Kongressbeiträge

Spurensuche in der Stadtbibliothek Hannover. Forschungen zu NS-Raubgut in Erwerbungen nach 1945

Jenka Fuchs, Stadtbibliothek Hannover

Zusammenfassung

Die Stadtbibliothek (StB) Hannover sucht derzeit im Rahmen eines Provenienzforschungsprojekts in ihren Beständen nach NS-Raubgut. Während die meisten NS-Raubgut-Forschungsprojekte an Bibliotheken sich bislang auf die Überprüfung der Zugänge zwischen 1933 und 1945 konzentriert haben, folgt die StB einem neueren Ansatz, indem sie (auch) Nachkriegserwerbungen untersucht. Die StB Hannover tut dies vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Bestandsgeschichte: Bei einem Bombenangriff auf Hannover im Oktober 1943 sind über 50 Prozent des Gesamtbestandes verbrannt. Um die massiven Bestandslücken zu schließen, akquirierte die Bibliothek nach Kriegsende in kurzer Zeit große Mengen an Literatur teils unklarer bzw. zweifelhafter Provenienz (Herkunft). Daher lag es früh auf der Hand, dass in der StB Hannover gerade die Nachkriegsjahre 1945 bis 1955 für die Provenienzforschung von besonderem Interesse sein könnten. Entsprechend wird im Rahmen des laufenden Projekts die Herkunft besonders Raubgut-verdächtiger Eingänge untersucht, die u.a. auf Übernahmen von lokalen nationalsozialistischen Staats- und Parteieinrichtungen zurückgehen: „Geschenke“ der Gestapo sowie eine Übernahme vom Archiv und Museum des NSDAP-Gaus Südhannover-Braunschweig. Welche Möglichkeiten und Herausforderungen der Ansatz, vor allem die Erwerbungen der StB Hannover der ersten 10 Nachkriegsjahre zu überprüfen, in sich birgt, soll im Rahmen eines Werkstattberichts dargelegt werden.

Summary

As part of a provenance research project, the Hannover City Library (StB) is currently searching its holdings for items looted by the National Socialist regime. Whereas most research into Nazi-era looted art in libraries traditionally has focused on acquisitions between 1933 and 1945, the StB takes a different approach, investing post-war acquisitions as well. The StB Hannover conducts this research against the background of the specific history of its holdings: More than 50 percent of the library’s collection was destroyed by fire during an air raid in October 1943. After the war, the library quickly purchased large quantities of literature of unclear or questionable provenance, in order to fill massive gaps in its holdings. It was thus clear to provenance researchers at the StB Hannover that the post-war years, from 1945 to 1955, could be of particular interest for their work. Accordingly, the current project investigates the background of acquisitions that are particularly suspected of having been looted. Some can be traced back to the takeover of holdings from local National Socialist state and party institutions: so-called gifts from the Gestapo as well as acquisitions from the archive and museum of the National Socialist Party district of Südhannover-Braunschweig. The paper presents the benefits and challenges of this approach – focusing on StB Hannover acquisitions during the first ten post-war years – as a report on work in progress.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H2S1-16

Autorenidentifikation: Fuchs, Jenka: GND 1189185091

Schlagwörter: Provenienzforschung, NS-Raubgut, Öffentliche Bibliothek

1. Ausgangssituation des Projekts

Die Stadtbibliothek Hannover verfügt auf Grund ihrer 578-jährigen Geschichte und ihres langjährigen wissenschaftlichen Anspruchs über große Altbestände – und somit auch über große Mengen an potentiellem NS-Raubgut.

Nachdem in Folge der Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien1 und der Gemeinsamen Erklärung2 seit Anfang der 2000er Jahre in der Stadtbibliothek erste stichprobenartige Bestandsprüfungen vorgenommen worden waren3, sucht die Einrichtung im Rahmen eines am 1. August 2017 angelaufenen Forschungsprojekts nun erstmals systematisch in ihrem Bestand nach NS-Raubgut.

Aufgabe des auf zwei Jahre angelegten, von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts „Zweifelhafte Provenienzen im Bestand der Stadtbibliothek Hannover“ ist es, in der Stadtbibliothek vorhandenes NS-Raubgut ausfindig zu machen, dieses auf Spuren von Vorbesitzer/inne/n hin zu überprüfen und zu dokumentieren. Weiter geht es darum, die als Raubgut identifizierten Bücher, wo dies möglich ist, an deren vormalige rechtmäßige Eigentümer/innen bzw. deren Erb/inn/en oder Rechtsnachfolger/innen zurückzugeben.

Als potentiell verdächtig und daher prüfbedürftig ist grundsätzlich jedes Buch anzusehen, das vor dem 9. Mai 1945 erschienen ist und das zwischen 1933 und 1945 erworben worden oder nach Kriegsende u.a. als antiquarischer Kauf, als Geschenk, Leihgabe oder durch Tausch in die Bibliothek gelangt ist.4

Die Zugangsbücher der Stadtbibliothek, in denen neben dem Zeitpunkt der Erwerbung auch die Erwerbungsart und die Lieferanten der einzelnen Exemplare vermerkt sind, geben diesbezüglich wichtige Anhaltspunkte. Sie allein sind allerdings in der Regel zu wenig aussagekräftig, um die Frage zu beantworten, ob ein Buch tatsächlich Raubgut ist. Zudem sind nicht alle Exemplare bei ihrer Aufnahme in den Stadtbibliotheksbestand auch in den Zugangsbüchern verzeichnet worden. Daher ist letztlich eine Autopsie jedes einzelnen potentiell verdächtigen Buches unumgänglich. Wie viele Exemplare auf diese Weise im derzeit ca. 1 Mio. Medieneinheiten umfassenden Bestand der Stadtbibliothek überprüft werden müssten, lässt sich nicht genau beziffern, da nicht alle Exemplare im OPAC der Stadtbibliothek verzeichnet sind. Vorsichtig geschätzt ist jedoch von bis zu 100.000 prüfbedürftigen Bänden auszugehen.

