Tagungsberichte

Informationswissenschaft trifft Ökonomie – eine ertragreiche Begegnung in Berlin

Tagungsbericht zur INCONECSS – International Conference on Economics and Business Information vom 6.-7. Mai 2019 in Berlin

Vom 6. bis 7. Mai 2019 fand in Berlin die zweite International Conference on Economics and Business Information (INCONECSS) statt. Die Veranstaltung wurde von der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft organisiert. Sie war in erster Linie an Informationsexpertinnen und –experten, Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit meist ökonomischer Ausrichtung sowie auch Ökonominnen und Ökonomen selbst adressiert. Ihrem Anspruch der Schaffung einer internationalen Plattform zwecks Meinungsaustausch, Vorstellung von länder- und einrichtungsspezifischen best practices sowie der Vernetzung konnte die Konferenz mit über 100 Teilnehmenden aus 33 Ländern vollends gerecht werden. Die Konferenzsprache war durchweg englisch. Neben dem klassischen Vortragsformat (das sich u.a. in einer Keynote und in Beiträgen, die nach fünf Themenblöcken geordnet waren, wiederfand), gab es auch eine Paneldiskussion sowie Posterpräsentationen.1 Während der beiden Veranstaltungstage erfolgten rege Liveberichterstattungen inklusive Feedbacks auf Twitter.2 Umrahmt wurde das dichte Konferenzprogramm am ersten Tag zum einen von der Möglichkeit, während der Mittagspause an einer Führung durch die bilinguale Wanderausstellung der ZBW „Open up – Wie die Digitalisierung die Wissenschaft verändert“ im nahegelegenen Jakob-und Wilhelm-Grimm Zentrum teilzunehmen.3 Zum anderen fand abends ein Konferenzdinner im Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz statt.

Keynote

Nach einer kurzen Eröffnungsrede des stellvertretenden Bibliotheksdirektors der ZBW, Thorsten Meyer, startete die Konferenz mit einer Keynote zum Thema Customer Voices. Mikael Laakso (Hanken School of Economics, Helsinki, Finnland) setzte sich mit der Frage „What do researchers need? What kind of support do they need/expect?“ auseinander. Empirischen Studien zufolge hätten Belohnungs- und Anreizsysteme steuernde Effekte insbesondere auf Forschung und Publikationsverhalten jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen.4 Auch seien besonders Forschende im Frühstadium ihrer Karriere an der vollständigen Ablösung des traditionellen Subskriptionsmodells durch ein Open Access-Publikationssystem stark interessiert. Laakso legte einen besonderen Fokus auf die Herausarbeitung der Rolle der Bibliotheken in der Forschungsunterstützung. Sie sollten bei der Konzeption ihres Angebotes auf die Bedarfe, Arbeitsbedingungen und Arbeitsweisen der Forscher achten. Kennzeichen seien hier Risikoaversion, Konkurrenz um multiple Ressourcen sowie ein starkes wettbewerbliches Arbeitsumfeld. Bibliotheken fungierten als Schnittstelle zwischen Individualinteressen und institutionellen Interessen der jeweiligen Einrichtung. Als wichtig erachteten Forschende u.a. ein größeres Angebot von Open Educational Resources und die Niedrigschwelligkeit bibliothekarischer Zugänge. Web-Services mit Open Access-Inhalten und offenen Schnittstellen stießen auf große Nachfrage. Laakso führte zudem aus, dass das Publizieren im Open Access (OA) in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Vergleich zu anderen Disziplinen noch nicht sehr ausgeprägt sei und die Megajournals (z.B. Plos One) hier nicht unbedingt einschlägig seien. Grundsätzlich bedürfe es zur Etablierung einer breiten Sensibilisierung für den OA-Gedanken einer konzertierten Aktion von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, wie z.B. bei der Strategiegruppe für Verhandlungen mit Zeitschriftenverlagen im Auftrag des Konsortiums finnischer Universitätsbibliotheken (FinElib). Laakso empfiehlt Bibliotheken u.a. Open Source-Software zu nutzen sowie verstärkt eine Vermittlerrolle einzunehmen. Dazu gehöre auch eine stärkere aktive Vernetzung mit Wissenschaftlern in den jeweiligen Forschungsfeldern. Ferner sollte eine reflektierte Beratung hinsichtlich Rechercheinstrumenten und Publikationsmöglichkeiten erfolgen und diese den Kriterien der Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt genügen (z.B. bei OA). Essentiell in Bibliotheken seien vermehrte just-in-time-Auskünfte, schnellere Problemlösungen und erhöhte Flexibilität. Die Implementierung dieser Prozesse müsse durch Veränderungsmanagement begleitet werden.

