards/teachinglibrarians>, Stand: 01.11.2021.

5 Illinois Library Association: Advocacy toolkit. The importance and purpose of library advocacy. Online: <https://www.ila.org/content/documents/ila-advocacy-toolkit-013112.pdf>, Stand 01.11.2021.

6 Die von McGuinness angeführten Aspekte bezüglich der Publikationstätigkeit von wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren werden auch in der deutschsprachigen Bibliothekwelt wieder stärker diskutiert, u.a. bei Keller, Alice: „Lust ja, aber keine Zeit!“. Publikationsverhalten von Bibliothekaren und Informationswissenschaftlern, in: Bibliothek Forschung und Praxis 44 (2), 2020, S. 231–245.