Vielfältig statt ideal: Arbeitspsychologisches Feldexperi­ment zur Gestaltung von Nutzerarbeitsplätzen in einer Universitätsbibliothek

Katharina Ebert, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Stefan Waßmann, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Zusammenfassung

Der vorliegende Aufsatz stellt ein arbeitspsychologisches Feldexperiment zur Untersuchung von vier verschiedenen Nutzerarbeitsplatzqualitäten innerhalb der Publikumsfläche der Universitätsbibliothek der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg anhand der subjektiv beurteilten Lernumgebung durch Studierende dar und wurde von der Universitätsbibliothek mit dem Ziel in Auftrag gegeben, mögliche Ansatzpunkte für eine nutzendenorientierte Optimierung der Arbeitsplätze abzuleiten. In Anlehnung an vergleichbare Studien in anderen Universitätsbibliotheken wurde die Wahrnehmung der Lernumgebung und die Beurteilung der Nutzerarbeitsplätze mittels eigens für diese Untersuchung erstellten Fragebögen sowie standardisierten Interviews erhoben. Außerdem wurde ein mobiles Eye-Tracking-System zur Analyse potentieller Ablenkungsfaktoren in der Lernumgebung genutzt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die wahrgenommenen Eigenschaften der Lernumgebung auf das Wohlbefinden der Studierenden auswirken, welches wiederum die Wahl ihres Arbeitsplatzes beeinflusst. Basierend auf der Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung möglicher Kritikpunkte am Studiendesign zeigen die Daten Evidenz dafür, dass die Helligkeit, die ergonomische Ausstattung, ein freies Sichtfeld sowie die Lautstärke wichtige Einflussfaktoren für das Wohlbefinden der Studierenden darstellen, wobei auch die individuellen Lernpräferenzen dazu führen, dass Nutzende unterschiedliche Plätze favorisieren. Den idealen Nutzerarbeitsplatz gibt es demnach nicht. Die Aufgabe einer Universitätsbibliothek sollte daher u. a. darin bestehen, den Studierenden eine möglichst vielfältige Auswahl an Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen.

Summary

This paper presents a psychological study, which examined four different work spaces in the university library of the Otto-von-Guericke-University Magdeburg based on the learning environment evaluated by students. The study was commissioned by the library with the aim to identify important factors in designing a learning environment, which fits the students` needs. Based on similar studies conducted in other university libraries the environmental perception and the evaluation of the workspaces were examined with questionnaires and standardised interviews. A mobile eye-tracking system was used to analyse potential distractors around the spaces. The results show that the perceived features of the learning environment have an impact on the wellbeing of the students, which in turn influences the choice of their favourite learning space. Based on the interpretation of these findings and taking into account possible limitations of the study design the data indicate that light, ergonomic features and the visibility of the whole room as well as noise have an important influence on the wellbeing of students. However, because of individual learning preferences, users prefer different learning spaces. Therefore there cannot be the perfect learning space. The results indicate that university libraries should focus on providing a diverse choice of learning spaces.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5675

Autorenidentifikation:
Ebert, Katharina: ORCID: https://orcid.org/0000-0001-7472-9599;
Waßmann, Stefan: ORCID: https://orcid.org/0000-0003-1673-2188

Schlagwörter: Universitätsbibliothek, Lernort, Lernraum, Lernumgebung, Eye-Tracking, individueller Arbeitsplatz, Nutzerarbeitsplatz, Nutzerforschung, Feldexperiment

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1. Einleitung

Wie kann ein Nutzerarbeitsplatz gestaltet werden, sodass das Wohlbefinden der*des Lernenden positiv stimuliert wird? Wie sollte die ideale Lernumgebung aussehen? Universitätsbibliotheken (UB) werden seit langem nicht mehr nur zum Ausleihen und Lesen von Fachliteratur genutzt, sondern stellen vielmehr einen Lernraum für Studierende dar, welcher individuell und flexibel an die Bedürfnisse seiner Nutzenden angepasst werden sollte.1 Im Vordergrund steht die studentische Nachfrage nach einer konzentrationsfördernden und ablenkungsarmen Lernumgebung. Um diese Ansprüche zu erfüllen und der*dem Lernenden eine Orientierungshilfe zum Finden des idealen individuellen Arbeitsplatzes an die Hand zu geben, wurde im Auftrag der UB der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) eine empirische Untersuchung durchgeführt.2 Die UB bietet ihren Nutzenden ein großes Angebot an verschiedenen Raumqualitäten sowie Arbeitsplatzinseln und stellt somit ein geeignetes Untersuchungsobjekt dar.3 Als arbeitspsychologisches Feldexperiment des Lehrstuhls für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung wurde die subjektive Wahrnehmung und Beurteilung von vier ausgewählten Nutzerarbeitsplätzen in der UB auf dem Hauptcampus durch Studierende untersucht. Hierbei beschränkt sich die Studie lediglich auf das Lernen in der UB und untersuchte keine anderen Aktivitäten, welche in einer UB ermöglicht werden und den daraus resultierenden raumgestalterischen Bedürfnissen.

2. Stand der Forschung

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Ergebnisse bisheriger Studien zur Wahrnehmung und Beurteilung der Lernumgebung einer UB und ihrer Nutzerarbeitsplätze gegeben. Die Daten dieser Studien wurden hauptsächlich mittels Beobachtungen und Interviews erhoben, in welchen die Nutzenden u. a. gefragt wurden, wie sie die UB ihrer Universität aktuell wahrnehmen sowie welche Eigenschaften ihr Lieblingsplatz aufweist und wie sie sich eine ideale UB vorstellen. Basierend auf diesen Erkenntnissen werden die zu untersuchenden Hypothesen und Fragestellungen abgeleitet.