Themenblock „Predatory Journals / Fake Journals / Fake Science“

Im ersten Themenblock, der sich sich mit Predatory Journals, Fake Journals und Fake Science beschäftigte, referierte zunächst John Willinsky (Stanford Graduate School of Education, USA) zu „What is to be done about predatory journals?“.5 Willinksy geht davon aus, dass das Vorgehen sog. „räuberischer Verlage“ dem OA-Publizieren nachhaltig schadet, weil es unter den Forschenden Vorbehalte gegenüber OA schürt. Willinsky ging in diesem Zusammenhang auch auf den Verlag Omics International ein.6 Er berichtete zudem von Untersuchungen, welche er im Kontext von OJS anstelle, um räuberisches Verhalten zu quantifizieren und Wege zu seiner Eindämmung vorzuschlagen. Gemäß Willinsky liegt die Problemlösung bzgl. predatory journals in den Händen der Bibliotheken. Sie sollten für einen Rahmen für das OA-Publizieren schaffen, ein zuverlässiges Klima verbreiten und die Funktion eines Kurators zur Verifikation von Vertrauenswürdigkeit einnehmen. Dazu gehöre auch die Rekrutierung professionellen Personals. Die Vorsicht, die gegenüber dem OA-Publizieren walte, begünstige die Entstehung von predatory journals und die Erhebung von Article Processing Charges (APC). APC sollten unbedingt vermieden werden. Um Publikationen in in qualitativ schlechten und unseriösen Zeitschriften zu verhindern, müssten die Anreize neu gestaltet werden. In den gegenüber OA zögerlich eingestellten Wirtschaftswissenschaften bestünde die Gelegenheit eines 95 %igen Journal-Flippings mit Hilfe der Bibliotheken. Willinskys Ansichten wurden im Plenum kontrovers diskutiert.

Karin Lackner und Clara Ginther (Universitätsbibliothek Graz, Österreich) beschäftigten sich mit der Frage „Defying Predatory Publishing – Responsibility of Universities and Libraries?“.7 Die UB Graz erkannte bei Forschern im Jahr 2017 ein Informationsdefizit bzgl. predatory publishing sowie der damit verbundenen Karriererisiken. Eine gestartete Sensibilisierungskampagne beinhaltet Logos für fake journals und die Verbreitung von diversen Aspekten zu predatory publishing via Informationsbeiträgen, Videos, Tweets, Posteraushängen sowie Campusradio. Lackner und Ginther erachten predatory publishing als Folge von defizitären Strukturen im wissenschaftlichen Publizieren, die sich bspw. in hohem Innovationsdruck sowie dem „publish or perish“-Paradigma zeigten. Die große Herausforderung bestehe darin, die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft zu erhalten. Zur Behebung der Defizite sei ein Umdenken in der Wissenschaft erforderlich. Dazu gehörten u.a. die Abkehr vom Publizieren mittels „Salami-Taktik“, Abbau von Verzerrungen und Diskriminierungen im Wissenschaftssystem (z.B. Gender-Problematik), neue Ansätze zur Impact-Messung und Etablierung neuer Publikationplattformen wie z.B. Repositorien. Es solle der Nutzen des OA-Publizierens kommuniziert werden und eine klare Abgrenzung zum predatory publishing erfolgen. Wissenschaft dürfe nicht zu einer Meinung unter vielen verkommen, sondern müsse neben der Pressefreiheit als eine der Säulen einer demokratischen Gesellschaft aufrechterhalten und verteidigt werden.