Gleichwohl konzentriert sich das laufende Projekt zunächst auf die Untersuchung von Zugängen aus den Jahren 1945 bis 1955.

Die Beschränkung auf diesen Zeitraum erklärt sich einerseits aus der spezifischen Bestandsgeschichte der Stadtbibliothek: In Folge alliierter Luftangriffe auf Hannover am 8./9. Oktober 1943 sind etwa 100.000 Bücher von 180.000 Büchern aus dem Gesamtbestand der Stadtbibliothek verbrannt,5 darunter auch Raubgut.6 Die Zahl des heute noch vorhandenen Raubguts dürfte daher vor allem bei der Literatur, die die Stadtbibliothek in den ersten Nachkriegsjahren zum Wiederaufbau des stark dezimierten Bestandes in großen Mengen und ungeachtet ihrer teils unklaren bzw. problematischen Herkunft akquirierte, sehr viel höher sein.

Zudem umfasst das Bestandssegment der Zugänge aus der Zeit 1945 bis 1955 bereits insgesamt 96.363 Inventarnummern. Da das Forschungsprojekt von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin weitestgehend allein betreut wird, wäre innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit eine Prüfung dieses Teilbestandes in seiner Gesamtheit nicht realisierbar.

Vor diesem Hintergrund wurde eine Auswahl von über die Zugangsbücher rekonstruierbaren, auf Grund der dortigen Lieferantenangaben als besonders NS-Raubgut-verdächtig einzustufenden und daher vorrangig zu prüfenden Zugangssegmenten getroffen. So liegt das Hauptaugenmerk der derzeitigen Untersuchung auf zwei Zugangsgruppen der frühen Nachkriegszeit, die auf Übernahmen von lokalen nationalsozialistischen Staats- und Parteieinrichtungen zurückgehen: „Geschenke“ der Gestapo sowie eine Übernahme vom Archiv und Museum des NSDAP-Gaus Südhannover-Braunschweig.

Das sogenannte NSDAP-Gauarchiv und -museum Südhannover-Braunschweig (im Folgenden kurz NSDAP-Gauarchiv) war ab 1934 in Hannover mit dem politischen Ziel eingerichtet worden, zentrale Ideen der nationalsozialistischen Bewegung sowie die Gefährlichkeit der „Gegner“ des NS-Regimes zu dokumentieren und propagandistisch wirksam darzustellen.7 Dazu trug die Einrichtung auch eine rund 10.000 Bände zählende Büchersammlung zusammen. Anfang der 1940er Jahre wurde diese kriegsbedingt nach Lauenstein am Ith (50 km südlich von Hannover) ausgelagert. Zu Kriegsende bargen britische Truppen die Sammlung und überführten sie in das Staatsarchiv Hannover. Von dort übernahm die Stadtbibliothek Anfang 1946 einen Teilbestand. Mindestens 2685 Bücher und Periodica aus dem NSDAP-Gauarchiv wurden ungeachtet ihrer hoch Raubgut-verdächtigen Herkunft bis in die 1950er Jahre hinein sukzessive in den Stadtbibliotheksbestand aufgenommen.8 Sie verbergen sich in den Zugangsbüchern hinter der unverdächtig anmutenden Herkunftsbezeichnung „Staatsarchiv Lauenstein“ bzw. „Staatsarchiv Hannover“.

Abb.1 Zugangsbuch_Gestapo.jpg

Unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt die über 100 Exemplare, die zwischen 1945 und 1948 unter der Herkunftsangabe „Gestapo“ (Abb. 1) inventarisiert wurden9, in die Stadtbibliothek gelangten, ist auf Grund der mangelhaften Quellenlage bislang unklar.10 Es ist möglich, dass die Bände schon während der Zeit des Nationalsozialismus von der Gestapo an die Stadtbibliothek abgegeben worden sind, zunächst unbearbeitet eingelagert und erst nach Kriegsende inventarisiert wurden. Denkbar wäre es auch, dass es sich um zurückgelassene Bestände der Gestapo Hannover handelt, deren Leitstelle ab Herbst 1943 im Gebäude der Stadtbibliothek in der Hildesheimer Straße 12 untergebracht war.11

Im Folgenden soll zunächst die methodische Vorgehensweise des laufenden NS-Raubgut-Forschungsprojekts der Stadtbibliothek skizziert werden, um im Anschluss daran erste Untersuchungsergebnisse sowie drei Fallbeispiele vorzustellen.

2. Projektablauf und methodische Vorgehensweise

Das zweijährige Projekt besteht aus mehreren Aufgabenpaketen, die in der Praxis weitgehend parallel zueinander bearbeitet werden: Bestandsprüfung, Provenienzrecherche bzw. -klärung, Erb/inn/ensuche, Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit, Berichtswesen.

