Rezensionen

Bertram, Jutta:Abschlussarbeiten in der Bibliotheks- und Informations­­wis­senschaft / Jutta Bertram. – Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2019. – XV, 252 Seiten : Illustrationen.– (Bibliotheks- und Informationspraxis ; Band 66) – ISBN 978-3-11-061 169-4 : EUR 59.95 (auch als E-Book verfügbar)


Lehr- und vor allem Handbücher zum wissenschaftlichen Arbeiten gibt es in großer Zahl, ebenso solche ­zu den wissenschaftlichen Arbeitstechniken in spezifischen Fachdisziplinen. Auch fehlt es nicht an einführenden Werken zur Nutzung von Bibliotheken, zu speziellen Recherchetechniken oder zur Recherche in Datenbanken und im Internet. Zunehmend entstehen außerdem Handreichungen und Hilfen zum wissenschaftlichen Publizieren sowie zum Umgang mit Forschungsdaten in verschiedenen Fachdisziplinen. Viele dieser Werke entstammen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft bzw. der bibliothekarischen Praxis: Zahlreiche Handreichungen und Anleitungen zu diesen Themen sind von Bibliothekar/inn/en verfasst worden, um Schüler/innen sowie Studierende und Wissenschaftler/innen in ihren literatur- und informationsbezogenen Arbeitsprozessen zu unterstützen – angefangen ­bei der Themenfindung über die Recherche und Literaturverwaltung bis hin zur Open-Access-Publikation und zum Management von Forschungsdaten. Es erstaunt daher umso mehr, dass ausgerechnet in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft selbst – zumindest auf dem deutschen Buchmarkt – bisher keine fachspezifischen Lehr- und Handbücher zu den Methoden und Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens im Kontext von Abschlussarbeiten zu finden sind.

Die vielleicht naheliegende Vermutung, dass gerade Studierende der Bibliotheks- und Informationswissenschaft diese wissenschaftlichen Arbeitsmethoden und -techniken ohnehin im Rahmen ihres Fachstudiums erwerben und daher keine gesonderte Einführung benötigen, ist, wie alle Lehrenden in diesem Fach sehr gut wissen, unzutreffend. Richtig ist, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten von Studierenden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft in den Bereichen der Recherche und Literaturverwaltung in der Regel mindestens zufriedenstellend sind. Aber diese Kompetenzen stellen­ nur eine kleine Teilmenge dessen dar, was das wissenschaftliche Arbeiten insgesamt umfasst, und hier liegen zumeist die Herausforderungen und Probleme. Schon allein die Themenfindung ist für einige Studierende mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, aber auch die verschiedenen Methoden der inhaltlichen Literaturauswertung und die Anforderungen an die argumentations­logische Gestaltung der verschiedenen Textteile einer Abschlussarbeit sind nicht allen Studierenden vertraut. Das mag u.a. daran liegen, dass operative IT-bezogene Kenntnisse und Fähigkeiten sowie auch praktische bibliotheksdidaktische Kompetenzen in den bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengängen – aus guten Gründen – viel Raum gewonnen haben, während die Literaturarbeit, insbeson­dere an Fachhochschulen, demgegenüber in den Hintergrund getreten ist. Spätestens im Vorfeld und Verlauf der Abschlussarbeit werden jedoch genau diese Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt. Mangels eines fachspezifischen Lehr- oder Handbuchs blieb den Lehrenden der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge bislang nur der Verweis auf allgemeine Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten, die naturgemäß die fachspezifischen Besonder­heiten nicht abbilden können. Der Autorin des hier rezensierten Werkes, Jutta Bertram, gebührt das Verdienst, diese Lücke geschlossen zu haben.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, von denen sich der erste mit den Vorarbeiten für die Abschlussarbeit befasst. Hier geht es um die Frage der Themenfindung, verbunden mit der methodischen Schwerpunktsetzung als Theoriearbeit, empirische Arbeit oder praxisorientierte Arbeit. Auch die Fragen der Literaturrecherche (einschließlich der für das Fachspektrum relevanten Suchmaschinen, Datenbanken und Zeitschriften) und Literaturauswertung werden in diesem Teil behandelt, ebenso die Erstellung des Exposés einschließlich der Ressourcenplanung. Ein ausführlicher Exkurs ist dem Thema „empirische Arbeiten“ gewidmet; hier werden unterschiedliche empirische Ansätze knapp vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf den befragenden Verfahren liegt.

Der zweite Teil behandelt die formalen und inhaltlichen Anforderungen an Abschlussarbeiten der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Der Großteil der Ausführungen bezieht sich jedoch auf formale Aspekte, angefangen bei den erforderlichen Dokumentteilen und verschiedenen Verzeichnistypen über Fragen der sprachlichen Gestaltung bis hin zu den Modalitäten der Anmeldung und Abgabe der Arbeit. Nur wenige Seiten thematisieren dagegen die inhaltlichen Anforderungen an einen wissenschaftlichen Text wie etwa Argumentationslogik, Stringenz, Begründungen und Belege.

