Reform in zwei Stufen: Der neu aufgestellte Studiengang „Informationswissenschaften“ an der Hochschule der Medien

Herausforderungen für bibliothekarische und informationswissenschaftliche Studiengänge

Dass die sich dynamisch verändernde Lebens- und Arbeitswelt – insbesondere, aber nicht nur unter dem Aspekt der Digitalisierung – zu einem enormen Wandel führt, bei dem auch kein Ende in Sicht ist, ist mittlerweile ein Allgemeinplatz. Gerade Studiengänge an praxisorientierten Hochschulen wie Fachhochschulen oder Hochschulen für Angewandte Wissenschaften müssen daher nicht nur auf bereits erkannte neue Aufgabenfelder und Anforderungsprofile in der Berufspraxis reagieren, sondern eigentlich noch einen Schritt weiter gehen und ihre Absolventinnen und Absolventen vorbereiten „für eine Zukunft, die wir noch nicht kennen und für Jobs und Aufgaben, die es heute so noch nicht gibt“.1 Entsprechend geht es bei der Diskussion um die Weiterentwicklung von Studiengängen nicht nur um das „was“, sondern auch um das „wie“ – also nicht nur um die Konzeptionierung eines als passend empfundenen Curriculums, sondern verstärkt auch um die grundsätzlicheren Fragen, mit welchen Methoden und Formen ein zeitgemäßes Studium gestaltet werden kann, welche Erfahrungen die Studierenden machen und welche Kenntnisse und Kompetenzen sie aus dem Studium mitnehmen sollen.

Die bibliothekarischen Ausbildungsstätten stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, für ihre inhaltlich und methodisch weiterentwickelten Studiengänge auch die „richtigen“ Studierenden zu gewinnen. Das bekannt problematische Image des Berufsstands erschwert dies in zweierlei Hinsicht: Einerseits kann es junge Menschen vom Studium abhalten, die man sehr gerne als Beschäftigte in Bibliotheken sehen würde, zum anderen bringt es mitunter Studierende an die Hochschulen, die über wenig realistische Vorstellungen von der aktuellen Berufswelt verfügen. Eine verbreitete Annahme ist beispielsweise, dass IT an Öffentlichen Bibliotheken keine oder kaum eine Rolle spiele.

Ursula Georgy formulierte treffend: „[H]insichtlich der potenziellen Studierenden bedeutet es, die richtigen Personen anzusprechen: Menschen mit großer Neugier auf Neues, hoher kommunikativer Kompetenz, Interesse an IT etc. Es muss den Hochschulen, aber auch den Bibliotheken gelingen, das veraltete Bild des Bibliothekars, das immer noch in den Köpfen vorherrscht, endgültig ad acta zu legen. Nur dann werden die Studienbereiche Bibliothek und Information auch für den künftigen Bedarf der Bibliotheken ausbilden können. Andernfalls werden Bibliotheken, wenn sie innovativ und den künftigen Aufgaben gewachsen sein wollen, auf Absolventen anderer Studiengänge zurückgreifen (müssen) und sie über Weiterbildung mit dem notwendigen bibliothekarischen und informatorischen Know-how ausstatten.“2

Bei der Weiterentwicklung der bibliothekarischen Studiengänge ist deshalb auch die Präsentation und Vermittlung nach außen von zentraler Bedeutung – dies umso mehr, als der Wettkampf um die Studieninteressierten in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung eher zunehmen wird.3 Die Hochschulen haben naturgegebenermaßen großes Interesse daran, dass ihre Studiengänge möglichst attraktiv und vollständig ausgelastet sind – und ziehen ggf. Konsequenzen, wenn die gewünschten Bewerberzahlen nicht erreicht werden. Es ist daher keinesfalls garantiert, dass die über viele Jahre gewohnte Zahl von Absolventinnen und Absolventen deutschlandweit auch weiterhin erzielt werden wird. Eine Verringerung wäre jedoch fatal, da der viel zitierte Fachkräftemangel in Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen schon jetzt Realität ist. Man kann dies etwa an den häufigen Mehrfachausschreibungen oder Verlängerungen von Bewerbungsfristen bei Stellenanzeigen ablesen, ebenso an den zahlreichen Klagen über nicht adäquat zu besetzende Stellen.