Der bisherige Forschungsstand in der Literatur legt nahe, dass Studierenden die Helligkeit eines Arbeitsplatzes sehr wichtig ist, da eine ausreichend starke Beleuchtung einen direkten Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit hat sowie die Entstehung einer positiven und förderlichen Lernatmosphäre begünstigt.4,5 Außerdem interagiert der Helligkeitsgrad mit dem Geräuschpegel und der Produktivität der Nutzenden. Das bedeutet, dass hellere Räume oft als zu laut und sehr belebt wahrgenommen wurden, wohingegen Studierende an dunkleren Plätzen von Konzentrationsproblemen und anderen schlafenden Mitstudierenden berichteten.6 Ein adäquat ausgeleuchteter Arbeitsbereich ist für die meisten Studierenden somit ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des individuellen Arbeitsplatzes. Hierbei wird natürliches Licht künstlichem i. d. R. vorgezogen und somit werden Tische in Fensternähe favorisiert,7,8,9 auch da der Blick nach draußen und in die Natur auf die Studierenden entspannend wirken kann.10

Neben der Helligkeit stellt außerdem die Temperatur einen wichtigen Einflussfaktor dar. Diese wurde jedoch bei starken Schwankungen innerhalb kurzer Zeit von vielen Studierenden als Ausschlusskriterium für den idealen Arbeitsplatz angegeben, da diese zu Unwohlsein und subjektiv verringerter Lerngeschwindigkeit führen können.11

Ein geringer Geräuschpegel, eine ruhige und leise Umgebung sowie die Abwesenheit von akustischen wie visuellen Ablenkungsreizen stellen ebenfalls Hauptauswahlkriterien bei der Suche nach dem idealen Arbeitsplatz dar.12,13,14 Allerdings kann auch absolute Stille von den Studierenden als bedrückend und unangenehm wahrgenommen werden,15 weshalb viele Nutzende Plätze mit Hintergrundgeräuschen aufsuchen. Diese Geräusche können ein akustisches weißes Rauschen erzeugen, welches dazu führt, dass Lärm als weniger belastend wahrgenommen wird, sowie produktivitätssteigernd wirken.16 Ob und welche Art von Geräuschkulisse favorisiert wird, hängt stark von der persönlichen Präferenz und dem gewohnten Lernverhalten ab.17

Eng mit dem Bedürfnis nach einem ruhigen Arbeitsplatz ist der Wunsch nach einem persönlichen, mit ausreichendem Abstand zu anderen Lernenden und nicht überfüllten Raum verknüpft.18 Individuell unterschiedlich suchen einige Studierende z. B. nach einem isoliert gelegenen Tisch, an dem niemand sie beobachten kann und der trotzdem einen weiten Rundumblick bietet.19,20 Andere Studierende suchen aktiv die Nähe anderer Lernender, da diese sie an das Arbeiten erinnern und, „wie Mittrainierende in einem Fitnessstudio“, motivierend wirken.21,22,23 Letztere Nutzerarbeitsplätze werden mit Eigenschaftszuschreibungen wie energetisch, animierend, entspannend und komfortabel beschrieben und mit positiven Emotionen assoziiert, wohingegen dunkle Bereiche sowie ein Lesesaal mit Ruheregel und Einzeltischen durch Attributionen wie gruselig, eingeschränkt, bedrückend und überfüllt negativer wahrgenommen werden.24

Unabhängig vom Standort des Tisches ist das Bedürfnis der Nutzenden, ihren Anspruch auf den Platz durch das Ausbreiten ihrer Materialien über die gesamte Fläche anzuzeigen. Ein Tisch, der ausreichend Platz hierfür bietet, wird somit für den richtigen Lernplatz als unerlässlich angesehen.25 Aber auch die ergonomische Gestaltung der Sitzgelegenheiten spielt bei der Platzwahl eine große Rolle.26,27,28 Hier werden je nach Art der Nutzung und persönlicher Gewohnheit entweder weiche Möbelstücke oder härtere Stühle, welche eine gerade Körperhaltung unterstützen, präferiert.29 Das Vorhandensein von Ressourcen wurde ebenfalls als wichtiges Kriterium der Nutzenden genannt. Hierbei wurden im Vergleich zu Fachbüchern vermehrt elektronischen Ressourcen, wie Steckdosen, WLAN und Scanner, ein größerer Stellenwert zugesprochen.30,31,32 An dieser Stelle ist sich die Literatur uneinig, ob Studierende einen Platz in der Nähe ihrer studienfachrelevanten Bücher bevorzugen oder die Umgebung des Platzes für seine Auswahl entscheidender ist .33,34

3. Fragestellung und Hypothesen

Auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse wurden in der vorliegenden Studie die zwei Hypothesen aufgestellt, dass 1. eine als die Bedürfnisse der Lernenden unterstützend wahrgenommene Lernumgebung positiv mit der Beurteilung des Arbeitsplatzes (Wohlbefinden) zusammenhängt und 2. die Beurteilung des Arbeitsplatzes positiv mit der Wahl dessen zusammenhängt. Es wurde exploratorisch untersucht, ob sich das Lernverhalten, d.h. die individuelle Präferenz bestimmter Umgebungseigenschaften und das Verhalten beim Lernen, auf die Beurteilung und die Wahl des Arbeitsplatzes auswirkt. Außerdem lag der Fokus auf den Fragestellungen, ob sich die untersuchten Nutzerarbeitsplätze hinsichtlich Wahrnehmung, Beurteilung und Präferenz unterschieden sowie welche Eigenschaften der Lernumgebung von Studierenden als besonders wichtig erachtet wurden. Dabei wurden die visuelle Ablenkung, Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit an den Nutzerarbeitsplätzen gemessen sowie die Schlafquantität und aktuelle Stimmung der Versuchspersonen (VP) kontrolliert.

4. Methodik

4.1. Probanden

Zur Testung der Realisierbarkeit des Versuchsdesigns wurde im September 2019 eine Pilotstudie mit fünf VP (drei männlich und zwei weiblich), welche durchschnittlich 23,00 Jahre alt waren, durchgeführt. In der Hauptstudie im Oktober und November 2019 wurden 31 VP (vier männlich, 26 weiblich und eine divers) mit einem mittleren Alter von 22,23 Jahren getestet. Die VP wurden mittels analoger und digitaler Probandenaufrufe aus der Studierendenschaft der OVGU rekrutiert. Bei allen VP handelte es sich um Psychologiestudierende (Bachelor Studiengang). Im Folgenden wird nur auf die Hauptstudie Bezug genommen, da das Versuchsdesign auf Basis der Erkenntnisse aus der Pilotstudie modifiziert wurde und die Ergebnisse der Vorstudie daher nicht in der Datenanalyse berücksichtigt werden konnten.