Themenblock „New Services and their Impact“

Der zweite Themenblock beschäftigte sich mit „New Services and their Impact“ und begann mit einem Vortrag von Michael Hemment und Stephanie Oliver (Harvard Business School (HBS), USA). Sie referierten zu „Alexa Attends Harvard Business School: A New Voice-Enabled Business Information Service from Baker Library“. Die Bibliothek an der HBS bietet einen Sprachservice für die Teilnehmer des HBS Executive Education Programms an. Ein auf der virtuellen Amazon-Alexa-Technologie basierender intelligenter Sprachassistent unterstützt neben den allgemeinen Funktionen nach Aktivierung durch einen speziell auf das o.a. Programm der HBS abgestimmten Sprachbefehl etwa bei Recherchen zu Formulierung eigener Forschungsfragen und dazu bereits vorliegenden Forschungsergebnissen sowie bei Recherchen nach HBS-Mitarbeitern und lokalen Unternehmen. Dies führe zu erheblichen Effizienzverbesserungen im Forschungsprozess und verbessere die Barrierefreiheit. Des Weiteren resultierten aus Analysen der Sprachanfragen Verbesserungen der Such- und Informationsinstrumente. Der Verwendung von Open Source-Technologien statt des kommerziellen Alexa-Assistenten sowie der Ausweitung auf die gesamten Bibliotheksservices stehe man offen gegenüber. Die Ruhe in der Bibliothek nähme zwar ab, aber man wolle näher an den Nutzerinnen und Nutzern sein.

Mit „Digital Badging, Information Literacy, and Business School Curriculum: preparing students for the workplace through micro-credentials“ betitelte Wendy Girven Pothier (University of New Hampshire, USA) ihren Vortrag. Auch am späteren Arbeitsplatz benötigten heutige Studierende Fähigkeiten der Informationskompetenz. Arbeitgeber erwarteten zudem grundlegende darauf aufbauende Fertigkeiten wie z.B. Problemlösung und kritisches Denken und seien daran interessiert, ihre Ausprägung bei Absolventen besser einschätzen zu können. Die Verwendung von sog. „digital badges“ als Qualifikationsnachweise sei hier sehr hilfreich. Diese können u.a. in für Arbeitgeber interessante digitale Plattformen wie z.B. LinkedIn eingebunden und geteilt werden. Die Bibliothek hat in Verbindung mit spielerischen Lernmodulen die beiden badges „Library Research“ und „Market Research“ für Studierende der Wirtschaftswissenschaften entwickelt und in das Curriculum integriert. Sie holt Feedback ein und analysiert auch die Auswirkungen auf den Lernerfolg. Für Bibliotheken böten sich hier Möglichkeiten, ressourcenschonend als Pionierunternehmer innovativer Entwicklungen in Erscheinung zu treten. Sie positionierten sich zudem durch die Erzielung hoher Sichtbarkeit als wichtige Akteure im Bereich des nachhaltigen Aufbaus von Informationskompetenz in Hochschulbildung und Berufsumfeld.

„Measuring the Impact of Library Services for Campus Incubators: A Case Study“ war Thema bei Timothy Tully (San Diego State University (SDSU), USA). In den USA wächst die Zahl der an Universitäten angesiedelten Start-ups. Einer Umfrage zufolge sei aufgrund von zeitlichen und finanziellen Ressourcenknappheiten die Serviceunterstützung dieser jungen Unternehmen durch die Bibliotheken derzeit noch optimierungsfähig. Eine verbesserte Ausstattung der Bibliotheken setze z.B. einen Nachweis erbrachter Mehrwertdienste gegenüber dieser Zielgruppe voraus. Zur Messung des Nutzens und der Wirkung bibliothekarischer Services fehlten noch geeignete Konzepte. Die Campusbibliothek der SDSU initiierte nach der Durchführung von Markforschungs-Workshops und Einzelterminen im Rahmen des institutionellen Start-up Programms bei ihren Campus-Start-ups eine Längsschnitt-Fallstudie. Daraus präsentierte Tully erste Ergebnisse. Ziel sei einerseits mittels Umfragen zu ermitteln, welche Dienstleistungen der Bibliothek im Geschäftsbetrieb des Start-up den größten Mehrwert generierten und welche Bedarfe und Verbesserungen zusätzlich noch existierten. Andererseits solle ein Bewertungsrahmen für Einwirkungen und Auswirkungen bibliothekarischer Services auf diese spezielle Zielgruppe und weiterführend ihre Geschäftsaktivitäten und ihren Geschäftserfolg geschaffen werden.