Im ersten Projektjahr ging es zunächst vor allem darum, Grundlagen für die systematische Bestandsprüfung, Identifikation, Dokumentation und die Restitution von NS-Raubgut zu schaffen. Dazu wurden einerseits die Quellenlage zur Institutionen- und Erwerbungsgeschichte der Stadtbibliothek Hannover sondiert und die lokal- und regionalgeschichtliche Forschungsliteratur ausgewertet. Zudem wurden die Zugangsbücher der Stadtbibliothek für die Jahre 1945 bis 1955 systematisch durchgesehen, verdächtige Zugänge12 erfasst sowie geeignete Geschäftsgänge für die Bestandssichtung und -erschließung erprobt. Auch wurden institutionengeschichtliche Recherchen hinsichtlich der Stadtbibliothek und ihrer diversen verdächtigen Lieferanten und Geschenkgeber unternommen.

Nach Beginn des zweiten Projektjahres lag der Fokus zunächst vor allem auf den Fallrecherchen für eine Ausstellung. Diese wurde in Kooperation mit Provenienzforscher/inne/n und Kurator/inn/en der Hannoverschen Museen für Kulturgeschichte erarbeitet und trägt den Titel „Spuren der NS-Verfolgung. Über Herkunft und Verbleib von Kulturgütern in den Sammlungen der Stadt Hannover“.13 Parallel zur Arbeit an der Ausstellung wurde die Bestandssichtung und -erschließung systematisch fortgesetzt. Weiter wurden, ausgehend von den in den autopsierten Büchern vorgefundenen herkunftsanzeigenden Spuren, zahlreiche Provenienzrecherchen und Erb/inn/enermittlungen durchgeführt.

Als besonders effektive Vorgehensweise bei der Bestandssichtung hat sich eine Kombination aus systematischer Suche anhand der Zugangsbücher und stichprobenartiger Prüfung bestimmter Signaturbereiche direkt am Magazinregal, also ohne vorherige Auswahl über die Zugangsbücher, erwiesen.

Bei der erstgenannten systematischen Suche ist es, da die Mehrzahl der zu prüfenden Exemplare bislang nicht im OPAC der Stadtbibliothek verzeichnet ist, erforderlich, jedes einzelne gesuchte Buch in den Zettelkatalogen zu recherchieren. Wenn sich das betreffende Exemplar noch im Bestand befindet, wird es in Augenschein genommen und auf herkunftsanzeigende Spuren wie z.B. Stempel, Exlibris und handschriftliche Einträge hin überprüft.

Die stichprobenartige Prüfung ist demgegenüber nicht auf die Kataloge angewiesen, sondern beginnt direkt im Magazin. Dort werden nach dem Zufallsprinzip die Bücher einzelner Signaturbereiche in Augenschein genommen und auf verdächtige Spuren hin untersucht.

Abb.2_Tilgung.jpg

Grenzen sind der Bestandsprüfung dort gesetzt, wo Exemplare z.B. durch Makulierung verloren gegangen sind. Hier ist keine Autopsie und somit meist auch keine eindeutige Aussage über die Herkunft des betreffenden Buches mehr möglich. Auch treten regelmäßig Fälle auf, in denen Provenienzspuren getilgt wurden (Abb. 2). Hier muss die Frage nach der Herkunft des Exemplars in der Regel ebenfalls ungeklärt bleiben.

Eine Dokumentation der erhobenen Forschungsdaten erfolgt laufend während der Untersuchungen in Excel-Tabellen. Erfasst werden darin alle überprüften Exemplare mit aktueller Signatur, Zugangsnummern (soweit vorhanden), vollständigen Titeldaten, einer Beschreibung der vorgefundenen relevanten Provenienzspuren sowie einer – vorläufigen – Kategorisierung gemäß dem Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken: „1) geklärt: kein Raubgut ; 2) wahrscheinlich kein Raubgut ; 3) unspezifisch ; 4) verdächtig ; 5) wahrscheinlich Raubgut ; 6) geklärt: Raubgut“.14

Die als bedenklich oder eindeutig belastet (= Kategorie 4, 5 und 6) eingestuften Exemplare werden mit Einlegestreifen („Nicht ausleihbar – Verdacht auf NS-Raubgut“) versehen. Zudem werden Fotografien der vorgefundenen verdächtigen Provenienzspuren angefertigt.

Eine erste Bewertung der Exemplare hinsichtlich des Raubgut-Verdachts erfolgt zunächst zeitnah zur Autopsie auf Grundlage einer ‚Schnell-Recherche‘. Bei dieser wird die enorme Anzahl der vorgefundenen relevanten Provenienzspuren, also v.a. Namen von Privatpersonen und Körperschaften, u.a. mit den Online-Datenbanken Lost Art, Looted Cultural Assets, Mapping the Lives – Tracing the Past und ProvenienzWiki sowie der Yad Vashem-Central Database of Shoah Victims’ Names abgeglichen.15

In vielen Fällen ist auf diesem Wege eine eindeutige Provenienzklärung jedoch nicht möglich, sodass hier jeweils weitere umfangreiche Recherchen nötig sind. Deren Durchführung stellt angesichts der Kürze der Projektlaufzeit und der diversen parallel zu bearbeitenden Projektaufgaben eine besondere Herausforderung dar.

