Praxishandbuch Open Access

/ herausgegeben von Kon­stanze Söllner und Bernhard Mittermaier. – Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2017. – X, 352 Seiten : Illustrationen. –(De Gruyter Reference). – ISBN 978-3-11-049406-8 : EUR 119,95 (auch als E-Book verfügbar, Open Access)

Bereits seit vielen Jahren erscheinen bei De Gruyter sogenannte „Praxishandbücher“, u.a. auch diverse Titel aus dem bibliothekarischen Bereich. Das hier besprochene „Praxishandbuch Open Access“ besteht aus 38 Einzelbeiträgen von insgesamt 40 beteiligten Autor/inn/en, die sich auf 352 Seiten verteilen. Im Vorwort formulieren Konstanze Söllner und Bernhard Mittermaier den Anspruch des Praxishandbuchs, „eine Einführung in das Open-Access-Publizieren sowohl aus der Perspektive der Publizierenden als auch aus der Perspektive der beteiligten Institutionen“ zu bieten. Zudem wende es sich „an alle, die den barrierefreien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen als ihr Anliegen sehen und die Open Access bereits jetzt praktizieren oder künftig in unterschiedlichen Rollen dazu beitragen wollen“. Schaut man sich die Autor/inn/en des Praxishandbuchs näher an, dann ist die Perspektive der beteiligten Institutionen (v.a. Bibliotheken, aber auch Forschungsförderer und Verlage) sehr gut und mit viel Expertise vertreten, während die Perspektive der Publizierenden eher mittelbar über die Ergebnisse von Umfragen und Studien einfließt.

Inhaltlich ist das Praxishandbuch in die folgenden acht Themenfelder unterteilt:

1. Rahmenbedingungen

2. Geschäftsmodelle

3. Finanzierungsstrategien

4. Internationale Situation

5. Fachspezifische Perspektive

6. Infrastrukturen und Werkzeuge

7. Empfehlungen für Workflows

8. Data Publishing und Open Access

Wirft man einen genaueren Blick auf die Themenfelder, stellt man fest, dass diese unterschiedlich stark mit Aufsätzen unterlegt sind: So finden sich bei den „Rahmenbedingungen“ acht und bei den „Finanzierungsstrategien“ gar neun Einzelbeiträge, während „Empfehlungen für Workflows“ und „Data Publishing und Open Access“ jeweils nur einen Beitrag enthalten. Dadurch wirkt das Praxishandbuch von seinen Schwerpunkten her etwas windschief, zumal die ohnehin schon stark mit Beiträgen unterfütterten Themenfelder „Geschäftsmodelle“ und „Finanzierungsstrategien“ starke Überlappungen aufweisen. Vor diesem Hintergrund vermisst man einen längeren quasi rahmengebenden Aufsatz, der die inhaltliche Gliederung des Praxishandbuchs erläutert und damit einen roten Faden liefert, um die Anordnung der Einzelbeiträge und die Zuordnung der Beiträge zu einem bestimmten Themenfeld im Einzelfall besser nachvollziehen zu können.

Kommen wir nun zu den einzelnen Themenfeldern:

1. Rahmenbedingungen

Die hierunter versammelten acht Beiträge adressieren Grundsätzliches („Warum und für wen Open Access?“), skizzieren die historische Entwicklung („Ursprünge und Entwicklung von Open Access“), beschreiben das Instrument der Open Access Policies, gehen auf den Zusammenhang von Open Access und Reputationssysteme ein, liefern eine bibliometrische Studie zum Zitationsvorteil von Open Access, beschreiben rechtliche Aspekte, definieren Standards und Best Practices und skizzieren die Rolle von Bibliotheken im Kontext von Open Access (ein sehr lesenswerter Beitrag von Wolfram Horstmann).

