Erfahrungsaustausch geisteswissenschaftlicher Fachreferate, 23.–24. März 2021

Im März 2021 fand erneut der langjährig etablierte „Erfahrungsaustausch: Fachreferate der Geistes­wissenschaften“ statt,1 organisiert von Dorothee Graf (UB Duisburg-Essen), Alice Rabeler (ULB Bonn), Rosemarie Kosche (UB Duisburg-Essen) sowie Björn Gebert (ULB Münster). Ausgangspunkt der diesjährigen Veranstaltung war die Frage: „Was hat Corona im Fachreferat verändert? “ Die Veranstaltung, an der 80 Interessierte aus Deutschland und der Schweiz teilnahmen, gliederte sich in sechs inhaltliche Blöcke und wurde durch das digitale Format auf zwei halbe Tage verteilt; zwischen den meist als Vorträgen gestalteten Referaten gab es Pausen zur persönlichen Kommunikation im virtuellen Raum.

Informationskompetenz

Die Tagung startete mit dem Vortrag „Digital ist besser? Informationskompetenz unter Corona-Bedingungen“ von Timo Steyer (UB Braunschweig) und Ulrike Lengauer (ULB Darmstadt). Durch die Corona-Krise kam es – wie an vielen anderen Universitäten und Bibliotheken auch – an der UB Braunschweig und der ULB Darmstadt zu einem „Kaltstart in die digitale Lehre“. Neue digitale Formate mussten selbst entwickelt und erprobt werden. Die virtuellen Workshops und Seminare werden von Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gut angenommen. Ein klarer Vorteil der digitalen Formate ist, dass sie deutlich mehr Personen erreichen als Präsenzveranstaltungen. Sie erlauben eine große Methodenvielfalt und machen Lust aufs Experiment. Mittlerweile hat sich eine Mischung aus Selbstlerneinheiten und gemeinsamen Live-Sitzungen gut etabliert.

Die Umstellung auf die digitale Lehre hat an beiden Bibliotheken zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Instituten und zu mehr Kooperationsanfragen geführt. Sie werden stärker als zuvor als kompetente Ansprechpartner*innen für Digitales gesehen. Ein schöner Nebeneffekt ist auch die stärkere Akzeptanz und Nutzung der digitalen Ressourcen. Aus Sicht von Ulrike Lengauer und Timo Steyer gibt es aber auch Nachteile: Der Personalaufwand und die Einarbeitungszeit waren beim Start nicht zu unterschätzen. Um eine digitale Veranstaltung gut durchzuführen, braucht man auch mit mehr Routine am besten zwei Lehrpersonen mit einer klaren Rollenaufteilung und einem guten Ablaufplan, die den Studierenden technische und inhaltliche Hilfestellung geben können. Insgesamt ist das Zwischenfazit überwiegend positiv. An der UB Braunschweig und der ULB Darmstadt sollen auch zukünftig mehr blended-learning-Elemente und mehr Online-Workshops in das regelmäßige Veranstaltungsprogramm aufgenommen werden. Außerdem sollen Angebote und Projekte im Bereich digital literacy und OER (Open Educational Resources) entwickelt und verstärkt werden

Aus den Fachcommunities

Unter dem Titel „Not macht erfinderisch: Einblicke in die Trickkiste kunsthistorischer Recherche“ berichtete zunächst Jacqueline Klusik-Eckert (Koordinatorin des Interdisziplinären Zentrums der Digitalen Geistes- und Sozialwissenschaften, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) von den Problemen der kunsthistorischen Bildrecherche: Sie problematisierte die Vielzahl der verfügbaren Bilddatenbanken und ihre Heterogenität in Suchfunktionalitäten wie Algorithmen. Außerdem erläuterte sie ein für die Bildrecherche spezifisches Problem: Aufgrund der vielen Content-Anbieter, z.B. auch aus Museen, stünden Kunstwerke oft in vielfältigen Versionen zur Verfügung, aber welche Abbildung ist authentisch? Eindrucksvoll zeigte sie am Yellow Milk Maid Syndrome, dass Bild nicht gleich Bild ist: Vermeers Dienstmagd mit Milchkrug kursiert im WWW in unterschiedlichen Farben, Zuschnitten und Zuständen. Die Community sei, so Klusik-Eckert, angewiesen auf vollständige und aussagekräftige Metadaten. Sie nannte hier als Standard das International Image Interoperabilty Framework (IIIF) zur Authentifikation von Bildqualität und Metadaten, das allerdings noch nicht von allen Bilddatenbanken verwendet wird. Sie setzt ihre Hoffnung auf die Open-Access-Strategie der GLAMs [Galleries, Libraries, Archives, Museums] und benannte NFDI4Culture als den Hoffnungsträger für eine Optimierung der Recherchemöglichkeiten nach Kunstwerken und Forschungsdaten.2

