Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

In seiner ersten Sitzung des Jahres 2020 am 13. und 14. Februar konnte der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) fünf neue Mitglieder begrüßen.1 Folgende Themen standen im Mittelpunkt der Diskussionen:

Förderprogramm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID)

Leitlinien zur Weiterentwicklung des Programms

In den Jahren 2017/2018 war das Programm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID) evaluiert worden. Die Evaluierung wurde durch eine vom AWBI eingesetzte Kommission begleitet, die auf der Grundlage der Ergebnisse der Evaluierung eine eigene Stellungnahme abgegeben hat.2 Die darin formulierten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Programms beziehen sich auf drei Ebenen:

  1. Ebene der einzelnen FID
  2. Zusammenwirken der FID
  3. Wissenschafts- bzw. förderpolitische Ebene (längerfristige Finanzierung)

Angeregt worden war, die Weiterentwicklung der FID-Förderung in einem partizipativen Prozess zu gestalten und ein Set an Kennzahlen und Indikatoren für ein gezieltes Monitoring der FID zu erarbeiten. Dies wurde im vergangenen Jahr über zwei Workshops zu den Themen Indikatorik sowie Selbstorganisation und Kooperation vorbereitet. Im Nachgang zu diesen Veranstaltungen wurde zum einen ein von den Antragstellenden auszufüllendes Datenblatt erarbeitet, das bereits in der diesjährigen Antragsphase zur Anwendung kommt. Zum anderen haben die FID-Einrichtungsleitungen eine Arbeitsgruppe zur Selbstorganisation gegründet und bereits ein erstes Positionspapier veröffentlicht, in dem das Zusammenwirken der FID thematisiert wird. Des Weiteren befasst sich derzeit eine DFG-interne Arbeitsgruppe mit den Fragen zur längerfristigen Finanzierungsperspektive und den dazu erforderlichen förderpolitischen Rahmenbedingungen.

Auf Grundlage der in der Stellungnahme formulierten Empfehlungen und den Ergebnissen der Workshops wurden konkrete Vorschläge zu Anpassungen des Förderprogramms „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ erarbeitet und als Leitlinien ausformuliert, die der AWBI in seiner Sitzung eingehend erörtert und verabschiedet hat. Diese Leitlinien werden nun den weiteren Gremien der DFG zur Beratung und Verabschiedung vorgelegt, um die Förderung ab dem Jahr 2021 an den dort formulierten Modalitäten auszurichten.

Workshop zur Selbstorganisation und Kooperation der FID-Einrichtungen

Der AWBI hat sich über die Ergebnisse des Workshops zu Selbstorganisation und Kooperation der FID-Einrichtungen, der im November 2019 stattgefunden hat, informiert. Ziel war die Erarbeitung konkreter Vorschläge für ergänzende Fördermaßnahmen, mit denen das Zusammenwirken der Fachinformationsdienste in einer ausgewogenen Mischung aus Anreizen und Fördervorgaben stimuliert werden kann. Dazu wurden die unterschiedlichen Perspektiven (Forschung, große FID-Bibliothek, Nicht-FID-Bibliothek, fachliche und regionale FID) in die Diskussion eingebracht. Angeregt wurde, Anträge auf Mittel für Kooperationen und Selbstorganisation auch unabhängig von FID-Anträgen stellen zu können, damit entsprechende Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt angestoßen werden können. Die Ergebnisse der Veranstaltung sind in den Entwurf der Leitlinien zur Weiterentwicklung des Programms (s. oben) eingeflossen.