4.2. Versuchsaufbau

Das Feldexperiment wurde in der UB der OVGU durchgeführt. Diese ist durch die offene Galerie im Innenraum, dessen Luftraum alle Etagen direkt miteinander verbindet, und die moderne Architektur aus vorrangig Glas, Holz und Beton charakterisiert. Seitens der UB wurden vier Nutzerarbeitsplätze für die Untersuchung ausgewählt, welche sich stark voneinander unterscheiden und jeweils auf ihre eigene Art und Weise besondere Lernumgebungen für Studierende bieten.35 Der erste Arbeitsplatz (siehe Abb. 1) befindet sich im Erdgeschoss und ist über den Luftraum direkt mit den im Untergeschoss befindlichen Schließfächern verbunden. Außerdem charakterisiert ihn eine eher abgeschiedene, zwischen Bücherregalen und Galerie, befindliche Lage. Im Folgenden wird dieser Nutzerarbeitsplatz als Schließfach bezeichnet.

Abb 1 Foto Nutzerarbeitsplatz

Der im ersten Obergeschoss liegende zweite Arbeitsplatz (siehe Abb. 2) wird intern auch Lesesaal genannt, da hier eine größere Ansammlung von Zweiertischen klassenzimmergleich angeordnet und durch Einzelräume und Bücherregale vom Rest der Etage räumlich abgetrennt ist.

Abb 2 Foto Nutzerarbeitsplatz

Zwischen einer großen Fensterfront und der Galerie befindet sich im zweiten Obergeschoss der dritte Nutzerarbeitsplatz (siehe Abb. 3), welcher im Folgenden Fensterfront genannt wird. Ein Laufgang trennt diesen eher schmalen langgestreckten Bereich in zwei entgegengesetzt ausgerichtete Reihen von hintereinander aufgestellten Tischen.

Abb 3 Foto Nutzerarbeitsplatz

Der letzte Nutzerarbeitsplatz (siehe Abb. 4) befindet sich auf der dritten Etage und wird, wie der Schließfachplatz, von einem langen parallel zur Galerie verlaufenden Tisch mit vielen Einzelplätzen dominiert. Im Gegensatz zu den anderen Arbeitsplätzen befindet sich direkt über der Etage die geschlossene Decke der UB. Die neben dem Bereich befindliche Dachterrasse gab diesem für diese Studie seinen Namen. Alle Nutzerarbeitsplätze wurden von jeder VP in randomisierter (zufällig ausgewählter) Reihenfolge besucht.

Abb 4 Foto Nutzerarbeitsplatz

Das Experiment wurde an jeweils einem, sich im Lernbereich befindlichen Tisch, durchgeführt. Die Versuchsleitung (VL) saß immer links in einem Abstand von 1 bis 1,5 m von der VP am selben Tisch, um die Qualität der Eye-Tracking-Aufnahmen zu überwachen und bei Bedarf das System neu zu kalibrieren. Das Eye-Tracking-Verfahren dient der Identifikation von Ablenkungsreizen, in dem die Software auf Grundlage von Videoaufnahmen der Umgebung sowie Infrarotaufnahmen der Pupillen misst, wohin die VP gerade schaut (siehe Abb. 5).36 Diese über die verschiedenen Durchführungen nicht konstante Sitzkonstellation wurde gewählt, da eine vorherige Reservierung spezifischer Tische nicht möglich war und damit andere Besuchende der UB so wenig wie möglich gestört wurden. Während die Tischfläche vor der VP frei für das analoge Aufgabenmaterial und Stifte war, befand sich vor der VL der Laptop, welcher nur bei der Kalibrierung von der VP einsehbar war, und die Unterlagen für die VP. Die Kabel zwischen Brille und Laptop wurden so geführt, dass die VP nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde. Die Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsaufzeichnungen wurden mittels eines nicht geeichten Thermo- und Hygrometers des Modells TH0134 der Marke Baldr durchgeführt. Auf die mögliche visuelle Aufnahme personensensibler Daten durch die Eye-Tracking-Messung wurden andere Besuchende der UB durch ein Informationsblatt, welches in Kooperation mit den Datenschutzbeauftragten der OVGU erstellt wurde, am Eingang sowie auf den Tischen in den untersuchten Bereichen hingewiesen.

Abb 5 Foto Nutzerarbeitsplatz

4.3. Aufgabenmaterial

Den VP wurde an jedem Platz ein beidseitig bedrucktes A4 Blatt mit insgesamt 28 Kettenrechenaufgaben vorgelegt, welche, wie in den Instruktionen auf dem Blatt vermerkt, nicht nach Punkt-vor-Strichrechnungsregel gerechnet werden sollten (Bsp.: 697 + 777 : 2 – 6 * 2 – 982 : 8 + 180 : 2 + 355 + 721 + 492 - 997 = __ ). Die Aufgaben wurden aus einer Onlinesammlung von Rechenaufgaben entnommen.37 Sie sollen einen konzentrierten Zustand generieren und somit einen Lernprozess simulieren. An jedem Platz wurde eines von vier Aufgabenblättern, welche alle nach dem gleichen Schema aufgebaut waren und sich nur in den konkreten Aufgaben unterschieden, in randomisierter Reihenfolge für 20 Minuten (Min.) präsentiert. Nebenrechnungen waren im Gegensatz zum Gebrauch eines Taschenrechners erlaubt. Um den Leistungsdruck durch eine bevorstehende Prüfung zu simulieren, wurden die VP bewusst falsch instruiert, dass ihre Rechenergebnisse kontrolliert werden würden. Diese Falschinformation wurde nach Abschluss des Experiments aufgeklärt.

4.4. Zeitlicher Ablauf und Fragebögen

Ein Durchgang der Hauptstudie dauerte durchschnittlich zwei Stunden. Zu Beginn wurden die VP von der VL an den ersten Arbeitsplatz geführt und bearbeiteten dort den ersten Fragebogen. Auf der Vorderseite wurden ausgewählte soziodemografische Daten und das Erfüllen der Teilnahmekriterien abgefragt. Auf der Rückseite sollten die VP anhand von zwölf Fragen, welche sich aus sechs Stimmungen und deren jeweiligen Gegenpolen (Bsp.: Ich fühle mich wohl./ Ich fühle mich unwohl.) ergaben und in Anlehnung an den Mehrdimensionalen Befindlichkeitsfragebogen erstellt wurden,38 ihre aktuelle Stimmung angeben. Dazu gaben sie ihre Zustimmung zu jeder Aussage auf einer siebenstufigen bipolaren und diskreten Ratingskala an. Diese stellte sieben graduell abgestufte Antwortkategorien dar, deren Zustimmungs-/Ablehnungsbereich von einem positiven Pol des Zutreffens über einen Indifferenzbereich (teils/teils) bis zu einem negativen Pol für ein Nicht-Zutreffen reicht, in der die VP zwischen sieben sowie einer keine Antwort-Möglichkeit wählen konnte, wobei das erste Kästchen für trifft nicht zu und das letzte Kästchen für trifft zu stand. Mit den Kästchen dazwischen konnte die Zustimmung abgestuft werden. Dieses Antwortformat wurde auch in allen weiteren eingesetzten Fragebögen angewandt.