In der anschließenden Diskussion wurde die Brauchbarkeit des Wikidata-Identifiers diskutiert, der hilfreich (nicht nur für die Kunst) auf alle Schreibweisen von Namen verweist und letztere mit Normdatensätzen verknüpft. Maßgeblich für die Forschung ist jedoch weiterhin „der Thieme-Becker“, ein kunstwissenschaftliches Nachschlagewerk. Mit Blick auf die oft gut funktionierende Texterschließung durch OCR kann für Kunstwerke festgestellt werden, dass die Automatisierung komplexer Bildstrukturen noch nicht funktioniert, es aber vielversprechende internationale Projekte wie Iconographics3 gibt, die hier einen Durchbruch bringen könnten, oder auch Google Arts And Culture4, ein Vorhaben, das im Fach intensiv diskutiert wird.

Für eine Frage-Antwort-Session stand im Anschluss Silke Schwandt (Geschichtswissenschaft/Digital History, Universität Bielefeld) zur Verfügung. Sie berichtete zunächst über ihre positiven Erfahrungen mit Bibliotheken als für sie unverzichtbare Partnerinnen im Kontext der Digitalisierung der Geisteswissenschaften, ob nun im Bereich des Publizierens, der Lehre oder der Unterstützung von Projekten. Wie so oft sind Kapazitäten auch in Bielefeld kritisch: Die konkrete Kooperation erfolge aktuell in der als sehr positiv wahrgenommenen Abstimmung mit den jeweils zuständigen Personen in Forschung und Bibliothek, eine tatsächliche Strategie fehle derzeit noch: Digital Humanities (DH) werde eher als Forschungsthema verstanden denn als Dienstleistungsverhältnis. Über eine Publikationsplattform und die Kooperation von Rechenzentrum und Universitätsbibliothek in Sachen Forschungsdaten stünden bereits hilfreiche Infrastrukturen zur Verfügung. Schwandt hob das Interesse und die Offenheit der Infrastruktur bietenden Einrichtungen hervor und plädierte dafür, in der Wissenschaft neue Wege mitzugehen, ORCID iDs5 zu verwenden, ohne Ängste auch vorab zu publizieren, und sie verwies hier auf die noch bestehenden – und mehr Openness entgegenstehenden? – Fachkulturen. Auch wenn die Historikerin vielfach mit ihrer Bibliothek in Kontakt steht, stellte sie die Frage, welche bestehenden Unterstützungsangebote es zusätzlich wert wären, betrachtet zu werden. Diskutiert wurden die Möglichkeiten, als Wissenschaftler*in die online-Vorabpublikation stärker bei Verlagen nachzufragen oder hier Kooperationen zu schaffen wie ENABLE!,6 ein Zusammenschluss von Bibliotheken, Verlagen und Autor*innen für Open Access in den Geistes- und Sozialwissenschaften. 