Obwohl die meisten Beiträge gut geschrieben sind, wirkt die Zusammenfassung unter der inhaltlichen Klammer „Rahmenbedingungen“ etwas wahllos. Zudem hätte man sich hier auch Beiträge zu den Open-Access-Strategien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) oder der deutschen Bundesländer gewünscht oder zu wichtigen Playern der Open-Access-Bewegung in Deutschland (wie dies z.T. in den Beiträgen aus dem Ausland im Themenfeld 4 gut umgesetzt wird).

2. Geschäftsmodelle und 3. Finanzierungsstrategien

Diese beiden Themenfelder weisen große inhaltliche Überlappungen auf bzw. gehen sogar ineinander über. Zudem erscheint die Zuordnung der insgesamt 15 Einzelbeiträge nicht immer plausibel, weshalb hier beide Themenbereiche zusammen betrachtet werden. Hier finden sich gute und z.T. sehr lesenswerte Beiträge zu allen relevanten Aspekten von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen (z.B. Publikationsgebühren und deren Abrechnung, Publikationsfonds; Hybrider Open Access; Offsetting- und Transformationsverträge; Crowdfunding- und Beitragsmodelle sowie institutionelle Mitgliedschaften). Insbesondere die Beiträge von Kai Geschuhn zu Offsetting und von Bernhard Mittermaier zum hybriden Open Access sind sehr anschaulich und nachvollziehbar geschrieben.

4. Internationale Situation

Die vier Beiträge bieten in Summe einen guten Überblick zur historischen Entwicklung und zur aktuellen Situation von Open Access in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und in Großbritannien. Hier wird auch jeweils deutlich, welchen (großen) Stellenwert die Wissenschaftspolitik jeweils für die Umsetzung im wissenschaftlichen Publikationssystem hat. Der Beitrag aus Österreich zeigt überdies sehr schön, welche aktive Rolle bibliothekarische Netzwerke bei der Ausgestaltung von Open Access einnehmen können.

5. Fachspezifische Perspektiven

Zur Darstellung der fachspezifischen Publikationskulturen finden sich insgesamt fünf Beiträge. Behandelt werden die MINT-Fächer, die Lebenswissenschaften, die Geowissenschaften, die Sozial- und die Geisteswissenschaften. Die Beiträge verdeutlichen, dass die Ausgestaltung von Open Access entscheidend vom Publikationsverhalten innerhalb einer Disziplin abhängt und sich daher die Rahmenbedingungen zwischen den Geisteswissenschaften, den Sozialwissenschaften und den Lebenswissenschaften stark unterscheiden. Bei den fünf Beiträgen hätte man sich manchmal einheitliche Gliederungsvorgaben gewünscht; so wählt jede Autorin bzw. jeder Autor einen anderen Ansatz zur Beschreibung der Situation im eigenen Fach. Dies geht zu Lasten der Vergleichbarkeit der Beiträge. Zudem gibt es z.T. doppelte Beschreibungen zu einzelnen Fächern (etwa der Biologie), während beispielweise die Wirtschaftswissenschaften, ein Fachbereich mit vielen Studierenden und großen Lehrstühlen, gar nicht behandelt werden. Dennoch vermitteln die Beiträge in Summe einen guten Eindruck von der Vielschichtigkeit der Publikationskulturen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Umsetzungsintensitäten von Open Access.

6. Infrastrukturen und Werkzeuge

Unter dieser Überschrift sind vier sehr unterschiedliche Beiträge versammelt: Zwei Beiträge befassen sich mit Softwarelösungen (je einmal für Open-Access-Journals und für Publikationsrepositorien), ein Artikel behandelt Informations- und Qualitätssicherungswerkszeuge und ein weiterer die Rolle von Metadaten von Open-Access-Publikationen.

Nicht richtig in dieses Kapitel passt der Beitrag zur Journalsoftware, in dem die Idee des Self-Pub­lishing im Vordergrund steht. Mit einem entsprechend angepassten Titel hätte dieser Beitrag gut zum Themenfeld Geschäftsmodelle gepasst. Demgegenüber leistet der Beitrag von Gernot Deinzer einen guten Überblick zu den Angeboten an Repositoriensoftware und deren Umfeld.

