Praxishandbuch Schreiben in der Hochschulbibliothek / herausgegeben von Wilfried Sühl-Strohmenger und Ladina Tschander ; unter Mitwirkung von Martina Straub. – Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2019. – XV, 354 Seiten : Illustrationen. – (De Gruyter Reference). – ISBN 978-3-11-059 116-3 : EUR 79.95 (auch als E-Book verfügbar)

Mit Spannung haben Bibliothekarinnen und Bibliothekare auf das „Praxishandbuch Schreiben in der Hochschulbibliothek“ gewartet. Die enthaltenen 24 Beiträge sind, wie erwünscht, überwiegend praxisorientiert verfasst, in einigen wird zudem eine theoretische Fundierung vorgenommen. Das Handbuch gibt einen guten Überblick über zahlreiche in der Praxis erprobte Konzepte von Hochschulbibliotheken in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. In den Beiträgen wird das Thema wissenschaftliches Schreiben fokussiert, welches als zentrale akademische Kompetenz an Universitäten und anderen Hochschulen bezeichnet werden kann. Das wissenschaftliche Schreiben ist für alle Zielgruppen in sämtlichen Phasen ihres studentischen und beruflichen Wirkens von hoher Relevanz und adressiert sowohl Studierende, Promovierende als auch Lehrende und Forschende. Im vorliegenden Handbuch richten sich die konzeptionellen Überlegungen der vorgestellten Praxisbeispiele allerdings ausschließlich auf die aktive Unterstützung des studentischen Schreibens.

Thematisch eng verzahnt mit dem wissenschaftlichen Schreiben ist die Informationskompetenz. Informationen analog und digital zu recherchieren, zu analysieren, zu bewerten und aufzubereiten – das wird in Schulen oftmals nicht hinreichend vermittelt. Jedoch wird beides – Informationskompetenz und wissenschaftliches Schreiben – von Studierenden bereits in der Studieneingangsphase erwartet. Diese müssen sich daher beide Kompetenzen neben der fachlichen Auseinandersetzung mit ihren Studieninhalten relativ zügig aneignen. Im Idealfall ist der Kompetenzerwerb im jeweiligen Curriculum verankert; in den Fakultäten und Instituten können beispielsweise verschiedene Dienstleistungsangebote der Bibliotheken und anderer Serviceeinrichtungen der Hochschule in Anspruch genommen und als verpflichtende Bausteine in der Studieneingangsphase integriert werden. Die entsprechenden Kompetenzen sind zumeist auch in Prüfungs- und Bewertungssituationen akademischer Leistungen von erheblicher Relevanz.

Die Vermittlung der genannten Kompetenzen wird von Hochschulbibliotheken seit nunmehr zwei Jahrzehnten als eigenes Aufgabenfeld betrachtet, sind sie doch die Spezialisten und zentralen Wissensspeicher einer Hochschule und betrachten es auch als ihre Aufgabe, den Aufbau akademischer Integrität zu fördern und einen Beitrag für das Ansehen der jeweiligen Hochschule zu leisten. Die Autorinnen und Autoren zeigen auf, wie eine adäquate Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens und die Förderung von Schreibkompetenz gelingen kann. Die Herausgeber vertreten den Standpunkt, dass diese Expertise genauso wichtig ist wie die Unterstützung des wissenschaftlichen Publizierens. Das Schreiben zu erlernen sei Teil der Förderung von Informationskompetenz. Sie heben zudem hervor, dass die Vermittlung von studentischer Schreibkompetenz nicht ausschließlich Aufgabe von speziell dafür eingerichteten Stellen wie Schreibzentren sei, sondern zukünftig noch stärker als Aufgabe von Hochschulbibliotheken wahrgenommen werden sollte.

Wie der Band zeigt, haben Hochschulbibliotheken für die Förderung von Schreibkompetenz schon viel geleistet: Sie haben viele unterschiedliche Formate, oft als maßgeschneiderte Schulungen und Beratungen, konzipiert und evaluiert. Auch kurzweilige und thematisch facettenreiche Events werden erfolgreich durchgeführt und haben weitere innovative Formate hervorgebracht. In den letzten Jahren hat man den Fokus stärker auf interaktive Elemente durch Einbezug digitaler Tools gerichtet. Die innovativen Formate verfolgen das Ziel, die Schreibkompetenz von Studierenden analog und digital zu unterstützen. Daher sollten neben Präsenzschulungen zunehmend auch hybride oder auf reine Online-Formate ausgerichtete Schulungsangebote konzipiert werden.