Bestandsmanagement

Wolfgang Lambrecht eröffnete den Block zum Thema Bestandsmanagement mit einem Bericht zum „Umzug einer Bibliothek unter Corona-Bedingungen“ und den damit verbundenen Veränderungen und Entwicklungen für die Nutzer*innen aus den Geisteswissenschaften, die in Chemnitz – obwohl TU – die größte Fakultät bilden. Das Gebäude der „Alten Aktienspinnerei“ wurde seit 2015 umgebaut, von Juni bis September 2020 konnten die Bestände umgezogen werden. Zum 1. Oktober erfolgte pandemiebedingt eine „stille Eröffnung“ der neuen Bibliothek. Während die Konzentration der Bestände von vormals drei Standorten auf nun einen Standort vor allem für die an den fachspezifischen Medien interessierten Nutzer*innen praktisch ist, wird die gute Ausstattung des renovierten Gebäudes wohl für Nutzer*innen aller Fächer interessant sein. Bislang dürfen die Benutzer aufgrund der Corona-Einschränkungen das Gebäude nur zur Medienausleihe betreten. Zukünftig werden sie aber davon profitieren können, dass die Bibliothek die erste „24/7-Bibliothek“ Sachsen-Anhalts sein wird.

Schon etwas länger zurück liegt der Einzug der Bibliothek Steintor der Uni Halle in ihr Gebäude: Seit 2015 sind hier die Bestände verschiedener Geistes- und Sozialwissenschaften unter einem Dach vereint. Aus der Perspektive dieser nach wie vor sehr stark auf einen Print-Bestand angewiesenen Fächer berichtete Silke Berndsen „Von der Schließung zum Corona-Notbetrieb und weiter zum Corona-Regelbetrieb“. Die Proteste gegen die kurzfristig angekündigte pandemiebedingte Schlie­ßung der Bibliothek waren lauter als erwartet – die „Print-Bibliothek“ ist also wohl doch noch nicht so totgesagt, wie man manchmal denken mag. Als besondere Schwierigkeit unter Corona-Bedingungen erwies sich der Aufwand für die angebotenen Scan-Services sowie die Beschaffung von eBooks – wenn denn eine Beschaffung überhaupt möglich war. Im Bereich der Informationskompetenzvermittlung konnte das Team eine interessante lokale Kooperation mit dem Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften (IMMS)7 der Uni Halle beginnen: Im Austausch über verschiedene Materialien für Schulungsveranstaltungen ergab sich wertvolles Feedback zu bereits erstellten Video-Tutorials, zur Struktur der Skripte neuer Angebote oder auch zum Einsprechen von Videos.

Erwerbung

War die Frage der Bestandsentwicklung mit elektronischen Ressourcen schon am Vortag punktuell angeklungen, so verhalf Annette Klein (dbv‐Kommission Erwerbung und Bestandsentwicklung, UB Mannheim) dem Thema „Marktüberblick über E-Book-Angebote und -Pakete sowie Anbieter und Lizenzierungsmodelle“ zum Auftakt des zweiten Tages mit einem systematischen Überblick zu seinem Recht. Nach einem knappen Repetitorium zu den grundlegenden prozesslogischen Differenzen zwischen Print- und E-Book-Erwerb wurden – ganz dem Vortragstitel folgend – die Anbieter und die Lizenzmodelle des E-Book-Marktes in den Blick genommen. Dass das Thema auch geisteswissenschaftlichen Fachreferent*innen unter den Nägeln brennt, zeigte sich eindrücklich an der Vielzahl der Chatbeiträge zu den Vor- und Nachteilen von Verlagsanbietern und Aggregatorenplattformen. Die Wortmeldungen sekundierten der Vortragenden dahingehend, dass die Lizenzierungsmodelle der Verlage oftmals attraktiver seien im Hinblick auf Titelquantitäten und Nutzungsmodalitäten; wohingegen die Aggregatoren zwar oft den Einzelkauf ermöglichten, ob eines restriktiven Digital Rights Management bei den Nutzer*innen mitunter aber auf wenig Gegenliebe stießen. 

