Zum Gedenken an Günter Gattermann (6. Mai 1929 – 21. Dezember 2018)

Abb.: Günter Gattermann

Am 21. Dezember 2018 ist Günter Gattermann, langjähriger Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, im Alter von 89 Jahren in Düsseldorf gestorben. In Frankfurt am Main, in Clausthal-Zellerfeld, in Darmstadt, in Düsseldorf und nach seiner Pensionierung auch in Dresden engagierte er sich für den Aufbau und die Neustrukturierung großer wissenschaftlicher Bibliotheken, insgesamt 41 Jahre lang zwischen 1955 und 1996.

Geboren wurde Günter Gattermann am 6. Mai 1929 in Aßlar (Kreis Wetzlar/Hessen). Er studierte seit 1947 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Geschichte, Klassische Philologie, Englisch und Philosophie und promovierte 1956 zum Dr. phil. mit Studien zur Lehnskriegsverfassung der Stauferzeit.

Nach dem Frankfurter Referendariat und dem Zweiten Staatsexamen am damaligen Bibliothekar-Lehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln blieb Günter Gattermann zunächst im kriegszerstörten Frankfurt am Main, um aus den Überresten Frankfurter Bibliotheken einen wissenschaftlichen Grundbestand für die Stadt- und Universitätsbibliothek zu bilden. Bereits seit 1958 lehrte er angehende Dokumentarinnen und Dokumentare die Grundlagen des Bibliothekswesens und der Bibliografie. Später, von 1971 bis 1989, übernahm er einen Lehrauftrag für das Fach Dokumentation am Bibliothekar-Lehrinstitut, dessen staatlichem Prüfungsausschuss für die Laufbahn des höheren Bibliotheksdienstes er von 1973 bis 1988 angehörte. Seit 1972 vertrat er zudem das Fach Bibliothekswissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf. So hat er sein Wissen auch als Dozent 30 Jahre lang weitergegeben und wurde dabei zu einem der frühen Vermittler zwischen Bibliothek und Dokumentation.

Von 1961 bis 1970 war Günter Gattermann Gründungsdirektor der Hochschulbibliothek der Bergakademie Clausthal-Zellerfeld, der heutigen Technischen Universität. Hier konnte er 1963 seinen ersten Bibliotheksneubau beziehen. Seit September 1970 leitete er dann die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, die als Grundstock die Bestände der ehemaligen Landes- und Stadtbibliothek mit etwa 500.000 Bänden erhielt und 1979 ihren Neubau der Zentralbibliothek in der Mitte des neuen Campus beziehen konnte. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994 wirkte Günter Gattermann für das integrierte Düsseldorfer Bibliothekssystem – und weit darüber hinaus.

Sechs Jahre war er Mitglied im Bibliotheksausschuss der DFG, 16 Jahre im Unterausschuss für Datenverarbeitung (davon sechs Jahre als Vorsitzender), sieben Jahre im Unterausschuss für Informationsvermittlung, ebenso lange im Unterausschuss für Bibliotheksforschung (davon drei Jahre als Vorsitzender). In diese Zeit fiel z.B. der Aufbau der regionalen Bibliotheksverbundsysteme. Als Mitglied der Arbeitsgruppe Bibliotheken des Wissenschaftsrates (1982-1988) wirkte er an den Empfehlungen zur Entwicklung der wissenschaftlichen Bibliotheken mit.

Besonders engagierte sich Günter Gattermann für die Bibliotheksentwicklung in Nordrhein-Westfalen: vom Einsatz der Datenverarbeitung bis zur Altbestandssicherung, von der Ermittlung des Bücherstellflächenbedarfs bis zur Evaluierung der Zeitschriftenbestände, vom Aufbau der Fachhochschul- und der Gesamthochschulbibliotheken bis zur Neuformulierung der Aufgaben der Landesbibliotheken. Die Nordrhein-Westfälische Bibliografie (seit 1983) und der Handschriftencensus Rheinland (1993) verdanken ihm ihr Erscheinen.

Der International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) diente er jeweils vier Jahre als Sekretär und als Vorsitzender der Sektion Universitätsbibliotheken.

Nach der politischen Wende kamen Günter Gattermanns Erfahrungen auch den Ländern Brandenburg (1991/92) und Sachsen (1995/96) zugute. Der Sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Professor Hans Joachim Meyer, bat ihn im Juli 1995, an der Integration der 1556 gegründeten Sächsischen Landesbibliothek und der 1828 gegründeten Universitätsbibliothek der Technischen Universität Dresden mitzuwirken. Ab Juli 1995 leitete er daraufhin die Integrationskommission und im Jahr 1996 dann als kommissarischer Generaldirektor ein Jahr lang die neu errichtete Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB Dresden). Besonders engagierte er sich für die Planung des großen Neubaus der SLUB, der unter seinem Nachfolger Jürgen Hering seit 1998 errichtet und 2003 eingeweiht werden konnte.

Aufgrund seiner zahlreichen Verdienste erhielt Günter Gattermann 1994 die Ehrenmedaille der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und wurde 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Günter Gattermann war Bibliothekar mit Leib und Seele. Elisabeth Niggemann, seit 1989 seine Mitarbeiterin und von 1995 bis 1999 seine Nachfolgerin in Düsseldorf, erinnert sich so: „Immer war er voller Pläne, ließ nicht locker, baute Allianzen und Sicherungen für seine Konzepte. Voller Liebe zum historischen Buch plante er Bibliotheks-Zukunft. Unglaublich dynamisch, mit breitem Rücken, Stehvermögen, Durchsetzungsfähigkeit und voller Energie und Engagement in der Sache war er doch von großer persönlicher Hilfsbereitschaft für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei war er ein anspruchsvoller Chef. Hohe Erwartungen stellte er erst einmal an sich selbst, dann aber durchaus auch an andere. Er war eine Autorität im besten Sinne des Wortes, zupackend, dynamisch, mitreißend.“

Die deutschen Bibliotheken verlieren mit Günter Gattermann einen ihrer engagierten Bibliothekare der Wiederaufbaujahre nach dem Krieg. Sein Vater kam erst 1950 aus der Kriegsgefangenschaft zurück, er selbst begann 1946 als Maurerlehrling. Mit Recht war Günter Gattermann dankbar und stolz auf das, was er für und mit den Bibliotheken während vier Jahrzehnten bewegen konnte.

Thomas Bürger, Generaldirektor der SLUB Dresden 2003-2018

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H1S140-142

1 Quelle: SLUB / Deutsche Fotothek, <http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90095120>, Stand: 15.03.2019.