Eine umso wichtigere Rolle kommt daher der Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets (LCA) zu, in der die Forschungsdaten des Projekts seit Juni 2018 dokumentiert und langfristig öffentlich zugänglich gemacht werden. Die LCA-Datenbank, an der derzeit neben der Stadtbibliothek sechs wissenschaftliche Bibliotheken beteiligt sind, basiert auf einem kooperativen Ansatz. Sie bietet Bibliotheken und anderen Kulturgut sammelnden Einrichtungen die Möglichkeit, Forschungsdaten institutionenübergreifend zusammenzuführen, Provenienzspuren gemeinsam zu dokumentieren und Restitutionen gemeinsam durchzuführen.16

3. Erste Ergebnisse

Bis dato (Stand 15.06.2019) konnten insgesamt 3479 Bände autoptisch überprüft werden. Davon sind 1231 Bände auf Grund der Lieferantenangaben und/oder vorhandener relevanter Provenienzhinweise als NS-Raubgut-verdächtig einzustufen. Dies entspricht einer Quote von rund 35 %. Von den verdächtigen Bänden tragen 1016 Provenienzhinweise, die konkrete Rückschlüsse auf frühere Besitzer/innen zulassen. In 28 Fällen konnte der Raubgut-Verdacht bereits eindeutig bestätigt und die Suche nach den vormaligen rechtmäßigen Eigentümer/inne/n bzw. deren Erb/inn/en begonnen oder abgeschlossen werden. In momentan 922 Fällen sind weitere Recherchen zur Provenienzklärung erforderlich. Die Mehrzahl der bisher identifizierten Raubgut-verdächtigen Bücher trägt Provenienzspuren, die auf private Personen verweisen. Bei diesen gestaltet sich die Klärung der Frage nach einem NS-verfolgungsbedingten Entzug ihres Eigentums und ggf. die Suche nach deren Erb/inn/en in der Regel besonders zeitintensiv.

Der derzeitige Stand der Recherchen hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu betrachtenden Bestandssegmente Gestapo und NSDAP-Gauarchiv ist der folgende:

3.1. Zugangsgruppe Gestapo

Die Erfassung, Prüfung und autoptische Durchsicht der Zugangsgruppe Gestapo konnte mittlerweile erfolgreich abgeschlossen werden. Von den über die Zugangsbücher ermittelten und geprüften insgesamt 147 Bänden sind 37 nicht auffindbar bzw. nicht mehr im Bestand. Von den übrigen 110 weisen 70 Bände relevante Provenienzhinweise auf. 7 Exemplare konnten nach Herkunftsprüfung als unverdächtig eingestuft werden; 4 Bücher konnten durch Provenienzrecherchen bereits eindeutig als NS-Raubgut identifiziert werden; bei 59 Exemplaren sind weitere Nachforschungen, teils auch restauratorische Untersuchungen getilgter Provenienzspuren erforderlich.

Es ist zu vermuten, dass weitere Exemplare aus Gestapo-Beständen in der Zugangsgruppe „alter Bestand“ zu finden sein könnten.

Alle bislang im Zugangssegment Gestapo als NS-Raubgut identifizierten Bücher stammen aus dem Besitz von als Juden verfolgten Personen. Deren Erb/inn/en konnten in mehreren Fällen bereits ermittelt werden.

3.1.1. Fallbeispiel: Konrad Alsberg

Beispielsweise fand sich in einem Exemplar von Hermann Roßmanns Roman Flügel17 der Eigentumsvermerk „Konrad Alsberg / Oktober 1935“ (Abb. 3–4). Die daraufhin unternommenen Recherchen ergaben, dass es sich bei dem früheren Eigentümer des Buches um den späteren Journalisten Konrad Alsberg handelt. Den Nachweis hierfür erbrachte ein Handschriftvergleich zwischen dem Eintrag in dem Buch und einer eigenhändigen Unterschrift Alsbergs auf einem Antrag bei der Ausländerabteilung der schwedischen Sozialbehörde von 1937.18

Abb.3_Alsberg_Buchdeckel.jpg

Abb.4_Alsberg_Vorsatz.jpg

Konrad Alsberg wurde 1916 in Kassel geboren.19 Dort besuchte er ein Gymnasium, um später wie sein Vater Adolf Alsberg (1869–1933) Arzt zu werden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war jedoch schnell absehbar, dass Alsberg auf Grund seiner jüdischen Herkunft in Deutschland kein Studium würde beginnen können. Daraufhin emigrierte er 1934, noch vor seiner Abiturprüfung, in die Schweiz. Dort besuchte er eine Hotelfachschule. 1937 gelang Alsberg die Einreise nach Schweden, wo er seine Hotelfachausbildung abschloss. Die schwedischen Behörden verweigerten ihm jedoch die Arbeitserlaubnis für diesen Beruf. Daher arbeitete er zunächst u.a. als Transportarbeiter und Bankangestellter, bevor er als Redakteur für das Schwedisch-Internationale Pressebüro (Svensk-internationella Pressbyrån) in Stockholm tätig wurde. Konrad Alsberg starb 1971 in Schweden.