Den passenden interaktiven Anschluss stellte eine Diskussion in vier Breakout-Sessions über die Anwendung von PDA- und EBS-Modellen als bedarfsorientierte Erwerbungsformen in den einzelnen Bibliotheken dar. Wie sich in den summarischen Plenumsberichten zeigte, lässt sich kein Modell ohne signifikanten Arbeitsaufwand realisieren – während er bei PDA-Modellen v.a. in der a priori erforderlichen Erstellung von Fachprofilen liegt, ist es bei den EBS-Modellen in erster Linie die zum Laufzeitende hin notwendige Nutzungsdatenauswertung, die den konzertierten Personaleinsatz erfordert. In der Summe der Erfahrungsberichte ist letztlich eine klare Präferenz für eine evidenzbasierte Selektion (EBS) gegenüber den automatischen, kundenseitigen Kaufauslösungen (PDA) zu erkennen. Mithin scheint die Souveränität über Kaufentscheidungen auch unter den Paradigmen des bedarfsgerechten Erwerbs noch zum Anspruch des Fachreferats zu gehören.

Souveränität war auch das – zumindest implizite – Stichwort der darauffolgenden Vorträge zum Themenkomplex Lizenzierung und Hosting: Welche kollektiven Lizenzabschlüsse sind möglich und welche Rechte werden dadurch erworben? Den systematisierenden Anfang machte Hildegard Schäffler (BSB München) mit einer historisch inspirierten Phasenskizze DFG-geförderter Lizenzen, in der sie einen Bogen von den Nationallizenzen der 2000er-Jahre über die verschiedenen Allianz- und FID-Lizenzen der 2010er-Jahre bis hin zu den PAR-Agreements der gegenwärtigen Open-Access-Transformationsverträge spannte. Enger fokussiert wurde die „Mehrwertkomponente Hosting“ und die daran geknüpfte Frage, ob und wie in den genannten Lizenzmodellen der dauerhafte Zugang zu den Medienprodukten gewährleistet ist. Im Überblick zeigte sich, dass dauerhafte Zugriffsrechte und die Option auf Eigenhosting zu den wiederkehrenden Lizenzierungsprämissen gehören und lediglich punktuell in Sonderfördermaßnahmen oder einzelnen FID-Lizenzen hintangestellt werden. Die anschließende Gegenüberstellung der möglichen Hostings- und Zugangsvarianten verdeutlichte, dass trotz der gängigen Option auf Eigenhosting eher das Anbieterhosting die Regel darstellt – wohl v.a., weil ersteres eine umfassende und nachhaltige Infrastruktur beim Lizenznehmer voraussetzt.

Das entsprechende Beispiel für den Aufbau einer derartigen Infrastruktur lieferte dann Kristine Hillenkötter (SUB Göttingen) in ihrem Beitrag zum Hosting von Nationallizenzen an der SUB Göttingen. Nachdem das Anbieterhosting für die von der SUB betreuten Nationallizenzen sukzessive kostenpflichtig wurde, begann man ab 2016 mit der Entwicklung einer lokalen Hosting-Infrastruktur, in die zwischen 2017 und 2021 alle Nationallizenzprodukte der SUB überführt wurden. Dimension und Aufwand eines solchen Infrastrukturprojekts erläuterte Hillenkötter anhand einer Workflowdarstellung, und stellte das Endresultat in einer kombinierten Betrachtung von technischer Systemskizze und Interface-Beispielen vor. Die Effekte des Projekts werden seitens der SUB sehr positiv bewertet: Für die Nutzer*innen erwies sich die Umstellung als nahezu bruchloser Übergang, und für die Lizenznehmerin SUB Göttingen ging mit dem massiven Infrastrukturausbau ein beachtlicher Gewinn an Planungssicherheit und Angebotssouveränität einher.

