„Klassik digital: Altertumsforschung im 21. Jahrhundert. Probleme, Tendenzen und Möglichkeiten“

VDB-Fortbildung für Fachreferentinnen und Fachreferenten der Altertumswissenschaften vom 12. bis 13. März 2019 in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Seit der letzten Fortbildungsveranstaltung für Fachreferentinnen und Fachreferenten der Altertumswissenschaften am 16. und 17. April 2015 in Heidelberg1 sind fast vier Jahre vergangen – es erstaunt daher nicht, dass sich im Fach und vor allem im Forschungsdatenbereich viel verändert hat. Unter der organisatorischen Leitung von Kai Steffen fand in diesem Jahr wieder eine Fortbildungsveranstaltung statt, veranstaltet vom Fachinformationsdienst Altertumswissenschaften an der Universitätsbibliothek Heidelberg und der VDB-Kommission für Fachreferatsarbeit.

Die unglaubliche Menge an laufenden Datenbanken und Digitalisierungsprojekten in den Altertums- und Kulturwissenschaften birgt viele Chancen, gleichzeitig bleiben diese wissenschaftlich oft ungenutzt, wenn nicht hinreichend darauf aufmerksam gemacht wird. Dass der einzig richtige Weg hierzu die noch stärkere Vernetzung der Fachreferentinnen und Fachreferenten mit ihren jeweiligen Instituten, Lehrenden und Studierenden ist, wurde im Rahmen der diesjährigen VDB-Fortbildung erneut von Marcus Schröter (UB Freiburg) betont, der die immer größer werdende Lücke zwischen „Datenvielfalt“ und „Nutzerwissen“ vor allem in Form eigener Einführungs- und Lehrangebote zu überbrücken sucht.2

Abb. 1 Altertumsforschung

Hieß es 2015 noch „Im Aufbruch! Open Access in den Altertumswissenschaften“ (Vortragstitel von Maria Effinger, UB Heidelberg), sind Open-Access-Publikationen in den Altertumswissenschaften – vor allem in Bezug auf Erstpublikationen wie Abschlussarbeiten junger Wissenschaftler/innen – bereits an vielen Universitätsbibliotheken gang und gäbe. Einschlägige Fachportale wie „Propylaeum“ haben dabei bereits ernstzunehmende Konkurrenz bekommen, denn die University Presses nach anglo-amerikanischem Vorbild sind in der Wissenschaftswelt zu neuen Anlaufstellen für Print on Demand (PoD) und Open-Access-Publikation geworden.3 Die optische und haptische Qualität der PoD-Produkte ist dabei nicht nur als gleichwertig zu herkömmlichen Verlagsprodukten zu erachten, sondern es sind auch die wesentlich geringeren Verlagsmargen, die einen regelrechten Run auf die Universitätsverlage auslösen.

In Maria Effingers Vortrag „Elektronisches OA-Publizieren in Propylaeum – aktuelle Entwicklungen“ ging deutlich hervor, dass für althergebrachte Publikationsplattformen nun dadurch Nachteile entstehen, da bis dato dort kein Satz oder Lektorat der Publikationen angeboten wurde. Im Falle von „Propylaeum eBOOKS“4 sowie „ART-Books“5 wird dieses Manko jedoch nun ebenfalls von einem anlaufenden Satz- und Lektoratsservice reduziert.

Im Anschluss an Frau Effingers Vortrag gelang es Philipp Weiß (BSB München), die Geschichte und weitere Entwicklung der bibliographischen Datenbank „GNOMON“ darzulegen, die zurzeit mit etwa 600.000 Datensätzen zu überzeugen weiß (davon über 200 Periodika sowie mittlerweile über 20 Nachschlagewerke). Herr Weiß erklärte ferner die nun beginnende Übertragung in die Datenstruktur des BVB (mit dem B3Kat6 als neuem Backend sowie dem TouchPoint – OCLC7 als neuem Frontend) als Schnittstelle zum Endnutzer. Dies wird eine deutliche Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit sowie eine Reduzierung der Antwortzeiten mit sich bringen. Abschließend stellte Herr Weiß die Datenbank „recensio.antiquitatis“ vor – ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Gemeinschaftsprojekt der Universitätsbibliothek Heidelberg und der Bayerischen Staatsbibliothek, die primär Rezensionen zu Publikationen aus den Altertumswissenschaften – (zurzeit 2000 an der Zahl)8 nachweist; parallel dazu wird das Gegenstück für die Kunstwissenschaften mit „recensio.artium“ auf „arthistoricum.net“ aufgebaut9.

