Tagungsberichte

Die Bibliothek als moderner und attraktiver Lern- und Arbeitsort

Eine Zusammenfassung der Fortbildung „Bibliotheksbau: Menschen und Räume“ vom 05.12.2018 in der Universitätsbibliothek Augsburg

So alt wie die Nutzung des Raumes durch den Menschen, so alt ist auch die Anpassung des Raumes an die jeweiligen menschlichen Bedürfnisse. Atemberaubend ist aber hierbei, mit welcher Geschwindigkeit sich binnen weniger Jahrzehnte die Bedürfnisse unserer Benutzer und Benutzerinnen an die Bibliothek als Lern- und Arbeitsraum gewandelt haben. Die zeitgemäße Konzeption von Benutzungsbereichen in wissenschaftlichen Bibliotheken stand daher im Mittelpunkt einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung des Landesverbands Bayern, zu der sich insgesamt 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Augsburg eingefunden hatten.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Frau Alexandra Becker (Hochschule der Medien, Stuttgart) mit dem Einführungsvortrag „Gestaltung von Lernwelten in wissenschaftlichen Bibliotheken“. Frau Becker berichtete über ihre Ergebnisse in der Lernraumforschung und gab interessante Einblicke in den Lernalltag und die Präferenzen der Studierenden hinsichtlich der Gestaltung der Lernumgebungen und deren Einfluss auf das subjektive Aufenthalts- und Lernempfinden. Generell wurden Lernumgebungen, die eine flexible Gestaltung und eine individuelle Anpassung an verschiedene Lernsituationen wie Einzelplatzlernen oder Gruppenarbeit ermöglichen, durchweg sehr positiv beurteilt. Allerdings sollte auch bei einer flexiblen Gestaltung von Lernumgebungen auf allgemeine Grundbedürfnisse menschlichen Verhaltens Rücksicht genommen werden. So wird ein Raum üblicherweise von außen nach innen besetzt. Auch verbessert sich die Arbeitssituation in Gruppenarbeitsbereichen, wenn das Bedürfnis nach Abgrenzung und Territorialität der einzelnen Gruppen durch Trennwände und Sichtschutz gewährleistet werden kann. Zudem hat sich im Lernlabor gezeigt, dass die Konzentrations- und Arbeitsmöglichkeiten in aufgeräumten Räumen besser beurteilt werden. Der mögliche Einwand gegen eine flexible Lernraumgestaltung, dass diese mit einem erhöhten Schallpegel und einer als schlechter empfundenen Lernatmosphäre einhergehe, hat sich in den Studien hingegen als unzutreffend erwiesen.

Den Transfer von der Theorie in die Praxis nahm Herr Dr. Fabian Franke vor in seinem Vortrag „Offen – flexibel – vielfältig – innovativ. Der Lernraum24 an der Universitätsbibliothek Bamberg“. Die Gestaltung eines neuen Lernbereichs basierte auf der Zusammenarbeit mit der Hochschule der Medien in Stuttgart und deren Ergebnissen in der Lernraumforschung. Kernelemente des neuen Lernraums sind dessen offener Zugang mit einer 24/7-Öffnung, mobiles Mobiliar sowie ein engmaschiges Steckdosennetz, welches den Studierenden eine flexible Gestaltung ihrer Lern- und Arbeitsumgebung und ein selbstgesteuertes Lernen ermöglicht. Hatte man in der Projektphase die Aspekte Unordnung, Sauberkeit, Raumästhetik sowie Lärmbelästigung und Sicherheit als mögliche Problemfelder benannt, so zeigen die Nutzungserfahrungen, dass mit einer flexiblen und dynamischen Raumgestaltung zwar ein erhöhter Aufräum- und Putzbedarf einhergeht, sich die Befürchtungen hinsichtlich der Lärmbelastung und Sicherheit jedoch nicht bewahrheitet hatten. Deutlich wurde in den Ausführungen von Herrn Franke nicht zuletzt, dass die Raumbedürfnisse der Studierenden sehr unterschiedlich sind und eine flexible Raumgestaltung oft noch polarisiert und begeisterte Anhänger und Vielnutzer auf der einen sowie Gegner auf der anderen Seite hinterlässt. Letztere versuchen entsprechend, den neuen Lernraum weitgehend zu meiden.