Der abschließende Beitrag von Angela Holzer (DFG), der sich der Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft als fördernder Institution widmete, setzte durchaus Kontrapunkte zu diesem Fazit. Ausgehend von einer Rekapitulation der zentralen Förderbedingungen für Allianz-Lizenzen wurde eine ambivalente Bilanz des Programms „Überregionale Lizenzierung“ gezogen: Während das Recht auf Eigenhosting in den Verhandlungen mit den Anbietern oftmals schwer durchzusetzen sei, werde es in der Summe nur selten wahrgenommen. Insofern steht die „Mehrwertkomponente Hosting“ bzw. der Anspruch auf Datensouveränität vor einer mehrschichtigen Herausforderung, die sich nicht allein in finanziellen und rechtlichen Aspekten erschöpft, sondern auch weiterhin maßgeblich von logistischen und infrastrukturellen Problemstellungen geprägt ist. Der Förderansatz der DFG adressiert dies in einem kombinierten Ansatz, der eine Impuls- und Projektförderung von Infrastrukturprojekten vorsieht, die Modellentwicklung, den langfristigen Betrieb und die kooperative Koordination aber stets bei den Antragstellenden verortet.

Open Access

Der erste Vortrag „Farbenkunde zum Open Access“ von Björn Gebert (ULB Münster) bot eine Einführung in Definitionen und Praxis des Open Access. Maßgeblich ist hierfür die Berliner Erklärung, die den freien Zugang und die Nutzungsmöglichkeiten von Veröffentlichungen erläutert und damit den Rahmen sowohl für eine OA-Definition wie für Grade von Openness setzt. Diese und damit die Möglichkeiten der Nutzungen für Leser*innen werden meist mittels Lizenzen von Creative Commons (CC)8 festgelegt. Anhand bekannter und weniger bekannter Wege zu Open Access kann dies erläutert und exemplifiziert werden: Vor allem der grüne und der goldene Weg führen bei entsprechend liberalen Lizenzen zu Open Access im Sinne der Berliner Erklärung, hinzu kommt das sog. Diamond- oder Platin-Modell ohne Kosten für Autor*innen. Dies wird meist mit non-profit- und scholar-led-Verlagen oder -Infrastrukturen realisiert, die sich in den letzten Jahren auch für Buchpublikationen vermehrt anbieten. Neue farbliche Kennzeichnungen wie bronze, blau, schwarz, weiß oder grau mit nicht allgemein anerkannten und unscharfen Definitionen stiften hauptsächlich Verwirrung und verwässern darüber hinaus den Open-Access-Begriff im Sinne des uneingeschränkten, dauerhaften Zugangs mit langfristiger Archivierung und weitgehenden Nachnutzungsrechten.

Im zweiten Vortrag unter dem Titel „Böhmische Dörfer, Stolpersteine und Verzweigungen: Wege zu Open Access in den Geisteswissenschaften“ nahm Yuliya Fadeeva (UB Duisburg-Essen, Projekt AuROA) den Blickwinkel der Geisteswissenschaften ein, um auf die spezifische Publikationskultur für diese Fächer einzugehen. Dafür stellte sie zunächst fachliche Besonderheiten vor, etwa die wichtige Rolle einer vielfältigen Verlagslandschaft und zahlreicher Dokumentarten, die Strukturen mit FIDs, Fachgesellschaften und „Denk-Schulen“ und die üblichen Kreditierungsmechanismen wie die Publikation in renommierten Verlagen, herausgeberische Tätigkeit und (Peer) Review. Sie erläuterte fachliche Bedarfe, für die Open Access eine Rolle spielt oder spielen kann, und stellte derzeit übliche Geschäfts- und Transformationsmodelle für Zeitschriften und Bücher vor. Der zweite Teil widmete sich den drängendsten Fragen, mit denen sich Bibliotheken in der Beratung ihrer Autor*innen konfrontiert sehen: Die Wissenslage in Bezug auf die eigenen Rechte, die Möglichkeiten der Lizenzierung und die Umsetzung eigener OA-Publikationen mit Verlagen ist sehr heterogen. Fragen der Qualitätssicherung, die sich auch im klassischen Publikationsmodell stellen, werden durch die OA-Bewegung virulent. Standardisierung, etwa in Hinblick auf Verlagsverträge und den Einsatz von CC-Lizenzen, scheint dringend geboten.