Frau Effinger wies in ihrem Vortrag ferner auf den aktuellen Stand der FIDs hin und stellte weitere moderne Publikationsformate bis 2021 in Aussicht, darunter die nun beginnenden Projekte „Publizieren Plus“, „Propylaeum Free Images“ sowie verschiedene WissKI-Datenbanken. Eine bereits in Beta-Version freigeschaltete Datenbank, „Propylaeum-VITAE“, wurde in einem separaten Vortrag von Nadine Becker (UB Heidelberg) und Gabriele Rasbach (Römisch-Germanische-Kommisson/Frankfurt; DAI) vorgestellt. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Konzeption dieser Datenbank steht die Publikation von Archivbeständen, wobei es nicht um Einzeldokumente geht, sondern ganz pragmatisch um Bestandanzeigen. Ziel ist es, ein Instrument für die Wissenschaftsgeschichte bereitzustellen. Anfragen an Archive beziehen sich in den Altertumswissenschaften zumeist auf Personen, die deshalb auch als Ausgangspunkt ausgewählt wurden. Über Datenfelder zu biographischen Angaben, wissenschaftlichen Kontakten und Forschungsschwerpunkten wird, unter Nutzung eines Teilvokabulars aus „iDAI.thesaurus“, der Werdegang der Personen beschrieben. Dadurch werden vergleichbare und kontrollierte Daten aufgebaut, die als Basis für eine historische Netzwerkanalyse dienen sollen. Die Daten werden dezentral erhoben; zurzeit sind folgende Institutionen beteiligt: die Römisch-Germanische Kommission, das Römisch-Germanische Zentralmuseum, das Rheinische Landesmuseum Trier, der Verband der Landesarchäologen, das LWL-Landesamt für Denkmalpflege Westfalen und das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg. Die technische Umsetzung und Bereitstellung hat die UB Heidelberg übernommen.

Das WissKI-System, das ursprünglich vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, dem Zoologischen Forschungsmuseum Bonn und dem Lehrstuhl Informatik 8 für Künstliche Intelligenz der FAU Nürnberg-Erlangen im Rahmen eines DFG-Projekts geplant und entwickelt wurde, ist dabei als ein Modul des Content-Management-Systems Drupal konzipiert und benutzt die Web Ontology Language CIDOC CRM10 als Ontologie.

Die neusten Entwicklungen in der Datenwelt des Deutschen Archäologischen Instituts – die vernetzte Informationsstruktur der „i.DAI-Welt“ – wurden von Peter Baumeister sowie Sabine Thänert (beide DAI Berlin) vorgestellt. Auch am DAI wird auf eine immer stärkere Vernetzung der verschiedenen i.DAI-Datenbanken und eine noch stärkere Einbindung von Thesauri gesetzt. Grundlage bildeten die verschiedenen bibliographischen Datenbanken des DAI. Zusammengeführt und neu systematisiert wurde Vokabular aus den gesamten Altertums- und Nachbarwissenschaften („iDAI.thesaurus“). Ergänzend wurden Module für Übersetzungen („iDAI.vocabulary“) und Datierungsbegriffe („iDAI,chronontology“) neu angelegt. In „iDAI.gazetteer“ werden georeferenzierte Ortsangaben bereitgestellt11. Damit decken die Datenbanken des DAI die zentralen Begriffe ab, die zur Beschreibung archäologischer Befunde und Funde notwendig sind. Das Vokabular wird auch für die Beschreibung der Bilder in „iDAI.objects“ benutzt. Dieses Netzwerk wird ergänzt durch „iDAI.bibliography“ (ZENON)12.