Im Anschluss wurde die Eye-Tracking-Brille kalibriert und den VP die Rechenaufgaben präsentiert. Nach 20 Min. nahm die VL das Aufgabenblatt an sich und instruierte die VP, sie habe jetzt 5 Min. Zeit, sich ohne analoge oder digitale Ablenkungsgegenstände zu entspannen. Währenddessen wurden die Eye-Tracking-Daten aufgezeichnet. Im Anschluss füllte die VP den Fragebogen zur Beurteilung des aktuellen Arbeitsplatzes aus. In diesem wurde mit 19 Aussagen die Wahrnehmung unterschiedlicher Eigenschaften der Lernumgebung (z.B. An meinem aktuellen Arbeitsplatz ist es sehr laut.) sowie der subjektive Konzentrations- und Ablenkungsgrad der VP (z.B. An meinem aktuellen Arbeitsplatz kann ich mich gut konzentrieren.) abgefragt. Die Fragen wurden in Anlehnung an die Mitarbeiterbefragung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz (PsyBeL Check-up),39 den Fragebogen zur Erhebung psychischer Belastung am Arbeitsplatz/Arbeitsbereich,40 und den Fragebogen Regulationshindernisse-in-der-Arbeitstätigkeit(RHIA)-Verfahren zur Analyse der psychischen Belastung bei der Arbeit formuliert.41 Die letzte Aussage erfragte das Wohlbefinden am aktuellen Arbeitsplatz im Allgemeinen, An meinem aktuellen Arbeitsplatz fühle ich mich…. Die Antwort wurde auf einer figuralen Ratingskala mit sieben Smileys, die abgestufte Emotionen von sehr guter bis sehr schlechter Stimmung zeigten, auch als Kunin-Skala bezeichnet, abgetragen. Im Anschluss wurde der Arbeitsplatz gewechselt. An jedem Platz lief das oben beschriebene Prozedere ab.

Nachdem die VP alle Arbeitsplätze beurteilt hatte, führte die VL mit ihr ein kurzes Interview zur Beurteilung aller Lernorte durch, in welchem die VP gebeten wurde, die vier besuchten Plätze in absteigender Reihenfolge unter dem Kriterium, an welchen sie sich bei einem Lernbesuch in der UB am liebsten setzen würde, mit Begründung zu ordnen. Im Anschluss füllte die VP einen Fragebogen zur retrospektiven Einschätzung ihres allgemeinen Lernverhaltens in der letzten Prüfungsphase aus. Dieser bestand aus 18 Aussagen, welche Lerngewohnheiten, wie die Selbst­organisations- und Konzentrationsfähigkeit, verschiedene Eigenschaften der bevorzugten Lernumgebung (z.B. Ich höre beim Lernen gern schnelle Musik (Techno, Heavy Metal etc.)) und etwaige benötigte Nahrungsmittel erfragten und in Anlehnung an den Fragebogen zu deinem Lernverhalten formuliert wurden.42 Eine Rückmeldung zur Studie wurde am Ende mündlich erbeten.
Im Folgenden werden zuerst die Ergebnisse der statistischen Datenanalyse dargestellt, um im Anschluss ihre Interpretation und Generalisierbarkeit auf andere Nutzerarbeitsplätze zu diskutieren.

5. Ergebnisse

Die statistische Analyse der Daten unterstützt Hypothese 1, dass eine als hell, warm und ruhige Lernumgebung mit bequemem Mobiliar und genug Platz auf dem Tisch sowie um den Studierenden herum, als im positiven Sinne ablenkungsarm und konzentrationsfördernd wahrgenommen und generell positiv beurteilt wird.43

Die Daten zeigen ebenfalls Evidenz für die zweite Hypothese, denn ein positiv beurteilter Arbeitsplatz wird bevorzugt auf die vorderen Rangplätze gewählt (siehe Abb. 6). Bis auf die Beurteilung des Arbeitsplatzes Schließfach und seiner Wahl weisen alle Korrelationspaare, bestehend aus der Beurteilung und der Wahl des Arbeitsplatzes, auf einen hochsignifikanten positiven linearen Zusammenhang hin. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es Evidenz dafür gibt, dass ein erhöhtes Wohlbefinden an einem Platz auch zur Präferenz von diesem als zukünftigen Lernplatz führt.

Abb. 6 Grafik Zusammenhang

Bezüglich der Beurteilung zeigen die Daten, dass das Wohlbefinden der VP an den vier Nutzerarbeitsplätzen unterschiedlich hoch war (siehe Abb. 7). Die durchschnittlichen Beurteilungswerte liegen beim Platz an den Schließfächern am höchsten mit einem Mittelwert (M) von 4,6 und einer Standardabweichung (SD, Streuung der Werte um den Mittelwert) von 1,8 und stellen damit die niedrigste Beurteilung dar. Die anderen drei Nutzerarbeitsplätze erhielten bessere Beurteilungen. Allerdings wurde bei der Beurteilung der Dachterrasse von manchen VP auch die schlechteste Beurteilung von sieben gewählt, die im Lesesaal und an der Fensterfront nicht auftrat. Das Wohlbefinden der VP war demnach im Lesesaal (M = 3,4; SD = 1,5) und an der Fensterfront (M = 3,5; SD = 1,5) am höchsten, gefolgt von der Dachterrasse (M = 3,6; SD = 2,0) wohingegen das Wohlbefinden an den Schließfächern am niedrigsten war.