In der Diskussion tauschten die Teilnehmer*innen u.a. ihre Erfahrungen und Einschätzungen zur Rolle der CC-Lizenzierung für im Repositorium archivierte Verlagspublikationen aus. Dieses Zweitveröffentlichungsrecht im Sinne des grünen Wegs lassen die Policies zahlreicher Verlage und Kooperationen speziell mit FIDs zu, allerdings bleiben die Rechte häufig beim Verlag. Die meisten Bibliotheken fordern (bislang) nicht die CC-Lizenzierung, sehen aber den Widerspruch zur Definition von OA nach der Berliner Erklärung. Auch der Umgang mit Schattenbibliotheken im Austausch mit Autor*innen wurde thematisiert, der die beratenden Bibliothekar*innen immer wieder vor Herausforderungen stellt. Insgesamt ließ sich festhalten, dass Open Access in den Geisteswissenschaften überall ein Thema ist und für Autor*innen und Bibliothekar*innen mit hohem Kommunikationsbedarf einhergeht.

Aus den FIDs

Den Bericht „Aus den FIDs“ eröffnete Ariane Larrat (UB Frankfurt) mit einem Thema, das eigentlich nicht zum Aufgabenspektrum der FIDs gehört: Die Allianz „Digitale Lehre Germanistik“ hat im Corona-Semester pragmatische Antworten auf die spontanen Herausforderungen in der Online-Lehre gefunden. Die Referentin verwies auf gebündelte Infrastrukturen, die gemeinsamen Support u.a. durch rechtliche Hinweise, Informationen zu OER oder Softwareberatung bieten konnten (beteiligt waren neben dem FID Germanistik der Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel, der FID avldigital, forText, Mediaevum sowie der Deutsche Germanistenverband). Schon im April 2020 konnte als zentrale Anlaufstelle eine Plattform eingerichtet werden.9 Die Allianz wird es weiterhin geben, allerdings mit einem Kernteam von zwölf Germanist*innen – Larrat stellt in Aussicht, dass Expert*innen verwandter Fächer aufgenommen würden.

Weitere aktuelle Einblicke in ihre Arbeit und Services unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie gaben Ilona Riek (ULB Münster) für den FID Benelux und Doris Grüter (ULB Bonn) für den FID Romanistik. Grüter berichtete über den Vorteil der bereits zuvor etablierten verschiedenen Kanäle, die die Kommunikation in die Fachcommunity, zu den Fachreferent*innen sowie Infrastrukturanbieter*innen vereinfachten, die aber digital noch weiter ausgebaut werden konnten. So ist der FID Romanistik nun auch mit einer Präsentation im YouTube-Kanal des Deutschen Hispanistenverbandes vertreten. Die Nachfrage nach lizenzierten Ressourcen stieg stark an und konnte u.a. durch eine FID-Lizenz für französische Primärtexte sowie neue Tutorials zur Nutzung digitaler Angebote unterstützt werden. Auch Riek betonte den strategischen Vorteil ihres FIDs, bereits vor der Pandemie stark im digitalen Raum verankert gewesen zu sein: Services konnten wie gewohnt angeboten werden. Die Lizenzen des FID Benelux seien so nachhaltig verhandelt worden, dass niemand abgewiesen werden musste. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht die Referentin darin, den Open-Access-Bereich u.a. im Bereich der Herausgabe eigener Reihen weiter auszubauen. Mehrere Konferenzen wurden unter Beteiligung des FID Benelux kurzfristig sehr erfolgreich digital umgesetzt und hätten dadurch eine deutlich größere Reichweite gewonnen, so z.B. die Online-Seminarreihe „Deutsch-Niederländischer Dialog zur Zukunft der Bibliotheken“,10 die weiter fortgeführt wird.

Im Plenum diskutiert wurden zum Bericht der FIDs Fragen zur Kooperation mit den Fachreferent*innen, insbesondere zur Rolle der FIDs bei Aufgaben, die eher lokal umgesetzt werden, wie z.B. Angebote in der digitalen Lehre. Auch die Frage, ob es angedacht sei, die FID-Services auch Studierenden anzubieten, die gerade in den geisteswissenschaftlichen Fächern Spezialliteratur konsultieren müssten, wurde aufgegriffen: Künftige Wissenschaftler*innen sollten nicht vom Zugang zur Information ausgenommen werden, war der Tenor.