Sein nun in der Stadtbibliothek aufgefundenes Buch beschlagnahmte die Gestapo vermutlich im Herbst 1937, als Alsberg auf seinem Weg von der Schweiz nach Schweden Deutschland durchquerte, um sich für einige Stunden mit seinem Bruder Dietrich (1917–2007) zu treffen.20 Im September 1945 inventarisierte die Stadtbibliothek Hannover das Buch als „Geschenk“ der Gestapo.

Im Rahmen des Forschungsprojekts konnten mittlerweile Konrad Alsbergs Kinder ausfindig gemacht werden. Eine Rückgabe des Buches an sie ist derzeit in Vorbereitung.

3.2. Zugangsgruppe NSDAP-Gauarchiv

Aus der Zugangsgruppe NSDAP-Gauarchiv konnten bislang von insgesamt 2685 ermittelten Zugangsnummern 651 geprüft werden. Da mehrbändige Werke unter einer Zugangsnummer inventarisiert wurden, entspricht das derzeit 738 geprüften Bänden. Von diesen sind 175 nicht auffindbar bzw. nicht mehr im Bestand. Von 563 autopsierten Bänden tragen 356 relevante Provenienzhinweise; 14 Bücher erwiesen sich nach Herkunftsprüfung als unverdächtig; 21 Bücher konnten bereits eindeutig als Raubgut identifiziert werden. Bei derzeit 318 Exemplaren aus dem Gauarchiv dauern die erforderlichen Provenienzrecherchen an.

Bei Stichproben im Magazin konnten zudem diverse Bände ausfindig gemacht werden, die bei ihrer Aufnahme in den Stadtbibliotheksbestand nicht in den Inventarbüchern verzeichnet worden waren, die sich anhand charakteristischer, auf dem Buchdeckel oder dem Titelblatt angebrachter Nummern-Signaturen (Abb. 5–6) jedoch ebenfalls dem Gauarchiv zuordnen lassen. Überdies fand sich ein als „alter Bestand“ inventarisiertes Buch, das auf Grund seiner Provenienzmerkmale ebenfalls dem Gauarchiv zugeordnet werden kann. Es ist daher wahrscheinlich, dass noch weitere Exemplare aus dem Gauarchiv im „alten Bestand“ auffindbar sind.

Abb.5_Buchdeckel_Muehsam

Abb.6_Gauarchiv_Signatur.jpg

Unter den 21 bereits eindeutig als Raubgut identifizierten Büchern der Provenienz NSDAP-Gauarchiv finden sich sowohl Objekte aus jüdischem Besitz als auch aus dem Besitz anderer von den Nationalsozialisten z.B. aus politischen Gründen verfolgter Personen. Beispielhaft hierfür stehen die „Fälle“ Johanna Maaß und Hanna Grust.

3.2.1. Fallbeispiel: Hanna Grust, verh. Bertholet

In zwei Bänden der Zeitschrift Türmer-Jahrbuch21 wurde der Namenseintrag „Hanna Grust“ (Abb. 9) gefunden. Die Lieferantenangabe im Zugangsbuch („Staatsarchiv Hannover“) und der Zeitpunkt der Inventarisierung (1946) belegen, dass die Exemplare Teil des Gauarchivs-Bestandes waren, den die Stadtbibliothek 1946 vom Staatsarchiv Hannover übernahm.

Abb.7_LCA-Screenshot_I.tiff

Abb.8_Portraitfoto_Bertholet_Hanna_1944_AdsD%7eFriedrich-Ebert-Stiftung.jpg

Abb.9_Grust_Hanna_Autogramm%20IV_DE-115_Zs2502-3.jpg

Die Identifizierung der vormaligen Eigentümerin der Bände gelang mit Hilfe der LCA-Datenbank:

Ein dort verzeichnetes, aus dem Besitz von Alfred Fortmüller (1903–1943) stammendes Exemplar, das in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) aufgefunden wurde, trägt die Widmung von Fortmüllers erster Ehefrau Hanna Grust (Abb. 7). Ein Handschriftvergleich zwischen der Widmung und dem in der Stadtbibliothek entdeckten Autogramm (Abb. 9) zeigt eindeutig, dass beide von derselben Person stammen.

Hanna Grust wurde 1901 in Hannover geboren.22 Seit Ende der 1910er Jahre engagierte sich die gelernte Sekretärin im Internationalen Jugendbund (IJB), ab 1927 dann im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). Sie war u.a. für die ISK-Tageszeitung Der Funke in Berlin tätig. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh Grust 1933 zunächst nach Paris, 1940 weiter in die Schweiz. Vom Exil aus setzte sie ihre antifaschistische Arbeit fort. Grusts erster Ehemann Alfred Fortmüller, ein aktives KPD-Mitglied, war bereits 1929 in die USA ausgewandert. 1936 floh er von dort unter Androhung einer Auslieferung an das Deutsche Reich nach Mexiko.23

Grust kehrte 1946 nach Deutschland zurück. Dort leitete sie gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann René Bertholet (1907–1969) die Verlage Europäische Verlagsanstalt und Öffentliches Leben, bevor beide 1950 nach Brasilien auswanderten, um dort eine Landkooperative aufzubauen. Hanna Bertholet/Grust starb 1970 in Brasilien.

Gemeinsam mit der ZLB konnten im Mai 2019 die in Hannover und Berlin aufgefundenen Bücher Alfred Fortmüllers und Hanna Bertholets an deren Erb/inn/en zurückgegeben werden.