Vor diesem Hintergrund sollte verständlich geworden sein, warum viele einschlägige Studiengänge in der jüngsten Vergangenheit erheblichen Aufwand in eine Neuausrichtung investiert haben und noch investieren. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von zwei neuen Bachelorstudiengängen im Institut für Informationswissenschaft der TH Köln mit den Titeln „Bibliothek und digitale Kommunikation“ und „Data and Information Science“, die zum Wintersemester 2018/19 gestartet sind.4 An der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart kam es sogar zu einer Reform in zwei Stufen, über die im Folgenden berichtet wird.

Die Fakultät wird „transformativ“

Den ersten Reformschritt setzte der Studiengang „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ nicht alleine um, sondern gemeinsam mit den drei anderen Bachelorstudiengängen an der Fakultät 3 (Information und Kommunikation) der HdM: Informationsdesign, Online-Medien-Management sowie Wirtschaftsinformatik und digitale Medien. Seit 2013 war am neuartigen Konzept einer „transformativen Fakultät“ gearbeitet worden, das zum Wintersemester 2016/17 umgesetzt wurde.5

Hinter „transformativ“ steht der Gedanke, dass Wissenschaft sich stärker als bisher in gesellschaftliche Transformationsprozesse einbringen und diese aktiv mitgestalten soll.6 Eine charakteristische Ausprägung transformativer Wissenschaft sind die sogenannten Reallabore. Eng verbunden ist auch der Begriff der Transdisziplinarität, d.h. einer interdisziplinären Forschung, die von gesellschaftlichen Problemstellungen ausgeht und auch praktisches Wissen der Anwenderinnen und Anwender mit einbezieht. Ein Ziel der transformativen Fakultät ist es, ihre Absolventinnen und Absolventen zu „akademischen Problemlösern“ zu machen.

Konkret wurde ein gemeinsamer Rahmen für alle Bachelorstudiengänge vereinbart. Der transformative Anspruch wird dabei in Form eines neuartigen Projektstudiums umgesetzt: Vorwiegend im 6. und 7. Fachsemester belegen alle Studierenden Projekte im Umfang von insgesamt 35 ECTS – dies entspricht etwas mehr als dem Leistungsumfang eines Semesters, das mit 30 ECTS kalkuliert wird. Unterschieden werden dabei fachspezifische Projekte (5 ECTS), interdisziplinäre (10 ECTS) und transdisziplinäre Projekte (20 ECTS verteilt auf zwei Semester), wobei alle Studierenden mindestens ein inter- oder transdisziplinäres Projekt belegen müssen. Interdisziplinäre Projekte kombinieren mindestens zwei verschiedene fachliche Perspektiven, die häufig auch durch Lehrende aus unterschiedlichen Studiengängen vertreten werden; bei den transdisziplinären Projekten ist zwingend auch ein externer Partner beteiligt. Die Studierenden können die Projekte nach ihrer Neigung und den zur Verfügung stehenden Plätzen wählen. Grundsätzlich steht die Teilnahme an einem Projekt Studierenden aus allen Studiengängen der Fakultät offen, sofern die in der Projektbeschreibung benötigten Vorkenntnisse vorhanden sind. In den gemischten Teams ist es dann möglich, die verschiedenen Aspekte einer komplexen Aufgabenstellung von denjenigen Studierenden bearbeiten zu lassen, die dafür fachlich am besten vorgebildet sind oder sich besonders dafür interessieren.