Fazit

Wie so oft blieb auch diesmal zu wenig Zeit für die Diskussion der zahlreichen Themen und für den informellen Austausch. Die eingesetzten interaktiven Tools wie Umfragen und Breakout-Räume sowie ein Padlet zur Sammlung von Diskussionspunkten wurden zwar rege genutzt und boten vor, während und nach den Präsentationen Feedback- und Austauschmöglichkeiten, doch die beliebten Randgespräche am Bistrotisch mit einer Tasse Kaffee wurden vermisst. So bietet zwar wonder.me11 Gelegenheit zu zwanglosen Gesprächen, bleibt aber dem virtuellen Raum verhaftet, den die Zuhörer*innen nach mehreren Vorträgen verlassen wollen und müssen. Außerdem darf nicht unterschätzt werden, dass bei aller Bedienungsfreundlichkeit derartige Tools nicht immer selbsterklärend und für größere Gruppen unübersichtlich sind – die Orientierung im analogen Raum des eigenen Stehtischs ist für den/die Einzelne*n deutlich einfacher. Zum nächsten Erfahrungsaustausch in zwei Jahren ist hoffentlich wieder ein Treffen in Präsenz möglich, wobei sich die Mehrheit der Teilnehmenden für eine hybride Veranstaltung aussprach, um auch Kolleg*innen, die nicht anreisen können, die Teilnahme zu ermöglichen. Das Organisationsteam freut sich über die Resonanz bei den Fachreferent*innen weit über NRW hinaus.

Karolin Bubke, Bibliotheks- und Informationssystem Oldenburg

Dorothee Graf, Universitätsbibliothek Duisburg-Essen

Thomas Nachreiner, Universitätsbibliothek Passau

Jeanine Tuschling-Langewand, Universitätsbibliothek der Fernuniversität Hagen

Viola Voß, Universitäts- und Landesbibliothek Münster

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5715

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1 Website zur Veranstaltung: <https://www.uni-due.de/ub/fachinfo/geisteswissenschaften>, Stand: 19.04.2021.

2 Die nationale Forschungsdateninfrastruktur NFDI4Culture ist ein Konsortium für Forschungsdaten zu materiellen und immateriellen Kulturgütern, Ziel des DFG-geförderten Projektes sind die Bündelung und Entwicklung digitaler Ressourcen, forschungsgeleiteter Tools und nutzerzentrierter Serviceangebote, < https://www.forschungsdaten.info/wissenschaftsbereiche/geisteswissenschaften/nfdi-konsortien/nfdi4culture/>, Stand 18.05.2021.

3 Iconographics beschäftigt sich als interdisziplinäres Forschungsprojekt mit innovativen Möglichkeiten der digitalen Bilderkennung in den Kunst- und Geisteswissenschaften, <https://www.izdigital.fau.de/forschung/efi-iconographics/>, Stand: 18.05.2021.

4 Google Arts And Culture ermöglicht virtuelle Rundgänge durch Ausstellungen einer Vielzahl von auch hochrangigen Museen, <https://artsandculture.google.com/ >, Stand: 18.05.2021.

5 ORCID, <https://orcid.org>, Stand: 19.04.2021.

6 Projekt Enable!, <https://enable-oa.org>, Stand: 19.04.2021.

7 Institut für Musik-, Medien- und Sprechwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, <https://imms.uni-halle.de>, Stand: 19.04.2021.

8 Lizenzübersicht von Creative Commons, <https://creativecommons.org/licenses/>, Stand: 19.04.2021.

9 Digitale Lehre Germanistik, <https://www.digitale-lehre-germanistik.de>, Stand: 19.04.2021.

11 Wonder.me, <https://www.wonder.me/>, ähnlich funktioniert auch Gather, <https://gather.town/>, Stand 18.05.2021.