Zukünftig sollen alle DAI-Publikationen nicht nur digital, sondern vollständig vernetzt zur Verfügung stehen, sodass sowohl Text-Auszeichnungen als auch umfassendes Bildmaterial die jeweiligen Publikationen bereichern werden – auch hier freut man sich auf die erste Enhanced-Publication des Hauses!13

Die oben genannten Tendenzen zur immer stärkeren Digitalisierung und Vernetzung von Forschungsdaten wurden auch von Herrn Kai-Christian Bruhn (Hochschule Mainz) nicht nur aufgegriffen, sondern in wesentlichen Zügen vertieft. Herr Bruhn stellte die Prinzipen des „5-Sterne-Open Data“14 Systems vor in Anlehnung an Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Webs und Initiator von Linked Data sowie Vorsitzendem des w3-Konsortiums.15 Herr Bruhn stellte jedoch nicht nur die Vorzüge der Linked-Open-Data-Modelle vor, sondern hinterfragte auch konkret die Aspekte der Gebrauchstauglichkeit16. Er verwies zurecht auf eine bis dato fehlende Zielgruppenanalyse für die zu verarbeitenden Datenmengen. Als Fazit betonte er jedoch die Wichtigkeit von Frictionless Data17-Formaten in modernen Forschungsumgebungen, da nur auf diese Weise eine nachhaltige und langfristige Nutzung und Lesbarkeit von Forschungsdaten gesichert ist.

Im letzten Vortrag der VDB-Fortbildung ging Frau Effinger auf die erstaunlichen Möglichkeiten ein, die sich bei der Anschaffung „vergriffener Werke“ ergeben. Sie führte den Prozess der Suche und Lizenzierung vergriffener Werke über das DPMA18 sowie den Lizenzierungsservice „Vergriffene Werke“ (VW-LiS)19 der DNB vor und verwies dabei auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und die anfallenden Kosten. Ferner stellte sie konkrete Zahlen zur Nutzung der FID-Lizenzen vor und verwies einmal mehr auf die E-only-policy der DFG sowie den weiteren Ausblick für FIDs und damit verbundene Projekte.

In der Abschlussdiskussion, geleitet von Kai Steffen, standen u.a. der deutlich spürbare Wandel in den Einrichtungen und deren Erwerbungspolitik, neue Erwerbungsstrategien, Preisentwicklungen und damit einhergehende Phänomene wie die Zeitschriftenverdichtung im Fokus des Interesses. Es wurde ferner abschließend betont, dass Bibliotheken zukünftig noch stärker in die aktive Vermittlung von Wissen und Wissensvernetzung eingreifen müssen und in die Vermittlung konzeptionellen Handels eingreifen sollten, um die Möglichkeiten der digitalen Welt und der stetig zunehmenden Datenvernetzung fachspezifisch zu vermitteln.

Abb. 2 Gruppenbild

Nadine Becker, UB Heidelberg

Gabriele Rasbach, Römisch-Germanische Kommission Frankfurt/Main

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H2S102-106

2 Und hierzu ferner just das übersichtliches Einführungswerk „Erfolgreich recherchieren - Altertumswissenschaften und Archäologiepublizierte“ publizierte: <https://www.degruyter.com/view/product/185785>, Stand; 13.06.2019.

3 Vgl. Bsp. Heidelberg University Press (<https://heiup.uni-heidelberg.de/>, Stand; 13.06.2019), Tübingen University Press (<https://www.tuebingen-university-press.de/>, Stand; 13.06.2019), Hamburg University Press (<https://blogs.sub.uni-hamburg.de/hup/>, Stand; 13.06.2019) et alii.

7 TouchPoint – OCLC: <https://www.oclc.org/de/touchpoint.html>, Stand: 13.06.2019.

10 <http://www.cidoc-crm.org/>, Stand: 13.06.2019.

12 <https://zenon.dainst.org/>, Stand: 13.06.2019.

13 Das bis dato Aleph als Backend nutzende System soll dabei zukünftig auf eine Freeware umgestellt werden.

14 <https://5stardata.info/de/>, Stand: 13.06.2019.

15 <https://www.w3.org/>, Stand: 13.06.2019.

16 In Anlehnung an das LO(U)D- Linked Open Usable Data – Modell des Getty Information Architect Robert Sanderson, siehe <https://de.slideshare.net/azaroth42/linked-open-data-at-the-getty>, Stand: 13.06.2019.

17 <https://frictionlessdata.io/>, Stand: 13.06.2019.

18 <https://www.dpma.de/>, Stand: 13.06.2019.