Mit seinem Vortrag „Die barrierefreie Bibliothek – Zugang schaffen für alle Menschen“ legte Herr Gregor Strutz, Geschäftsführer der Firma „inkl Design“, den Fokus auf eine besondere Nutzergruppe: auf Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die meist nicht im Zentrum der Planungen bei der Um- oder Neugestaltung von Bibliotheksräumen stehen. So leben in Deutschland mittlerweile mehr als 10 Mio. Menschen mit amtlich anerkannter Schwerbehinderung, knapp 15 % mit funktionalem Analphabetismus sowie mehr als 20 % mit Migrationshintergrund. Einem barrierefreien Zugang zur Bibliothek und ihren Medien kommt daher auch in Anbetracht einer älter werdenden Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zu. Obwohl die bauliche Barrierefreiheit mittlerweile in zahlreichen DIN-Normen festgehalten ist, stehen inhaltliche Regelungen weitgehend aus. Dabei sind es vor allem fünf Fragen, die sich ein behinderter Mensch im Zusammenhang mit der Nutzung einer Bibliothek stellt:

  1. Wie erreiche ich die Bibliothek?
  2. Wie kann ich mich in ihr bewegen?
  3. Wie und an welchen Plätzen kann ich arbeiten?
  4. Wie finde ich in der Bibliothek Ansprechpartner/innen?
  5. Wie kann ich die Infrastruktur nutzen?

Anhand dieser Fragen zeigte Herr Strutz an verschiedenen Beispielen, wie Bibliotheken durch ein modernes Informations- und Leitsystem oder behindertengerechte Möbel (z.B. im Informations- und Thekenbereich) die Definition eines Zugänglichkeitskonzepts umsetzen, welches die differenzierten Belange unterschiedlicher Behindertengruppen berücksichtigt, und er illustrierte am Beispiel der Landesbibliothek Schwerin, wie diese in den Bereichen Erreichbarkeit, Aufenthaltsqualität, Orientierung in der Bibliothek sowie Zugänglichkeit zu den Medien und Informationsressourcen die barrierefreie Bibliothek umsetzt.

„Die Gestaltung hybrider Räume in Bildungs- und Kultureinrichtungen“ war Thema des Vortrags von Frau Janin Präßler (Stadtbibliothek Treptow-Köpenick), der sich anhand zahlreicher aktueller Praxisbeispiele speziell mit der Präsenz elektronischer Medien im Benutzungsbereich der Bibliothek und deren angemessener Präsentation und Wahrnehmung beschäftigte. So wurden vor allem in öffentlichen Bibliotheken Konzepte entwickelt, um die Teilhabe der Nutzer/innen an den digitalen Medien zu erhöhen. Der nutzungsorientierte oder pragmatisch-funktionale Ansatz setzt auf eine Erhöhung der Benutzung digitaler Bestände im physischen Raum. Hierzu wird die „visuelle Lücke“ der digitalen Medien durch Aufkleber, physische Platzhalter oder durch die Verknüpfung mittels QR-Codes oder digitaler Zeitschriftenauslagen gefüllt. Der imageorientierte Ansatz versucht hingegen, elektronische Medien und deren Endgeräte in einem visuell und ausstattungstechnisch sich vom übrigen Bibliotheksraum abgrenzenden Szenario zu präsentieren und der Bibliothek damit ein modernes, innovatives Image zu verleihen. Eine eher indirekte Form der Sichtbarmachung elektronischer Inhalte wird mit dem vermittlungsorientierten Ansatz gewählt, bei dem der Schwerpunkt vorrangig auf der Vermittlung von Wissen und der Beratung im Einsatz mobiler Endgeräte liegt. Der spielerisch-interaktive Ansatz zielt darauf ab, die Nutzer/innen aktiv in die Präsentation digitaler Medien einzubeziehen. Zu diesem Zukunftsfeld der virtuellen Präsentation zählen neben komplexen Visualisierungslösungen auch Kiosk-Systeme und gestengesteuerte Präsentationssysteme sowie Download-Stationen. Die zukünftigen Trends der Präsentation elektronischer Medien im physischen Raum werden wohl in den Bereichen der „augmented reality“ oder angereicherten Realität sowie in der digitalen Visualisierung liegen, welche den Nutzer oder die Nutzerin noch stärker interaktiv einbeziehen werden.