Das zweite zentrale Element war eine Neukonzeption der Themenfelder Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten. Diese Bereiche wurden nicht nur von ihrem Umfang her deutlich gestärkt (auf insgesamt 25 ECTS), sondern werden seither auch in neuen didaktischen Formaten und grundsätzlich studiengangübergreifend gelehrt. Im Modul „Wissenschaftliche Grundlagen“ im 1. und 2. Semester bearbeiten die Studierenden in kleinen Gruppen konkrete wissenschaftliche Fragestellungen und erlernen dabei auch die entsprechende Methodik. Bis einschließlich zum 4. Semester belegen sie insgesamt drei Schlüsselkompetenz-Module („Ways of Working“, „Tools for Working“ und „Working in a Media World“). Bei diesen ist jeweils eine Pflichtveranstaltung vorgeschrieben, eine zweite Lehrveranstaltung wird gewählt. Im Modul „Tools for Working“ beispielsweise ist Projektmanagement verpflichtend und kann je nach Interessenlage durch Selbstmanagement, Kreativität oder Visualisieren ergänzt werden.

Die Erfahrungen mit der transformativen Fakultät sind grundsätzlich positiv. So empfinden es die Studierenden als einen Gewinn, auch Kommiliton/inn/en aus anderen Studiengängen kennenzulernen. Und während es anfangs öfter Beschwerden über „zu viel Soft Skills“ gab, scheint die neue Ausrichtung mittlerweile akzeptiert zu sein. Aus Sicht der Fakultät haben sich die neuen Elemente insgesamt gut bewährt; sie mussten nur punktuell nachjustiert werden. Beispielsweise wurde das Modul „Orientierung“ im 1. Semester anfangs teilweise studiengangübergreifend unterrichtet, mittlerweile aber wieder vollständig in die Verantwortung der einzelnen Studiengänge gelegt. Auch mit den Projektveranstaltungen neuen Typs wurden bereits Erfahrungen gesammelt. Die Nagelprobe steht hier allerdings erst noch bevor, wenn im Sommersemester 2019 die erste Kohorte, die mit dem neuen Konzept begonnen hat, ins 6. Fachsemester kommt.

Das erste Konzept für das Fachstudium im neuen Rahmen

Für die Gestaltung der fachlichen Inhalte der jeweiligen Studiengänge verbleiben im Modell der transformativen Fakultät 150 ECTS von insgesamt 210 ECTS. Von diesen wiederum entfallen 30 ECTS auf das Praxissemester und 15 ECTS auf die Bachelorarbeit inkl. Bachelorkolloquium. Für das fachliche Pflichtprogramm und entsprechende Wahlveranstaltungen stehen folglich 105 ECTS zur Verfügung.

Im ersten Konzept des Studiengangs, das gleichzeitig mit der Einführung der transformativen Fakultät gültig wurde, wurde das fachliche Pflichtprogramm stark verschlankt (auf 65 ECTS). Konkret bedeutete dies beispielsweise, dass die verpflichtenden Lehrveranstaltungen im Bereich Formalerschließung, die in der früheren Studien- und Prüfungsordnung (SPO) einen Umfang von acht Semesterwochenstunden eingenommen hatten, auf nur noch vier reduziert wurden. Auch bei den Praktika ergab sich eine Änderung, da eines der beiden fünfwöchigen Kurzpraktika entfiel.

Hingegen wurde das Segment der Informationstechnologie ganz bewusst gestärkt – mit je einem verpflichtenden IT-Modul im Umfang von 5 ECTS in den ersten drei Semestern. Dies war personell möglich, weil eine verstärkte IT-Ausrichtung schon seit längerem erklärtes Ziel des Studiengangs ist und dies auch bei den letzten Neuberufungen berücksichtigt wurde. Im 1. Semester erhalten die Studierenden eine Einführung ins Programmieren. Dabei wird zunächst mit einer visuellen Programmiersprache gearbeitet, um einen niedrigschwelligen Einstieg zu ermöglichen. Im zweiten Modul steht die Arbeit mit Daten im Mittelpunkt, und im dritten das Thema Web – hier wird auch ein Webserver programmiert und eine eigene Website umgesetzt. Für die IT-Module gilt das Konzept des „flipped classroom“, d.h. die Studierenden erarbeiten sich die Inhalte eigenständig daheim, während die eigentliche Kontaktzeit für das Besprechen von Übungsaufgaben, zusätzliche Erklärungen oder individuelle Unterstützung genutzt wird. Überdies gibt es Tutorinnen und Tutoren, an die man sich bei Bedarf wenden kann. Den oft nicht sonderlich Technik-affinen Studierenden sollen durch den neugestalteten IT-Bereich nicht nur fachliche Inhalte vermittelt werden, sondern sie sollen auch lernen, wie man mit auftretenden Problemen umgeht und wie man Hilfestellungen findet.7