„Operationalizing a New Business Model at the HEC Montréal Library“ lautete der in diesem Themenblock letzte Vortrag von Bernard Bizimana (HEC Montréal, Canada). Bizimana berichtete von der Notwendigkeit, ab Ende 2016 ein neues Geschäftsmodell für die Bibliothek der HEC Montréal zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation und betriebswirtschaftlicher Überlegungen zeichnete sich ein Paradigmenwechsel von traditionellen Services hin zu Forschungsdatenservices ab. Zur Nutzenmaximierung aller Stakeholder wurde ein kundenzentrierter Operationalisierungsrahmen gewählt. Als im Rahmen des neuen Geschäftsmodells erforderliche Kompetenzen stellte Bizimana Data Science, statistische Analysen, Programmierung sowie Text und Data Mining vor. Die HEC Montréal Bibliothek reagierte auf das neue Anforderungsprofil mit Einstellung hochqualifizierten Personals sowie Fortbildungen und neue Jobbeschreibungen. In klassischen Aufgabenbereichen wurden Stellen reduziert und Verrentung genutzt. Gleichzeitig mit der Übertragung von neuen Aufgaben wurden auch wenig nachgefragte Tätigkeiten eingestellt (z.B. Endnote-Kurse). Neben Personalentwicklung waren auch Technologie-, Flächen- und Raummanagement integrale Bestandteile des neuen Geschäftsmodells. Damit seien nicht nur Herausforderungen, sondern auch großartige Gelegenheiten verbunden. Dazu zählten u.a. die Wiedererlangung eines positiven Images, Wertschätzung ihres Leistungsspektrums sowie die Stärkung der Rolle der Bibliothek innerhalb der HEC und der Forschungscommunity.

Themenblock „Open Access Landscape and Access to FED Services“

Im Themenblock zu „Open Access Landscape and Access to FED Services“ berichtete zunächst Anna Mette Morthorst (Royal Danish Library, Dänemark) über „Monitoring Open Access and FAIR data“. Sie stellte Ergebnisse des dänischen nationalen DEFF-Projekts „Open Access Monitor – DK (OAM)“ vor.8 Dieser beinhaltet Erhebung, Dokumentation und Verwaltung der OA-Publikationskosten in Dänemark im Zeitraum 2017-2018. Zur Datengrundlage trugen alle dänischen Universitätsbibliotheken bei. Die Sammlung und Extraktion der Daten wurde durch das nationale CRIS-System begünstigt.9 Neben der den grünen Weg verfolgenden nationalen OA-Strategie seien aber auch OA-Publikationsgebühren über den goldenen Weg von nicht unerheblicher Bedeutung. Aus internationaler Sicht sei FAIR Data ein wichtiges Desiderat.

