Nachruf auf Yorck Alexander Haase (1934 – 2018), ehem. Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt

An Silvester 2018 ist Yorck Alexander Haase nach schwerer Krankheit im Alter von 84 Jahren verstorben. Die Bibliothekswelt verliert einen bis zuletzt aktiven Kollegen, der sich nicht nur um die Wolfenbütteler und Darmstädter Bibliothek und Sammlung große Verdienste erworben, sondern sich auch vielfältig ehrenamtlich und berufsständisch engagiert hat.

Haase wurde am 20. Februar 1934 in Frankfurt am Main geboren. Dort besuchte er die Schule und immatrikulierte sich später an der Universität Frankfurt. Von 1955 bis 1958 studierte er dort Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Geschichte. Zur Promotion ging er an die Universität Wien, wo er 1961 mit einer Arbeit über den Theatermaler Joseph Platzer promoviert wurde. Von 1961 bis 1964 arbeitete er zunächst als Verlagsredakteur, wechselte dann aber ins Bibliotheksmetier und wurde am 1. April 1964 Bibliotheksreferendar an der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main. In Frankfurt blieb er nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung am 31. März 1966 als Bibliotheksassessor noch für ein weiteres Jahr. Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel war seine erste wichtige Stelle. Er wirkte dort gut zehn Jahre, vom 30. Mai 1966 bis zum 15. September 1977 – zunächst unter Erhart Kästner, dann unter Paul Raabe, zuletzt in der Eigenschaft als stellvertretender Direktor.

Abb.: Yorck Alexander Haase

Am 1. Oktober 1977 wurde er zum Direktor der damaligen Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt ernannt, welches Amt er bis zu seiner Pensionierung zum Ende Februar 1999 innehatte. Haase engagierte sich auf verschiedenen Ebenen und Feldern. So brachte er sich immer wieder in die Ausbildung des Nachwuchses ein. Zunächst war er in Niedersachsen, dann in Hessen Mitglied im Prüfungsausschuss für die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst an Wissenschaftlichen Bibliotheken. Seine Verbundenheit zum Beruf zeigte sich auch deutlich in seinem Engagement für den VDB, dem er seit 1964 angehörte. Er betätigte sich insgesamt sechs Jahre, von 1983 bis 1989, im Vorstand des VDB und war von 1985 bis 1987 auch dessen Vorsitzender. Im Deutschen Bibliotheksinstitut wiederum wurde er für die Amtszeit 1994 bis 1996 in die „Kommission 4 Bestandserhaltung“ berufen.

Neben einem ausgeprägten Interesse an berufsständischen Themen trat immer wieder auch seine Begeisterung für das Theater hervor. So nahm er in den 1980er Jahren über mehrere Semester hinweg in Darmstadt unentgeltliche Lehraufträge zur „Geschichte des Theaters“ an. Noch in seinen letzten Lebensjahren kümmerte er sich ehrenamtlich um die bedeutende Theatersammlung in der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Darmstadt, mit deren Sammler Hermann Kaiser er noch persönlichen Kontakt gehabt hatte, und engagierte sich in der Freundesgesellschaft des Darmstädter Theaters, in der er über 30 Jahre als zweiter Vorsitzender aktiv war.

Haase übernahm 1977 die Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, die nach seinem Ausscheiden unter seinem Nachfolger Nolte-Fischer in Universitäts- und Landesbibliothek umbenannt wurde, in schwieriger Zeit. Klagen über Mittelknappheit und Personalmangel begleiteten wie ein basso continuo die Berichte aus seiner Amtszeit. Vergleiche mit anderen Bibliotheken wie der in Karlsruhe, auf die er nicht müde wurde hinzuweisen, zeigten die unzulängliche Ausstattung der Bibliothek, die durch steigende Buch- und Zeitschriftenpreise und einen Rückgang der Haushaltsmittel um 20 % in den Jahren 1981 und 19821 in ihrer Entwicklung massiv behindert wurde. Erst Ende der 1990er Jahre begann sich das Bild aufzuhellen und die Finanzsituation zu verbessern.2 Auch die Gebäudesituation war alles andere als günstig. Die Bibliothek war im Darmstädter Schloss untergebracht und litt zunehmend unter Platzmangel und den Einschränkungen, die ein Bibliotheksbetrieb in umgenutzen historischen Räumen mit sich brachte.3 Die Enge erzwang 1980 den Aufbau einer Kompaktusanlage im Keller der Bibliothek. Die wertvollen Altbestände konnten nicht angemessen untergebracht werden. Etwas Entlastung schaffte erst der Auszug des Staatsarchivs aus dem Ostflügel der Bibliothek in den rekonstruierten „Moller-Bau“ (das ehemalige Hof- und Landestheater und heutige Haus der Geschichte), der zugleich eine Neuorganisation der Bibliothek erforderlich machte. Immerhin konnte Haase noch kurz vor seiner Pensionierung, im Jahre 1998, den seit den 1970er Jahren geplanten Erweiterungsbau im Mitteltrakt des großherzoglichen Schlosses einweihen.