Erschließung und Digitalisierung

Die Abteilung „Fachliche Angelegenheiten der Forschungsförderung“ der DFG hat im November 2019 einen Workshop zum Thema „Förderung von Forschung in Museen“ organisiert, an dem Senatorinnen und Senatoren, Fachkollegiatinnen und Fachkollegiaten der DFG sowie ein Vertreter des AWBI teilgenommen haben. Der Workshop bot die Gelegenheit, der fachlichen Community die Leitlinien für das neu konzipierte Programm „Digitalisierung und Erschließung“ vorzustellen. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass bisher die Anzahl der Anträge aus Museen eher gering ist. Dies liegt zum einen am fehlenden Angebot, dem mit der Ausweitung des Programmes auf sämtliche wissenschaftlich relevante Objekte begegnet wird, aber auch daran, dass bestehende Angebote bisher wenig bekannt sind. Die Leitlinien haben aus dem Kreis der Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer nachdrückliche Zustimmung erfahren.

Seitens des AWBI wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei dem neu konzipierten Programm „Digitalisierung und Erschließung“ nicht um ein Angebot handelt, das sich vorwiegend an Museen richtet. Für die Projektförderung werden vielmehr sowohl spartenübergreifende Kooperationen zwischen allen bestandshaltenden Einrichtungen (Bibliotheken, Archiven und Museen) als auch Kooperationen zwischen bestandshaltenden Einrichtungen mit der Forschung wichtig sein.

Neues Förderprogramm „Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren“

Im vergangenen Jahr hatte der AWBI sich intensiv mit der Bewertung der Programme „Überregionale Lizenzierung“ und „Open Access Publizieren“ befasst und die von der dafür eingesetzten Kommission erstellten Empfehlungen eingehend diskutiert.

Von der Kommission wurde nun vorgeschlagen, die Förderung von Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren und die Förderung von Publikationskosten in jeweils eigene Programme aufzuteilen. Diesem Vorschlag folgend soll das bisherige Programm „Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation“ neu akzentuiert und in diesem Zuge umbenannt werden in „Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren“. Dabei zielt die Förderung weiterhin auf die Unterstützung der Open-Access-Transformation ebenso wie auf Entwicklung und Erprobung innovativer Formate des digitalen Publizierens. Das neue Programm, das Anfang 2021 veröffentlicht werden soll, wird folgende Schwerpunkte beinhalten:

Neben Projekten in den drei Schwerpunkten können auch Projekte zur Gründung oder zum Ausbau einzelner Open-Access-Zeitschriften, experimentell ausgerichtete Projekte sowie Schwerpunkt-übergreifende Projekte beantragt werden.

Neues Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“

Der AWBI hat sich dafür ausgesprochen, ein zu dem neuen Programm „Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren“ komplementäres Programm einzurichten, das die Förderung von Publikationskosten zum Gegenstand hat. Damit sollen Einrichtungen bei der Finanzierung der Open-Access-Publikationen ihrer Angehörigen unterstützt sowie die Transparenz über Mittelflüsse wesentlich verbessert werden. Anträge können ausschließlich durch Hochschulleitungen oder Leitungen von außeruniversitären Forschungseinrichtungen gestellt werden. Dadurch, dass die Förderung an zentrale Einrichtungen der Universitäten bzw. außeruniversitären Forschungseinrichtungen geht, sollen Anreize zu einem Strukturwandel gesetzt werden. So können ggf. „Informationsbudgets“ entwickelt und ein verbessertes Kostenmonitoring etabliert werden. Durch die Bündelung dieser Aufgaben an zentraler Stelle kann der administrative Aufwand für die Begleichung von Publikationskosten den Lehrstühlen und den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern abgenommen werden. Die Förderung von „Open-Access-Publikationskosten“ soll alle qualitätsgesicherten goldenen Open-Access-Publikationen sowie Open-Access-Publikationen, für die Open-Access-Transformationsverträge gelten, und Open-Access-Bücher umfassen.

Abschließend hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, die Programme „Überregionale Lizenzierung“ und „Open Access Publizieren“ Ende 2020 auslaufen zu lassen und für Projekte im Programm „Überregionale Lizenzierung“ eine Auslaufförderung vorzusehen.