Den letzten Vortrag des Tages hielt Christian Zimmermann (Federal Reserve Bank of St. Louis, USA) mit „A rapid overview of St. Louis Fed Economic Information Services: FRED, FRASER, Econ Lowdown, RePEc, etc.“. Zimmermann gab zunächst einen Überblick über die Organisationsstruktur des Federal Reserve System als Zentralbank-System der Vereinigten Staaten und über dessen Aufgaben. Die Federal Reserve Bank of St. Louis richtete als erste Zentralbank weltweit eine Forschungsabteilung ein. Sie stellt seit den 1960er Jahren Wirtschafts- und Finanzinformationen bereit und legt einen Schwerpunkt auf ökonomische Bildung. Zimmermann gab einen Kurzüberblick über das auf die USA fokussierte, aber global gerichtete Serviceangebot. Er präsentierte das frei zugängliche Portal FRED (US-makroökonomische, sozioökonomische sowie internationale Zeitreihen) und Produkte aus der FRED-Family sowie FRASER (digitale Bibliothek zur US-Wirtschaftsgeschichte).10 Zu den neueren Angeboten zählt Econ Lowdown (kostenfreie Plattform für Wirtschaftsbildung mit Online-Kursen und Videos). Zimmermann ging im Rahmen des OA-Themenblocks auch auf die ausgeprägte Versorgung mit Pre-prints über RePEc (Research Papers in Economics) ein und stellte schließlich Nachnutzungen von RePEc-Metadaten und erweiterte, z.B. crowdsourcing-basierte RePEc-Services vor.

Podiumsdiskussion und Poster Session

Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Digital Transformation“ eröffnete den zweiten Tag. Chris Erdmann (Library Carpentry), Ragna Seidler-de Alwis (Technische Hochschule Köln), Suzanne Wones (Harvard University, USA) und Frank Seeliger (Technische Universität Wildau) diskutierten über neue Raumnutzungen und benötigte Kompetenzprofile, Personalrekrutierung und -entwicklung. Neu konzipierte Studiengänge, lebenslanges Lernen, Flexibilisierungen auf Seiten von Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Interdisziplinarität in der Belegschaft seien wichtige Maßnahmen. Neben dem Angebot von innovativen Produkten sei auch das Design der damit verbundenen Services essentiell.

Es schloss sich eine Postersession an, während derer sich Möglichkeiten zum regen Austausch über u.a. interaktive OER-Tutorials, wirtschaftsbibliothekarischer Kompetenz in Finanzierung, Wirtschaftsinformation im Zeitalter von Big Data, digitale Trainingsprogramme, sowie Verbindung von Technologieinnovationen und User Experience boten.

Themenblock „Research Data and Journal Data Policies“

Nach dem Mittagessen startete der Themenblock zu „Research Data and Journal Data Policies. Melody Chin und Danping Dong (Singapore Management University) beschäftigten sich mit „The quest for replicability: A review of research data policies in economics journals“. Der Replikationskrise in der Ökonomie könne mit vermehrtem Austausch von Forschungdaten und Programmcodes begegnet werden. Dieser basiere auf verschärften Autorenrichtlinien von Zeitschriften. Chin und Dong stellten eine Analyse von Forschungsdatenpolicies der 74 Wirtschaftszeitschriften im Tilburg University Top 100 Worldwide Economics Schools Research Ranking vor. Es existiere ein breites Spektrum von Forschungsdatenpolicies. Die Dozentinnen gingen zudem auf Strengekriterien sowie die Transparency and Openness Promotion (TOP) Guidelines des Center for Open Science ein.11 Im Ergebnis verfügten von den 74 Zeitschriften immerhin 56 (75,7 %) über eine Policy. Unter Heranziehung der drei gängigen Kategorien von Verpflichtungsgraden (obligatorisch, empfohlen, freiwillig) machte der die Autoren verpflichtende Typus den größten Anteil (> 60 %) und der auf freiwilliger Selbstverpflichtung basierende Typus nur einen sehr geringen Anteil aus. Über 50 % der Zeitschriften hätten die TOP-Richtlinien noch nicht implementiert. Es bestehe somit noch viel Potenzial zum Teilen von Forschungsdaten.

