Landes- und Regionalverbände

Regionalverband Südwest

Lernen und Arbeiten im digitalen Zeitalter – die Transformation geht weiter: Bericht zur Jahresversammlung 2018 im KIM der Universität Konstanz

Am 13. April fand die Jahresversammlung des Regionalverbands Südwest des VDB im Kommunikations- und Informationszentrum (KIM) der Universität Konstanz statt.1 Die etwa 30 Teilnehmenden wurden vom Vorsitzenden des Regionalverbands, Dr. Robert Scheuble, begrüßt und eingestimmt. Anschließend ging die leitende Direktorin des KIM, Petra Hätscher, auf die organisatorischen und räumlichen Veränderungen ein, die sich durch die Vereinigung des Rechenzentrums, der Verwaltungs-IT und der Bibliothek der Universität Konstanz zum KIM einerseits sowie durch die umfangreichen Sanierungs- und Umbauarbeiten in der Bibliothek andererseits ergeben haben. Die Institution Bibliothek gibt es nach der Fusion zum KIM nicht mehr, aber die Bibliothek als Ort ist in der Universität nach wie vor präsent und von großer Bedeutung.

Im Anschluss an die Begrüßungen wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen von Oliver Kohl-Frey, dem stellvertretenden Direktor, und Christine Meyer vom Informationsteam des KIM durch die Bibliothek geführt. Der Rundgang begann im neu gestalteten Info-Zentrum. Dort sind ein umfangreicher PC-Pool, der allen Benutzerinnen und Benutzern der Bibliothek zur Verfügung steht, alle Services rund um die Ausleihe und die Beratungstheke untergebracht. Eine ausgedehnte Treppen- und Sitzlandschaft lädt zur Kommunikation, zum Verweilen und Entspannen ein. Die Beratungstheke wird im KIM gemeinsam von IT-Service und Bibliotheksinformation betrieben, allerdings ist der Thekenbereich unterteilt und wird von unterschiedlichem Servicepersonal und mit unterschiedlich langen Servicezeiten besetzt. Beim Gang zu den Buchbereichen fand das virtuelle hybride Regal, das neben den üblichen Recherchesystemen in Konstanz angeboten wird, bei den Gästen größere Aufmerksamkeit.

Die Bibliothek ist täglich 24 Stunden geöffnet, mit Ausnahme des räumlich separaten Buchbereichs für die Naturwissenschaften, dessen Öffnungszeiten kürzlich wegen geringer Nutzung in der Nacht auf täglich 8 bis 23 Uhr reduziert wurden. Nach der Sanierung bietet die Bibliothek ihre Bestände wieder fast komplett in vier großen Buchbereichen in Freihandaufstellung an und stellt über 1.600 Leseplätze zur Verfügung. Unterschiedliche Formen von Arbeitsplätzen findet man in den verschiedenen Buchbereichen. So wurde ein „klassischer Lesesaal“ in einem Übergang zwischen den Buchbereichen S und G gestaltet, um den langgestreckten schmalen Raum sinnvoll nutzen zu können. An einem einzigen sehr langen, nahezu raumfüllenden Arbeitstisch sitzen sich die Lesenden und Arbeitenden gegenüber, dabei sorgt die soziale Kontrolle für eine ruhige Arbeitsatmosphäre. Auch im Buchbereich J sind die Arbeitsräume von der Buchaufstellung separiert, hier allerdings auf allen Etagen. Nachdem anfangs die Arbeitenden frei wählbar die Räume zur Gruppen- oder Einzelarbeit nutzen konnten, wurden auf Wunsch inzwischen fast alle Stockwerke einer bestimmten Nutzung zugeordnet. Der Schulungsraum der Bibliothek befindet sich etwas abgelegen neben einem Kartenleseraum im Untergeschoss des Buchbereichs S und ist auch von anderen buchbar. Im Untergeschoss des Buchbereichs G beherbergt das KIM Konstanz in einem geschlossenen Magazin einen bedeutenden Buchbestand der Stadt Konstanz, die Wessenberg-Bibliothek.

