Professor Helmut Jüngling (24.5.1949–16.9.2020)

Am 16.9.2020 verstarb Professor Helmut Jüngling. Helmut Jüngling war vom 3.4.1991 bis zur Eingliederung in die Fachhochschule (FH) Köln am 1.4.1995 Rektor der eigenständigen Kölner Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (FHBD). In dem aus der FHBD hervorgegangenen Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen der FH Köln übernahm er bis zum 14.2.1997 das Amt des Dekans. Danach konzentrierte er sich auf sein Lehrgebiet Datenverarbeitung und Informationsvermittlung. Zum 31.8.2012 schied er aus dem aktiven Dienst als Hochschullehrer aus. Als Rektor und Dekan hat Helmut Jüngling dabei in schwierigen Zeiten Verantwortung für die Entwicklung der Hochschule übernommen.

Helmut Jüngling arbeitete nach seinem Studium des Bauingenieurwesens an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen als Wissenschaftlicher Assistent in diesem Fachgebiet. Nach Abschluss des Bibliotheksreferendariats (1980 bis 1982) war er bis zu seiner Berufung an die FHBD im Jahr 1987 als Fachreferent in der Bibliothek der RWTH Aachen tätig.

Die 1990er Jahre, zu deren Beginn Jüngling in die Funktion des Rektors der FHBD gewählt wurde, waren geprägt von großen Umbrüchen in der deutschen Bibliothekslandschaft. Inhaltlich erfuhren Informationstechnologie, Internet und die dadurch ermöglichten neuen Informationsdienstleistungen einen rasch wachsenden Stellenwert. Strukturell entstand die Notwendigkeit, die rasant erweiterten Qualifikationsanforderungen in den Bibliotheken und der Informationswirtschaft zu bedienen. Helmut Jüngling hat sich in dieser Zeit nicht gescheut, sich auf die in solchen Umbruchsituationen fast unvermeidbaren Konflikte einzulassen.

In der Anfangsphase seiner Zeit als Rektor der FHBD schien es noch möglich, die neuen inhaltlichen Anforderungen an die Lehre aus dieser relativ kleinen, fachlich fokussierten Hochschule heraus in Eigenregie zu bewältigen. Aus wissenschaftspolitischer Perspektive der Verantwortlichen im Land Nordrhein-Westfalen überwog jedoch schon bald die Sicht, dass die fachlichen und organisatorischen Synergien einer Eingliederung in die FH Köln – mit der die FHBD dasselbe Gebäude in der Claudiusstraße 1 in Köln nutzte – deutlich mehr Potentiale bieten würden. Ein externes Gutachten hierzu unterstützte diese ministerielle Entscheidung. Helmut Jüngling machte sich diese Sicht – aus heutiger Perspektive zum Glück – trotz des Verlustes der Eigenständigkeit der FHBD und seiner eigenen Position aus sachlichen Gründen zu eigen. Dazu beigetragen hat sicher auch das erklärte Ziel, modernisierte Studienangebote realisieren zu wollen. Im Gegensatz dazu sahen andere in einer Weiterführung der verwaltungsinternen Qualifizierungswege für den damaligen mittleren, gehobenen und höheren Bibliotheksdienst eine Gewähr, ihren Einfluss auf Studieninhalte, Vermittlungsformen und die vorgelagerte Personalauswahl aufrecht erhalten zu können. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden europaweiten Orientierung auf Bachelor- und Masterstudiengänge bestand jedoch der klare politische Wille in Nordrhein-Westfalen, die mit diesen Studiengangkonzepten verbundenen Innovationspotentiale auch für den Bibliotheks- und Informationsbereich zu nutzen. Hinzu kam die Option, den anstehenden Generationswechsel bei den Lehrenden als Chance zur inhaltlichen Modernisierung der Lehrinhalte zu ergreifen. Jüngling übernahm somit die Aufgabe, als Gallionsfigur gegen erhebliche interne wie externe Widerstände den politisch gewollten Umbruch anzustoßen und zu kommunizieren – während parallel neue bibliotheks- und informationswissenschaftliche Studiengänge entwickelt wurden und gleichzeitig eine überdurchschnittliche Zahl an Neuberufungen auf den Weg zu bringen war. Die über Jahre hinweg große Zahl unbesetzter Professuren der FHBD bzw. des Fachbereichs machten es ihm als Verantwortlichen dabei nicht leicht, das notwendige Lehrangebot sicher zu stellen.

Auf überregionaler Verbandsebene engagierte sich Jüngling von 1995 bis 1997 als Vorsitzender der KIBA, der gemeinsam von Deutschen Bibliotheksverband (DBV) und der damaligen Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD; heute DGI) getragenen „Konferenz der Informatorischen und Bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen“ (damalige Bezeichnung; heute „Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge“).

Nach seinem Rückzug aus dem Amt des Dekans im Februar 1997 konzentrierte sich Helmut Jüngling entsprechend seinem Berufungsgebiet u.a. auf das Themenfeld der Recherche in Fachinformationsdatenbanken. Innerhalb des Fachbereichs bzw. im späteren Institut für Informationswissenschaft organisierte er bis zu seinem – aus gesundheitlichen Gründen vorzeitigen – Ausscheiden im Jahr 2012 die zeitliche Planung des Lehrveranstaltungsangebotes.

Ehrenamtliches Engagement u.a. bei einer Selbsthilfevereinigung, bei dem er nicht zuletzt auch gerne seine technischen Interessen und Kompetenzen einbrachte, war auch im Ruhestand sein Anliegen.

Den aktiven und ehemaligen Kolleg*innen des heutigen Instituts für Informationswissenschaft der TH Köln bzw. seiner Vorgängereinrichtungen, die Helmut Jüngling in der Hochphase seines Engagements als Funktionsträger erlebt haben, wird er als ein Kollege in Erinnerung bleiben, der in schwierigen Umbruchzeiten Verantwortung übernommen hat. Gleich, ob man ihn unterstützt oder mit ihm um eine inhaltlich andere Ausrichtung der Hochschule bzw. des Fachbereichs gerungen haben mag: Ihm gebührt Dank und Anerkennung für das von ihm im Sinne einer zeitgemäßen Qualifizierung der Studierenden und einer zukunftsorientierten Entwicklung des (nordrhein-westfälischen) Bibliotheks- und Informationswesens Geleistete.

Als Mensch werden sich viele an Helmut Jüngling wegen seiner freundlichen und umgänglichen Art erinnern, mit der er immer wieder Verständnis für persönliche Belange von Kolleg*innen wie Studierenden gezeigt hat.

Achim Oßwald und Simone Fühles-Ubach,
Institut für Informationswissenschaft, TH Köln

Köln, 7.12.2020