Der dritte Teil des Buches trägt den Titel „Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens“ und behandelt die mit dem korrekten wissenschaftlichen Zitieren verbundenen Fragen sowie die Erstellung von Literaturangaben. Letzteres erfolgt außerordentlich detailliert auf der Ebene der einzelnen Quellenarten, wobei auch das in vielen anderen Werken zum wissenschaftlichen Arbeiten oftmals vernachlässigte Zitieren von Social-Media-Beiträgen, audio-visuellen Quellen oder von E-Mails ausführliche Würdigung erfährt.

Das Buch enthält neben einem Literaturverzeichnis und einem Sachregister 13 Anhänge mit praktischen Beispielen zu folgenden Themen: Themenfindung für die Bachelorarbeit; Muster für einen Zeitplan; Exemplarischer Zeitplan für eine auf eine Onlinebefragung gestützte Bachelorarbeit; Exemplarischer Zeitplan für eine auf Leitfadeninterviews gestützte Bachelorarbeit; Formular für die Protokollierung von Interviewsituationen; Beispiel für ein Titelblatt; Beispiele für gute Abstracts; Beispiel für ein Inhaltsverzeichnis; Beispiel für die Gestaltung einer Textseite; Beispiele für die Gestaltung des Literaturverzeichnisses; Zitieren, Belegen, Bibliographieren – Kurzversion; Checkliste für die Fertigstellung der Abschlussarbeit; Kriterien für die Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten.

Trotz der relativ trockenen Thematik ist der Band sehr gut lesbar. Auch komplexe Zusammenhänge werden klar und nachvollziehbar erläutert und die zahlreichen detaillierten Beispiele tragen erheblich dazu bei, die Sachverhalte und Regeln – beispielsweise bei der Erstellung von Quellenangaben – zu verdeutlichen. Wenn von Standards wie etwa den Zitierrichtlinien der Norm DIN ISO 690 abgewichen wird, wird dies explizit benannt und begründet. Fachvokabular wird, sofern verwendet, in Fußnoten erläutert. Die direkte Ansprache der Zielgruppe und die Sicherheit vermittelnde Eindeutigkeit der Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen vermitteln beim Lesen den Eindruck einer persönlichen Beratungssituation.

Der Titel des Buches ist aus Sicht der Rezensentin allerdings nicht glücklich gewählt, da „Abschlussarbeiten“ auch Masterarbeiten impliziert. Die vermittelten Inhalte sind jedoch ausnahmslos grund­legender Art. Der Schwerpunkt liegt auf formalen Aspekten der Gestaltung eines wissenschaftlichen Textes; großen Raum nehmen dabei die Themen Zitation und Quellenangaben ein. Zumindest für eher forschungsbezogene Masterarbeiten wären daneben auch Fragen des Umgangs mit Forschungsdaten und des Publizierens von Interesse – dies wird in dem vorliegenden Werk nicht thematisiert. Ferner ist der methodische Fokus recht eng auf die befragenden Verfahren gerichtet; andere in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft angewandte Analysemethoden und -techniken werden nicht behandelt. Etwas enttäuschend ist aus Sicht der Rezensentin auch die im Verhältnis zur Behandlung der formalen Aspekte nahezu marginale Thematisierung der inhaltlichen Anforderungen an eine wissenschaftliche Abschlussarbeit – insbesondere, da vor allem viele Bachelorstudierende hier erfahrungsgemäß Orientierung und Unterstützung benötigen.

Abgesehen von diesen Kritikpunkten ist das 2019 erschienene Werk eine große Bereicherung für alle Studierenden, die eine Bachelorarbeit im Bereich der Bibliotheks- und Informationswissenschaft vorbereiten, und ebenso für die sie betreuenden Lehrenden, die ihnen mit diesem Buch nun endlich eine verlässliche Quelle vor allem für die formalen Fragen der Gestaltung der Bachelorarbeit nennen können. Der das ganze Buch durchziehende praktische und fachspezifische Zugang zum Thema, die zahlreichen Erläuterungen, konkreten Beispiele und Literaturempfehlungen sowie nicht zuletzt die direkte Ansprache der Leserinnen und Leser, durch die bei der Rezeption sofort eine sehr dichte und verbindliche Atmosphäre entsteht, machen seine Qualität aus. Es sei daher allen Bibliotheken an Hochschulen mit bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengängen uneingeschränkt zur Anschaffung empfohlen.

Inka Tappenbeck, TH Köln

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H4S249-251