Beim Rückweg in das Info-Zentrum konnte das neu eingerichtete, in die Bibliothek integrierte, aber schalldicht in Glas eingeschlossene Café bewundert werden, das von „Seezeit“, dem Studierendenwerk am Bodensee, betrieben wird. Dorthin kann man sich für Gespräche zurückziehen und sogar eigenes Essen mitbringen. In den Buchbereichen dagegen ist Essen nicht erlaubt. Der Rundgang wurde durch einen Abstecher in die Mediothek abgerundet, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Info-Zentrum liegt. Dort stehen eine eigene Beratungstheke sowie ein MediaLab zur Verfügung. Auch der Rara-Lesesaal der Bibliothek ist in die Mediothek integriert.

Abb. 1: Blick auf die Treppen- und Sitzlandschaft im neugestalteten Info-Zentrum der Bibliothek des KIM der Universität Konstanz

Den Vortragsteil am Nachmittag eröffnete Prof. Dr. Tom Becker (TH Köln) mit einem Beitrag zum Thema „Arbeit 4.0 – Agile Arbeit: Arbeit, die zum Leben passt?“. Zunächst ging es dabei um die Annäherung an den Begriff des sogenannten agilen Arbeitens bzw. der Arbeit 4.0. Der Begriff „Arbeit 4.0“ beschreibt laut dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen „Grünbuch Arbeiten 4.0“ weniger die in den Betrieben vorherrschende Normalität, sondern vielmehr die zukünftigen Perspektiven und Gestaltungschancen. Arbeiten 4.0 soll außerdem an die vierte industrielle Revolution (= Industrie 4.0) anknüpfen.2 Im Anschluss an die Begriffsdefinition stellte Becker die Frage, ob wir agile Kundinnen und Kunden in einer agilen Gesellschaft haben. Agiles Arbeiten hat viel mit Digitalisierung zu tun. Aber nur maximal die Hälfte der Bevölkerung kann überhaupt beim Thema Digitalisierung mitreden. Dabei findet weder eine systematische Wissensaneignung statt noch besteht größeres Interesse an Fortbildung im digitalen Bereich. Über 60 % der Nutzertypen sind nicht im Bereich der digitalen Vorreiter unterwegs, sondern sind größtenteils „konservative Gelegenheitsnutzer“ oder gar „Offliner“.3 Hierbei schlägt sich auch der allgemeine demografisch-technische Wandel nieder. In einem nächsten Schritt stellte Becker die Frage nach agilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in agilen Bibliotheken. Im Jahr 2014 veranstaltete der Berufsverband Information Bibliothek e.V. (BIB) eine Mitgliederbefragung, aus der hervorging, dass sich die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag im persönlichen Arbeitsumfeld zeigen. Es besteht z.B. Unsicherheit über die Fragen, für welche Zielgruppen man überhaupt Services anbietet oder wohin eigentlich die Strategie des Hauses geht. Die sich daran anschließende nächste Frage lautete daher: Agile Bibliotheken in agilen Strukturen? Laut Becker hat Agilität die drei folgenden strukturellen Anknüpfungspunkte: Rahmenbedingungen agilen Arbeitens, der agile Arbeitsplatz und agile Arbeits- und Führungskultur. Zu den Rahmenbedingungen agilen Arbeitens zählen unter anderem flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Telearbeit, breite Fort- und Weiterbildung oder Jobsharing. Den agilen Arbeitsplatz zeichnen z.B. eine adäquate Infrastruktur für kollaboratives Arbeiten, Desksharing und Carrels aus. Eine agile Arbeits- und Führungskultur wird durch wechselnde kleine Teams, die agil zu arbeiten lernen, flache Hierarchien, gute Fehlerkultur und Besprechungskultur gekennzeichnet. Schließlich ermöglicht agile Arbeit laut Becker „zeitliche und räumliche Flexibilität, berücksichtigt individuelle Arbeitsweisen und unterstützt Mitarbeitende dabei, ihre Arbeit optimal auszuführen“. Letztendlich aber erfordert agile Arbeit eine individualisierte Personalpolitik, die z.B. flexible Arbeitsmodelle und nicht-lineare Karrieremodelle ermöglicht, Dialog fördert und sich für eine Vermittlung zwischen Teamaktivität und Unternehmensstrategie einsetzt. Becker bezog immer wieder die Zuhörenden in seinen Vortrag mit ein und diese nahmen die Gelegenheit zur Diskussion lebhaft wahr. Gerne hätte man einzelne Aspekte noch weiter zusammen vertieft, aber der Zeitrahmen war leider begrenzt. Es wird daher zu diesem Thema am 8. Februar 2019 in der PH Freiburg einen ganztägigen Workshop geben.