Ausschreibung „Implementierung der OCR-D-Software zur Volltext­digitalisierung historischer Drucke“

Als Ergebnis einer ersten Ausschreibung in diesem Kontext3 wird seit 2015 ein Koordinierungsprojekt zur Weiterentwicklung von Verfahren der Optical Character Recognition (OCR) gefördert. Basierend auf den Vorarbeiten des OCR-D-Koordinierungsprojekts werden seit 2018 im Rahmen einer zweiten Ausschreibung insgesamt acht Modulprojekte gefördert, die die einzelnen Teilschritte des OCR-D-Workflows für die Text- und Strukturerkennung zur Volltextdigitalisierung historischer Drucke entwickeln.4 Mit Abschluss dieser Arbeiten im Jahr 2020 wird ein Prototyp der OCR-D-Software zur Verfügung stehen. Als nächster Schritt steht die Implementierung der OCR-D-Software in Bibliotheken, Archiven sowie anderen bestandshaltenden Einrichtungen an, damit hochqualitative Volltexte erzeugt werden können. Der AWBI hat daher in seiner Sitzung eine dritte Ausschreibung verabschiedet, die die Entwicklung (generischer) Implementierungspakete mit akzeptabler Performanz für unterschiedliche Anforderungen zum Ziel hat. Die Anforderungen ergeben sich aus verschiedenen Digitalisierungsstrategien der Einrichtungen, je nachdem, ob beispielsweise Dienstleister oder eigene Workflowsysteme genutzt werden. Je nach Bedarf sollen die Implementierungspakete möglichst viele unterschiedliche Anwendungsszenarien abdecken. Dies sind beispielsweise die Implementierung der OCR-D-Software auf üblichen Arbeitsplatzrechnern, die parallelisierte Implementierung auf Standardrechnern, die Implementierung als Webdienst, die Implementierung auf einem Hochleistungsrechner oder jede andere Implementierung, die nötig sein kann, um die massenhafte Erzeugung der Volltexte aus den Bilddigitalisaten zu ermöglichen. Benutzbarkeit und Nutzerfreundlichkeit der Software sind entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Anwendungsszenarien zu berücksichtigen. Um die Nachhaltigkeit des Projekts zu gewährleisten, werden neben der Quelloffenheit der Software auch Support-Strukturen benötigt, z.B. durch Maßnahmen des Community Building.

Darauf hingewiesen wurde, dass über die Ausschreibung hinausgehende Förderbedarfe zu übergreifenden Fragestellungen und zu Querbezügen, die nicht an der bestehenden Pipeline zur Erstellung von Volltexten ausgerichtet sind (bspw. Versionierungen und Aktualisierungen der erzeugten Volltexte), im Rahmen des regulären Förderprogramms e-Research-Technologien beantragt werden können.

DFG-Rundgespräch „Nachhaltigkeit von Forschungssoftware in Deutschland“

Der AWBI hat sich über die Ergebnisse des Rundgesprächs „Nachhaltigkeit von Forschungssoftware in Deutschland“ informiert. Das Rundgespräch diente dazu herauszuarbeiten, was für die nachhaltige Sicherung von Forschungssoftware in Deutschland erforderlich ist. Dabei ging es zum einen darum, wie die Auswahl von Forschungssoftware, für die Nachhaltigkeit erreicht werden soll, getroffen werden kann, beispielsweise über harte („muss“) und weiche („kann“) Kriterien. Zum anderen war Gegenstand des Rundgesprächs, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um Nachhaltigkeit zu sichern. Hier wurden Bedarfe in den Bereichen Personal, Hardware, Aus-/Weiterbildung sowie Community Building gesehen. Darüber hinaus wurde angeregt, Softwareentwicklung künftig als wissenschaftliche Leistung anzuerkennen. Ab einer gewissen Relevanz sollten Infrastruktureinrichtungen Verantwortung für die Pflege und Archivierung der Software übernehmen. Die Ergebnisse des Rundgesprächs sollen in einem „White Paper“ zusammengefasst werden.

Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Mit Interesse hat der AWBI den aktuellen Stand zu Begutachtung und Bewertung der in der ersten Runde vorgelegten Konsortien-Anträge zum Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur zur Kenntnis genommen. In sieben fachlich ausgerichteten Kolloquien wurden 22 Anträge im Zeitraum von Ende November 2019 bis Mitte Dezember 2019 begutachtet. Das Begutachtungsformat beinhaltete einige für die DFG neue Elemente, die sich als sehr fruchtbar erwiesen haben. So wurden die Ergebnisse der Begutachtungen im Rahmen eines Rebuttal-Verfahrens den Antragstellenden übermittelt, damit diese vor der abschließenden Bewertung der Anträge dazu Stellung nehmen konnten. Diese Bewertung übernimmt das NFDI-Expertengremium, das zu allen Anträgen eine Förderempfehlung erarbeiten wird. Die endgültige Entscheidung über die Anträge trifft die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) im Juni 2020. Aufgrund der Erfahrungen aus der ersten Runde wird es Anpassungen der Dokumente für die zweite Ausschreibungsrunde geben.

Ergänzend dazu ist eine Veranstaltung zu Kooperationen zwischen FID und NFDI-Konsortien geplant. Hintergrund ist, Synergien zwischen NFDI-Konsortien und FID aufzugreifen und einen Austausch anzuregen. Bereits in der ersten NFDI-Antragsrunde sind eine Reihe von FID-Einrichtungen als Infra­strukturpartner an NFDI-Konsortien beteiligt.

Knowledge Exchange

Der AWBI hat sich über die neuesten Entwicklungen im europäischen Expertennetzwerk „Knowledge Exchange“ informiert. In Dänemark gibt es künftig eine neue Partnerorganisation. Anstelle der Dänischen Agentur für Wissenschaft und Hochschulbildung, die 2019 vorübergehend Partner von Knowledge Exchange war, hat dies nun DeiC (the Danish e-Infrastructure Cooperation) übernommen. DeiC, die für die Bereitstellung von e-Infrastrukturen (Datenverarbeitung, Speicherung und Netzwerk) für Forschung und Lehre zuständig ist, ist organisatorisch dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation zugeordnet. Es handelt sich dabei um eine virtuelle Organisation; die Mitarbeitenden sind bei anderen Organisationen, vor allem bei verschiedenen dänischen Universitäten, angestellt.

Zudem hat Knowledge Exchange in 2019 eine neue strategische Ausrichtung festgelegt. In den kommenden Jahren sollen verstärkt folgende Themenbereiche fokussiert werden:

  1. Bewertung von wissenschaftlicher Leistung mit Blick auf Open Scholarship
  2. Wissenschaftskommunikation und Publikationsmodelle der Zukunft unter Berücksichtigung von Plan S
  3. FAIRe Daten und Software, die die Reproduzierbarkeit von Forschung unterstützen

Zur Umsetzung dieser strategischen Schwerpunkte wurde eine neue Expertengruppe zum Thema Open Scholarship gegründet.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft Gruppe „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5604

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Zusammensetzung des AWBI: <https://www.dfg.de/dfg_profil/gremien/gremium/index.jsp?id=430>, Stand: 16.05.2020.

2 DFG: Evaluierung und Stellungnahme zum Programm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“, <https://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/lis_foerderangebote/fachinfodienste_wissenschaft/fid/index.html>, Stand: 16.05.2020.

3 DFG: Ausschreibung „Implementierung der OCR-D-Software zur Volltextdigitalisierung historischer Drucke“, <https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ausschreibung_ocr_implementierung.pdf>, Stand: 16.05.2020.

4 OCR-D-Projekt: Modulprojekte, <https://ocr-d.de/de/module-projects>, Stand: 16.05.2020.