Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Auch die Herbstsitzung des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) am 21. und 22. September 2020 fand in Form einer Videokonferenz statt. Folgende Themen standen im Fokus der Beratungen und Diskussionen:

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft

Der AWBI hat sich eingehend mit der abschließenden Bewertung der 13 im Jahr 2020 eingereichten Anträge zu Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft (FID) befasst. Elf Anträge wurden zur Bewilligung empfohlen, darunter ein Neuantrag zu dem FID Materialwissenschaft und Werkstofftechnik (FID Materials Science).

In diesem Zusammenhang hat der AWBI auch Fragen zu fachlichen Zuschnitten und der Granularität von Fachinformationsdiensten erörtert. Übereinstimmend hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, an den Grundsätzen des Förderprogramms festzuhalten und keine Inhaltssteuerung vorzunehmen. Der Aufbau eines FID leitet sich allein durch den formulierten Bedarf einer Community ab. Im Begutachtungs- und Bewertungsverfahren ist zu klären, inwieweit ein FID und seine fachspezifischen Angebote am Spezialbedarf einer wissenschaftlichen Community ausgerichtet sind und einen Mehrwert für sie generieren. Dies gilt nicht nur bei der Begutachtung zur Einrichtung eines neuen FID, sondern auch in den weiteren Förderphasen werden die Zusammensetzung und die Akzentuierung der Serviceleistungen einer eingehenden Betrachtung unterzogen, beispielsweise ob der Schwerpunkt eher auf Inhalten, digitalen Werkzeugen und technologiebetriebenen Dienstleistungen, oder – was zunehmend zu beobachten ist – auf dem Community Building liegt, zu dem die FID in hohem Maße beitragen können. Hinsichtlich technischer Entwicklungen sollte nach Ansicht des AWBI mehr berücksichtigt werden, was bereits im FID-System vorhanden ist und wo sich ggf. Kooperationen anbieten. Betont wurde nochmals, dass die Kooperation der FID auch für die Entwicklung einer FID-Gesamtstruktur ausschlaggebend ist. Neben der gegenseitigen Nutzung von Services können neue, innovative Elemente wie die Entwicklung digitaler Werkezuge oder technischer Plattformen, wenn als kooperative Vorhaben ausgeführt, strukturbildende Wirkung haben. Der AWBI möchte im Kontext der sich entfaltenden Selbstorganisation der FID die daraus resultierenden Aktivitäten und Maßnahmen zur Weiterentwicklung der FID-Gesamtstruktur abwarten und vorerst von steuernden Elementen absehen. Dennoch gilt es künftig Orientierungspunkte zu schaffen, die eine Vergleichbarkeit der FID in der Bewertung wie auch der Betrachtung der Entwicklung der FID-Gesamtstruktur ermöglichen.

Das aktualisierte Merkblatt zu dem Förderprogramm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ wurde im November 2020 veröffentlicht.1 Das entsprechende Datenblatt für Anträge im Programm war bereits im Mai 2020 zur Verfügung gestellt worden.

Digitalisierung und Erschließung

Außerdem befasste sich der AWBI mit dem Stand der Digitalisierung, Erschließung und Präsentation von Inkunabeln in Deutschland. Zwar gibt es – anders als bei der Digitalisierung anderer Materialgruppen wie beispielsweise mittelalterlichen Handschriften, archivalischen Quellen oder frühneuzeitlichen Drucken – keinen Masterplan zur Erschließung und Digitalisierung von Inkunabeln. Allerdings liegt durch die langjährige DFG-Förderung des Inkunabel-Census an der Bayerischen Staatsbibliothek München, die über ca. ein Drittel aller weltweit vorhandenen Inkunabeln verfügt, ein weitgehend vollständiger Nachweis von Inkunabeln auf Kurztitelebene vor. Durch die Einbindung des Inkunabel-Census in den Incunabula Short Title Catalogue (ISTC) ist auch dessen internationale Verfügbarkeit gegeben. Weitere Nachweissysteme existieren an der Staatsbibliothek zu Berlin mit dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke und an der Universitätsbibliothek Tübingen mit dem Inkunabelportal INKA, das allerdings technisch nicht weiterentwickelt wird. Hinzu kommen die Ergebnisse einiger DFG-geförderter Tiefenerschließungs- und Digitalisierungsprojekte zu Inkunabeln, u.a. zum Inkunabelbestand an der Bayerischen Staatsbibliothek München. So ist festzustellen, dass einerseits viele Informationen zu Inkunabeln vorliegen, diese aber andererseits für Nutzende unübersichtlich präsentiert werden. Der AWBI hat vorgeschlagen, in einem Rundgespräch zu erörtern, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Im Rahmen des Rundgesprächs könnten weitere Punkte im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Inkunabeln diskutiert werden, wie z.B. die Erschließungstiefe (Abgrenzung zwischen vorsorgender bzw. forschungsunterstützender Erschließung auf der einen und Forschungsarbeit auf der anderen Seite) sowie die Frage, ob bzw. welcher Mehrwert für die Wissenschaft durch die Digitalisierung auch von Mehrfachexemplaren einer Inkunabelausgabe entsteht.

Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren

Das bisherige Programm „Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation“ ist ab Januar 2021 neu ausgerichtet und zugleich umbenannt in „Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren“. Mit Blick auf die neue Ausrichtung hat sich der AWBI darüber ausgetauscht, welche Datengrundlage für die künftige Bewertung des Programms benötigt wird. Dafür wurden zwei Datenblätter erarbeitet, eines für die Antragstellung und eines für Abschlussberichte. In den Datenblättern werden Antragstellende u.a. dazu aufgefordert, eigene Kriterien für eine erfolgreiche Durchführung ihrer Projekte zu benennen und ggf. auch darzulegen, aus welchen Gründen sie ihr Vorhaben für strategisch relevant halten. Differenziert nach den drei im Programm definierten Schwerpunkten „Strukturbildung für die Open-Access-Transformation“, „Open-Access-Infrastrukturen“ und „Digitales Publizieren“ werden in den Datenblättern unterschiedliche Indikatoren erhoben. Im Datenblatt zu den Abschlussberichten sollen signifikante Änderungen im Vergleich zur ursprünglichen Planung erläutert und es soll ergänzend ausgeführt werden, ob die ergriffenen Maßnahmen zu Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit erfolgreich waren.

Open-Access-Publikationskosten

Für das im Herbst 2020 neu eingerichtete Programm „Open-Access-Publikationskosten“ hat der AWBI in seiner Sitzung „Leitfragen für die Begutachtung“ verabschiedet, die inzwischen auch veröffentlicht worden sind.2 Im Rahmen der Beratungen zu diesem Programm hat der AWBI darauf hingewiesen, welche große Strukturwirkung über den Bereich der Gruppe „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“ (LIS) hinaus diese Förderung entwickeln kann. Da sich letztlich auch auf der Ebene der Publikationsfinanzierung eine Verschiebung im Verhältnis der Verantwortungsbereiche von Forschung und Infrastruktur abzeichnet, hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, die daraus resultierenden Konsequenzen in einer der kommenden Sitzungen eingehender und im Hinblick auf die LIS-Förderung insgesamt zu erörtern.

Ausschreibung „Open-Access-Transformationsverträge“

Mit der 2017 aufgelegten Ausschreibung zu Open-Access-Transformationsverträgen war das Ziel verbunden, temporär die Entwicklung von Ansätzen für die Transformation hin zu Open Access über Vertragskonstrukte zu fördern und durch die Vorgaben standardisierend zu wirken. Der AWBI hat sich über die Ergebnisse der diesjährigen Antragsphase informiert. Es wurden 2020 einige Vertragsvorhaben auch mit größeren Verlagen vorgelegt, deren Umsetzung wünschenswert gewesen wäre, die aber nicht die Zielsetzung der Ausschreibung erfüllten. In der Konsequenz bedeutet dies, dass diese Verträge z.T. ohne Förderung umgesetzt oder bestehende bilaterale Lizenzen weitergeführt werden. Hier zeigt sich nach Ansicht des AWBI, dass zwar die Ziele der Ausschreibung richtig gesetzt waren, in der Praxis aber die unterschiedlichen Verlagsinteressen und Verhandlungskontexte diese Zielsetzungen noch nicht erreichen konnten. Da die Ausschreibung mit Ende des Jahres 2020 eingestellt wird bzw. nur noch Fortsetzungsanträge möglich sind, sollen die durch die Ausschreibung gewonnenen Erfahrungen ausgewertet und in Richtlinien gebündelt werden, um als Mindeststandard und Orientierungshilfe für künftige Verhandlungen außerhalb der DFG-Förderung zu dienen.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft Gruppe ‚Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme’ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5687

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 DFG: Merkblatt und ergänzender Leitfaden – Fachinformationsdienste für die Wissenschaft, <http://www.dfg.de/formulare/12_10/12_10_de.pdf>, Stand: 20.02.2021.

2 DFG: Open-Access-Publikationskosten – Leitfragen für die Begutachtung, <http://www.dfg.de/formulare/12_105/12_105_de.pdf>, Stand: 20.02.2021.