Nachruf auf Hans Popst (1940‒2020)

An späten Nachmittag des 28. November 2017 stiegen eine Kollegin und ich nach einer Fortbildung im Fachbereich Polizei der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (HföD) in Fürstenfeldbruck in die S-Bahn Richtung München. An der Haltestelle Eichenau betrat ein freundlicher älterer Herr das Abteil und setzte sich uns gegenüber. Da es sehr kalt war und wir alle dick in Mützen und Schals eingehüllt waren, erkannten wir uns nicht sofort: Der freundliche Herr mit dem wachen Blick und dem verschmitzten Lächeln war der geschätzte Kollege Hans Popst auf dem Weg zu einer kulturellen Veranstaltung nach München. Ein angeregtes Gespräch entspann sich über die anstehende Diplomierungsfeier und das Befinden der ehemaligen und derzeitigen Kolleg*innen am Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen. Dieser Plausch zeigte einmal mehr Hans Popsts tiefe Verbundenheit mit dem Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen der HföD und vor allem sein auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2005 bestehendes Interesse an allen Kolleginnen und Kollegen, die er im Laufe seines langjährigen beruflichen Wirkens als Bibliothekar und Hochschullehrer in perfekter Weise auf den Beruf vorbereitet und geprägt hat. Hans Popst war aber viel mehr als einer der im deutschsprachigen Raum bekanntesten Hochschullehrer des Fachbereichs – er war der Hans Popst, der Co-Autor des Standardwerks für Generationen von Bibliothekar*innen, des „Haller/Popst“ (Katalogisierung nach den RAK-WB : eine Einführung in die Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken).

Hans Popst im Jahr 2005

Hans Popst wurde am 13. Januar 1940 als jüngstes Kind von Hans und Anna Popst im rumänischen Temeswar (Banat) geboren. Der Zweite Weltkrieg riss die Familie auseinander, der Vater wurde 1943 zum deutschen Militär eingezogen, die Mutter zur Zwangsarbeit nach Russland verschleppt. Von 1947 bis 1950 besuchte Hans Popst die deutsche Volksschule (Grundschule) in Freidorf (heute ein Stadtbezirk von Temeswar, damals ein überwiegend von Deutschen bewohntes eigenständiges Dorf). Die Eltern wurden bereits 1946 in Traunstein ansässig, konnten die Söhne aber erst im Juni 1950 von Rumänien nach Deutschland holen. Ab Herbst 1950 besuchte Hans Popst die Volksschule Traunstein und trat im September 1952 auf die Oberrealschule – ebenfalls in Traunstein – über, die er 1961 mit dem Abitur abschloss. Im März 1961 bewarb sich Hans Popst um einen Studienplatz zum Diplombibliothekar bei der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken. Nach der sehr erfolgreich bestandenen Auswahlprüfung und dem Ableisten des Wehrdienstes wurde er am 14. November 1962 zum Bibliotheksinspektoranwärter ernannt. Das Studium an der Bayerischen Beamtenfachhochschule schloss Hans Popst im Oktober 1964 als Kursbester von 28 Absolvent*innen ab. Am 1. November 1964 trat er im Signierdienst der Benutzungsabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek seine erste Stelle als Bibliotheksinspektor z.A. an. Im November 1973 wurde Hans Popst dann der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken zugewiesen, wo er ab 1. Juli 1975 als hauptamtliche Lehrperson an der Bayerischen Beamtenfachhochschule im Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen tätig war – ein Glücksfall für die bibliothekarische Ausbildung in Bayern, aber auch für die Regelwerksarbeit in der Formalkatalogisierung im deutschsprachigen Raum.

Gemeinsam mit Dr. Klaus Haller von der Bayerischen Staatsbibliothek nahm er die Arbeit an dem von meinem Referendarkurs liebevoll-scherzhaft „blaue Bibel“ genannten Standardwerk „Katalogisierung nach den RAK-WB“ auf, das 1981 erstmals aufgelegt wurde. Gemeinsam mit dem Kollegen Haller unterrichtete Hans Popst zusätzlich zu seinen Aufgaben an der Beamtenfachhochschule nebenamtlich die Referendar*innen und die Anwärter*innen des mittleren Bibliotheksdienstes an der Bayerischen Bibliotheksschule (heute Bibliotheksakademie Bayern); außerdem war er ebenfalls nebenamtlich für das Deutsche Bibliotheksinstitut in Berlin tätig. Aus eben dieser Lehrtätigkeit im gehobenen und höheren Bibliotheksdienst zog Hans Popst immer wieder wichtige Impulse für die Regelwerkstätigkeit – ein sehr gewinnbringender und fruchtbarer Austausch für das deutschsprachige Bibliothekswesen. Bei der Lektüre des „Haller/Popst“ ist dieser Geist auf jeder Seite spürbar: Äußerst anschaulich und mit zahlreichen Beispielen wurden die Leser*innen, vielfach Studierende des Bibliothekswesens, langsam an die RAK herangeführt. Der „Haller/Popst“ war Lehrbuch und unverzichtbares Nachschlagewerk für den beruflichen Alltag zugleich. Hans Popst hat sowohl die RAK-WB als auch die Sonderregeln redigiert und diese als Mitglied der Kommission für Alphabetische Katalogisierung des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI) auch mit erarbeitet. Den Umstieg auf RDA verfolgte er mit weiser Gelassenheit und der ihm eigenen bibliothekarischen Weitsicht.

Als Hans Popst Ende Januar 2005 in den wohlverdienten Ruhestand ging, endete für den Fachbereich eine Ära: Hans Popst war Bibliothekar und Hochschullehrer „mit Leib und Seele“ und verstand es wie kaum ein anderer für die Formalerschließung zu begeistern. Damit hat er Generationen von Bibliothekar*innen nachhaltig fachlich und im Hinblick auf ihr berufliches Ethos geprägt und das Verständnis für die Bandbreite in der Katalogisierung geweckt. Seine Begeisterung für die Materie war ansteckend und ist allen seinen Studierenden noch lebhaft im Gedächtnis.

Neben seinem hervorragenden Gedächtnis – er erinnerte sich auch noch Jahre später an die Namen seiner Studierenden – und seiner breit gefächerten bibliothekarischen Expertise wird uns allen der Mensch Hans Popst im Gedächtnis bleiben: stets korrekt in Hemd und Sakko gekleidet, mit immenser Begeisterungsfähigkeit als Hochschullehrer, aber zugleich nahbar und mit einem Leuchten in den Augen sich sachkundig über die aktuellen Entwicklungen in der Formalerschließung und im Bibliothekswesen insgesamt äußernd.

Der Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen hat Hans Popst viel zu verdanken. Sein langjähriges erfolgreiches Wirken hat wesentlich zum hervorragenden Ruf des Studiums in der Fachrichtung Bibliothek an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern beigetragen. Wir werden Hans Popst als Experten für die Formalerschließung sowie als Vollblutbibliothekar, der seine Berufung in der Ausbildung von zukünftigen Kolleg*innen gefunden hat, in Erinnerung behalten und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Naoka Werr, Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, München

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5673

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