Olaf Siegert (ZBW) schloss an das Thema mit „Data Policies of Economics Journals - Shifting Boundaries?“ sehr gut an.12 Seit 2012 untersucht die ZBW bei ökonomischen Fachzeitschriften die Entwicklung von Datenpolicies und die Haltung der Forschenden ihnen gegenüber. Die aktuelle ZBW-Studie greift auf 327 im JCR-SSCI Economics 2017 gelistete Zeitschriften mit empirischen Beiträgen zurück. 31,8 % der Zeitschriften verfügten über keine Datenpolicy. Eine verpflichtende Policy wiesen 26,9 % der Zeitschriften auf. Verglichen mit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2014 zeigt sich ein sehr starker Anstieg von Datenpolicies aufgrund der Einführung von Standard-Policies statt Individual-Polices bei den großen Verlagen. Stärker als 2013 werde aber nur auf Datensätze abgestellt und die Begleitprodukte des Forschungsprozesses nicht genau spezifiziert (z.B. read me-Dateien). Für die Reproduzierbarkeit von Forschung reiche dies nicht aus. In den letzten 4 Jahren sei der Anteil verpflichtender Policies sogar gesunken. Die Verwendung der Datenpolicy der American Economic Association läge dagegen bei mittlerweile ca. 10 %. Es sei zu begrüßen, dass durch veränderte Verlagspraktiken Forschende für Open Science sensibilisiert würden. Dies geschehe u.a. durch Empfehlungen zur Datenzitation und -speicherung.

Themenblock „Research Data, Data Mining and Visualization“

Der letzte Themenblock des Tages war umschrieben mit „Research Data, Data Mining and Visualization“. Thomas Seyffertitz und Michael Katzmayr (Bibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien) stellten „A two-stage model to reveal a university’s research data landscape and faculty’s research data practices at an institutional level“ vor. Für die Entwicklung von Services zum Forschungsdatenmanagement (FDM) verschafften sich die Dozenten einen Überblick über das Forschungsdatenspektrum sowie über den Umgang mit diesen Daten an der WU Wien. Für ihr zweistufiges Fallstudiendesign wählten sie einen Mixed-Method-Ansatz. In einem ersten Schritt werteten sie unter Rückgriff auf ihr Forschungsinformationssystem Zeitschriftenartikel aus und führten in einem zweiten Schritt teilstrukturierte Interviews mit Forschenden durch. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen leiteten Seyffertitz und Katzmayr u.a. Empfehlungen zur Einrichtung einer Rahmen-Forschungsdatenpolicy und einer Kontaktstelle ab.

Es folgte ein Vortrag von Paul Plaatsman (Erasmus University Rotterdam (EUR), Niederlande) zum „Erasmus Data Service Centre (EDSC): Your FAIR Research Data Solution“. Das EDSC bietet neben traditionellen Leistungen wie Zugang und Schulungen zu Wirtschaftsdatenbanken sowie Workshops zu Finanzthemen mittlerweile Dienste rund um FDM an. Eine gesteigerte Nachfrage zog Investitionen in Datenspezialisten, Räume und Erwerb von Datensätzen nach sich, so dass das EDSC seine geographische Reichweite erhöhen konnte. Das EDSC bietet derzeit Dienste über den gesamten Lebenszyklus von Forschungsdaten hinweg an. In Planung seien u.a. Angebote zur Anonymisierung und Pseudonymisierung, Text und Data Mining sowie eine Tiefenspezialisierung der Datenexperten.

Lars Lund-Thomsen (Royal Danish Library, Aarhus University, Dänemark) hielt das letzte Referat: „From project to local competences – experiences with the Danish ROI-AV project“.13 Visualisierungen seien aufmerksamkeitswirksam und hilfreich zur Vermittlung von komplexen Informationen. Für die Arbeit mit den diffizilen Visualisierungsprogrammen sei sowohl qualifiziertes wissenschaftliches wie auch bibliothekarisches Personal sehr wichtig. Einen Schwerpunkt bildete die Nutzung von VOSviewer.14 Zur Ausweitung und Perfektionierung dieser Software-Kompetenzen diente der Royal Danish Library ein Workshop mit Experten aus Leiden. Abschließend berichtete Lund-Thomsen über das neue dänische Forschungsprojekt OPERA (Open Research Analytics), welches mit internationalen Partnern (u.a. TIB Hannover) durchgeführt werde. Es behandle ein breites Themenspektrum im Bereich Forschungsanalytik zu Open Science, Open Science Metrics und Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Projektkontext sollen Instrumente zur Beobachtung und Messung zukünftiger Forschungsentwicklung und ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft entwickelt werden.