Abb. 7 Grafik Die Beurteilung

Auch die Wahl der Plätze als zukünftige Arbeitsplätze weist Unterschiede auf (siehe Abb. 8). Die mittlere Präferenz der Schließfächer liegt mit einem Rangplatz von vier am niedrigsten. Die Wahl dreier VP stellen Ausreißer dar, welche durch den Umstand zustande kamen, dass diese sehr früh am Tag getestet wurden und die Schließfächer zu dieser Zeit noch nicht von vielen Studierenden genutzt werden. Obwohl die mittlere Wahl der anderen drei Nutzerarbeitsplätze, wie bei den Beurteilungen, gleichauf liegen, wählten die Hälfte der VP die Fensterfront oder die Dachterrasse auf die Rangplätze eins oder zwei wohingegen dies nur 25% beim Lesesaal taten. Demnach würden die VP bei einem erneuten Lernaufenthalt am liebsten die Dachterrasse oder die Fensterfront zum Lernen wählen und den Schließfachplatz nur aufsuchen, wenn kein anderer Platz frei wäre.

Abb. 8 Grafik Die Rangplätze

Die vier Nutzerarbeitsplätze können ebenfalls anhand des visuellen Fokus der VP unterschieden werden. An den Schließfächern sowie an der Dachterrasse wurde der eigene Schreibtisch und die direkt über dem Tisch befindliche Galerie und Treppenunterseite oder, im Falle der Dachterrasse die Betondecke der UB, am häufigsten betrachtet. Ein anderes Muster zeigte sich im Lesesaal und an der Fensterfront. Hier wurden primär andere Personen und die Inneneinrichtung (Regale und andere Tische) oder der eigene Schreibtisch fokussiert. Der Unterschied kann durch die Ausrichtung der Tische und der Höhe der Holzwand an der gegenüberliegenden Tischseite erklärt werden. Die Sicht der VP war an den Schließfächern und an der Dachterrasse durch eine hohe Sichtbarriere und die Ausrichtung am Rand einer Galerie förmlich an den eigenen Tisch oder direkt darüber befindliche Objekte gebunden. Eine Betrachtung anderer Personen, Fenster oder Einrichtungsgegenstände war ohne Kopfdrehen nicht möglich. Im Lesesaal und an der Fensterfront sind jedoch viele Personen anwesend oder laufen umher. Die Tische stehen mitten im Raum und die Sichtbarriere ist sehr niedrig. Demnach könnte es an diesen beiden Plätzen leichter fallen, sich ablenken zu lassen und seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung zu richten. Die Eye-Tracking-Daten zeigen demnach Evidenz dafür, dass die Einsehbarkeit des Raumes, als Funktion der Ausrichtung sowie des Designs des Tisches, einen Einfluss auf den visuellen Ablenkungsgrad der Lernenden haben könnte.

Im Einklang mit den Beurteilungs- und Auswahlverteilungen stehen die den Bereichen zugeschriebenen Eigenschaften aus den Interviews zur Beurteilung aller Arbeitsplätze. Die Schließfächer, an denen das Wohlbefinden der VP sowie deren Präferenz am niedrigsten beurteilt wurden, wurden durchgehend mit negativen Eigenschaften wie „laut, unruhig, dunkel und isoliert“ beschrieben. Der durch die Sichtbarriere eingeschränkte Blick wurde, wie auch an der Dachterrasse, als negatives Charakteristikum erwähnt. Der Dachterrasse, welche mit der Fensterfront am beliebtesten war, wurden positive wie negative Eigenschaften zugesprochen. Zwar sei es hier leiser und ruhiger aber auch „dunkel, isoliert und einengend“. Die Eigenschaften der Schließfächer und der Dachterrasse unterscheiden sich hauptsächlich in der vorhandenen Lautstärke. Diese Diskrepanz ist demnach für die extrem unterschiedliche Beliebtheit der Plätze verantwortlich. Würde einzig das Konzept der Lautstärke bei dem Wohlbefinden und der Beliebtheit eine Rolle spielen, würden der Lesesaal und die Fensterfront, welche als eher laut und unruhig beschrieben wurden, keine guten Chancen haben, von den Studierenden als Lernplatz auserwählt zu werden. Jedoch fühlen sich die VP an diesen beiden Plätzen am wohlsten und der Platz an der Fensterfront wurde als beliebtester Platz ausgewählt. Beide Plätze wurden als „hell und mit weitem Blick“ charakterisiert. Dem Lesesaal wurde zusätzlich eine motivierende Klassenzimmeratmosphäre zugesprochen, welche durch die Anordnung der Tische und die hohe Anzahl an anwesenden Studierenden entsteht. Ob sich die generelle Anwesenheit anderer Studierender positiv auf die Motivation des Lernenden auswirkt, konnte jedoch nicht bestätigt werden, da abhängig vom Lärmpegel und Anzahl der umherlaufenden Personen der Arbeitsplatz von einigen VP als ablenkend und von anderen als konzentrationsfördernd angesehen wurde.

Obwohl sich die mittleren Temperaturen zwischen den Nutzerarbeitsplätzen nicht unterschieden, wurden die Plätze subjektiv als anders temperiert wahrgenommen. Während der Schließfachplatz als kalt und der Lesesaal sowie die Dachterrasse als warm bis zu warm betitelt wurden, lag die Temperatur an der Fensterfront in der Komfortzone der VP. Diese Diskrepanz zwischen den objektiv gemessenen und den empfundenen Werten lässt sich mit der Interaktion des subjektiven Temperaturwohlbefindens mit dem visuellen Wohlbefinden erklären.46 Dies erläutert, warum dem unbeliebtesten Platz die unangenehmste und dem Bereich mit dem höchsten Wohlbefinden und der höchsten Beliebtheit die angenehmste Temperatur zugesprochen wurde.

Des Weiteren zeigen die Daten, dass die Lerngewohnheit der VP in einem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden und der Auswahl spezifischer Plätze stehen. Während an dem ruhigen Platz an der Dachterrasse VP sitzen, die beim Lernen ruhige Musik präferieren, lernen Liebhaber der unruhigen Fensterfront und des Lesesaals auch mit schneller Musik und sind es gewohnt nebenbei Videos zu schauen. Dies zeigt, dass unruhige Plätze von Studierenden präferiert werden, die eher unempfindlich gegenüber visueller und auditiver Ablenkung sind, wohingegen Lernende mit einem Bedürfnis nach Ruhe bevorzugt eher abgelegene Plätze aufsuchen.