Der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Neubau der Universitätsbibliothek Freiburg wurde von Herrn Dr. Ralf Ohlhoff (UB Freiburg) in seinem Vortrag „Informelles und kommunikatives Lernen auf 6 Stockwerken – Das Parlatorium der Universitätsbibliothek Freiburg“ vorgestellt. Der 2015 bezogene Neubau mit 24/7-Öffnung verfügt über 1.700 Arbeitsplätze, die auf insgesamt sechs Etagen jeweils in einen stillen Lesebereich und einen offenen und durch mobiles Mobiliar flexibel gestaltbaren Lern- und Kommunikationsbereich – „Parlatorium“ – unterteilt sind. Das Parlatorium mit 500 Arbeitsplätzen vereinigt Flächen zum informellen Lernen mit Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten. Nach knapp drei Jahren zeichnen sich bereits erste Erfahrungen mit diesem Raumkonzept ab: So wurde in einigen Bereichen die freie Aufstellung des Mobiliars durch deren Fixierung bereits wieder eingeschränkt. Auch erwiesen sich sowohl die Raumkapazität als auch die des WLAN-Netzes zu Spitzenzeiten als zu knapp bemessen. Einen entscheidenden Einfluss auf die Raumnutzung hat dabei die Zahl der Stromanschlüsse und deren Verteilung im Gebäude, denn diese beeinflussen wesentlich die Intensität der Raumnutzung und die Verteilung von Personen und mobilen Mobiliar. Auch hat sich gezeigt, dass eine flexible und dynamische Raumgestaltung, um Unordnung und soziale Konflikte zu vermeiden, der regelmäßigen Kontrolle und Durchsetzung von Regeln bedarf.

Einen Überblick über die grundlegenden Anforderungen bei der Planung von Benutzerarbeitsflächen gab Frau Lena Berg (UB München) mit ihrem Beitrag „Vom Einzelcarrel bis zur Gruppenarbeitsfläche – Umgang mit konkurrierenden Nutzungsanforderungen bei Bau und Umbau von Bibliotheken“. Dabei kommt auch in ihren Ausführungen der Option einer flexiblen Raumnutzung eine besondere Bedeutung zu. So konkurrieren oft vielfältige Nutzungsanforderungen, und es müssen neben klassischen Lesesaalflächen Einzelplätze für konzentriertes Arbeiten, Arbeitsflächen zur Langzeitnutzung (Carrels) sowie ausreichend Gruppenarbeitsplätze für geplantes und spontanes gemeinsames Arbeiten berücksichtigt werden (wie Kommunikationszonen, Schulungs- und Veranstaltungsräume) sowie Sonderflächen für behindertengerechte Arbeitsplätze, Eltern-Kind-Räume und Räume für die Arbeit mit dem Altbestand. Wichtige Kriterien bei der Gestaltung einer angenehmen Lern- und Arbeitsatmosphäre sind neben den Lichtverhältnissen und dem Raumklima die Akustik und Lärmbegrenzung sowie die Ergonomie und der Komfort der Möblierung. Auch sollten Freiflächen und Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sein. Die tägliche Praxis hat zudem gezeigt, dass bei allen Raumkonzepten und Arbeitsbereichsplanungen die Anbindung an das Stromnetz und das Internet für die Benutzung mittlerweile essentielle Bedeutung besitzen und die individuelle Raumnutzung durch die Studierenden entscheidend beeinflussen. Diese Anforderungen werden zurzeit auch an der Universitätsbibliothek München beim Bau der Fachbibliothek Philologicum und deren Zonierung in ruhige und „laute“ Bereiche berücksichtigt.

An vielen Bibliotheken herrscht an ausreichenden Lern- und Arbeitsplätzen mittlerweile ein eklatanter Mangel. Insofern nahm sich Prof. Michael Mönnich (KIT Karlsruhe) mit seinem Thema „Erschließung von Lernräumen – technische und organisatorische Aspekte“ einer drängenden Frage des beruflichen Alltags an. Dabei stellte er am Beispiel der zahlreichen, dezentral verteilten Bibliotheken der Universität Karlsruhe das Konzept eines webbasierten Informations- und Buchungssystems für Lernräume vor, welches anhand der Auswertung der WLAN-Access-Punkte die Auslastung der Räume dokumentiert, die Benutzer und Benutzerinnen zu freien Bereichen leitet und das Reservieren von Räumen ermöglicht. Diese Softwarelösung wird mittlerweile auch von anderen Bibliotheken nachgenutzt. Doch nicht nur mit der Erschließung vorhandener Lernräume und der Umwandlung ehemaliger Stellplatz- und Freiflächen geht man in Karlsruhe neue Wege. Innovativ ist auch die kooperative Nutzung von Flächen städtischer Kultureinrichtungen als Co-working Spaces. Beispielsweise wird die Cafeteria des Staatstheaters Karlsruhe in der aufführungsfreien Zeit als Lernraum für Studierende genutzt. Weitere Modellprojekte und Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen begegnen zumindest temporär dem grundsätzlichen Mangel an Lern- und Arbeitsplätzen und bieten sich als Modell auch für andere Hochschulen an.

So bot die Fortbildung ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern an diesem Tag ein vielfältiges Themenspektrum und reichlich Gelegenheit zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch. Wer sich die einzelnen Präsentationen ansehen möchte, der findet diese auf den Veranstaltungsseiten des VDB1.

Rainer Plappert, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H1S60-63