Die INCONECSS endete mit einer Zusammenfassung und Dankesworten von Thorsten Meyer. Die Konferenz war sehr gut organisiert und bot ausgezeichnete Einblicke ins internationale Berufsfeld. Aus Sicht der Verfasserin identifizierte sie klar relevante Forschungslücken im Bereich der Informationswissenschaften sowie der sich auf diese beziehenden Metawissenschaften. Etablierten und insbesondere aufstrebenden Forschungsbibliotheken lieferte die INCONECSS Ideen für ein facettenreiches Portfolio an Forschungsfragen und eröffnet ihnen weitere Forschungsperspektiven.

Elke C. Bongartz, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V., Bonn

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H3S70-77

1 Abstracts, Vortrags- und Posterpräsentationen sowie fotografische Eindrücke und weitere Details finden sich unter INCONECSS, <https://www.inconecss.eu/>, Stand: 18.07.2019.

2 Vgl. Twitter, <https://twitter.com/hashtag/inconecss19>, Stand 18.07.2019.

3 Die Ausstellung wird anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der ZBW im Zeitraum vom 4. Februar 2019 bis 17. Dezember 2019 an wechselnden Orten in Deutschland gezeigt. Für weitere Informationen zur Ausstellung vgl. o.A.: Wie die Digitalisierung die Wissenschaft verändert, ZBW, <https://100jahre.zbw.eu/openup/>, Stand: 18.07.2019.

4 Vgl. Blankstein, Melissa; Wolff-Eisenberg, Christine: Ithaka S+R US Faculty Survey 2018. Online: <https://doi.org/10.18665/sr.311199>. Laakso stützte sich zudem auf seine eigene langjährige Forschung im Bereich Open Access.

5 Willinsky ist seit über zwei Jahrzehnten eine bekannte Persönlichkeit in der Open-Access-Bewegung und hat im Rahmen des Public Knowledge Project (PKP) mehrere Open-Source-Plattformen zum wissenschaftlichen Publizieren initiiert und mitentwickelt. Dazu zählt auch Open Journal Systems (OJS).

6 Über OMICS International wurde im April 2019 aufgrund seines räuberischen Verhaltens in den USA eine Geldstrafe von über 50 Millionen US-Dollar verhängt. Vgl. o.A.: Fake Science. Pseudo-Verleger in den USA verurteilt, <https://www.forschung-und-lehre.de/recht/pseudo-verleger-in-den-usa-verurteilt-1659/>, Stand: 22.08.2019

7 Vgl. hierzu auch einen in der vorliegenden Zeitschrift kürzlich erschienen Artikel der beiden Dozentinnen: Ginther, Clara; Lackner, Karin: Predatory Publishing – Herausforderung für Wissenschaftler/innen und Bibliotheken, in: O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal 6 (2), 2019, S. 17-32. Online: <https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H2S17-32>.

8 DEFF steht als Abkürzung für Danmarks Elektroniske Fag-og Forskningsbibliotek (Denmark‘s Electronic Research Library).

9 CRIS steht als Akronym für Current Research Information System.

10 Zur FRED-Familie gehören die Dienste GeoFRED, FREDcast, FREDBlog und ALFRED.

11 Vgl. Center for Open Science: TOP Guidelines, <https://cos.io/top/>, Stand 18.07.2019.

12 Olaf Siegert hielt den Vortrag in Vertretung für Sven Vlaeminck (ZBW).

13 ROI-AV steht für Research Output & Impact - Analyzed and Visualized.

14 Dabei handelt es sich um eine freie Software, mit deren Hilfe bibliometrische Netzwerke etwa von Zeitschriften, Artikeln, Begriffen und Autoren z.B. auf Basis von Zitationen konstruiert und visualisiert werden können. Darüber hinaus bietet VOSviewer Funktionen im Bereich Text-Mining an.