6. Diskussion

Die durchgeführte Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Lernumgebung und dem Wohlbefinden sowie der Präferenz eines Arbeitsplatzes auch im Vergleich mit anderen Nutzerarbeitsplätzen einer UB. Die Daten zeigen Evidenz dafür, dass sich Studierende an einem Arbeitsplatz mit einer hellen, warmen, ruhigen, ablenkungsarmen und konzentrationsförderlichen Lernumgebung am wohlsten fühlen (Hypothese 1), und diesen bei einem erneuten Bibliotheksbesuch am ehesten für eine Lerneinheit präferieren würden (Hypothese 2). Auch die Einsehbarkeit des Lernraumes, im Sinne eines freien Sichtfeldes des Lernenden, spielt bei der Wahl des persönlichen Lieblingslernplatzes eine große Rolle. An dieser Stelle kann sich Konfliktpotential zwischen einer möglichst lärmdämmenden und einer offenen Gestaltung ohne visuelle Hindernisse ergeben. Neben diesen allgemeinen Erkenntnissen sollte festgehalten werden, dass das individuelle Lernverhalten der Studierenden einen weiteren wichtigen Faktor darstellt (siehe Abb. 9). Da jede*r Nutzende die UB unterschiedlich wahrnimmt und auf Grund seiner Gewohnheiten bestimmte Faktoren präferiert, ist es wichtig, dass den Lernenden möglichst viele verschiedene Arbeitsplätze zur Auswahl gestellt werden.47 Die gewonnenen Erkenntnisse unterstützen demnach den oben erörterten aktuellen Forschungsstand in der Literatur, in dem sehr ähnliche Eigenschaften der Lernumgebung als für das Wohlbefinden der*des Lernenden und die Präferenz des Arbeitsplatzes wichtig erachtet werden.

Abb. 9 Grafik Wichtige Einflussfaktoren

Der Fokus bei der Lernraumoptimierung liegt i. d. R. auf dem Faktor der Lautstärke wodurch eine Reduzierung bzw. Vermeidung jeglicher Geräusche angestrebt wird. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass die Helligkeit der Lernumgebung sowie ein freies Sichtfeld ebenfalls einen wichtigen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Beliebtheit der Plätze haben. Während bei zwei dunklen Plätzen derjenige präferiert wird, welcher ruhiger ist, werden insgesamt zwei helle Lernbereiche favorisiert und mit erhöhtem Wohlbefinden bewertet, obwohl sie als unruhig und laut beschrieben werden. Die Daten zeigen Evidenz dafür, dass sich die Gestaltung der Nutzerarbeitsplätze v. a. an der Steigerung der Helligkeit und einem freien Sichtfeld orientieren sollte, da diese Faktoren sogar eine laute Lernumgebung maßgeblich aufwerten können.

7. Kritik und Ausblick

Trotz sorgfältiger Durchführung und statistischer Auswertung der Studie nach wissenschaftlichen Standards kann die Interpretation und Generalisierbarkeit der Ergebnisse unter Betrachtung von methodischen wie analytischen Gesichtspunkten eingeschränkt sein.

Zu Beginn ist kritisch zu hinterfragen, ob die Hypothesen durch die gerechneten Korrelationen wirklich unterstützt werden können. Da von einer Korrelation nicht auf eine real existierende Kausalität geschlussfolgert werden kann, stellen die berechneten Ergebnisse lediglich Tendenzen dar. Weiterführende experimentelle Studien sollten unter Manipulation spezifischer Eigenschaften der Lernumgebung zur Untermauerung der Erkenntnisse durchgeführt werden.

Die Ergebnisse des Eye-Trackings unterstützen in Kombination mit den Beurteilungs- und Interviewdaten den bisherigen Stand der Literatur, dass Studierende einen Platz mit offener Lernumgebung präferieren,48 da diese einen weiten Rundumblick ermöglicht.49,50 Allerdings ist fraglich, ob die Interpretation aus den Blickdaten, dass Studierende bei einer Entspannungspause vom Lernen nur die im unmittelbaren Blickfeld liegende Umgebung explorieren ohne den Körper zu drehen, generalisiert werden kann. Eine Verzerrung der Daten kann u. a. durch die Anwesenheit der VL und der damit einhergehenden nicht validen Widerspiegelung des Lernprozesses durch verstärkte Fokussierung auf das Aufgabenmaterial und dem bewussten Vermeiden von visuellen Orientierungsreaktionen resultieren. Diese Kritikpunkte könnten in zukünftigen Studien durch eine kabellose Verbindung der Eye-Tracking-Brille mit dem Aufzeichnungsgerät und der damit einhergehenden größeren räumlichen Distanz zur VL minimiert werden.

Die Ergebnisse früherer Studien, Lernende würden sich lieber in die Nähe ihrer studienfachrelevanten Abteilungen setzen,51 konnten aufgrund der mangelnden Repräsentativität der Stichprobe, welche nur aus Psychologiestudierenden bestand, für die gesamte Population der Studierenden der OVGU nicht eindeutig unterstützt werden. Der Umstand, dass die VP nur aus dieser Studienrichtung kamen, kann damit erklärt werden, dass die Teilnahme an diesem längerdauernden Experiment nur mit Versuchspersonenstunden entlohnt wurde. Ein Konzept, welches in der Psychologie gemeinhin genutzt wird, um den Studierenden den Ablauf von Studien praktisch näher zu bringen, anderen Studienrichtungen aber keinen Anreiz zur Teilnahme an solchen Experimenten bietet. Da der Platz an der Fensterfront direkt neben der Psychologieabteilung der UB liegt und ein paar VP angaben, aus Gewohnheit und der Nähe zu ebendieser gern dort zu sitzen, könnten diese Störfaktoren in der hohen Beliebtheit und dem hohen Wohlbefinden an diesem Ort resultieren. Nachfolgende Studien sollten darauf achten, sowohl eine höhere Zahl an VP als auch eine in Bezug auf die Fachrichtung diversere Stichprobe zu untersuchen, um eine Präferenz für bestimmte Plätze auf die gegebene Lernumgebung und nicht auf die Nähe zu bestimmten Fachbereichen zurückführen zu können. Neben der Frage, ob andere Studiengänge ähnliche Bedürfnisse an ihren individuellen Arbeitsplatz stellen, könnte ebenfalls erforscht werden, welche Eigenschaften der Lernumgebung weitere Populationen von Lernenden (berufsbegleitend Studierende oder Studierende im hohen Erwachsenenalter) favorisieren.