Die Pflichtveranstaltungen wurden durch ein vielfältiges Angebot an Wahlveranstaltungen zur Vertiefung bzw. Spezialisierung (je 5 ECTS) ergänzt, von denen die Studierenden insgesamt acht belegen sollten – sechs im 3. und 4. Semester, die restlichen beiden im 6. und 7. Semester. Auch manche Inhalte, die früher in Pflichtveranstaltungen unterrichtet wurden, wanderten in den Wahlbereich.

Um den Studierenden die Profilierung durch die Wahl entsprechender Veranstaltungen zu erleichtern und die im Studiengang behandelten Themen auch nach außen hin besser zu kommunizieren, wurden die fachlichen Lehrangebote im Pflicht- und Wahlbereich jeweils einer von vier „Säulen“ zugeordnet:

Nach der Reform ist vor der Reform – neue Überlegungen

Das gerade beschriebene Konzept für den fachspezifischen Teil des Studiums hatte nur für zwei Jahre Bestand und wurde zum Wintersemester 2018/19 von einem veränderten Modell abgelöst. Dieses war das Ergebnis eines intensiven Nach- und Neudenkens im Studiengang, das von einer Reihe unterschiedlicher Impulse getrieben war.

Dazu gehörte die Einsicht, dass junge Menschen sich heute ein flexibles Studium wünschen, das ihnen ein breites Feld an Karrieremöglichkeiten eröffnet – auch über den engeren Bibliotheks- und Informationsbereich hinaus. Zugleich ist in der aktuellen Berufspraxis ein starkes Auseinanderdriften von Anforderungen und Tätigkeitsfeldern zu beobachten, das den bisherigen „Einheitsstudiengang“ in Frage stellen musste. Ein weiterer Diskussionspunkt war das bereits angesprochene problematische Image von Bibliotheken und die Befürchtung, dass der Studiengangsname auf eine bestimmte Klientel, die man sich als Studierende durchaus wünschen würde, geradezu „abschreckend“ wirken könnte. Angesichts sinkender Bewerberzahlen konnte man dieses Problem nicht einfach ignorieren – aber auch nicht durch eine schlichte Umbenennung des Studiengangs in den Griff bekommen. Vielmehr mussten die Lehrinhalte kritisch überprüft, angepasst und neu profiliert werden, und es musste ein Weg gefunden werden, um dies auch nach außen hin transparent zu machen. Schließlich war auch auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, insbesondere auf die Verlagerung von Professuren in andere Studiengänge der Fakultät. Ein Ziel der geplanten Neugestaltung war es daher auch, die Personalressourcen möglichst effizient einzusetzen.

Die Grundidee für die neue Studienstruktur war es, künftig innerhalb des Studiengangs zwei unterschiedliche Schwerpunkte anzubieten. Die Details wurden in einer Reihe von Workshops ausgearbeitet, an denen auch Studierende beteiligt waren. Dabei begannen wir wirklich ganz von vorne und überlegten zunächst, für welche Berufsbilder und Tätigkeitsfelder das Studium an der HdM befähigen soll (und für welche nicht). Im zweiten Schritt wurden die dafür benötigten Inhalte und Kompetenzen gesammelt und es wurde jeweils entschieden, ob diese für alle Studierenden oder nur für eins der beiden Profile relevant sind. Während dieses Prozesses zeichneten sich auch die beiden Schwerpunkte immer deutlicher ab, die wir schließlich folgendermaßen benannten:

Die ermittelten Inhalte wiederum wurden zu Modulen zusammengeführt. Auf eine weitere Untergliederung in einzelne Lehrveranstaltungen, wie sie bisher üblich war, wurde dabei bewusst verzichtet, um den Bologna-Gedanken ernst zu nehmen und die Flexibilität in der Lehre zu erhöhen.