Im zweiten Vortrag stellten Hedda Kuban (BSZ Konstanz) und Dr. Renke Siems (UB Tübingen) eine Fortbildungsinitiative in Baden-Württemberg unter dem Titel „Vernetztes Lernen“ vor. Ausgangslage für die Initiative war, dass das Berufsfeld Bibliothek einer großen Dynamik unterliegt, die Personalentwicklung dem aber nicht genügend Rechnung trägt. In Baden-Württemberg fehlt zudem eine übergreifende Fortbildungsinfrastruktur. Nachdem die jährliche Fortbildung der baden-württembergischen wissenschaftlichen Bibliotheken zum letzten Mal 2015 in Oberwolfach stattfinden konnte, gründete die AG der Bibliotheksdirektorinnen und -direktoren wissenschaftlicher Bibliotheken in Baden-Württemberg (AG BibDir) 2016 die AG Weiterbildung, die spartenübergreifend besetzt wurde. Die AG Weiterbildung sollte unter Rückkoppelung mit dem Arbeitskreis Benutzung und Fortbildung bis Ende 2017 ein Konzept erarbeiten und der AG BibDir vorlegen. Sie setzte darin den Fokus auf die Themenfelder „IT, Daten, Prozesse“, „Führung und Leitung“, „Benutzung“ sowie „Neue Services“ und schlug als Format neben Inhouse-Schulungen, kollegialer Beratung, kurzen externen Workshops und größeren externen Modulen auch eine Wiederaufnahme des Klausurformates in gestraffter Form („Oberwolfach II“) vor.

Als gemeinsame Infrastruktur für Fortbildungen in Baden-Württemberg soll eine Koordinierungsstelle beim BSZ eingerichtet werden. Dafür wird ein Projekt „Weiterbildungskoordination für Baden-Württemberg“ beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für eine Laufzeit von drei Jahren beantragt. Im Rahmen des Projekts sollen die Koordinierungsstelle mit Webpräsenz etabliert, ein Kursprogramm und ein Geschäftsmodell entwickelt und die ersten Weiterbildungsveranstaltungen organisiert werden. Aufgaben der Koordinierungsstelle werden Organisation und Verwaltung rund um die Fortbildungsformate und -veranstaltungen sein. Im Anschluss an den Vortrag wurden die verschiedenen Fortbildungsformate und Synergiemöglichkeiten mit anderen Fortbildungsangeboten diskutiert und nach der Offenheit des Angebots gefragt. Baden-württembergische Bibliothekarinnen und Bibliothekare sollen zwar bevorzugt Plätze bei den Fortbildungen erhalten, aber auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern werden zugelassen.

Abb. 2: Bei der Führung durch die Bibliothek des KIM der Universität Konstanz.

In ihrem Vortrag zum Thema „Lernen am Arbeitsplatz“ ging Prof. Cornelia Vonhof (HdM Stuttgart) anschließend weit über die Welt der Bibliotheken hinaus. Sie stellte Modelle aus Wirtschaftsunternehmen vor, die Nachhaltigkeit des Lernens längst als Wettbewerbsvorteil sehen und sich zu „lernenden Unternehmen“ entwickeln. Die Prinzipien dabei basieren auf der Erkenntnis, dass Arbeiten und Lernen im Betrieb nicht voneinander trennbar sind. Unternehmen müssen daher für eine Arbeitsumwelt sorgen, in der soziales Lernen, das Teilen von Wissen und in die tägliche Arbeit eingebettetes Lehren und Lernen optimal möglich sind. Die Formen des Lernens am Arbeitsplatz lassen sich in einem 70:20:10-Modell beschreiben. 70 % der Lernaktivitäten finden „on the job“ während des Arbeitsprozesses statt, 20 % basieren auf dem Austausch mit Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen oder in Gremien und Netzwerken und nur 10 % finden in Weiterbildungskursen, -seminaren und -trainings statt. Diesen Proporz der Lernaktivitäten kann man nicht vorschreiben, aber der große Anteil an Fortbildung außerhalb von Kursen und Seminaren sollte ermöglicht und gefördert werden. Das Internet gewinnt dabei eine immer größere Bedeutung für Vernetzung und Erfahrungsaustausch.