Eine generell motivierende Wirkung durch die Anwesenheit anderer Studierender auf den Lernenden, wie die Literatur nahelegt,52,53,54 konnte in der vorliegenden Studie nicht eindeutig gezeigt werden. Dies kann in dem angewendeten quantitativen Versuchsdesign, welches die Eigenschaften der Lernumgebung standardisiert und umfassend erfasste, begründet liegen. Frühere Studien fragten lediglich einzelne Aspekte der Wahrnehmung retrospektiv in Interviews ab. Die Daten weisen darauf hin, dass eine erhöhte Anzahl von Mitlernenden nur motivationsförderlich ist, wenn die Lernumgebung zeitgleich leise ist und die Personen nicht zu oft umherlaufen. Für eine genauere Untersuchung dieses Motivationseffektes und seiner Einflussfaktoren bedarf es weiterer Forschung.

Generell sollten sich zukünftige Studien mit der Frage der Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf andere UB und deren Nutzerarbeitsplätze unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gestaltung beschäftigen. Auch eine Datenerhebung während einer Prüfungsphase wäre möglich. Diese zeichnet sich gemeinhin dadurch aus, dass mehr Studierende zum Lernen in die UB kommen. Hier wäre interessant, wie sich die wahrgenommene Lernumgebung und die damit assoziierte Präferenz der Plätze zwischen der Vorlesungs- und der Prüfungszeit verändern.

Mit Ausnahme der Eye-Tracking-Daten verwendete die vorliegende Studie lediglich subjektive Daten des Wohlbefindens und der Präferenz. Aus diesem Grund kann keine Aussage über die objektive Lernleistung der Studierenden an den verschiedenen Nutzerarbeitsplätzen abgeleitet werden. Eine Untersuchung, ob subjektiv präferierte Lernumgebungen auch mit einer messbaren Verbesserung der Lernleistung einhergehen, sollte ebenfalls im Fokus von Folgestudien stehen.

8. Fazit

Die durchgeführte Studie untersuchte die Wahrnehmung, Beurteilung und Präferenz vier unterschiedlicher Nutzerarbeitsplätze in der UB der OVGU. Die Daten zeigen Evidenz dafür, dass sich die Wahrnehmung der Lernumgebung auf die Beurteilung des Arbeitsplatzes insofern auswirkt, als dass Studierende eine als leise, ruhig, hell und warm wahrgenommene Lernumgebung mit genügend Platz zum Arbeiten bevorzugen, da sie sich dort wohler fühlen. Je höher das Wohlbefinden an einem Arbeitsplatz, desto eher wird ein Studierender diesen auswählen. Die Studie zeigt, dass bei der Gestaltung ablenkungsarmer und konzentrationsförderlicher Nutzerarbeitsplätze v. a. die Helligkeit, die ergonomische Ausstattung, ein freies Sichtfeld sowie die Lautstärke als wichtige Einflussfaktoren für das Wohlbefinden des Lernenden berücksichtigt werden sollten, wobei durch eine Optimierung des Helligkeitsgrades sowie der Blickfreiheit auch eine laute Lernumgebung aufgewertet werden kann. Da jeder Studierende jedoch individuelle Lerngewohnheiten hat, sollte die Aufgabe einer UB darin bestehen, den Nutzenden möglichst viele verschiedene Arbeitsplätze zur Auswahl zu stellen. Den idealen Arbeitsplatz für alle gibt es demnach nicht. Auch vor dem Hintergrund der dargestellten Kritikpunkte bezüglich des Versuchsdesigns, konnte mit Hilfe der erstellten Fragebögen und den Interviews sowie der genutzten Eye-Tracking-Technik eine systematische und ganzheitliche Darstellung der Nutzerarbeitsplätze in ihrer jeweiligen Lernumgebung aufgezeigt werden. Die Nutzung von mobilen Eye-Tracking-Brillen ist demnach folgenden Studien zu empfehlen, um bestimmte Eigenschaften der Lernumgebung objektiv und valide untersuchen zu können.

Literaturverzeichnis

1 Turner, Arlee; Welch, Bernadette; Reynolds, Sue: Learning Spaces in Academic Libraries – A Review of the Evolving Trends, in: Australian Academic & Research Libraries, 44 (4), 2013, S. 226-234. Online: <https://doi.org/10.1080/00048623.2013.857383>, Stand: 17.06.2020.

2 Ansprechpartner und Initiator war Jens Ilg, Leiter der Abteilung Benutzungs- und Informationsdienste der UB Magdeburg.

3 Ilg, Jens: Magdeburger Inselketten. Lernraum mit Architektur, in: Holländer, Stephan; Sühl-Strohmenger, Wilfried; Syré, Ludger (Hg.): Hochschulbibliotheken auf dem Weg zu Lernzentren. Beispiele aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wiesbaden (im Druck).

4 Hygge, Staffan; Knez, Igor: Effects of noise, heat and indoor lighting on cognititive performance and self-reported affect, in: Journal of environmental psychology, 21 (3), 2001, S. 291-299. Online: <https://doi.org/10.1006/jevp.2001.0222>, Stand: 19.06.2020.

5 Wood, Philip; Warwick, Paul: Exploring Complex Learning Spaces, in: Journal of Learning and Teaching in Higher Education, 1 (1), 2018, S. 59-81. Online: <https://doi.org/10.29311/jlthe.v1i1.2591>, Stand: 17.06.2020.

6 Bedwell, Linda; Banks, Caitlin. S.: Seeing Through the Eyes of Students. Participant Observationin an Academic Library, in: Partnership. The Canadian Journal of Library and Information Practice and Research, 8 (1), 2013. Online: <https://doi.org/10.21083/partnership.v8i1.2502>, Stand: 18.06.2020.

7 Andrews, Camille; Wright, Sarah. E.; Raskin, Howard: Library Learning Spaces. Investigating Libraries and Investing in Student Feedback in: Journal of Library Administration, 56 (6), 2015, S. 647-672. Online: <https://doi.org/10.1080/01930826.2015.1105556>, Stand: 17.06.2020.

8 Hedge, Asha. L.; Boucher, Patricia M.; Lavelle, Allison D.: How Do You Work? Understanding User Needs for Responsive Study Space Design, in: College & Research Libraries, 79 (7), 2018, S. 895-915. Online: <https://doi.org/10.5860/crl.79.7.895>, Stand: 17.06.2020.