Im Wintersemester 2017/18 wurde der Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement turnusgemäß reakkreditiert. Dies bot die Chance, das veränderte Konzept und den Entwurf der neuen SPO in diesen Prozess mit einzubringen und mit der Gutachtergruppe zu diskutieren. Die durchwegs positiven Reaktionen bestärkten uns in unseren Plänen, sodass die neue Struktur fertig ausgearbeitet und den verschiedenen Hochschulgremien vorgelegt werden konnte. Teil der Neuaufstellung war auch die Umbenennung des Studiengangs von „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ in den offeneren Begriff „Informationswissenschaften“ (bewusst im Plural), um die breitere Ausrichtung auch im Namen deutlich zu machen. Während die neue SPO bereits zum Wintersemester 2018/19 eingeführt wurde, tritt die Namensänderung erst zum Sommersemester 2019 in Kraft. In der Außendarstellung werden jedoch ohnehin die Namen der beiden Schwerpunkte in den Vordergrund gestellt; diese werden auch im Abschlusszeugnis ausgewiesen.

Das aktuelle Konzept

Auch das neue Studienmodell setzt natürlich die Rahmenvorgaben aus der transformativen Fakultät um – also die studiengangübergreifenden Lehrveranstaltungen in den Bereichen Schlüsselkompetenzen und wissenschaftliches Arbeiten sowie das Projektstudium. Auch das Praxissemester wird unverändert im 5. Fachsemester absolviert. Die Neuerungen beziehen sich nur auf den Teil des von den einzelnen Studiengängen zu gestaltenden fachspezifischen Studiums.

Wie die schematische Abbildung zeigt, steht am Anfang ein gemeinsames Grundstudium für alle Studierenden, das die ersten beiden Fachsemester umfasst. Hier sind also auch die fachlichen Pflichtveranstaltungen identisch, z.B. „Märkte und Kunden“ und „Datenstrukturierung und Recherche“ im 1. Semester oder „Angebots- und Dienstleistungsentwicklung“ und „Lernen und Lehren“ im 2. Semester.

Außerdem sind weiterhin 15 ECTS für grundlegende IT-Kompetenzen eingeplant, um sicherzustellen, dass auch künftig alle HdM-Absolvent/inn/en über solide Kenntnisse in diesem Bereich verfügen. Jedoch wurden die Inhalte etwas angepasst: Die Einführung ins Programmieren wird im ersten Semester durch erweiterte IT-Grundlagen ergänzt und mit entsprechend mehr ECTS ausgestattet (10 statt zuvor 5). Dies ist eine Reaktion auf die „Beobachtung (...), dass die Studierenden sehr unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen und Kompetenzen in der Bedienung von Standardsoftware und der Medienerstellung und -gestaltung, die vor wenigen Jahren noch selbstverständlich waren, nicht mehr in der Breite vorhanden sind.“8 Web-Technologien werden nunmehr für alle Studierenden im 2. Semester behandelt, während das Thema Daten aus dem gemeinsamen Bereich in den DIM-Schwerpunkt verschoben wurde.

Abb.: Studienverlauf mit Modulbezeichnungen

Erst am Ende des 2. Semesters entscheiden sich die Studierenden für einen der beiden Schwerpunkte. Im 3. und 4. Semester findet ein Teil der fachlichen Pflichtveranstaltungen weiterhin gemeinsam für alle Studierenden statt. Mit den beiden Modulen „Cultural Heritage, Digitalisierung“ und „Open Society“ wurden dabei gezielt neue und zeitgemäße Akzente gesetzt. Die restlichen Pflichtveranstaltungen des 3. und 4. Semesters im Umfang von insgesamt 20 ECTS finden differenziert nach den beiden Schwerpunkten statt: Die BKBM-Studierenden vertiefen ihre Fachkenntnisse in den Modulen „Public Management und Kulturmanagement“, „Gesellschaftliche und kulturelle Kontexte“ sowie „Architektur und Einrichtung“, für die DIM-Studierenden sind es entsprechend die Module „Daten und Datenintegration“, „Web-Programmierung“ und „Metadatenmanagement“.