3.2.2. Fallbeispiel: Dr. Johanna Maaß

In bislang drei Büchern wurden in der Stadtbibliothek das Autogramm und das Exlibris von „Dr. Johanna Maaß“ (Abb. 10–12) gefunden. Die Exemplare sind Werke des Zoologen und Philosophen Ernst Haeckel sowie des Mediziners und Dramatikers Arthur Schnitzler.24 Ein Eintrag in der Datenbank Ärztinnen im Kaiserreich25 und ein anschließender Schriftvergleich des in den Büchern vorhandenen Autogramms mit einem handschriftlichen Namenseintrag im Matrikelbuch der Universität Freiburg i. Br.26 von 1903 führten zur früheren Eigentümerin der Bücher: Johanna Maaß, geboren 1873 in Königsberg.

Abb.10_Buchdeckel_Schnitzler.jpg

Abb.11_Maass_Autogramm

Abb.12_Maass_Exlibris

Maaß absolvierte ab 1899 in Berlin und Freiburg i. Br. ein Studium der Medizin. Dieses schloss sie 1904 mit einer Promotion an der Universität Freiburg ab. Ab 1906 war sie als praktische Ärztin und Geburtshelferin in Berlin tätig. Von den Nationalsozialisten wurde Maaß als Jüdin verfolgt. 1938 wurde ihr die Approbation entzogen. Daraufhin zog sie nach Hannover. Dort lebte und arbeitete sie ab Oktober 1939 als „Krankenbehandlerin“ im jüdischen Altenheim der Minna-James-Heineman-Stiftung. Johanna Maaß starb 1940 in Hannover.27

Ihre Bücher wurden vermutlich spätestens nach ihrem Tod von der Gestapo beschlagnahmt und gelangten so in das NSDAP-Gauarchiv. 1946 bzw. 1953 inventarisierte die Stadtbibliothek die drei nun identifizierten Bände, die sie kurz zuvor vom Staatsarchiv aus Beständen des Gauarchivs übernommen hatte, als „Geschenke“.

Die Stadtbibliothek Hannover strebt eine Rückgabe der Bücher an Johanna Maaß‘ Erb/inn/en an. Die Suche nach diesen dauert derzeit an.

4. Resümee und Ausblick

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der bislang erfolgten Bestandsprüfungen sowie mehrerer gelungener Provenienzklärungen bzw. NS-Raubgut-Funde kann bereits konstatiert werden, dass der im Vorfeld des Projekts formulierte Raubgut-Verdacht sich vor allem hinsichtlich der vorrangig zu betrachtenden Bestandssegmente Gestapo und NSDAP-Gauarchiv eindeutig bestätigt hat.

Dies zeigt erneut, dass die Ausweitung des Untersuchungszeitraums über die Jahre 1933 bis 1945 hinaus auf die Nachkriegszeit ein für die NS-Raubgut-Forschung in Bibliotheken durchaus sinnvoller und fruchtbringender Weg ist – und dies auch in einer Öffentlichen Bibliothek mit größeren Altbeständen.

Besonders vordringlicher weiterer Forschungsbedarf besteht in der Stadtbibliothek Hannover zunächst für den Bestand NSDAP-Gauarchiv. Dessen Prüfung und Dokumentation wird derzeit, seit Anfang 2019 mit zusätzlicher Unterstützung einer bibliothekarischen Mitarbeiterin in Teilzeit, weiter vorangetrieben.

Weiterer Forschungsbedarf besteht auch hinsichtlich anderer verdächtiger Zugänge der Nachkriegszeit wie z.B. „altem Bestand“, Geschenken von „unbekannt“ und „privat“ sowie aus der „Rosenberg-Spende“28. Diese Bestandssegmente können bis zum Ende des Projekts am 31. Juli 2019 nur stichprobenartig gesichtet und Verdachtsfälle dokumentiert werden.

Nicht zuletzt bleibt es ein Desiderat, die Zugänge der Stadtbibliothek Hannover aus dem Zeitraum 1933 bis 1945 (insgesamt 50.450 Inventarnummern) systematisch auf NS-Raubgut hin zu untersuchen. So könnte, trotz zu erwartender hoher kriegsbedingter Verluste, die von Veronica Albrink 2006 formulierte These überprüft werden, dass die Stadtbibliothek in der NS-Zeit unter der Leitung des damaligen Direktors Friedrich Busch eine der Haupt-Profiteurinnen der ‚Verwertung’ geraubter Bücher durch die lokalen Behörden war, die weit mehr Raubgut akquirierte als etwa die Vormals Königliche und Provinzialbibliothek Hannover (heute Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, GWLB).29

Eine entsprechende Untersuchung der Zeit 1933 bis 1945 könnte nach Abschluss der Prüfung der Nachkriegszugänge durchgeführt werden.

Literaturverzeichnis

- Albrink, Veronica: Von Büchern, Depots und Bibliotheken. Zur Restitutionsgeschichte nach 1945, in: Reifenberg, Bernd (Hg.): Die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken. Recherchestand, Probleme, Lösungswege, Marburg 2006, S. 110–149.

- Albrink, Veronica; Babendreier, Jürgen; Reifenberg, Bernd: Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken, vorgestellt auf dem 94. Deutschen Bibliothekartag in Düsseldorf 2005, abgedruckt in: Reifenberg, Bernd (Hg.): Die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken: Recherchestand, Probleme, Lösungswege, Marburg 2006, S. 150–180.