Allerdings präsentiert das Praxishandbuch nur in einem Beitrag ein digitales Konzept (G. Fahren­krog, R. Mumenthaler, K. Schuldt: Schreiben im digitalen Raum) sowie in einem zweiten Beitrag ein hybrides Konzept (T. Guter, C. Kocian-Dirr: Hochschulbibliothek Neu-Ulm: Weiterentwicklung des Schnellkurses „Wissenschaftliches Schreiben“ zum intracurricularen Blended Learning-Kurs „Bridge the Gap“). Es wäre wünschenswert gewesen, weitere Praxisbeispiele zur Abbildung hybrider und digitaler Formate in den Sammelband aufzunehmen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Lehre verstärkt auf digitale Formate umgestellt werden muss. Sie hat die Entwicklung digitaler Formate und damit auch die ubiquitäre Verzahnung formeller und informeller Lernprozesse dynamisiert. Spätestens jetzt sind die Hochschulleitungen und zentralen Einrichtungen gefordert, strategische Handlungskonzepte zu präsentieren.

Zahlreiche Beiträge machen deutlich, dass es in den Hochschulbibliotheken interessante Dienstleistungsangebote und Aktivitäten sowie Kooperationen und Netzwerke gibt und dass Hochschul­bibliotheken im 21. Jahrhundert eine hervorragende Expertise aufgebaut haben, ansprechende und maßgeschneiderte Konzepte zu realisieren – jedoch in der Regel in Präsenz-Settings, teilweise auch mit Verweisen auf ausgelagerte Inhalte im Webangebot.

Das Handbuch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden grundlegende Fragen zum Thema erörtert. Es geht in den Beiträgen beispielsweise um eine kulturgeschichtliche Annäherung von Bibliothek und Schreiben, um die Rolle der Bibliothek bezogen auf die Schreibdidaktik sowie um deren Rolle als Kooperationspartner. Auch das Verhältnis von Wissenschaft und Offenheit im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens als Teil von Lehre wird diskutiert. In weiteren Beiträgen stehen Fragen zum Marketing, zur Schreibdidaktik und zum digitalen Raum im Fokus.

Der zweite Teil behandelt bewährte und etablierte Dienstleistungsangebote, Aktivitäten und Veranstaltungsformate aus Hochschulbibliotheken. Es ist evident, dass die beiden Handlungsfelder Schreib- und Informationskompetenz hervorragend miteinander verknüpft werden können, beispielsweise in einer „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“, bei der Realisierung und Entwicklung eines Schnellkurses zur Schreibunterstützung oder beim Aufbau einer Schreibwerkstatt bzw. eines Schreibzentrums. Diese Schreibzentren beschäftigen sich mit Fragen der Wissensdokumentation, mit dem Schreibprozess und mit der Vermittlung akademischer Integrität in studentischen Schreibprojekten.

Der dritte Teil trägt den Titel „Kooperationen und Netzwerke“. Hier wird deutlich, dass Kooperationen von Einrichtungen innerhalb einer Hochschule von großer Bedeutung sind. Des Weiteren werden zentrale Aspekte wie personelle, räumliche Ressourcen und technische Infrastrukturen ausführlich thematisiert. Auch die Bezeichnung der institutionellen Schnittstellen und deren strukturelle Aufgaben werden behandelt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Hochschulbibliotheken sehr unterschiedliche Umsetzungswege gefunden haben.

Aber dies macht gerade den Reiz beim Lesen aus – so lädt das vorgestellte Themenspektrum zum gedanklichen Spaziergang ein und regt dazu an, bereits vorhandene Angebote in der eigenen Hochschulbibliothek zu überarbeiten. Etablierte Konzepte und Dienstleistungen können auf Aktualität und Innovationsgrad überprüft werden. Die Leserinnen und Leser werden angeregt, sich insbesondere Marketingstrategien zu Nutze zu machen und sich ihrer Innovationskraft stärker bewusst zu sein. Die Organisation Hochschule sollte sich diesen Neuerungen öffnen und die Chance nutzen, Innovationen zu fördern und gemeinsam mit der Hochschulleitung studentische Lernprozesse im digitalen Zeitalter optimal zu unterstützen.

Das 2019 erschienene Werk ist eine fachliche Bereicherung für alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Der anwendungsbezogene und fachspezifische Zugang zum Thema sowie die zahlreichen Praxisbeispiele werden gut dargestellt. Das Handbuch ist allen Bibliotheken an Hochschulen zur Anschaffung empfohlen. Die Rezensentin würde sich insbesondere über ein weiteres Handbuch des Herausgeberteams freuen, welches stärker auf digitale Formate Bezug nimmt.

Anke Petschenka, Universitätsbibliothek Duisburg-Essen

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5607

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