Auch im neuen Konzept gibt es einen Wahlbereich: Im 4., 6. und 7. Semester belegen die Studierenden insgesamt fünf Wahlmodule zur Vertiefung bzw. Spezialisierung. Der Katalog der Wahlmodule (von denen natürlich in jedem Semester nur ein Teil angeboten werden kann) ist dabei aufgeteilt in solche, die für Studierende beider Schwerpunkte geeignet sind, und solche, die nur für einen der beiden Schwerpunkte gedacht sind. Beispiele für übergreifend belegbare Wahlmodule sind „Fachinformation“, „Vertiefung zur Formalerschließung“, „Lizenzmanagement und Marketing von E-Ressourcen“, „Net Communities und Citizen Science“, „Bildungslandschaften“, „Wissens- und Dokumentenmanagement“ oder „Kundenorientierung, Service Design und Qualitätsmanagement“. Zu den BKBM-spezifischen Wahlmodulen gehören u.a. „Kulturvermittlung“, „Marketing und Public Relations“, „Kinder- und Jugendmedien“ und „Medienpädagogik“, zu den DIM-spezifischen Wahl­modulen u.a. „Forschungsnahe Dienstleistungen“, „Open Government und Open Data“, „Information Retrieval“ und „Software-Entwicklung“.

Es sei betont, dass beide Schwerpunkte für eine spätere Tätigkeit in Bibliotheken qualifizieren. Es wäre auch zu kurz gegriffen, darin eine simple Neuauflage der alten Trennung in „WB versus ÖB“ zu sehen. Die Akzente werden vielmehr – unabhängig vom Bibliothekstyp – auf unterschiedliche Tätigkeitsprofile und Handlungsfelder gelegt. So werden in BKBM gesellschaftlich-kulturelle und pädagogische Kompetenzen sowie der Management-Bereich betont, während DIM deutlich stärker technisch orientiert ist und auf das Thema „Daten“ fokussiert. Für eine Leitungsstelle an einer Öffentlichen Bibliothek beispielsweise bereitet der BKBM-Schwerpunkt besonders gut vor, für eine Tätigkeit im Bereich Forschungsdatenmanagement an einer Wissenschaftlichen Bibliothek hingegen der DIM-Schwerpunkt. Aber es ist ebensogut möglich, dass eine DIM-Absolventin sich an einer Stadtbücherei um die digitalen Angebote kümmert und im Makerspace Roboter programmiert oder dass ein BKBM-Absolvent an einer Universitätsbibliothek für die Bereiche Informationskompetenz und Lernraumgestaltung zuständig ist.

Außerhalb des engeren Bibliotheks- und Informationsbereichs kommen für BKBM-Absolvent/inn/en als potenzielle Arbeitgeber z.B. auch integrierte kommunale Bildungs- und Kulturzentren, private Bildungs- und Kulturträger und andere Dienstleister im Kultur- und Bildungsbereich in Frage. Entsprechend können sich DIM-Absolvent/inn/en auch bei Software-Dienstleistern im Informationsbereich, privaten Informationsdienstleistern, Verwaltungen der Kommunen, der Länder und des Bundes oder anderen Einrichtungen, die mit Daten und Informationen umgehen, bewerben. Konsequenterweise erweitert sich auch die Palette möglicher Praxisstellen für das Kurzpraktikum und das praktische Studiensemester. Beispielsweise sind mit Blick auf den BKBM-Schwerpunkt nunmehr auch Institutionen zugelassen, in denen professionelles Kultur- oder Bildungsmanagement betrieben wird (z.B. im Bereich der Erwachsenen- oder außerschulischen Jugendbildung, Museums- oder Theaterpädagogik).