9 May, Francine; Swabey, Alice: Using and experiencing the academic library. A multi-site observational study of space and place, in: College & Research Libraries, 76 (6), 2015, S. 771–795. Online: <https://doi.org/10.5860/crl.76.6.771>, Stand: 17.06.2020.

10 Cox, Andrew M.: Space and embodiment in informal learning, in: The International Journal of Higher Education Research, 75, 2018, S. 1077–1090. Online: <https://link.springer.com/article/10.1007/s10734-017-0186-1>, Stand: 17.06.2020.

11 Andrews; Wright; Raskin: Library Learning Spaces, 2015.

12 Cossard, Patricia K.: On-the-Spot Interviewing. Quick and Easy Tool for Collecting User Data, in: Foster, Nancy F. (Hg.): Participatory Design in Academic Libraries. Methods, Findings, and Implementations, Washington 2012, S. 20-23.

13 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

14 Wood; Warwick: Exploring Complex Learning Spaces, 2018.

15 Cox: Space and embodiment in informal learning, 2018.

16 Bedwell; Banks: Seeing Through the Eyes of Students, 2013.

17 Hedge; Boucher; Lavelle: How Do You Work?, 2018.

18 ebd.

19 Andrews; Wright; Raskin: Library Learning Spaces, 2015.

20 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

21 Bedwell; Banks: Seeing Through the Eyes of Students, 2013.

22 Cossard: On-the-Spot Interviewing, 2012.

23 Cox: Space and embodiment in informal learning, 2018.

24 Khoo, Michael J.; Rozaklis, Lilly; Hall, Catherine u. a.: “A Really Nice Spot”. Evaluating Place, Space, and Technology in Academic Libraries, in: College & Research Libraries, 77 (1), 2016, S. 51-70. Online: <https://doi.org/10.5860/crl.77.1.51>, Stand: 18.06.2020.

25 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

26 Cossard: On-the-Spot Interviewing, 2012.

27 Webb, Kathleen. M.; Schaller, Molly A.; Hunley, Sawyer A.: Measuring Library Space Use and Preferences. Charting a Path Toward Increased Engagement, in: Libraries and the Academy, 8 (4), 2008, S. 407-422. Online: <https://doi.org/10.1353/pla.0.0014>, Stand: 18.06.2020.

28 Wood; Warwick: Exploring Complex Learning Spaces, 2018.

29 Andrews; Wright; Raskin: Library Learning Spaces, 2015.

30 ebd.

31 Hedge; Boucher; Lavelle: How Do You Work?, 2018.

32 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

33 Wood; Warwick: Exploring Complex Learning Spaces, 2018.

34 Cox: Space and embodiment in informal learning, 2018.

35 Die räumliche Lage der vier Nutzerarbeitsplätze kann unter http://ubmd.ovgu.de/virtual/virtual.html eingesehen werden.

36 Die Videodaten wurden mit einer Eye-Tracking-Brille der Marke Dikablis Glasses 3 von Ergoneers mit der Software D-Lab 3.54.9114.0 auf einem Predator-Laptop des Modells PH517-51 aufgezeichnet und analysiert.

37 Schiffner, Christian: SIKORE. Sicher Kopfrechnen, 2018, <https://sikore.schiffner-tischer.de/>, Stand: 31.03.2020.

38 Steyer, Ralf; Notz, Peter; Schwenkmezger, Peter. u. a.: Der Mehrdimensionale Befindlichkeitsfragebogen (MDBF), Göttingen 1997.

39 Schmicker, Sonja; Waßmann, Stefan: Mitarbeiterbefragung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz (PsyBeL Check-up), Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und METOP GmbH, Magdeburg 2019.

40 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege: Fragebogen zur Erhebung psychischer Belastung am Arbeitsplatz/Arbeitsbereich, 2017. Online: <https://www.bgw-online.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medientypen/BGW%20Broschueren/BGW08-00-042_Psychische-Gesundheit-im-Fokus-bf_Download.pdf?__blob=publicationFile>, Stand: 02.04.2020.

41 Leitner, Konrad; Volpert, Walter; Greiner, B. u. a.: Analyse psychischer Belastung in der Arbeit. Das RHIA-Verfahren. Manual und Antwortblätter, Köln 1987.

42 Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung: Broschüre „Pädagogisch diagnostizieren im Schulalltag“. Fragebogen zu deinem Lernverhalten, 2018. Online: <https://www.isb.bayern.de/download/7420/anlage11_fragebogen_lernverhalten.pdf>, Stand: 01.04.2020.

43 Alle statistischen Analysen sowie Tabellen und Abbildungen wurden mit der Software IBM SPSS Statistics 23.0 berechnet bzw. erstellt. Zur Überprüfung der Hypothesen und Fragestellungen wurden bivariate Korrelationsanalysen (Analyse der Beziehung zwischen zwei Variablen) mit dem Pearson Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten bzw. nach Kendalls-Tau berechnet. Das Signifikanzniveau, ab welchem die Annahme, dass die untersuchten Variablen sich nicht unterscheiden, verworfen wird, wurde mit .05 festgesetzt. Ausreißer (stark von der Erwartung abweichende Messwerte) wurden aus den Analysen ausgeschlossen.

44 Das 95%-Konfidenzintervall stellt den Bereich dar, in dem in 95% der gezogenen Stichproben der Mittelwert liegt.

45 Ein Boxplot-Diagramm ist in 4 Quartiere geteilt, welche durch Striche voneinander getrennt sind und jeweils 25 % der gegebenen Antworten enthalten. Der dickere Strich im Inneren des Kästchens jedes Boxplots stellt den Median dar. Dieser liegt nach 50% der Antworten, wenn diese in aufsteigender Reihenfolge sortiert werden.

46 Te Kulve, Marije; Schlangen, Luc; van Marken Lichtenbelt, Wouter: Interactions between the perception of light and temperature, in: Indoor Air. International Journal of Indoor Environment and Health, 28 (6), 2018, S. 881-891. Online: <https://doi.org/10.1111/ina.12500>, Stand: 10.07.2020.

47 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

48 Andrews; Wright; Raskin: Library Learning Spaces, 2015.

49 ebd.

50 May; Swabey: Using and experiencing the academic library, 2015.

51 Wood; Warwick: Exploring Complex Learning Spaces, 2018.

52 Bedwell; Banks: Seeing Through the Eyes of Students, 2013.

53 Cossard: On-the-Spot Interviewing, 2012.

54 Cox: Space and embodiment in informal learning, 2018.