7. Empfehlungen für Workflows

Zu diesem Themenfeld findet sich leider nur ein einziger Beitrag; dieser befasst sich mit Workflows im Kontext von Publikationsgebühren. Hier hätte man ergänzend auch darstellen können, über welche Workflows z.B. Open-Access-Publikationen im Bibliothekskatalog nachgewiesen werden können oder wie Workflows im Kontext von Offsetting-Verträgen gestaltet werden sollten.

8. Data Publishing und Open Access

Auch hier findet sich nur ein einziger Beitrag zum Themenfeld. Der Text von Hans Pfeiffenberger ist zwar sehr informativ geschrieben, fokussiert allerdings vorrangig auf den Aspekt des Data Publishing; der Open-Access-Bezug wird dagegen nicht ganz klar. Zudem bezieht sich der Beitrag nur auf naturwissenschaftliche Forschungsdaten und geht auf die sozial- und geisteswissenschaftlichen Besonderheiten (etwa die teilweise personenbezogenen Daten in der Sozial- und Wirtschaftsforschung) nicht weiter ein. Gerade diese sind aber mit ein Grund dafür, dass Open Access im Bereich der Forschungsdaten nur sehr eingeschränkt umsetzbar ist und daher vielmehr die Umsetzung und Einhaltung der FAIR-Prinzipien bedeutend sind.

Fazit

Das „Praxishandbuch Open Access“ enthält viele gute Einzelbeiträge, zudem sind einige Themenfelder über ihre Einzelbeiträge insgesamt gut aufbereitet – hier sind v.a. die Geschäfts- und Finanzierungsmodelle und die Beiträge zur internationalen Situation hervorzuheben. Dennoch bleibt bei der Lektüre des Praxishandbuchs insgesamt der Eindruck eines fehlenden roten Fadens bzw. einer fehlenden schlüssigen Gesamtgliederung. Gerade dies würde man als Leser/in eines solchen Überblickswerks erwarten.

Zudem passt das Geschäftsmodell des Praxishandbuchs als gedruckte Ausgabe plus kostenpflichtiges E-Book naturgemäß nicht zur Open-Access-Philosophie (darauf hatte auch schon einer der Autoren, Ulrich Herb, in einem separaten Blogbeitrag hingewiesen)1. Allerdings haben hier lobenswerterweise viele Autor/inn/en des Buchs in Eigenregie ihre Beiträge als Autorenfassung frei zugänglich gemacht.2 Darüber hinaus bietet De Gruyter die Online-Version des Buchs nach Ablauf einer zwölfmonatigen Embargofrist mittlerweile auch im Open Access an.3

Es bleibt abschließend die Frage, ob die anvisierte Zielgruppe der Open-Access-Praktizierenden nicht besser mit einem Living Handbook bedient werden könnte, dessen Beiträge aktualisierbar sind.4 Dies würde die dynamische Entwicklung beim Thema Open Access flexibler aufgreifen und zudem eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Plattform open-access-net5 darstellen.

Olaf Siegert, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H3S180-183

1 Herb, Ulrich: Darf man in einem Buch zu Open Access publizieren, das 119,95 € kostet?, scinoptica, 03.06.2017, <https://scinoptica.com/2017/06/darf-man-in-einem-buch-zu-open-access-publizieren-das-11995-e-kostet>, Stand: 07.08.2018.

2 Vgl. die Übersicht unter <https://pad.okfn.org/p/Praxishandbuch_Open_Access>, Stand: 07.08.2018.

3 Open-Access-Version: <https://doi.org/10.1515/9783110494068>.

4 Als ein Beispiel mag hier z.B. das Handbuch zum Thema Erzähltheorie dienen, welches von der Universität Hamburg herausgegeben wird: Hühn, Peter (Hg.): The living handbook of narratology, Hamburg. Online: <http://www.lhn.uni-hamburg.de/>, Stand: 07.08.2018.

5 Open Access. Der freie Zugang zu wissenschaftlicher Information, <https://open-access.net>, Stand: 07.08.2018.