Erste Erfahrungen

Zum Wintersemester 2018/19 starteten die ersten Studierenden mit der neuen SPO, allerdings noch unter dem bekannten Namen. Sowohl für dieses Semester als auch für das nun anstehende Sommersemester 2019, bei dem der Studiengang erstmals unter dem neuen Namen präsentiert wurde, haben sich die Bewerberzahlen positiv entwickelt. Ob sich dadurch auch eine etwas andere Zielgruppe angesprochen fühlt, muss sich allerdings erst noch zeigen.

Die Erfahrungen mit dem neugestalteten 1. Semester waren durchwegs positiv; beispielhaft sei aus den beiden von der Verfasserin unterrichteten Modulen berichtet. „Datenstrukturierung und Recherche“ wurde komplett neu konzipiert und umfasst nun einerseits einen allgemeinen Überblick über das Thema Informationsorganisation, verschiedene Standards und eine Einführung in RDA, andererseits aber auch den großen Bereich der Informationsressourcen sowie allgemeine Methoden und Werkzeuge für die Recherche. Diese Themenbereiche, die bisher in unterschiedlichen Semestern angesiedelt waren, greifen hervorragend ineinander. Beispielsweise können die Studierenden zunächst an einem Beispiel selbst Metadaten nach Dublin Core (DC) erfassen und in einem zweiten Schritt die Umsetzung von DC in verschiedenen Datenquellen (z.B. Repositorien oder OA-Journals, jeweils mit Abruf über das OAI-Protokoll) vergleichen. Wenn dann zu einem etwas späteren Zeitpunkt die wissenschaftliche Suchmaschine BASE (Bielefeld Academic Search Engine) besprochen und ausprobiert wird, die solche Daten abholt und aggregiert, entwickeln die Studierenden ein viel besseres Verständnis davon, was hier technisch eigentlich passiert.

Das Modul „Orientierung (Hochschule, Studium, Berufsfeld)“ ist im neuen Konzept etwas anders akzentuiert als bisher. So sind nun die Inhalte der früher separaten Lehrveranstaltung „Informationsstrukturen“ eingeflossen: Die Studierenden erhalten einen Überblick über das breite Feld der Bibliotheken und anderer Informationseinrichtungen, über Verbände, Gremien, Wissenschaftseinrichtungen etc., was auch durch Exkursionen ergänzt wird (im vergangenen Semester ans Hauptstaatsarchiv Stuttgart und in die Württembergische Landesbibliothek). Dies passt gut zusammen mit dem schon früher hier angesiedelten Thema „Berufsbild“, das u.a. durch die Beschäftigung mit ausgewählten Stellenanzeigen sowie Gastvorträgen von Absolventinnen und Absolventen mit Leben gefüllt wird. Das Modul bietet außerdem Raum für Informationen zu Abläufen an der Hochschule und im Studiengang, z.B. zum Kurzpraktikum, zur SPO und zur Prüfungsanmeldung, sowie für andere Dinge, die die Studierenden beschäftigen. Auf besonderen Wunsch wurde diesmal das Thema „Plagiate“ (das natürlich auch im Modul „Wissenschaftliche Grundlagen“ behandelt wird) intensiv diskutiert. Schließlich sollen die Studienanfänger/innen von Anfang an wahrnehmen, dass ihre Studienzeit nicht nur aus den Lehrveranstaltungen besteht, und lernen, über den Tellerrand des eigenen Studiengangs und der eigenen Fakultät hinaus zu blicken. Ein Teil der Prüfungsleistung besteht deshalb darin, eine bestimmte Anzahl von (selbstgewählten) extrakurrikularen Veranstaltungen zu besuchen und zu dokumentieren. Ein studentischer Kommentar aus der Evaluation lautete: „Tolle Vorlesung, bei der es um die Zukunft der Studierenden geht. Man wird ein bisschen ‚an die Hand genommen‘ und hat dadurch einen guten Einstieg in das erste Semester. Außerdem bekommen wir durch Gastvorträge und Exkursionen anschauliche Einblicke ins Berufsleben.“

Nun sind wir gespannt darauf, wie gut das neue Modell auch in den höheren Semestern funktionieren wird. Besonders interessant wird dabei natürlich sein, wie sich die Studierenden auf die beiden Schwerpunkte verteilen werden. Die inhaltliche Verbreiterung unseres Studiengangs wird – davon sind wir überzeugt – nicht zuletzt dazu führen, dass unsere Absolventinnen und Absolventen lernen, flexibel und in größeren Zusammenhängen zu denken, und damit auch für Bibliotheken noch interessantere Mitarbeiter/innen sein werden.