Trotz dieser widrigen Umstände gelang es Haase, das Haus zu entwickeln und zu modernisieren. Dazu gehörte nicht nur die schrittweise Einführung der EDV für Katalog- und Recherchezwecke und Ablösung des Zettelkatalogs, wie es an vielen Stellen in der Republik geschah, sondern vor allem auch die Entwicklung eines modernen Konzeptes für die Öffentlichkeitsarbeit,4 das u.a. in einem verbindlichen kommunikativen Design (u.a. mit neuem Leitsystem und Signet), in der Steigerung der Medienpräsenz, der Herausgabe einer Hauszeitschrift und vor allem in zahlreichen Ausstellungen zum Ausdruck kam – am Ende seiner Amtszeit konnte er auf 145 Ausstellungen zurückblicken. 1982 gelang es ihm sogar, den Bibliothekartag nach Darmstadt zu holen, der unter anderem das Thema „Öffentlichkeitsarbeit“ zum Schwerpunkt hatte. Haase, den die Vertreterin des Personalrats in Darmstadt bei seiner Verabschiedung als „geduldig, aber hartnäckig, ebenso bescheiden wie sachkundig und kooperativ“5 charakterisierte, erwarb sich in Hessen großes Ansehen. Anlässlich seines fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläums nannte ihn Hermann Kleinstück, der seinerzeitige Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Kunst, einen der „profiliertesten Bibliothekare in Hessen“.

Haase war vielfältig in der Stadt und Region vernetzt und hat nicht nur die Hochschul-, sondern auch die Landesbibliothek in seiner Person mit der ihm eigenen „bescheidenen Hartnäckigkeit“ und konzilianten Haltung glaubhaft vertreten. Einen Eindruck von seinem feinen Humor, mit dem er viele Brücken baute und der von Weggefährten immer wieder hervorgehoben wurde, mag das Detail vermitteln, dass er seine regelmäßigen Berichte zur Lage der Bibliothek in der hausinternen Zeitschrift unter dem Pseudonym „Herr Y“ sowie mit einem selbstentworfenen Signet eines großen Y in Hasengestalt verfasste. Haase hat aber auch über die Region hinaus gewirkt und versucht, das Haus bekannt zu machen, indem er nationale und internationale Kontakte pflegte, etwa über IATUL (International Association of Technological University Libraries).6 Dass die Welt seinerzeit eine andere war, verdeutlicht eine ministerielle Genehmigung für eine Dienstreise im Juli 1988 nach Szekszárd (Ungarn): „Ich weise Sie vorsorglich auf das persönliche Sicherheitsrisiko bei Reisen in den Kommunistischen Machtbereich hin“.

Haase hat sich nicht nur zu bibliothekarisch-administrativen, sondern auch zu Fragen der Sammlung und Bibliotheksgeschichte immer wieder zu Wort gemeldet. Schon in Wolfenbüttel ging die erste, wenn auch knappe, moderne Bibliotheksgeschichte7 auf ihn zurück. Darmstadt verdankt ihm ebenfalls eine Kurzdarstellung der Geschicke und Geschichte der Bibliothek.8 Und natürlich hat er immer wieder Beiträge zum Theater verfasst,9 das ihn bis zuletzt nicht losließ.

Thomas Stäcker, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H1S137-139

1 Vgl. Göller, Andreas: Die Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, in: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (Hg.): 450 Jahre Wissen – Sammeln – Vermitteln. Von der Hof- zur Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, 1567-2017. Darmstadt 2017, S. 277.

2 Vgl. ebd.

3 Vgl. Haase, Yorck Alexander: Die Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt. Aufgaben, Geschichte, Bestände, in: ABI Technik 2, 1982, S. 142.

4 Vgl. Häußer, Jörg-Dieter: Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Bibliotheken. Erfahrungen und Empfehlungen aus dem Darmstädter Modellversuch. Mit Beiträgen von Yorck Alexander Haase u.a. Berlin 1982.

5 TUD intern 20 (2), vom 12.04.1999.

6 Vgl. Haase, Yorck Alexander; Habermann, Alexandra (Hg.): Zur Internationalität wissenschaftlicher Bibliotheken. 76. Deutscher Bibliothekartag in Oldenburg 1986, Frankfurt am Main 1987 (ZfBB Sonderhefte 44).

7 Haase, Yorck Alexander: Die Geschichte der Herzog August Bibliothek, in sechs Stationen dargestellt. Vortrag, gehalten am 5. April 1972 in der Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek, in: Wolfenbütteler Beiträge 2, 1973, S. 17-42.

8 Haase: Die Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, 1982 (wie Anm. 3), S. 141-146.

9 Beispiele: Haase, Yorck Alexander: Theater in Darmstadt zur Zeit Georg Büchners. Basel u.a. 1987; Haase, Yorck Alexander: Harro Dicks und sein Darmstädter Stil. Musiktheater in Darmstadt 1951-1991, Darmstadt 2001.