Personalia

Zum Tod von Hannsjörg Kowark (1951 – 2018),
Direktor der Württembergischen Landesbibliothek

Am 14. Juni 2018 starb überraschend Hannsjörg Kowark, der amtierende Leiter der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) Stuttgart.1

Hannsjörg Kowark hatte nach dem Studium der Geschichte und Germanistik in Stuttgart und Paris das Bibliotheksreferendariat in Tübingen absolviert und seine Abschlussarbeit über Georg Leyh verfasst, der die Tübinger Universitätsbibliothek von 1921 bis 1947 geleitet hatte. Im Anschluss führte ihn seine Berufslaufbahn an die Universitätsbibliothek Freiburg – zuletzt als Erwerbungsleiter und stellvertretender Direktor. 1999 wechselte er von dort nach Stuttgart und übernahm die Leitung der Landesbibliothek.

Abb.: Dr. Hannsjörg Kowark

Sein weit gespanntes historisches und kulturelles Interesse, das er in den Dienst der Bibliothek stellte, prädestinierte ihn neben seinen breiten bibliothekarischen Arbeits- und Leitungserfahrungen für die Leitung einer großen Landesbibliothek. Überhaupt war es Hannsjörg Kowarks oberstes Ziel, die WLB zu entwickeln und ihre Sichtbarkeit in der Stadt und im Land zu erhöhen. Es ging ihm dabei aber stets um die Institution – er war das Gegenteil eines Selbstdarstellers, der seine Person oder seine Verdienste in den Vordergrund gespielt hätte.

In seine Amtszeit fallen viele sehr gut rezipierte Ausstellungen mit bleibenden Katalogen und Vortragsveranstaltungen. Aber auch mit anderen „Events“ – besonders ist die aktive Teilnahme der WLB an der Stuttgarter Nacht der Museen zu nennen – setzte er die Bibliothek, teils mit ausgewählten Musikgruppen, auch für weniger bibliotheksaffine Publikumsschichten in Szene.

In der baden-württembergischen Arbeitsgruppe der Landes- und Universitätsbibliotheken kommen, wie es der Name sagt, die Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Sparten zusammen. Die beiden Landesbibliotheken kooperieren bei ihren Aufgaben. Hannsjörg Kowark hat sich gemeinsam mit der Badischen Landesbibliothek beispielsweise schon sehr früh stark für das elektronische Pflichtexemplarrecht eingesetzt. Intensivere Zusammenarbeit gibt es zwischen den alten Universitätsbibliotheken und den Landesbibliotheken etwa im Tresor-Projekt zur Digitalisierung der historischen Bestände, an dem die WLB aktiv mitwirkt.

Dass wissenschaftliche Bibliotheken gemeinsam agieren müssen und dass die Landesbibliotheken eine – oft unterschätzte – Rolle für die universitäre Literaturversorgung haben, war Hannsjörg Kowark sehr wichtig. Trotz seiner eher ruhigen, zurückhaltenden, reflektierten Art konnte er energisch Einspruch erheben, wenn er die Belange der Landesbibliotheken im Kreis der Kolleginnen und Kollegen oder bei anderen Entscheidungen nicht berücksichtigt sah.

Die Doppelfunktion beider Bibliotheken, aber sicher auch Hannsjörg Kowarks Frankophilie und die perfekte Beherrschung der französischen Sprache, motivierten die besondere Partnerschaft der Württembergischen Landesbibliothek mit der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg (BNUS). Eine Partnerschaft, die nicht nur auf dem Papier stand, sondern gelebt wurde – mit Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Teilnahmen an wichtigen Veranstaltungen der Partnerbibliothek und der Erarbeitung gemeinsamer Ausstellungen.

Aufmerksam begleitete Hannsjörg Kowark auch die Sanierung der BNUS, mit der sich die Partnerbibliothek an neue Herausforderungen anpasste. Selbst arbeitete er mit Nachdruck und großer Hartnäckigkeit am Projekt eines Erweiterungsbaus für die Württembergische Landesbibliothek, um der in den 1970er Jahren errichteten Bibliothek nicht nur dringend benötigten Magazinraum, sondern vor allem die Möglichkeit zu geben, Bestände in offenem Zugang zu präsentieren und moderne Nutzerarbeitsplätze zu schaffen.

Es ist tragisch, dass Hannsjörg Kowark die für 2019 avisierte Eröffnung des Erweiterungsbaus nun nicht mehr selbst erleben kann. Dass es diesen Bau gibt – und dass wichtige Weichen für eine Sanierung der „alten“ WLB bereits gestellt wurden – das ist jedoch ein bleibendes Verdienst von Hannsjörg Kowark, der nicht müde wurde, Mitstreiter zu suchen und die Bedeutung dieses Unternehmens für die Zukunft der WLB in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Verfasserin dieses Nachrufs hatte Hannsjörg Kowark schon in seiner Freiburger Zeit kennengelernt, als sie sich über die Möglichkeiten der bibliothekarischen Laufbahn informierte. Auch bei weiteren Stationen folgten immer wieder Begegnungen, und als Mitglied des Auswahlgremiums war er an ihrem Wechsel nach Tübingen nicht ganz unbeteiligt. So ist der Verlust des Kollegen ein auch persönlich herber Schlag gewesen.

Wer Hannsjörg Kowark besser kannte, wird ihn als aufrechten, gebildeten, immer unprätentiösen und feinsinnig humorvollen Menschen in Erinnerung behalten, der – bei einem Frankophilen nicht ganz unerwartet – auch gutes Essen und Trinken schätzen konnte. Er wird uns fehlen.

Marianne Dörr, Universitätsbibliothek Tübingen

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H4S315-316

1 Bei einer berührenden Gedenkfeier im Juli in der WLB wurde aus unterschiedlichen Perspektiven (dem Ministerium, dem Kollegenkreis, der Bibliotheksgesellschaft, der französischen Partnerbibliothek und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) an Hannsjörg Kowark erinnert. Für die Arbeitsgemeinschaft der Landes- und Universitätsbibliotheken in Baden-Württemberg hielt die Verfasserin die Gedenkrede, an der sich auch dieser Nachruf orientiert.