Heidrun Wiesenmüller, Hochschule der Medien Stuttgart

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H1S73-81

1 Vonhof, Cornelia: Bachelor und Berufspraxis – das Studienmodell der Hochschule der Medien Stuttgart, in: Bibliotheksdienst 51 (10/11), 2017, S. 923-934, hier S. 933. Vonhof greift damit ein Zitat aus folgendem Video auf: Fisch, Karl; McLeod, Scott; Brenman, Jeff: Did you know?, Youtube, 2013. Online: <https://www.youtube.com/watch?v=ViORsr63SPM>, Stand: 04.02.2019.

2 Georgy, Ursula: Bibliotheks- und informationswissenschaftliche Aus- und Weiterbildung: Herausforderungen und Perspektiven, in: Bibliotheksdienst 51 (10/11), 2017, S. 864-875, hier S. 871.

3 Vgl. Stuckrad, Thimo von; Berthold, Christian; Neuvians, Tim: Auf dem Hochplateau der Studiennachfrage: Kein Tal in Sicht! Modellrechnungen zur Entwicklung der Studienanfängerzahlen bis zum Jahr 2050, Gütersloh 2017 (Centrum für Hochschulentwicklung, Arbeitspapier Nr. 203). Online: <http://www.che.de/downloads/CHE_AP_203_Prognose_Studienanfaengerzahlen_bis_2050.pdf>, Stand: 04.02.2018. Anders als der Titel der Studien vermuten lässt, ist zumindest bei gleichbleibender Studierneigung durchaus mit einer Verringerung der Studienanfängerzahl zu rechnen, in Baden-Württemberg z.B. von ca. 77.000 im Jahr 2016 auf ca. 67.000 im Jahr 2028 (S. 36).

4 Vgl. Fühles-Ubach, Simone: Bibliothekare und Data Librarians – neue Profile für das bibliothekarische Fachpersonal der Zukunft, in: o-bib 5 (4), 2018, S. 7-17, <https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H4S7-17>.

5 Vgl. dazu ausführlich Vonhof: Bachelor und Berufspraxis, 2017 (wie Anm. 1).

6 Vgl. Schneidewind, Uwe; Singer-Brodowski, Mandy: Transformative Wissenschaft. Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem, Marburg 20142, S. 69: „Der Begriff der transformativen Wissenschaft lehnt sich an die vom WBGU (2011) geprägte Definition einer ‚transformativen Forschung‘ an. Transformative Wissenschaft ist demnach eine Wissenschaft, die ‚Umbauprozesse durch spezifische Innovationen (...) befördert. Sie unterstützt Transformationsprozesse konkret durch die Entwicklung von Lösungen sowie technischen und sozialen Innovationen; dies schließt Verbreitungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Möglichkeiten zu deren Beschleunigung ein und erfordert zumindest in Teilen systemische Betrachtungsweisen sowie inter- und transdisziplinäre Vorgehensweisen, darunter die Beteiligung von Stakeholdern‘.“ Die Abkürzung WBGU steht für „Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“.

7 Vgl. zu Inhalten und Konzeption der IT-Module ausführlich Pfeffer, Magnus: IT-Kernkompetenzen im Bachelorstudiengang „Informationswissenschaften” an der HdM Stuttgart, in: Bibliothek, Forschung und Praxis 43 (2), 2019, im Druck.

8 Pfeffer: IT-Kernkompetenzen im Bachelorstudiengang „Informationswissenschaften”, 2019 (wie Anm. 7).