In einer Trendstudie zum „Corporate Learning“ 2017 wurde nach der Bedeutung verschiedener Lernformen in Unternehmen gefragt. Die Vortragende stellte vier wichtige der dort genannten Lernformen vor. Im „Blended Learning“ können Online-Lernaktivitäten strukturell mit Präsenztraining auf verschiedene Weise kombiniert und verknüpft werden. Das „Microlearning“ bietet in flexiblen Kurzformaten Wissenshäppchen („Learning Nuggets“) arbeitsplatznah oder arbeitsplatzintegriert an, z.B. als Subskription von E-Mail-Kursen. Besonders im „Social Learning“, dem informellen und selbstorganisierten Lernen, wird die Lernaktivität durch Aktivitäten unterstützt, die die Mitarbeitenden auch häufig in ihrer Freizeit nutzen: Social Media und soziale Netzwerke. „Performance Support“ beinhaltet kontextgebundene Lerneinheiten, Ressourcen und Hilfsmittel in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit direkt am Arbeitsplatz.

Abschließend beleuchtete Vonhof die Möglichkeiten, wie Bibliotheken mit dem Modell 70:20:10 starten können: durch Bestandsaufnahme der Aktivitäten, insbesondere bei den 70:20-Feldern, und durch Konzeption von Interventionen, die sich an dem Modell orientieren. Sie betonte, dass auch Bibliotheken nur mit weitergebildetem Personal erfolgreich sein können und dass die Entwicklung nicht allein von der Führungsebene aus gesteuert werden kann. In Hinsicht auf „Weiterbildung 4.0“ bzw. „Lernen 4.0“, angelehnt an den Begriff „Arbeit 4.0“, ist einiges zu tun. Nicht nur die Mitarbeitenden müssen Kompetenzen im Spannungsfeld von Selbstlernen und Kollaboration, Austausch und Selbstorganisation erlangen. Auch die Rahmenbedingungen für ein nutzbringendes Lernen müssen durch das Angebot einer Vielfalt von Methoden und geeigneter virtueller und realer Räume geschaffen werden. Im Plenum wurden im Anschluss an den Vortrag lebhaft die Möglichkeiten zur Umsetzung von Selbstlernen und kollaborativem Lernen diskutiert. Vonhof wies darauf hin, dass viele Tools auf dem Markt sind, die Bibliotheken nachnutzen sollten, da die Bibliotheksbranche für Eigenentwicklungen zu klein ist.

Die Jahresversammlung schloss mit der Mitgliederversammlung des VDB-Regionalverbands Südwest, bei der in diesem Jahr wieder Wahlen durchgeführt wurden. Der Vorstand wurde dabei in der bisherigen Zusammensetzung von der Mitgliederversammlung bestätigt. Für die Unterstützung bei Organisation und Durchführung der Jahresversammlung vor Ort sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des KIM Konstanz ganz herzlich gedankt. Im Anschluss an die Jahresversammlung traf man sich noch zum gemütlichen Beisammensein und Austausch im Lokal „Hafenhallen“ am Seeufer.

Maria Gramlich, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Imma Hinrichs, Universitätsbibliothek Stuttgart

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H4S310-314

1 Das Programm der Jahresversammlung und die Präsentationen zu den Vorträgen können auf der Veranstaltungsseite abgerufen werden: <https://www.vdb-online.org/veranstaltungen/759/>, Stand: 17.11.2018.

3 Vgl. D21-Digital-Index 2017/18, <https://initiatived21.de/app/uploads/2018/01/d21-digital-index_2017_2018.pdf>, Stand: 17.11.2018, Abb. auf S. 35.