- Alker, Stefan; Bauer, Bruno; Stumpf, Markus (Hg.): NS-Provenienzforschung und Restitution an Bibliotheken, Berlin u.a. 2017.

- Alsberg, Dietrich A.: Witness to a Century. A Memoir, New York u.a. 1999.

- Benzenhöfer, Udo: Jüdische Ärzte in Hannover 1933–1945, Wetzlar 2000.

- Dann, Otto; Rüther, Martin; Schütz, Uwe (Hg.): Deutschland im ersten Nachkriegsjahr: Berichte von Mitgliedern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) aus dem besetzten Deutschland 1945/46, Berlin; Boston 1998.

Dehnel, Regine: NS-Raubgut in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, in: Dies. (Hg.): NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium, Frankfurt a. M. 2012, S. 285–300.

- Doras, Johanna: Provenienzforschung zum Nachweis von NS-Raubgut in Bibliotheken – unter besonderer Berücksichtigung der Stadtbibliothek Hannover, Bachelorarbeit (Fachhochschule Hannover), Hannover 2012. Online: <https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/index/index/docId/311>, Stand: 08.03.2019.

- Finsterwalder, Sebastian; Latza, Sina: Viel zu tun, wenig Zeit. Looted Cultural Assets – kooperative Provenienzforschung, in: Bibliotheksdienst 50 (8), 2016, S. 712–724. Online: <https://www.researchgate.net/publication/305345089_Viel_zu_tun_wenig_Zeit>, Stand: 02.03.2019.

- Fleiter, Rüdiger: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, Hannover 2006.

- Kreter, Karljosef: Geraubte Bücher im Stadtarchiv Hannover. Die Identifizierung von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut aus dem „NSDAP-Gauarchiv und -museum“, in: Hannoversche Geschichtsblätter 60, 2006, S. 105–134.

- Krische, Michael: 575 Jahre Stadtbibliothek Hannover. Geschichte und Geschichten, Hannover 2015.

- Schmid, Hans-Dieter: Die Gestapo Hannover, in: Ders.; Heuer, Hans-Joachim (Hg.): Von der Polizei der Obrigkeit zum Dienstleister für öffentliche Sicherheit, Hilden 2003, S. 89–119.

1 Die Washingtoner Prinzipien wurden 1998 auf der Conference on Holocaust-Era Assets in Washington, D.C., verabschiedet. Die 44 Teilnehmerstaaten der Konferenz legten darin erstmals gemeinsame Grundsätze für den Umgang mit durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken fest. Die Prinzipien sind in deutscher Übersetzung online abrufbar unter: <https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Stiftung/Grundlagen/Washingtoner-Prinzipien/Index.html>, Stand: 12.03.2019.

2 Mit der Gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden von 1999 wurde für Deutschland aus den Washingtoner Prinzipien der Auftrag zur Auffindung und Rückgabe „NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ abgeleitet und politisch verankert. Siehe <https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Stiftung/Grundlagen/Gemeinsame-Erklaerung/Index.html>, Stand: 12.03.2019.

3 Haldenwanger, Maria: Internes Arbeitspapier: Zwischenbericht der Stadtbibliothek Hannover: Jüdischer Buchbesitz als Beutegut, 17.02.2002, Hausarchiv StB Hannover, ohne Signatur; Doras, Johanna: Provenienzforschung zum Nachweis von NS-Raubgut in Bibliotheken – unter besonderer Berücksichtigung der Stadtbibliothek Hannover, Bachelorarbeit (Fachhochschule Hannover), Hannover 2012, S. 55–68.

4 Alker, Stefan; Bauer, Bruno; Stumpf, Markus (Hg.): NS-Provenienzforschung und Restitution an Bibliotheken, Berlin u.a. 2017, S. 3 f., S. 30.

5 Krische, Michael: 575 Jahre Stadtbibliothek Hannover, Hannover 2015, S. 114–117.

6 Belegt ist dies für Teile der Bibliothek des Ehepaares Elsbeth und Gustav Rüdenberg, das von den Nationalsozialisten auf Grund seiner jüdischen Herkunft verfolgt, enteignet und ermordet wurde. Die Stadtbibliothek kaufte 1942 vom Oberfinanzpräsidenten Hannover 426 Bände der Rüdenberg`schen Bibliothek. Zwei Drittel der Bücher verbrannten im Oktober 1943. 161 Bände wurden 1950 an die Erb/inn/en der Rüdenbergs restituiert (vgl. Fleiter, Rüdiger: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, Hannover 2006, S. 210 f.). Hinweise auf weiteres potentielles Raubgut, das 1943 verbrannt ist, erbrachten die seit Anfang der 2000er Jahre unternommenen stichprobenartigen Prüfungen verdächtiger Zugänge (vgl. Haldenwanger: Arbeitspapier, 2002; Doras: Provenienzforschung, 2012, S. 55–68).

7 Vgl. hier und im Folgenden: Kreter, Karljosef: Geraubte Bücher im Stadtarchiv Hannover. Die Identifizierung von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut aus dem „NSDAP-Gauarchiv und -museum“, in: Hannoversche Geschichtsblätter 60, 2006, S. 105–134, hier v.a. S. 106–110, S. 130–134.

