Editorial

Bibliotheken verändern

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Jahr für Jahr ist der Deutsche Bibliothekartag DAS Treffen von jeweils mehreren Tausend Bibliothekarinnen und Bibliothekaren sowie anderen Menschen, die in der informationsaufbereitenden bzw. informationsvermittelnden Branche tätig sind. Alle drei Jahre findet er als Bibliothekskongress in Leipzig statt – so auch im März 2019, wo er rund 3.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählen konnte. „Bibliotheken verändern“ war das (etwas hintersinnige, da auf zweierlei Weise lesbare) Motto.

Fach- und Firmenvorträge, Workshops oder die besonders beliebten „Hands-On Labs“ dienen genauso dem fachlichen Austausch wie die Präsentation von Postern oder Clips, interne und öffentliche Arbeitssitzungen verschiedener Gremien, Mitgliederversammlungen der Verbände und vieles andere mehr. Für viele Besucher­innen und Besucher sind die persönlichen Gespräche am Rande der Fachveranstaltungen sowie Social Events, die sich geplant oder zufällig ergeben, eine wesentliche Motivation, am Bibliothekartag teilzunehmen. Andere kommen, um gezielt die Angebote der ausstellenden Firmen und Institutionen – diesmal waren es 146 aus 9 Ländern! – kennenzulernen, sich vergleichend über Produkte und Dienstleistungen zu informieren oder ganz gezielt im Rahmen der Fachmesse Verträge abzuschließen. Und wieder andere sehen mit dem Bibliothekartag die einmalige Chance, Bibliotheken und andere Informationseinrichtungen der jeweiligen Region im Rahmen des Begleitprogramms kennenzulernen.

Schon lange muss man nicht mehr über ein Jahr warten, bis die Inhalte von Vorträgen und anderen Veranstaltungsarten in Buchform zum Nachlesen und zur Nachnutzung zur Verfügung stehen: Mitte November 2019 verzeichnete der zentrale OPUS-Publikationsserver des BIB, auf dem seit 2001 die Materialien zu den Bibliothekartagen und Bibliothekskongressen öffentlich und frei zugänglich sind, 432 Beiträge ganz unterschiedlicher Form – und sicher auch unterschiedlicher Aufbereitungsqualität.1

Für viele mag eine Zusammenstellung von Folien oder ein knappes Protokoll hinreichend für den kurzfris­tigen Informationsbedarf sein, um sich Gehörtes oder Gesehenes wieder in Erinnerung zu rufen. Andere aber möchten auch weiterhin nicht auf die klassische Form einer Fachpublikation in einem anerkannten Fachjournal verzichten. Zugleich bietet diese den Autorinnen und Autoren die Möglichkeit, ihre Inhalte gründlicher und tiefergehender darzustellen, als es im oft knappen Zeitrahmen der Tagungssituation möglich ist. Häufig spielen Veröffentlichungen auch für das berufliche Fortkommen eine wichtige Rolle. Freilich macht das Ausformulieren auch einiges mehr an Arbeit; umso mehr freuen wir uns deshalb über die Autorinnen und Autoren, die diesen zusätzlichen Aufwand nicht gescheut haben. Den Leserinnen und Lesern – auch denen, die nicht selbst zur Tagung kommen konnten – verspricht die Publikation ein ganz anderes, von fachlich einschlägigen Gutachterinnen und Gutachtern geprüftes Reflexions- und Qualitätsniveau als die reinen Präsentationsmaterialien.

Den passenden Rahmen für diese Form der Veröffentlichung bietet seit 2014 die vom VDB herausgegebene und an der Bibliothek der LMU München gehostete Open-Access-Zeitschrift o-bib. Zur Sicherung der fachlichen Qualität kann sie auf eine Vielzahl von Expertinnen und Experten aus der Fachcommunity zurückgreifen. Die redaktionellen Arbeiten, aber auch andere Tätigkeiten innerhalb des Workflows dieser Online-Zeitschrift werden überwiegend ehrenamtlich von Kolleginnen und Kollegen geleistet, die Open Access nicht nur theo­retisch gut finden, sondern auch ganz praktisch verwirklichen wollen. Ohne ihren Enthusiasmus und ihre Bereitschaft, Zeit und Mühe zu investieren, wäre eine Zeitschrift wie o-bib nicht möglich – wir danken sehr herzlich dafür!

Auch dieses Jahr ist es gelungen, eine Teilmenge aus dem Geschehen des Bibliothekskongresses in aufbereiteter Form im vorliegenden Heft 4/2019 von o-bib zusammenzuführen. Diese 13 Beiträge aus Vortragssessions (davon einer mit vier zusammenhängenden Vorträgen) sowie drei Berichte von anderen Veranstaltungen werden, wie gewohnt, etwa ein Vierteljahr nach der Online-Schaltung auch als gedruckter, inhaltlich identischer Band veröffentlicht. Einige weitere Kongressbeiträge werden im Laufe des Jahres 2020 auf der Online-Plattform von o-bib folgen.

Die Online-Ausgabe von Heft 4/2019 bietet zusätzlich zu den auch gedruckt veröffentlichten Beiträgen im zweiten Teil weitere, nicht mit dem Bibliothekskongress in Verbindung stehende Artikel – darunter einen Diskussionsbeitrag von Hermann Rösch zu Fragen der bibliothekarischen Ethik und ihren Konsequenzen für das bibliothekarische Handeln. Seine Replik auf die in Heft 3/2019 von Joachim Eberhardt angestoßene Diskussion2 zeigt, dass fachlicher Austausch eben auch ein Diskurs mit unterschiedlichen Sichten zu einem Sachverhalt sein kann. Und der nachhaltigste Ort für einen solchen Diskurs ist allemal eine Open-Access-Zeitschrift wie o-bib!

Ein stetig wachsendes Projekt wie o-bib ist darauf angewiesen, dass auch die personellen Ressourcen mitwachsen und die Aufgaben auf mehr Schultern verteilt werden können. Ab diesem Heft finden Sie deshalb in der Gruppe der Herausgeber/innen von o-bib einen neuen Namen: Die Herausgeber/innen freuen sich darüber, dass Achim Oßwald nunmehr das Gremium verstärkt und die Aufgabe der geschäftsführenden Herausgeberschaft künftig gemeinsam mit Heidrun Wiesenmüller wahrnimmt.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre – und den Autorinnen und Autoren interessante Rückmeldungen zu ihren Diskussionsbeiträgen und Erfahrungsberichten!

Für das o-bib-Team

Heidrun Wiesenmüller und Achim Oßwald

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H4SIV-V

1 Kollektion „108. Deutscher Bibliothekartag in Leipzig 2019 = 7. Bibliothekskongress“, <https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/solrsearch/index/search/searchtype/collection/id/16963>, Stand: 19.11.2019.

2 Eberhardt, Joachim: Rechte Literatur in Bibliotheken? Zur Argumentation von Hermann Rösch, in: o-bib 6 (3), 2019, S. 96–108, <https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H3S96-108>.