8 Weitere rund 1500 Bände lagerte die Stadtbibliothek unbearbeitet ein und gab sie 1985 an das Stadtarchiv Hannover weiter (vgl. ebd., S. 105).

9 Auf diese Zugänge erstmals hingewiesen hat Fleiter, Stadtverwaltung, 2006, S. 213.

10 Die Akten der Gestapo Hannover selbst sind vollständig vernichtet. Auch finden sich weder in den Akten der Stadtbibliothek Hannover noch in den Akten des Reichssicherheitshauptamtes (Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, R 58) Hinweise auf die Gestapo Hannover bzw. deren Buchbestände.

11 Vgl. Schmid, Hans-Dieter: Die Gestapo Hannover, in: Ders.; Heuer, Hans-Joachim (Hg.): Von der Polizei der Obrigkeit zum Dienstleister für öffentliche Sicherheit, Hilden 2003, S. 89–119, hier S. 108.

12 Neben den genannten „Geschenken“ der Gestapo und der Übernahme vom NSDAP-Gauarchiv sind dies z.B. Exemplare, die als „alter Bestand“ inventarisiert wurden, Geschenke und Käufe von „unbekannt“ bzw. „privat“, Geschenke der ehemaligen Hannoverschen Anstalt für germanische Volks- und Rassenkunde sowie die sogenannte Alfred Rosenberg Bücherspende für die deutsche Wehrmacht („Rosenberg-Spende“).

13 Laufzeit: 06.12.2018 bis 16.06.2019 im Museum August Kestner, Hannover. Es erscheint ein Begleitband zur Ausstellung: Schwartz, Johannes; Vogt, Simone (Hg.): Spuren der NS-Verfolgung. Über Herkunft und Verbleib von Kulturgütern in den Sammlungen der Stadt Hannover, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung des Museum August Kestner, i.E. Köln 2019.

14 Albrink, Veronica; Babendreier, Jürgen; Reifenberg, Bernd: Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken, in: Reifenberg, Bernd (Hg.): Die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken: Recherchestand, Probleme, Lösungswege, Marburg 2006, S. 150–180, hier S. 168.

16 Weiterführend zu LCA siehe Finsterwalder, Sebastian; Latza, Sina: Viel zu tun, wenig Zeit. Looted Cultural Assets – kooperative Provenienzforschung, in: Bibliotheksdienst 50 (8), 2016, S. 712–724.

17 Roßmann, Hermann: Flügel, Berlin: Fischer 1934. StB Hannover, Z 3122, Inventarnr. 45/2397.

18 Konrad Alsberg, Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung, 24.08.1937, Riksarkivet Stockholm, Socialstyrelsen Utlänningsbyrån, SE/RA/420267/12.

19 Zu allen biographischen Angaben: Meldekarte Adolf und Elisabeth Alsberg, Stadtarchiv Kassel; Personenakte Konrad Alsberg, Stadsarkivet Stockholm; Entschädigungsakte Konrad Alsberg, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Best. 518 Nr. 21958.

20 Alsberg, Dietrich A.: Witness to a Century. A Memoir, New York u.a. 1999, S. 53.

21 Türmer-Jahrbuch 2.1903–3.1904, Stuttgart: Greiner & Pfeiffer 1903–1904. StB Hannover, Zs 2502, Inventarnr. 46/621.

22 Zu allen biographischen Angaben: „Hanna Bertholet (Deckname Hafo)“, in: Dann, Otto; Rüther, Martin; Schütz, Uwe (Hg.): Deutschland im ersten Nachkriegsjahr: Berichte von Mitgliedern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) aus dem besetzten Deutschland 1945/46, Berlin u.a. 1998, S. 552; „Hanna Bertholet“, <http://philosophisch-politische-akademie.de/ppamit/bertholeth.html>, Stand: 13.03.2019.

24 Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungs-Geschichte. Gemeinverständl. wiss. Vorträge über d. Entwicklungs-Lehre, Abt. 1–2, Berlin: Reimer 1898, StB Hannover, O 3131, Inventarnr. 46/1468 u. 46/1588; Schnitzler, Arthur: Gesammelte Werke, Abt. 2: Die Theater-Stücke, Bd. 1, Berlin: Fischer 1912, StB Hannover 2/3726, Inventarnr. 52/7228. Bd. 2 wurde laut Zugangsbuch als Doublette ausgesondert. Vermutlich stammte er ebenfalls aus Maaß‘ Bibliothek.

25 „Johanna Maass“, <https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00571>, Stand: 12.03.2019.

26 „Maaß, Johanna“, in: Matrikelbuch der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, SoSe 1903, Universitätsarchiv Freiburg i. Br., A 66/9.

27 Benzenhöfer, Udo: Jüdische Ärzte in Hannover 1933–1945, Wetzlar 2000, S. 85.

28 Siehe Anm. 12.

29 Albrink, Veronica: Von Büchern, Depots und Bibliotheken. Zur Restitutionsgeschichte nach 1945, in: Reifenberg: Suche nach NS-Raubgut, 2006, S. 110–149, hier S. 147 f. Weitere Indizien für die Plausibilität von Albrinks These erbrachte das von 2008 bis 2010 an der GWLB durchgeführte NS-Raubgut-Forschungsprojekt. Siehe dazu Dehnel, Regine: NS-Raubgut in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, in: Dies. (Hg.): NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven, Frankfurt a. M. 2012, S. 285–300.